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24h von Le Mans – Vorschau, Teil 1: Die LMP1

von StefanTegethoff
4 Kommentare

Auch wenn für die meisten kaum ein Zweifel daran besteht, wer dieses Jahr den Gesamtsieg holen wird – die 24 Stunden von Le Mans sind auch 2012 wieder ein Highlight des Motorsport-Jahres.

Nach vielen anderen Jubiläen in diesem Jahr – und ich meine nicht in erster Linie Queen Elizabeth II, sondern vor allem die 50. Ausgabe der 24h von Daytona und die 60. der 12h von Sebring – feiert auch das berühmte 24h-Rennen an der Sarthe einen runden Geburtstag: 1923 zum ersten Mal ausgetragen, fiel es neunmal (1940-48) dem Krieg bzw. dem Wiederaufbau danach zum Opfer, sowie zuvor einmal, 1936, der kriselnden Wirtschaft. Der legendäre Test für Mensch und Maschine steht seit jeher bei den Automobil-Herstellern wie auch bei Fahrern hoch im Kurs und ist neben dem Grand Prix von Monaco und dem Indy 500 der dritten Zacken in der Triple Crown of Motorsport, auch wenn diese wegen der einseitigen Karrieren vieler Fahrer leider an Bedeutung verloren hat.

Der einzige Fahrer, der je die Triple Crown errungen hat, ist Graham Hill, zuletzt hatte – da gelegentlich der GP von Monaco durch die F1-Weltmeisterschaft ersetzt wird – Jacques Villeneuve eine Chance auf diese Krone, 2008 mit Peugeot. Doch Peugeot verlor in jenem Jahr gegen Audi, ebenso wie 2007, 2010 und 2011. Nur einmal konnten sich die Franzosen durchsetzen in dieser Ära, die so gern kleingeredet wurde: stets wurde ein drittes Werk herbeigewünscht, möglichst mit klassischem Benzinmotor gegen die bei vielen Fans ungeliebten Diesel-Prototypen.

Entsprechend heiß wurde das Jahr 2012 erwartet, seit Toyota bekannt gegeben hatte, diesen Wunsch zu erfüllen. Doch dann folgte der plötzliche Schock des Peugeot-Ausstieges – der dauerhaft ist, auch wenn das zunächst niemand wahrhaben wollte. In einem Augenblick im Januar fiel die Begeisterung für das neue Sportwagen-Jahr in sich zusammen – und die Jahre 2007-2011 können nun endlich als die  grandiose Ära anerkannt werden, die sie waren, vor allem nach dem 2011er Rennen, das spannender kaum hätte sein können. Ähnlich dramatisch ging es in den späten 60er Jahren zu, als Ford sich einen erbitterten Kampf mit Ferrari, und später auch mit Porsche, lieferte, oder aber zeitweise in der Gruppe C-Ära, deren Porsche-, Jaguar-, Nissan- und Mercedes-Boliden sich zum 30-jährigen Jubiläum dieser Klasse im Classic-Rennen am Samstagmorgen wieder einmal messen.

Die Werksteams

Audi vs. Toyota heißt nun also jedenfalls das neue Duell, während der für viel Geld entwickelte Peugeot 908 Hybrid 4 in einer Werkshalle oder Garage verstaubt, vermutlich weil es sich der Konzern nicht leisten konnte, bei so einem teuren Motorsport-Einsatz gesehen zu werden, wenn man gleichzeitig viele Arbeitnehmer entlassen muss. Dabei ist der Einsatz von Hybrid-Technik in Le Mans eigentlich ein Segen für die Werke – einerseits natürlich marketing-technisch, aber im Motorsport gesammeltes Know-how bleibt eben auch im Unternehmen, auch wenn natürlich keine Bauteile aus einem LMP direkt in der Serie ankommen.

Beide Wagen setzen auf unterschiedliche Konzepte: Audi (weiterhin mit Dieselmotor) nutzt ein Schwungrad als Energiespeicher und treibt über einen Elektromotor die Vorderachse an (dies ist erst ab 120 km/h erlaubt, was in Le Mans aber nur ausgangs Mulsanne, Arnage und Ford-Schikane relevant ist); Toyota ruft die in Superkondensatoren gespeicherte Bremsenergie für zusätzliche Leistung auf der Hinterachse ab, die auch der neue Benzinmotor antreibt. Mehr zu den unterschiedlichen Hybrid-Technologien gibt es in der zweiten Hälfte meiner Vorschau zum Testtag zu lesen.

