Home Formel EinsF1 Formel Eins: Warum Ferrari den WM-Kampf verliert

Formel Eins: Warum Ferrari den WM-Kampf verliert

von DonDahlmann
1 Kommentare

Die Art und Weise, wie Ferrari in der zweiten Saisonhälfte den Titel verspielt hat, ist atemberaubend. Aber bei näherer Analyse vielleicht gar nicht so überraschend.

Der WM-Titel für Ferrari ist weg. Zwar hat man rechnerisch noch Chancen auf den Fahrer-Titel, aber dafür müsste Lewis Hamilton schon dreimal ausfallen und ein extrem schlechtes Rennen in Abu Dhabi haben. Damit ist nicht zu rechnen. In der Team-WM sieht es nur wenig besser aus, auch hier müsste Mercedes plötzlich Doppel-Ausfälle beklagen. Das hatten wir lange nicht mehr, schon gar nicht zwei Mal hintereinander.

Die Frage ist eigentlich, wie es dazu kommen konnte. Denn gefühlt war Ferrari in diesem Jahr immer ein wenig besser unterwegs. Aber stimmt das? Und was hat der Tod von Sergio Marchionne damit zu tun?

Wer ist besser? 
Vergessen wir mal für einen Moment die letzten Rennen in Italien, Singapur, Russland und Japan und schauen nur auf die erste Saisonhälfte. In Australien hat Mercedes das Rennen wegen eines Strategiefehlers verloren, obwohl man bequem an der Spitze lag. In der Quali düpierte man die Ferrari um sage und schreibe 0,6 Sekunden. Trotz des Fehlers war danach Mercedes der klare Favorit für die folgenden Rennen. Aber dann kam es anders. In Bahrain lag Vettel vorne, auch wenn er sich gegen Bottas nur knapp durchsetzen konnte. In China würfelte ein Safety Car die Spitze durcheinander.

Baku war ein chaotisches Rennen, bei dem Vettel sich einen Fehler erlaubte. Aber die Quali zeigte, dass Ferrari auf einer Strecke, die eigentlich als „Mercedes-Strecke“ galt, plötzlich einen Hauch besser war. In Spanien lag Hamilton knapp vorne, Ferrari erlaubte sich einen Strategiefehler. In Monaco hatten beide Teams nichts gegen die Red Bull zu melden. So weit, so ausgeglichen bis dahin. Wie so oft, wurde es im Sommer interessant.

In Kanada setzte sich, etwas überraschend, Ferrari durch. Nur knapp, aber das Ferrari überhaupt in der Lage war die Mercedes dort zu schlagen, war schon überraschend. In Frankreich erlaubte sich Vettel seinen zweiten Lapsus, als er in der ersten Runde Bottas abräumte. Generell waren die Mercedes aber hier wieder deutlich besser. Dafür folgte in Österreich ein Desaster für Mercedes, als beide Autos das Rennen nicht beenden konnten. Ganz sorgenfrei war Ferrari aber auch nicht, nachdem Vettel von P6 starten musste. Es folgte eine weitere Demütigung, als Vettel das Heimrennen von Hamilton in Silverstone für sich entscheiden konnte.

Der WM-Stand sprach für Ferrari. Vettel führte nach 10 Rennen, also nach knapp der Halbzeit der WM, mit 171 Punkten. Knapp dahinter dann Hamilton mit 163 Punkten. In der Konstrukteurs-WM lag Ferrari 20 Punkte vor Mercedes. Doch dann folgte der peinliche Ausrutscher von Vettel in Hockenheim und der Verlust des Rennes in Ungarn. Dafür schlug man in Spa zurück. Bis zu diesem Zeitpunkt war die WM offen, auch wenn Hamilton nach Spa 17 Punkte Vorsprung hatte.

Wenn man die Saison bis Spa analysiert, stellt man fest, dass es ein enges Rennen zwischen Ferrari und Mercedes war. Beide hatten, je nach Strecke, schwache Phasen, aber die Zeitunterschiede, vor allem in der Qualifikation, waren meist sehr gering. Ferrari erlaubte sich einige Fehler. In China erwischte sie das SC schlecht, allerdings kann man so was auch antizipieren. In Baku patzte die Strategieabteilung erneut, als man Vettel zu lange draußen ließ und der Deutsche beim Überholversuch an Bottas einen Fehler machte. Dazu kam dann der Fehler in Hockenheim.

Mercedes erlaubte sich deutlich weniger Fehler. Es gab den in Australien und den Doppelausfall in Österreich – ansonsten passte die Strategie und vor allem Hamilton leistete sich nicht den kleinsten Fehler. Das war dann auch der Grund, warum Mercedes an Ferrari dran bleiben konnte, obwohl diese das scheinbar bessere Auto im Schnitt hatten.

