Home Motorsport ALMS: Sebring 12h-Analyse – Die Franzosen siegen, aber ein Italiener brilliert

ALMS: Sebring 12h-Analyse – Die Franzosen siegen, aber ein Italiener brilliert

von StefanTegethoff
3 Kommentare

Für die Hersteller und Teams, die Le Mans im Blickfeld haben, ist das erste Langstreckenrennen der Saison 2010 überstanden. Es wurde  einiges bestätigt, was man vorher schon wusste oder vermutete. Ein Kracher wie 2009 war das Rennen leider nicht, aber es wartete mit der „traditionellen“ Art von Spannung auf, die Endurance-Rennen eben dann bieten, wenn keine zwei gleichwertigen Konkurrenten um die Spitze kämpfen: wer kommt ohne Probleme über die Distanz?

Und genau die Teams, die diese Herausforderung auf der materialmordenden Buckelpiste von Sebring gemeistert haben, stehen schließlich auch am weitesten oben im Gesamtklassement sowie in den einzelnen Kategorien. Den Sieg in der LMP1-Klasse und auch den Gesamtsieg holte klar und deutlich das Peugeot-Team mit seiner Doppelspitze. Trotz des erneuten Versuchs der Diesel-Einbremsung können die Benziner nach wie vor nicht mithalten. Die schnellste Runde eines Peugeot war am Ende ca. 1,3 Sekunden schneller als die beste Runde des drittplatzierten Aston Martin, aber man hatte stets das Gefühl, dass die Franzosen noch hätten zulegen können, wenn es denn einen Anlass gegeben hätte. Den gab es mangels Audi aber nicht, und so konnte man sich vorn cruisend um den Sieg kabbeln, den am Ende Marc Gene, Alex Wurz und Neuling Anthony Davidson einfuhren, auch weil Sebastién Bourdais, wie im vergangenen Jahr, einen Dreher auf den Asphalt legte, dieses Mal auf kalten Reifen beim Herausbeschleunigen aus Kurve 1 nach dem letzten Pitstop.

Nur in der Startphase hatte mit Rückkehrer Emanuele Pirro noch ein Ex-Audi-Pilot für Aufregung und Hoffnung sorgen können: im british racing-grünen Drayson-Lola schnappte er zunächst den Aston Martin und machte dann im dichten GT-Überrundungsverkehr spektakulär Jagd auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht so übermächtig scheinenden Selbstzünder-Löwen:

Ein wunderschönes Manöver von einem routinierten Fahrer, der weiß, was er mit einem solchen Auto machen kann und was nicht – oder wie es John Hindhaugh live kommentierte: „ And was that a dive down the inside? IT WAS! And Pirro’s gone through, like a video game, he carved his way through a gap that was barely wide enough for a bicycle, never mind a Lola!” Damit zeigte der Italienier definitiv den „Move of the Race“, wenn nicht sogar potentiell das beste Überholmanöver der noch jungen Saison – es sollte zumindest einen Platz im motorsportlichen Jahresrückblick 2010 wert sein.

Bereits kurz darauf zeigte sich jedoch, dass die unterschiedlichen Kraftstoffarten das Rennen nicht nur über den Speed bestimmen würden, sondern auch über den Verbrauch: zunächst musste Pirro die Box ansteuern, um eine Ladung des überwiegend regenerativen, aber energetisch eher ineffizienten E85-Sprits abzuholen, eine Runden darauf folgte der Aston Martin (E10), erst deutlich später ging der GTL-Diesel zur Neige. Diese Art von Verbrauchs-Wettbewerb ist jedoch durchaus wünschenswert, nur müsste der ACO es endlich schaffen, die Rundenzeiten auf ein konkurrenzfähiges Niveau zu bringen, um dem Kampf der unterschiedlichen Technologien echte Spannung einzuhauchen.