Am Testtag waren beide Audi-Varianten und die Toyotas recht nah beieinander: nur knapp 1,3 Sekunden fehlten dem besten TS030 auf den schnellsten Audi e-tron, dazwischen lag auch einer der Audi R18 ultra. Man darf aber davon ausgehen, dass in beiden Lagern noch gemauert wurde und wir erst im Qualifying die wahre Leistungsfähigkeit beider bzw. aller drei Wagen sehen werden.

Wie schon der Peugeot war der Toyota auf den Geraden schneller als die Audi R18 – allerdings nur um 4-5 km/h. Dafür hat Audi klare Vorteile in kurvigen Sektionen: sowohl in der schnellen Porsche-Kurven als auch in den langsamen Ford-Schikanen waren die Audi schneller als die Toyotas. Sollte es während des Rennens regnen (was nach aktuellem Stand der Vorhersagen wahrscheinlich ist), wird der Audi etron quattro dank seines temporären Allradantriebs deutliche Vorteile haben, wie man in Spa beobachten konnte – sollten die Wagen im Trockenen wieder unter stärker abbauenden Reifen leiden, würde dies häufigere Reifenwechsel nötig machen.

Häufigkeit und Dauer von Boxenstopps können über die 24h-Distanz entscheidend sein. Sowohl der konventionelle als auch der Hybrid-Audi haben am Testtag mehrfach bewiesen, dass sie 12 Runden am Stück fahren können – einem Werks-Toyota gelang das nur einmal, und dieser Stint beinhaltete einige extrem langsame Runden. Selbst die Rebellion-Toyotas (die mit anderen Motoren unterwegs sind) schafften häufiger konstante 12 Runden-Stints.

Die beiden Hybrid-Audi R18 werden vom eher jungen Trio Lotterer/Fässler/Treluyer (#1)und von den Veteranen Kristensen/McNish/Capello (#2) gesteuert, die R18 ultra, die bis auf das Hybridsystem baugleich sind und von frei im Auto verteilbarem Ballast profitieren, von Dumas/Duval/Gene (#3, Timo Bernhard ist leider noch nicht wieder fit nach dem Testcrash in Sebring) und Jarvis/Bonanomi/Rockenfeller (#4). Die ersten drei Wagen sind dabei etwas stärker einzuschätzen und dürften, wenn alles ‚nach Plan’ läuft, den Sieg unter sich ausmachen, da Jarvis und Bonanomi die Le Mans-Erfahrung fehlt und Rockenfeller wegen seiner DTM-Verpflichtungen weniger fahren konnte als die anderen.

Toyota tritt mit Oreca als Einsatzteam und Wurz/Lapierre/Nakajima (#7) und Davidson/Buemi/Sarrazin (#8) als Fahrertrios an. Die Teamführung hat angekündigt, man wollte schneller sein als Audi, werde aber nicht über 24 Stunden mithalten können. Es wird spannend zu sehen sein, ob diese Vorhersage stimmt. Dennoch ist 2012 ein Entwicklungsjahr für Toyota, es war von Beginn an als solches geplant. Ein schwerer Testcrash warf sie weiter in der Entwicklung zurück. Entsprechend wird man versuchen, viele Daten zu sammeln und gleichzeitig einen Achtungserfolg zu erzielen. Eine gesplittete Strategie wäre sinnvoll, etwa mit der #7 als Audi-Jäger und der #8 auf einem auf Konstanz ausgerichteten Plan.

Die Privatiers

Der Testtag hat eines bestätigt: nicht die Benziner sind chancenlos gegen die Diesel, sondern die Privatiers sind chancenlos gegen die Werke! Während Toyota mit Benzinmotor nah an Audi dran war, fehlten den besten Privatiers über 8 Sekunden auf die Spitze. Mit dem Entwicklungs- und Testaufwand, Personal und Budget können ‚die Kleinen’ schlichtweg nicht mithalten. Wie viel die stetige Weiterentwicklung der Werke ausmacht, sieht man auch daran, dass der Rückstand des besten Privatwagens im Qualifying 2010 noch über eine Sekunde geringer war. Die Privatteams werden also ihr eigenes Rennen fahren – doch dieses dürfte äußerst spannend werden, ein echter Favorit ist kaum auszumachen.

Was die Fan-Sympathien angeht ist natürlich wieder das Pescarolo Team Spitzenreiter. Nach all dem Chaos um die geplatzte Partnerschaft mit Luxury Racing, Entwicklungsstopp für den neuen Pescarolo 03 und konfiszierte Autos nach dem Rausschmiss von Julien Jousse ist es fast ein Wunder, dass überhaupt beide Wagen die Rennwoche antreten werden: der auf dem AMR One-Fahrgestell und -Monocoque basierende Pescarolo 03 mit Collard/Boullion/Hall (letzterer wurde vom neuen Geldgeber Roald Goethe ins Cockpit gehievt) und der weiterentwickelte Dome 102.5 von 2008 mit Minassian/Ara/Bourdais.

