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ALMS: Vorschau Baltimore

von StefanTegethoff
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Bevor es zum Saisonabschluss zweimal über Langstreckendistanzen auf klassischen Kursen geht, steht noch ein kürzerer Lauf auf dem nagelneuen Stadtkurs in Baltimore an.

Auch wenn Stadtkurse ja nun mal so gar nicht der natürliche Lebensraum von Sportwagen sind, in den USA gehören sie einfach dazu. Die ALMS hat in den 12 Jahren ihres Bestehens auch schon einige davon verschlissen, darunter die Parkplatzkurse von Washington D.C. und Houston, die hübsche Belle Isle im Detroit River und die Uferstraßen von St. Petersburg und Miami sowie das traditionsreiche Trois Rivieres in Kanada. Auch das Race of a Thousand Years am 31.12.2000 in Adelaide zählte zur amerikanischen Sportwagenserie und die Vorläuferserie IMSA GT-Meisterschaft vorher ist auch schon durch Städte in allen Ecken Amerikas gerast. Die Rennen sind oft spannend und eine tragen zum abwechslungsreichen Rennkalender bei.

Doch Stadtkurse kamen und gingen, da ihre Austragung natürlich sehr aufwändig ist und so blieb in den letzten Jahren nur Long Beach übrig. Ein Rennen in Oklahoma City steht auf der Wunschliste, aber nun ist erstmal Baltimore dran. Im Rahmenprogramm der IndyCar Series treten die Prototypen und GTs in der „Charm City“ an einem der Ausläufer der Chesapeake Bay an. Charmante Bilder dürfte es auch zu sehen geben, denn der Inner Harbor ist schon so malerisch, wie der Downtown-Bereich einer US-Großstadt eben sein kann. Und das Ensemble bestehend aus dem Baseball-Stadion Oriole Park (gebaut übrigens von Populous, die auch für das „neue“ Silverstone verantwortlich zeichnen) und dem historischen B&O Warehouse an der Camden Station fällt in die Kategorie „iconic landmark“.

Soweit scheinen die Streckenbastler vieles richtig gemacht zu haben – doch der Kurs selbst scheint etwas hinter den Sehenswürdigkeiten am Straßenrand zurückzustehen.Vor dem 300m langen Eisenbahn-Lagerhaus wird für das Rennwochenende die Boxengasse eingerichtet, entlang der Start/Ziel-Geraden hat man dafür keinen Platz gefunden – die Boxengasse ist trotzdem noch vergleichsweise kurz, hinter der Einfahrt sind einige Boxen sogar an beiden Seiten angeordnet. Die Zufahrt ist im Vergleich dazu um so länger, sie kriegt ihre eigene Haarnadelkurve und dürfte auch nicht übermäßig breit sein. Die Boxengasse könnte damit ein Knackpunkt im Rennen werden, doch man muss abwarten, wie die Situation schließlich „in der Realität“ aussieht.

Ebenfalls zu den Gefahrenpunkten dürfte das zweimalige Queren der Bahnschienen zählen: um hier gefährliche Holper-Orgien bei hohen Geschwindigkeiten zu vermeiden, mussten an zwei Stellen enge Schikanen eingerichtet werden, einmal auf der Start/Ziel-Geraden, die damit von 850m auf 650m verkürzt wird – was für Überholmanöver vor Turn 1 nun wirklich keine optimale Länge ist. Das wird die IndyCars noch mehr treffen als die ALMS. Laut ersten Fahrerstimmen soll die Schikane wie auch die Zufahrt zu Turn 1 sehr „bumpy“ geraten sein.

Auch auf der folgenden 450m langen Gerade entlang des Inner Harbor dürften trotz enger Haarnadel am Ende Überholmanöver nur mit der Brechstange drin sein, alle anderen Geraden auf dem nur 3,4km langen Kurs sind noch einmal deutlich kürzer. Verglichen mit dem über einen Kilometer langen Shoreline Drive in Long Beach fehlt es hier also an wirklich guten Überholmöglichkeiten. Die einzige schnelle Kurvenpassage auf dem eckigen Kurs ist die Rechts-Links-Kombination der Eislen Street, wo im Linksknick für die letzte 90°-Ecke gebremst werden muss – das dürfte eine der herausforderndsten Stellen des Baltimore Street Circuit sein. Insgesamt gilt natürlich wie immer auf solchen Strecken: Die Mauern sind nah und Fehler werden sofort bestraft.

Das könnte auch Auswirkungen auf die Titelkämpfe in der ALMS haben, denn sowohl in der LMP1 als auch in der GT wäre ein Ausfall des erstplatzierten Teams notwendig, um den Verfolgern noch eine Chance zu geben. Bei den Prototypen liegt nach wie vor Dyson Racing mit Dyson/Smith vor MuscleMilk mit Graf/Luhr, wobei nach drei Siegen des deutschen Duos diesmal streckenbedingt wieder der Lola-Mazda-Turbo von Dyson im Vorteil sein könnte, auch wenn der Wagen mittlerweile auf längeren Radstand umgerüstet wurde und damit den Vorteil der höheren Wendigkeit einbüßt. Für die Pole sollte man auch Steven Kane im Oryx Dyson-Lola auf der Rechnung haben.