Der Aufsehen erregende Drayson-Wagen (zwischenzeitlich behauptete Pirro für 20 Runden den zweiten Rang zwischen den Peugeot und seine schnellste Runde war 0,7 Sekunden schneller als die des Aston Martin) musste jedoch bereits in der ersten Rennhälfte einen längeren Stop einlegen, um eine defekte Lichtmaschine zu ersetzen. Später im Rennen musste auch diese noch einmal ausgetauscht werden; hinzu kamen Probleme mit Wasserverlust in den Kühlern, die durch einen Rammstoß eines der beiden Peugeot beim gemeinsamen Überrunden eines GT-Fahrzeuges auch noch verschlimmert wurden, sodass es am Ende für das britisch-amerikanische Team nur zum letzten Klassenplatz und zwölften Gesamtrang reichte. Die ALMS-Tabelle führen sie dennoch an, da die drei vor ihnen platzierten nicht am Rest der ALMS-Saison teilnehmen. Die Green Challenge gewannen bei den Prototypen dank der Kombination aus Erfolg und Effizienz die beiden Peugeot vor dem biosprit-betriebenen Drayson-Fahrzeug.

In der LMP2-Kategorie triumphierte Alt über Jung: der schlachterprobte Porsche RS Spyder des Cytosport-Teams konnte sich am Ende aufgrund seiner Zuverlässigkeit gegen den Highcroft Acura ARX-01c durchsetzen, der aber einen deutlich höheren Speed an den Tag legte, bis er schließlich gegen Mitternacht einen langen Stop wegen eines Elektronikproblems – die MSa spricht von einem Kabelbrand – einlegen musste. Ohne diese Panne hätte das Team von Duncan Dayton mit mehreren Runden Vorsprung gewonnen, denn man konnte mit dem überarbeiteten Wagen bis zu 1,5 Sekunden schneller fahren als der Porsche, der auf dem Stand von Sommer 2009 ist und auch bleiben wird, da Cytosport das letzte Team ist, das den Wagen noch einsetzt. Nicht einmal die Direkteinspritzung, mit der Penske den Wagen schon 2008 fuhr, ist an Bord.

In den kürzeren Rennen dürfte der Acura somit deutlich die Nase vorn haben, denn man darf wohl davon ausgehen, dass er die üblichen Zweidreiviertelstunden-Distanzen meist problemlos überstehen wird. Außerdem fehlt es Owner-Driver Greg Pickett mit seinen 63 Jahren doch ein wenig an Speed, um gegen Vollprofis wie Sion Pagenaud und David Brabham bestehen zu können. Dennoch: in Sebring haben er, Klaus Graf und Sascha Maaßen für Cytosport den (auch wegen der tollen Leistungen nach dem Wiedereinstieg im letzten Sommer) verdienten ersten ALMS-Sieg in der Geschichte des Teams geholt und entsprechend groß war die Freude. Der Isobutanol-befeuerte Dyson-Mazda musste leider schon früh im Rennen einen lange Reparaturstop wegen Elektronikproblemen einlegen, sodass nur der Platz auf dem untersten Treppchen blieb, auch wenn der Wagen den Rest des Rennens problemlos abspulte.

In der GT2 schlug man sich mit Problemen ganz anderer Art herum. Zunächst einmal wurde dem BMW mit der #90, den der am ganzen Wochenende sehr stark fahrende Dirk Müller eigentlich auf die Pole gestellt hatte, die Zeit gestrichen, da man den obligatorischen „Stall Test“ in der technischen Abnahme nach der Quali nicht bestand: auch bei abgedeckter restrictor plate starb der Motor nicht ab, saugte ergo von irgendwo anders noch Luft an, was verboten ist. Es soll sich jedoch lediglich um einen Defekt gehandelt haben, der behoben wurde, sodass der Wagen das Rennen aufnehmen durfte, wenn auch nur von ganz hinten.

Das Rennen führte dann zunächst der auf kurze Distanz überraschend starke, von Wolf Henzler pilotierte 911er an, dessen Falken Tires nach einiger Zeit jedoch stärker abbauten als die der Konkurrenz, sodass schließlich der #45 Flying Lizard-Porsche, der #62 Risi-Ferrari, die Corvettes und der #92 BMW innerhalb kurzer Zeit an ihm vorbeizogen, nachdem Henzler sie zuvor mit viel Mühe und sehenswerten Verteidigungsmanövern hinter sich gehalten hatte.