Der Dome ist dabei das deutlich schnellere Gesamtpaket: am Testtag war der bisher kaum getestete Pescarolo 03 über drei Sekunden langsamer. Mit dem starken und erfahrenen Fahrertrio ist dem Dome durchaus eine Überraschung zuzutrauen, wenn er denn durchhält. In Spa wurde der japanische Wagen leider von Elektronik-Problemen eingebremst. Liebend gern würde Dome-Gründer Minoru Hayashi seinen Wagen vor dem Werks-Toyota im Ziel sehen, immerhin hatte das Werk zunächst eine LMP1-Rückkehr mit einem Dome-Chassis geplant, sich dann aber anders entschieden…

Das zweite französische Team in der LMP1 ist Oak Racing, die als einziges LMP1-Team auf Dunlop-Reifen für ihr Pescarolo-Chassis setzen, das aber über die Jahre stetig weiterentwickelt und ans aktuelle Reglement angepasst wurde. Der Wagen scheint auch wirklich nicht schlecht zu sein, aber sein Schwachpunkt (unter dem auch beide Pescarolo-Entries leiden) ist der Judd-Motor, dessen fehlender Speed sich vor allem in den beiden offenen Wagen bemerkbar macht, weniger beim Dome-Coupé. Auch die Zuverlässigkeit ist leider zweifelhaft.

Tragischer ist jedoch dass Guillaume Moreau am Testtag mit dem Oak-Pescarolo ausgangs der Porsche-Kurven schwer verunglückte und eine Verletzung des 12. Rückenwirbels erlitt. Nach einer Operation befindet sich Moreau inzwischen zum Glück auf dem Weg der Besserung, eine Querschnittslähmung konnte durch die gute Vor-Ort-Versorgung und die schnelle OP verhindert werden. Die beiden Youngster Baguette/Kraihamer werden nun bei den 24 h durch Franck Montagny unterstützt, der zuletzt bei einem ALMS-Gastspiel kein gutes Bild abgab.

Schon im Vorjahr war Rebellion Racing bestes Privatteam, sieht man einmal vom Semi-Werks-Peugeot von Oreca ab. Mit zwei neuen Lola-Coupés und dem bewährten Toyota-V8 könnten sie auch in diesem Jahr wieder diese Position einnehmen. Im Cockpit der #12 unterstützt Nick Heidfeld, der den Umstieg auf Langstreckenrennen gut gemeistert hat, die Stammpiloten Jani/Prost, in der #13 sitzen Belicchi/Primat/Bleekemolen, ebenfalls ein nicht zu unterschätzendes Trio. Das zweite Lola-Kundenteam, Dyson Racing, hat seine Reise nach Le Mans leider absagen müssen, was traurig ist, da sie mit Mazda einen weiteren Motorenhersteller ins Rennen gebracht hätten.

Mit Honda bzw. HPD ist allerdings ein anderer japanischer Hersteller neu in der LMP1 in Le Mans dabei, auch wenn das Projekt vor allem amerikanisch geprägt ist. Für nächstes Jahr wird jedoch ein Werkseinsatz in Erwägung gezogen. 2012 treten nun aber erst einmal Strakka Racing und das GT1-Weltmeisterteam JRM unter dem Honda-Banner an. Waren die Wirth-designten Wagen in Sebring sehr gut unterwegs, schien es in Spa kaum zu laufen. Der Testtag lieferte ganz unterschiedliche Ergebnisse: Strakka scheint die Abstimmung des Wagens besser im Griff zu haben, war sowohl in den Kurven als auch auf den Geraden deutlich schneller. JRM hat dafür mit Brabham/Chandhok/Dumbreck ein Vollprofi-Lineup, während die schnellen Profis Watts/Kane den einzigen Gentleman Driver der LMP1, Teambesitzer Nick Leventis als Partner haben. Kann Leventis fehlerfrei und konstant seine Stints absolvieren, hat Strakka gute Chancen auf den inoffiziellen Titel des besten Privatiers.

