Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse 70th Anniversary Grand Prix Silverstone – Überraschung!

Formel Eins: Analyse 70th Anniversary Grand Prix Silverstone – Überraschung!

von DonDahlmann
4 Kommentare

Endlich mal ein anderes Team, das in diesem Jahr gewinnt. Aber eine Überraschung war es schon.

Die große Frage gleich am Anfang: Warum war Mercedes, die im letzten Rennen so dominant waren und die im Rennen pro Runde 0,5 Sekunden schneller waren als die Red Bull, am vergangenen Wochenende nicht in Form? Natürlich liegt ein Teil der Antwort bei den Reifen und den hohen Asphalttemperaturen. Und da haben wir dann die Schwachstelle der W11 von Mercedes endlich gefunden. Neu ist die allerdings nicht. Auch W10 und schon der W09 hatten Probleme mit der Kombination Hitze und weiche Reifen. Es sind also nicht allein die Reifen, die Mercedes unter Druck gesetzt hat.

Der W11 funktioniert besonders gut, wenn die Streckentemperatur unter 40 Grad liegt. Dann ist die Reifenwahl relativ egal. Steigt sie aber über diesen Wert, geht der W11 offenbar nur dann richtig, wenn man die extrem harten Reifen wählt. Dazu müssen Besonderheiten beim Setup kommen. In Silverstone fiel auf, dass Mercedes auch mit den C2, die beim britischen GP die „Medium“ waren, nur schwer zurechtkam. Eine Woche zuvor waren die Probleme nicht so groß, obwohl die Asphalttemperatur mit 40 Grad ähnlich hoch war.

Hamilton fuhr die C3 (vorige Woche C2) in der letzten Woche 13 Runden lang, bei diesem Rennen waren 14 Runden. Allerdings hatten wir beim britischen GP zu Beginn eine längere SC-Phase, was die Reifen natürlich geschont hat. Während Hamilton danach aber Rundenzeiten um die 01.30 min fahren konnte, lagen seine Zeiten eine Woche später bei 01.32 min. Das war dann auch der Grund, warum Verstappen auf den harten Reifen die Mercedes unter Druck setzen konnte, denn er konnte konstant schneller fahren.

Das erstaunliche war dann allerdings, dass er das auch konnte, nachdem die Mercedes auf die härteste Mischung gewechselt hatte. Hier hatte ich eigentlich erwartet, dass das Imperium dann zurückschlägt. Aber da kam nichts. Die Rundenzeiten blieben bei den 01.32er, hohen 1.31er Zeiten. Verstappen fuhr dagegen niedrige 01.31er Zeiten und konnte sich so ein kleines Polster rausfahren. Der 6-Runden-Sprint auf den Medium half dann den Vorsprung abzusichern. Eng wurde es nur, als Hamilton zehn Runden vor Schluss noch mal frische Reifen holte, aber das war das Rennen vorne gelaufen.

Red Bull hat sicher geholfen, dass man geschickterweise auf den „Hard“ gestartet ist. Aber irgendwas muss bei Mercedes nicht gepasst haben. Das Graining vorne und hinten plus die Blasenbildung war bei kaum einem Auto so ausgeprägt, wie bei Mercedes. Zum Vergleich: Leclerc nahm die harte Mischung in Runde 18 und fuhr dann das Rennen damit durch, ohne dass die Zeiten einbrachen.

Was auch immer die Schwierigkeiten von Mercedes verursacht hat, es hat etwas frischen Wind in die Formel Eins gebracht. Nach dem Sieg liegt Verstappen „nur noch“ 30 Punkte hinter Hamilton. Um so dürfte sich Red Bull im Nachhinein über den Ausfall beim ersten Rennen am Red Bull Ring ärgern. Da niemand weiß, wie lange die Saison dauern wird, hat man da wichtige Punkte verloren.