Lucas Luhr wird allerdings den Anschluss an die Spitze in Baltimore gezwungenermaßen verlieren, denn er tritt bei der GT1-WM in China an und wird durch Romain Dumas ersetzt – insofern ist es umso wichtiger für das MuscleMilk-Team, dass Klaus Graf nachträglich noch die verpassten Punkte vom abgebrochenen Mid-Ohio-Rennen wieder zugesprochen bekam, denn sonst wären alle Chancen auf den Fahrer-Titel dahin.

Bei den GTs ist es seit Saisonbeginn BMW bzw. das Duo Müller/Hand, das die Wertung anführt. Corvette ist der stärkste Verfolger. Doch für Baltimore hat die IMSA eine weitere Balance of Performance-Änderung ausgewürfelt: zum dritten Mal in dieser Saison ändert man das Mindestgewicht des Porsche GT3 RSR: 25kg erließ man dem altersschwachen Wagen nach Sebring, Mitte der Saison packte man wieder 15kg drauf, nun dürfen die Teams eben diese 15kg wieder ausladen. So richtig scheinen sich die Offiziellen nicht einigen zu können, ob man den Wagen nun auf ein Niveau mit den neueren Konkurrenzfahrzeugen bringen will oder doch nicht…

Damit könnten Bergmeister/Long (Flying Lizard) oder auch die jüngst stärker gewordenen Henzler/Sellers (Falken Tires) wieder ein Wörtchen im Kampf um die Podiumsplätze mitreden, das Lizard-Duo gab schon in Long Beach ein gutes Bild ab, bis ein Crash das Rennen frühzeitig beendete. Auch Melo/Vilander im Ferrari F458 waren in Long Beach stark und dürften wieder vorn dabei sein.

Core Autosport (Jeannette/Gonzalez, die auch die Fahrerwertung anführen und Bennett/Montecalvo) versuchen, ihre Führung in der LMPC-Teamwertung gegen Genoa Racing (Lux/Julian) zu verteidigen, nur fünf Zähler beträgt der Vorsprung. In der GT Challenge ist es sogar noch enger: Nur ein Punkt trennt das Zwei-Wagen-Team TRG (Ende/Pumpelly und van Moltke/Bunting) von Black Swan Racing. Doch Black Swan-Driver/Owner Timothy Pappas steht mit 11 Zählern Abstand allein an der Spitze der Fahrerwertung. Von seinen wechselnden Partnern ist diesmal wieder Jeroen Bleekemolen an der Reihe, mit dem er in diesem Jahr zwei von drei gemeinsamen Rennen gewann.

Den Abstecher an die Ostküste hat ALMS-Boss Scott Atherton auch genutzt, um in Washington zum Thema Green Racing vorzusprechen, schließlich sind das Energie-Ministerium und die Umweltbehörde in das Programm der ALMS involviert. Dieses Jahr treten immerhin drei LMP1-Teams mit dem Isobutanol-Benzin-Gemisch an, Muscle Milk-Aston Martin sowie elf der 13 GT-Teams nutzen das von der ALMS zur Verfügung gestellte E85, damit laufen bis auf die beiden Jaguar und die Challenge-Teams alle Autos auf Biokraftstoffen der zweiten Generation, also solchen, die nicht aus Nahrungsmitteln hergestellt werden.

Leider ist das Thema in diesem Jahr deutlich weniger präsent als in den Vorjahren, der „Global Leader Green Racing“-Slogan der ALMS scheint etwas ausgelutscht. Es fehlt „das Neue“, der Rest der umweltbewussten Motorsport-Welt redet mittlerweile mehr über Elektroautos und Hybrid-Antriebe, die der ALMS aber momentan fehlen. Doch deren Ansatz, Wettbewerb zwischen mehreren Spritsorten und Antriebstechnologien zu ermöglichen, ist nach wie vor ein sehr guter und hätte es verdient, wieder mehr in den Vordergrund zu rücken. Atherton spricht von „Green Racing 2.0“ und davon, dass bald weitere alternative Kraftstoffe in der ALMS erlaubt sein könnten, um den Anteil herrkömmlichen Benzins weiter zu senken.

Passend dazu auch noch ein kurzer Blick auf den Stand in der Green Challenge-Wertung, denn das ist momentan tatsächlich die spannendste aller ALMS-Meisterschaftswertungen! In der LMP-Wertung liegen MuscleMilk und Dyson bzw. Aston Martin und Mazda exakt gleichauf; Bei den GTs führt BMW #56 mit nur vier Zählern vor Corvette #4, in der Herstellerwertung liegt BMW 11 Punkte vor Chevrolet.

Am Samstag wird der zwei Stunden lange Lauf stattfinden, der Sonntag wird den IndyCars gehören. Eigentlich hätte die Renndauer 2h45min betragen sollen, doch die wurde noch verkürzt. Die „Sprint“-Distanz passt auch besser zum Stadtkurs-Rennen. Start ist um 22:30 deutscher Zeit, die Übertragung im Stream beginnt 15 Minuten vorher. MotorsTV zeigt das Rennen diesmal leider erst aufgezeichnet am Sonntag um 18 Uhr. Auch die Quali wird live gestreamt, am Freitag um 20:45 Uhr MEZ. Alle weiteren Infos und Services bietet die ALMS wie immer im Race Hub an.

Update: Quali-Zeit verschiebt sich wegen noch andauernder Streckenarbeiten. Bitte Infos via Twitter und im Chat beachten.

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