Alles anders nach dem Sommer

Über die letzten Rennen muss man nicht viel Worte verlieren. Sie sind eine einzige Fehlerkette von Ferrari. In Monza versammelte man einen Doppelsieg, weil Vettel in der ersten Schikane nicht klüger agierte und sich drehte. Zudem hatte man sich aufgrund einer zu aggressiven Reifenwahl verzockt und nur einen Satz der lebenswichtigen Soft geordert. Die sich dann mangelnder Testmöglichkeiten im Rennen auflösten. In Singapur schmiss Vettel das Auto weg und verlor viel Zeit im freien Training. Allerdings sah Mercedes hier sowieso besser aus. In Russland war man schlicht chancenlos und beim letzten Rennen versammelte man Q3, weil man trotz trockener Strecke mit Intermediates auf die Strecke ging. Dazu kam dann noch der Fehler von Vettel.

Es sind vor allem die Summe der Fehler, die Mercedes sogar den Ausfall von Österreich vergessen lassen. Normalerweise ist so eine Sache die beste Chance, um gegen Mercedes zu bestehen. Da kann man gerne Nico Rosberg fragen. Aber woher kommen diese Masse an Fehlern, nachdem Ferrari generell überraschend stabil unterwegs war und sogar vor Mercedes lag?

Sergio Marchionne
Es ist auffallend, dass nach dem tragischen und unerwarteten Tod von Sergio Marchionne am 25. Juli diesen Jahres, sich bei Ferrari die Fehler häuften. Marchionne galt zwar als Technokrat, aber seine Liebe zu Ferrari war nicht zu übersehen. Immerhin hat er, zusammen mit John Elkann, Ferrari mehr oder weniger vom Mutterkonzern FCA abgekoppelt. Nach seinem geplanten Ausscheiden als CEO bei FCA wollte er weiterhin den CEO Posten bei Ferrari behalten. Marchionne war nicht um deutliche Worte verlegen, wenn es bei Ferrari nicht lief. Er kritisierte jeden auch in der Öffentlichkeit. Manchmal hatte man den Eindruck, dass der Druck von Marchionne auf das Team zu groß war. Doch augenscheinlich sorgte seine Führung dafür, dass Ferrari in der Spur blieb.

Sein Nachfolger scheint ein anderes Kaliber zu sein. Der Ex-CEO von Philipp Morris mag ein guter Manager sein, Erfahrung im Renngeschäft hat er keines. Weder war er Rennfahrer, noch hat er Erfahrung mit einem eigenen Rennstall. Sein Name tauchte bisher nicht mal in einer Pressemitteilung des Rennteams aus. Louis Camilleri ist quasi unsichtbar. Das hat es bei Ferrari noch nie gegeben.

Die gesamte Last liegt auf Maurizio Arrivabene. Der Italiener ist seit 2014 im Amt, man darf aber nicht vergessen, dass er ebenfalls a) nicht aus dem eigenen Haus stammt, b) bis zu seinem Antritt keine eigene Rennerfahrung hatte und das er c) im Grunde als verlängerter Arm von Marchionne galt. Kann man so ausgerechnet ein Team wie Ferrari führen?

Man muss sicher kein ehemaliger Rennfahrer sein, um ein Team zu führen. Das ist in der Vergangenheit auch oft genug schief gegangen. Aber es hilft sicherlich, wie das Beispiel Toto Wolff zeigt. Der führt das Team zusammen mit dem (hoffentlich bald wieder gesunden) Niki Lauda quasi diktatorisch. Ein Führungsstil, der sich in der Vergangenheit (Jean Todt, Flavio Briatore, Ron Dennis, Frank Williams usw.) immer als passend rausgestellt hat.

Zudem werden immer wieder Gerüchte laut, dass es intern bei Ferrari zündelt. Offenbar sollen der seit einiger Zeit für das gesamte Fahrzeug verantwortliche Mattia Binotto und Jock Clear, der für die gesamte Rennaktivitäten (Strategie usw.) zuständig ist nicht immer einer Meinung mit Arrivabene sein. Binotto ist ein Ferrari Eigengewächs, Clear bringt fast 20 Jahre Rennerfahrung ins Team.

Das Machtvakuum bei Ferrari, dass durch das Desinteresse von FCA Inhaber John Elkann offenbar verstärkt wird, hat schon zu merkwürdigen Blüten geführt. Letzte Woche berichteten italienische Medien, dass Arrivabene zu Juventus Turin wechseln würde. Die Meldung wurde umgehend dementiert, aber wo Rauch zu finden ist, wissen italienische Medien nur zu genau.

Genau diese Gerüchte und der fehlende Diktator bei Ferrari werden mit ein Grund sein, warum bei den Italienern im Moment so viel schief zu laufen scheint. Ferrari ist nicht „normal“ und kann dementsprechend auch nicht so geführt werden. Da kann man gerne Luca di Montezemolo fragen.

Die Fahrer
Das Kimi Räikkönen nur noch selten an alte Glanzzeiten anknüpfen kann, ist allen klar. Aber der Finne erlaubt sich so gut wie keine Fehler. Dass er dieses Jahr nicht mindestens ein Rennen gewinnen konnte, lag vor allem daran, dass Ferrari für ihn meistens eine „Extra-Strategie“ auf Lager hatte. Die bestand vor allem daraus, Bottas oder einen Red Bull abzufangen.