Nach gut drei Stunden begann dann aber das Sterben der echten Favoriten, das den Tag in dieser Fahrzeugklasse bestimmen sollte. Zunächst eliminierten sich die Corvettes, und zwar in der Boxengasse. Die #3 hatte bereits früher Probleme gehabt und war weit zurückgefallen; als dann der gerade eingestiegene Jan Magnussen die Box verlassen wollte, fuhr ihm Emmanuel Collard am Steuer des noch gut platzierten Schwesterautos in die Seite, sodass beide eine Reparaturpause einlegen mussten. Der Fehler lag hier jedoch nicht bei den Fahrern, sondern beim „Lollipop-Man“, der Magnussen nicht hätten fahren lassen dürfen; die Probleme kennt man ja auch der Formel 1 und anderen Serien ebenfalls.

Einige Stunden später erwischte verlor der Falken Tires-Porsche dann gleich zweimal in kurzer Folge sein rechtes Hinterrad. Schlimm daran war jedoch vor allem, dass beim zweiten Mal gerade die Führenden der Klasse, der Risi-Ferrari und der Flying Lizard-Porsche, vorbeigingen und das Rad ausgerechnet letzteren an dessen Rad traf. Ein schwerer Reifenschaden und eine chaotische Safety Car-Phase folgten: der Flying Lizard fuhr an die Box, die Crew durfte jedoch noch nicht mit der Reparatur beginnen, da die Boxengasse noch geschlossen war. Da das Safety Car zunächst den falschen der beiden führenden Peugeot abpasste, dauerte es sage und schreibe fünf Runden, bis der Führende ordnungsgemäß aufgereiht war und die Arbeit in den Boxen freigegeben wurde. Hier wurden die Zuschauer von den Offiziellen um ein spannendes Duell gebracht, denn nach diesem unverschuldeten Rundenverlust hatte der Lizard mit Bergmeister, Long und Lieb keine Chance mehr, in den Kampf ums Podium einzugreifen.

Zwischenzeitlich wurde auch die Frage aufgeworfen, ob man dem Falken-Porsche nach dem ersten Radverlust überhaupt das Weiterfahren gestatten durfte. Dass solche Situationen mit „entlaufenen“ Rädern schlimm enden können, wurde erst im Sommer 2009 durch den Tod von Henry Surtees wieder klar. Die Formel 1 reagierte damals sehr drastisch und bestrafte Renault für eine Situation die der vom Samstag nicht unähnlich war. Es ist aber tatsächlich schwierig, hier eine Regelung zu finden, die Sicherheit gewährleistet, ohne Einzelfälle zu stark zu bestrafen. In Sebring war es aber eben kein Einzelfall und die Ursache sollte unbedingt geklärt und behoben werden.

Irgendwann in dieser Rennphase – möglicherweise ebenfalls durch die Safety Car-Phase ausgelöst – gerieten auch die beiden BMW in einen Rundenrückstand. Wie genau es dazu kam, nachdem sie zuvor mit um die Führung gekämpft hatten, blieb mir leider verborgen und ließ sich auch in der Diskussion hier im Chat nicht auflösen. Die restlichen Rennstunden verbrachten die beiden M3 am Ende der Führungsrunde, wartend auf eine Gelbphase im richtigen Moment, um wieder aufschließen zu dürfen, doch dazu sollte es nicht mehr kommen. So siegte Risi mit Melo, Bruni und Kaffer erneut in einem Langstreckenrennen, vor den beiden BMW und den beiden Flying Lizard-Porsche, die als effizienteste GT-Autos aber in der Green Challenge den Sieg holten.

Die Challenge-Klassen boten leider keine allzu große Spannung: in der LMPC blieb nach technischen und fahrerischen Problemen bei einigen Teams schon früh nur noch der Level 5-Oreca mit Tucker, Bouchut und Wilkins übrig, der am Ende 46 Runden mehr auf dem Konto hatte als die zweiplatzierte Kombination Wallace, Sutherland und Hildebrand. Wenn man aber bedenkt, dass die Fahrzeuge und die Reifen eigentlich nicht für Ausdauerrennen, sondern nur für die vergleichsweise kurzen Rennen der Formula Le Mans konstruiert sind, haben sie sich gut geschlagen und der zehnte Gesamtrang des Siegerwagens ist nicht zu verachten. In der GTC dominierten die drei Wagen von Alex Job Racing das gesamte Event und holten auch alle Podiumsplätze. Der kleinsten Kategorie wurde auch in der TV-Übertragung kaum Beachtung geschenkt, meist fielen die Wagen nur auf, weil sie beim Überrunden wegen des doch enormen Geschwindigkeitsunterschiedes im Weg standen.