Eine Überraschung in diesem Rennen war sicher Ferrari. Wie schon letzte Woche gelang Leclerc eine sehr gute Quali und ein sehr gutes Rennen. P4 war das Maximum, was drin war und man konnte das ziemlich ungefährdet erreichen. Der SF-1000 ging an beiden Wochenenden zumindest für Leclerc gut. Bei Vettel sah das anders aus. Und natürlich ist ein bisschen rätselhaft, warum der Deutsche in beiden Rennen so schlecht unterwegs.

Schaut man nur auf die Abstände in der Quali zu Leclerc, wird auch nichts klarer:

Österreich 1: +0,165 sek (Q2)
Österreich 2: -0,083 sek (Q2)
Ungarn: -0,043 sek (Q3)
Silverstone 1: +0,252 sek (Q2)
Silverstone 2: +0,369 sek (Q2)

In Österreich und Ungarn war Vettel schneller, in Silverstone ging in beiden Fällen nichts. Und das auf einer Strecke, die Vettel liegt, auf der er gewonnen hat. Natürlich kommen jetzt die Gerüchte auf, dass Ferrari Leclerc bevorzugen würde. Aber das macht aus Sicht von Ferrari überhaupt keinen Sinn. Man ist schlecht in diesem Jahr und bei einem so engen Mittelfeld muss man sehen, dass man beide Fahrer in der Region um P4 halten kann, um in der Team-WM vorne zu bleiben. Auffallend war allerdings schon, dass Vettel andeutete, dass man sich intern unterhalten müsse. Vielleicht hat Ferrari unterschiedliche Dinge ausprobiert, um das Chassis besser zu verstehen.

Mann des Wochenendes war aber sicher Nico Hülkenberg. In Qualifikation ballerte er den Racing Point auf P3, was schon eine kleine Sensation war. Klar, Verstappen hatte die „Hard“ aufgezogen, aber Hülkenberg, der gerade mal drei freie Training und eine Quali im Auto verbracht hatte, verblies seinen Teamkollegen Stroll um knapp drei Zehntel. Das muss man dann auch erst mal schaffen.

Im Rennen lief es ebenfalls gut. Verstappen kassierte den Deutschen nach dem Start, was aber zu erwarten war. Das Tempo der Red Bull kann Racing Point nicht gehen. Hülkenberg hielt sich vor Stroll, ich nehme allerdings auch an, dass das Team eine „Hold Position“ Order ausgegeben hatte und Stroll seine Reifen nicht unnötig verheizen wollte. Im Lauf des Rennens fiel beide RP dann hinter Leclerc zurück, der mit seiner Ein-Stopp-Strategie die für ihn schnellere Variante gewählt hatte. Ärgerlich war dann am Ende der dritte Stopp, der laut Hülkenberg aber nötig war, weil ein Reifen starke Vibrationen verursacht hatte. Das kostete ihn dann P5, auch wenn es nicht ganz sicher ist, dass er sich vor dem heranstürmenden Albon hätte halten können. Aber mit P7 war man zufrieden.

Man muss wohl nicht darüber diskutieren, dass Hülkenberg in die Formel Eins gehört. Eine derartige Leistung abzuliefern, ist schon sehr ungewöhnlich. Die Frage ist halt, wo Platz wäre. Und da wird die Sache dann sehr dünn. Wir haben im Podcast schon gescherzt, dass er der ideale Kollege von Verstappen wäre, aber es ist unwahrscheinlich, dass Red Bull das macht. Bleibt realistisch nur Haas und ob der Deutsche dann dazu Lust hat, ist wieder was anderes. Aber besser als Grosjean wäre er allemal.

Überhaupt nicht gut lief es für McLaren und Renault. Nach dem erfolgreichen Rennen in der letzten Woche landeten Ocon nur auf P9 und Norris auf P10. Ricciardo hatte einen Dreher und Sainz kam das ganze Wochenende nicht in Schwung. Es waren also nicht nur die Mercedes, die am Schwierigkeiten hatten.