Garage 56

Und dann ist da noch der Nissan-Delta Wing, der im Rahmen der Garage 56-Idee zur Demonstration neuer Technologien eingeladen wurde und unklassifiziert fahren wird. Die Grundlagen und meine Meinung zu diesem Projekt habe ich bereits vor zwei Wochen hier ausführlich erläutert. Der Delta Wing vereint mehrere bekannt Herangehensweisen in einer neuen, radikalen Form: halbes Gewicht, halber Luftwiderstand, halbe Leistung, halber Benzin-Verbrauch, halber Reifenverschleiß, aber trotzdem Rundenzeiten auf LMP-Niveau – so lautet der Grundgedanke. Nissan hat das noch einmal in diesem sehr schön gemachten Video prägnant zusammengefasst:

Der ACO hat eine Rundenzeit von 3’45 als Richtwert angesetzt, am Testtag kam der Delta Wing dem mit einer Zeit knapp unter 3’48 schon recht nahe. Der von auf Nissan-Basis und -Vorgaben aufgebaute 300PS-Motor treibt den Wagen auf knapp 307 km/h, was über der ACO-Vorgabe von 300 km/h liegt. Der gesamte Testtag wurde zudem auf einem Satz Reifen bestritten, die nach 48 Runden noch nicht am Ende ihrer Lebensdauer gewesen sein sollen (Ich vermute, die speziellen Michelin-Gummis sind auch nicht gerade weich).

Der Delta Wing mit Marino Franchitti, Michael Krumm und Satoshi Motoyama wird also zwar von den Rundenzeiten her nicht mit der LMP2-Spitze mithalten können, aber bei den Boxenstopps wird er durch seltenere Reifenwechsel und deutlich kürzere Tankzeiten massiv Zeit einsparen, was ihn im Klassement nach vorn spülen wird. Bleibt zu hoffen, dass das Getriebe hält, denn auch die Medien-Aufmerksamkeit, die der Delta Wing (mit Unterstützung der Nissan-PR-Abteilung) generiert, tut dem großen Rennen sehr gut.

Wann, wie und wo?

Das Rennen startet, wie seit einigen Jahren üblich, um 15 Uhr am Samstagnachmittag. Eurosport überträgt das komplette Rennen live, einige Stunden jedoch nicht auf dem Hauptsender, sondern auf Eurosport 2 (Pay-TV). Als Alternative gibt es noch den EurosportPlayer. Eurosport zeigt auch alle Trainings- und Qualifying-Sessions am Mittwoch- und Donnerstagabend in voller Länge live. Außerdem gibt es täglich das Magazin „24 Minuten von Le Mans“. Die genauen Zeiten sind dem Racingblog-TV-Planer zu entnehmen.

Die Kollegen haben außerdem im Forum einen Thread eröffnet, in dem noch einmal alle Zeiten und Links zu Streams, Live Timings, Radio etc. aufgeführt sind. Hier im Racingblog wird es wie schon in den letzten beiden Jahren einen durchgehenden Liveblog geben, in dem man auch die Stunden nachlesen kann, wenn man mal ein Nickerchen machen musste. Außerdem gibt es im Forum ein Tippspiel um Ruhm und Ehre!

Auf Einladung von Nissan werde ich von Freitag bis Sonntag live vor Ort sein. Ich werde – wenn alles klappt – selbstverständlich auch von der Rennstrecke twittern, allerdings (technisch bedingt) über meinen privaten Account und leider auch ohne Bilder – die gibt es dann allerdings in der Woche danach, selbstverständlich mit einem Event-Bericht. Die sportliche Analyse des Rennens wird Don übernehmen. Ihm und dem ganzen Team sei an dieser Stelle auch ein großer Dank ausgesprochen für die tolle Zusammenarbeit im ganzen Jahr und insbesondere bei den 24h von Le Mans, die zumindest für mich das Saisonhighlight darstellen. Und natürlich auch allen Lesern!

(Bilder: Audi, WEC)

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4 Kommentare

Guest1 12 Juni, 2012 - 20:24

Die ersten drei Wagen sind dabei etwas stärker einzuschätzen und dürften, wenn alles ‚nach Plan’ läuft, den Sieg unter sich ausmachen, da Jarvis und Bonanomi die Le Mans-Erfahrung fehlt und Fässler wegen seiner DTM-Verpflichtungen weniger fahren konnte als die anderen.

Hier hat sich ein kleiner Fehler eim Text eingeschlichen: einfach Fässler gegen Rockenfeller tauschen dann passt es wieder.

tbz 12 Juni, 2012 - 20:37

Danke für den Hinweis. *editiert*

Bluthund87 13 Juni, 2012 - 09:51

Schöne Vorschau. Ich weiß, das es hier um die LMP1 geht, aber ne kurze Frage zu den GTs. Wird Flying Lizard wieder mit ner Speziallackierung antreten?

StefanTegethoff 13 Juni, 2012 - 10:11

@ Bluthund87:

Die Lizards werden in diesem Jahr keine besondere Lackierung haben, sondern im Standard-Rot/Silber antreten. Einziges speziell gestaltetes Fahrzeug (ich nenns mal nicht „Art Car“) ist der JMW-Ferrari mit einem Fan-Design, das per Facebook-Abstimmung ausgewählt wurde.

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