Für Le Mans brachte das Rennen die Erkenntnis, dass auch 2010 wieder die Diesel dominieren werden. Die Peugeot sind extrem haltbar und ausgereift; dies gilt zwar auch für den Aston Martin, aber dort fehlt einfach durch das Reglement bedingt der Speed. Die GT2 ist allerdings tatsächlich so eng und spannend wie gehofft, auch wenn das in diesem Rennen nur in der ersten Hälfte zu sehen war – hier liegen jedoch mehrere Fabrikate mit ganz unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten sehr dicht beieinander, auch wenn es zwischen den Herstellern noch Streit gibt, da die BMW und Corvettes nur dank einer ganzen Reihe von Ausnahmegenehmigungen in der Klasse teilnehmen dürfen.

In der ALMS-Saison wird sich mit etwas Glück  – das heißt: wenn der IMSA die Angleichung von LMP1 und LMP2 auf ein Niveau gelingt – ein spannender Kampf zwischen dem Drayson-Team und den drei LMP2-Wagen entwickeln. Auch das Intersport-Team könnte bei Ausfällen der anderen gelegentlich Erfolge feiern, dass die Field-Familie auf kurze Distanzen den Speed dafür hat, haben sie schon mehrfach bewiesen, lediglich an der Konstanz und Haltbarkeit fehlte es meist. Das Highlight wird aber auch hier die über die gesamte Saison grandios besetzte GT2-Klasse darstellen.

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3 Kommentare

malefue 24 März, 2010 - 18:25

was pirro und das video angeht:
richtig deprimierend, wenn man mit den seltenen und äußerst schnarchnasigen motorsportübertragungen auf eurosport o.ä. auskommen muss. die konsequenzt scheint immer zu sein, „da gehts um technik und taktik, lasst uns die zuschauer einschläfern“. beispielhaft die an entschlossener langeweile nicht zu überbietenden übertragungen aus le mans.
spannung im kommentar gibts nur mehr bei superbike-rennen und ab und zu wrc, das aber auch nur wegen selbst begeisterter kommentatoren, und nicht etwa aus überzeugung.
sehr traurig, das.

StefanTegethoff 24 März, 2010 - 19:26

@ malefue:

Das liegt aber sicher auch zu einem guten Teil daran, dass Hindhaugh eben fürs Radio kommentiert. Radio-Kommentatoren müssen schließlich mangels Bildern das Geschehen und die Emotionen allein mit ihrer Stimme rüberbringen. Legt man dann eine Radio-Audiospur über ein TV-Bild, wundert man sich als Zuschauer und -hörer, wieviel Spaß das doch machen kann; das grenzt ja dann schon fast an Reizüberflutung^^.

Gilt genauso für Fußball: der berühmte Kommentar von Herbert Zimmermann zum „Wunder von Bern“ ist ja auch ein Radiokommentar und auch wenn man sich mal zu einem Spiel im TV den Ton vom Lokal- oder Regionalradio dazuschaltet, ist das deutlich „aufregender“.

Dennoch würd ich TV-Kommentare nicht grundsätzlich verurteilen, grade den Job, den die Eurosport-Crew jedes Jahr in Le Mans leistet, schätze ich sehr, auch wenn ich manche Mitglieder von deren Team mehr mag, andere weniger.

xeniC 25 März, 2010 - 12:01

Das Standing von Kommentatoren in Deutschland ist in jeder „Szene“ beschissen. Jeder hat seine Lieblinge und jeder hat seine natürlichen Hass-Kommentatoren. Das Problem liegt aber im Durchschnittsbürger: Der möchte ein Kommentierung auf ruhig und normalem Niveau sehen.

Als arena die Bundesliga-Rechte sich sicherte, versuchte man mit Günther Koch einen Radio-Kommentator bei TV Übertragungen zu etablieren. Ganz ehrlich? Die sind kläglich gescheitert, ob wohl Günther Koch sehr unterhaltsam war. Jemand der überwiegend schreit, die ganze Zeit das geschehen mit Worten verfolgt, der wird in D leider nicht gern gesehen bzw. gehört. Der Normalo möchte halt lieber Fakten hören, die der „richtige“ Fan bereits in und auswendig kennt.

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