Politik am Rande

Es gibt viel Ärger hinter den Kulissen und Mercedes ist kräftig verwickelt. Da wäre zum einen die Strafe gegen Racing Point. Bekanntermaßen hat RP Bremsbelüftungen eingesetzt, die sie von Mercedes gekauft hatten, aber in diesem Jahr nicht hätten einsetzen dürfen. Weil die Lage aber rechtlich eine Grauzone ist, hat die FIA ein relativ salomonisches Urteil gefällt. Strafe ja, Punktabzug, aber keine Disqualifikation. Damit ist aber, wie meist bei so Urteilen, niemand zufrieden. Lawrence Stroll absolvierte einen seiner sehr seltenen öffentlichen Auftritten und nannte die Strafe absurd. Mit deftigen Worten wies er die Anschuldigungen zurück und beschwerte sich über die Behandlung.

Ein Grund für seinen Wutausbruch war die Tatsache, dass einige Teams, darunter Ferrari und Williams, gegen das Urteil Protest einlegen wollen (ist, Stand jetzt, offiziell noch nicht passiert). Das liegt nicht an der Grauzone, die Lücke ist mit dem Urteil geschlossen, sondern allein daran, dass die Autos nicht disqualifiziert wurden. Es geht, natürlich, um die Punkte und damit um Geld.

Pikant an der Sache ist: Racing Point fuhr die beanstandeten Bremsbelüftungen auch am letzten Wochenende. Einfach, weil sie keine neuen haben und weil völlig unklar ist, wie die nun so weit geändert werden müssen, damit sie durchgehen. Das Wissen, wie die Dinger aussehen, ist ja da. Also wie viel muss geändert werden? Die Rennleitung zitierte das Team nach den Rennen zu sich, sprach aber nur eine Verwarnung aus, weil die Strafe schon ausgegeben war. Was wiederum die anderen Teams zur Weißglut brachte, weil RP ja offensichtlich verbotene Teile einsetzt. Das kann noch heiter werden.

Und dann gibt es Ärger um das neue Concorde-Agreement. Dem haben, soweit ich weiß, alle zugestimmt – nur Mercedes nicht. Die fordern, Überraschung, mehr Geld. Toto Wolff drohte am Wochenende damit, die Deadline zur Unterzeichnung am 12. August verstreichen zu lassen. Was das ganze Agreement dann wieder gefährdet, denn ohne Mercedes will man 2021 dann auch nicht an den Start gehen. Für Änderungen benötigt man dann wieder aber die Zustimmung aller Teams. Es wird also eine hektische Woche vor dem Rennen in Barcelona.

Bilder: Ferrari, Daimler AG, Racing Point, Williams, HaasF1, Renault, McLaren

Das könnte Dir auch gefallen

4 Kommentare

ub 10 August, 2020 - 19:28

Die C3 war auch vorige Woche die C3. Der Unterschied war nur, dass sie vorige Woche als weicher Reifen rot und diese Woche als Medium gelb markiert war. Ziemlich verwirrend, diese Reifen ;-)

DonDahlmann 11 August, 2020 - 00:07

Stimmt natürlich. Danke für den Hinweis (Medium/Hard verwechselt)

j82 10 August, 2020 - 21:52

Ich vermute auch einen Zusammenhang mit dem kurzfristig erhöhten Minimalreifendruck. Hierdurch musste das gesamte Setup (Dämpfer etc) angepasst werden.
Vermutlich war die Datenlage diesbezüglich auch ungewöhnlich dünn und der Vorlauf auch nicht ausreichend, um tausende von Simulationen zu machen.
Nächstes Mal die gleiche Situation und MGP wird aufgrund der Erfahrungen aus Silverstone besser aufgestellt sein.

DonDahlmann 11 August, 2020 - 00:08

Das wird eine Rolle gespielt haben. Offenbar sind so kleine Änderungen dann schon sehr schwierig. Bin mal gespannt, wie das dieses Wochenende wird.

Comments are closed.