Vettel ist Teamleader und meist schneller als Räikkönen – aber er leistet sich deutlich mehr Fehler (siehe oben). Die Liste seiner, meist unter Druck, entstandenen Fehler, ist erstaunlich lang und reicht weit in seine Karriere zurück. Das Manöver in Japan gegen Verstappen oder der ebenso überhastete Überholversuch gegen Bottas in Baku, zeugen davon, dass er nicht immer kühlen Kopf bewahren kann.

Es ist jetzt nicht so, dass Lewis Hamilton die Ruhe selbst ist. Seine Ausfälle sind berühmt-berüchtigt. Aber Rennunfälle zwischen ihm und der Konkurrenz sind eine rare Seltenheit. Der Letzte war in Spanien, als es zwischen ihm und Rosberg krachte. Das zeigt auch, dass Hamilton, so sehr er auch am Funk jammern und schimpfen mag, im Rennen mehr Überblick bewahrt, als Vettel dies gelingt.

Was insofern überrascht, da Vettel als Vierfacher-Weltmeister und mit mittlerweile 31 Jahren ja auch kein Anfänger ist. Hamilton ist gereift, keine Frage, die Anlagen dazu hatte er allerdings schon immer. Sogar in seinem ersten Jahr, als er sich mit dem nicht minder dickköpfigen Alonso anlegte. Dennoch krachte es im Rennen nur selten, dennoch machte er nur wenige Fehler, sieht man mal von seinem Ausrutscher in China 2007 ab, der Räikkönen überhaupt erst wieder die Möglichkeit eröffnete die WM offen zu halten.

In Sachen Speed unterscheidet die beiden nichts. In Sachen Rennintelligenz geht der Punkt aber klar an Hamilton. Rosberg hat gezeigt, wie man den Briten verunsichern kann. Und einer der wichtigsten Punkte ist vor allem: keine Fehler.

Die Kombination macht es bei Ferrari
Es hat seit 2010 nur wenige Jahre gegeben, in denen zwei Teams so eng zusammenlagen, wie 2018. Ferrari und Mercedes sind technisch gleichwertig unterwegs, auch wenn Mercedes scheinbar in den letzten Rennen noch irgendwas am Auto gefunden haben muss. Aber die Italiener haben die WM nicht in Singapur, Russland und Japan verloren.

Schaut man auf das Gesamtbild, muss man zum Schluss kommen, dass es bei Ferrari vor allem Probleme in der Führungsebene gibt. Während Marchionne Vettel zurechtstutzen konnte, fragt man sich, ob Arrivabene dies wirklich gelingt. Ferrari funktioniert nur mit einer Vaterfigur, mit jemanden, dessen Autorität über allen Dingen erhaben ist. Montezemolo war so einer, Marchionne hatte sich diese Position vor allem in den letzten zwei Jahren hart erarbeitet. Fehlt diese Figur, geht Ferrari unter, weil die internen Streitigkeiten überhand nehmen.

Zu einem nicht zu unterschätzenden Teil liegt die Misere aber auch an Sebastian Vettel selber. Seine Fehler, bzw. das Ausbleiben jeglicher Fehler von Hamilton, sind bei Ferrari nicht unbemerkt geblieben. Die Frage, ob Ferrari mit Hamilton in diesem Jahr Weltmeister geworden wäre, dürfte man sich in Maranello mehrfach hinter vorgehaltener Hand gestellt haben. Das man dem Drängen von Vettel, Räikkönen noch ein Jahr zu geben, auch nicht unter dem neuen CEO nachgegeben hat, ist ein Anzeichen dafür, dass man seine Autorität als Fahrer zumindest anzweifelt.

Ferrari wird die hocheffiziente Truppe von Mercedes nur dann schlagen können, wenn man einige Dinge verändert. Technisch hat man bewiesen, dass man Mercedes in die Ecke drängen und massiv unter Druck setzen kann. Es hapert am Führungspersonal, man benötigt eine aktive Vaterfigur neben dem ein kühler Stratege die Führung des Teams übernimmt. So war es in den 70ern, als neben Enzo Ferrari vor allem Luca di Montezemolo und der geniale Mauro Forghieri agierten. So war es ab Mitte der 90er, als dann unter Montezemolo Jean Todt und Ross Brawn erfolgreich waren.

Bilder: Ferrari

Das könnte Dir auch gefallen

1 Kommentare

Formel Eins: Vorschau GP der USA 2018 – Matchball Mercedes – Racingblog 18 Oktober, 2018 - 09:00

[…] andere Frage ist auch, warum Ferrari in den letzten Rennen so schwach war. Wir hatten dies die Tage analysiert.  Hinzu kam aber noch eine interessante Analyse der britischen Kollegen (Nur für Abonnenten). Die […]

Comments are closed.