Home GT-SerienBlancpain Endurance 24 Stunden von Spa-Francorchamps 2018 – Fünf Thesen zum Rennen

24 Stunden von Spa-Francorchamps 2018 – Fünf Thesen zum Rennen

von Philipp Körner
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Die 70. Ausgabe des Ardennenklassikers hatte im Vorfeld große Erwartungen und Hoffnungen generiert. Viele sahen in der Ausgangslage die perfekten Voraussetzungen für das beste und engste Spa24h-Rennen aller Zeiten – ganz so spannend wurde es zum Ende hin jedoch nicht. Außerdem sorgten haarsträubende Unfälle und die teils seltsame Linie der Rennleitung für ein ungutes Gefühl bei allen Beteiligten. Es gilt also, einiges aufzuarbeiten:

These 1: Die 24 Stunden von Spa-Francorchamps waren heuer wieder sehr extrem, aber es gibt nur wenige Verbesserungsmöglichkeiten.

Motorsport is dangerous“ – kein anderer Leitspruch ist so tief in der DNA des Sports verankert wie dieser. Am vergangenen Wochenende ereigneten sich leider sowohl im Vorprogramm als auch im Hauptrennen Unfälle mit Verletzungsfolge, die dies einmal wieder auf schmerzhafte Art und Weise bestätigt haben. Aufgrund der heutigen GIF- und *Brutal Crash Watch Here*-Kultur zirkulierte vor allem der harte Abflug der Lamborghini Super Trofeo in den Untiefen des Internets. Zum Zeitpunkt des Einschlags in einen Stützpunkt der Sportwarte befand ich mich ausgangs der Raidillon und eilte, ohne die Szenen je gesehen zu haben, schnell ins Pressezentrum. Dort teilte mir ein Mitglied des SRO-Media-Staff die ersten Erkenntnisse mit, die zunächst leicht entwarnend wirkten. So sei über den Funk vermeldet worden, dass der Fahrer okay wäre. Im Nachhinein stellte sich dann unglücklicherweise heraus, dass „okay“ hier nur aus der Perspektive des worst case gemeint war.

Schlussendlich hatten sich vier Streckenposten und der Pilot Verletzungen zugezogen. Letzterer sowie einer der Marshalls mussten zudem in ein Krankenhaus überführt werden. Im Zuge der Spa24h haben sich des Weiteren noch Stéphane Ortelli (#114 Emil Frey Lexus Racing RC F GT3), Andy Meyrick (#31 Team Parker Racing Bentley Continental GT3) sowie Jürgen Krebs (#666 Attempto Racing Lamborghini Huracán GT3) derart schwere Verletzungen zugezogen, dass auch sie in ein Krankenhaus gebracht werden mussten. Außerdem wirkten noch weitere Fahrer nach Unfällen leicht angeschlagen, jedoch meldeten sie alle das Ausbleiben von Nachwirkungen im Nachhinein.

Am Mittwochmittag bestätigte die SRO, dass nur noch Meyrick und Krebs im Hospital verblieben sind, aber ihre Entlassung kurz bevorstehe. Meyrick durfte im Laufe des heutigen Tages nach Hause:

Wir wünschen den Betroffenen alles Gute und eine schnelle Genesung. Dies gilt im Übrigen auch für einige Fans, die unter den ungewöhnlichen Hitzebedingungen leiden mussten und medizinisch betreut wurden.

Zunächst das Offensichtliche: Keiner kann solche Unfälle wollen und passive sowie aktive Sicherheit haben die größten Maximen des Motorsports zu sein. Falls sich nun Änderungspotential für den Circuit de Spa-Francorchamps gezeigt haben sollte, kann es nur im Interesse aller Beteiligten liegen, die passenden Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Jedoch leitet sich daraus keine generelle Existenzfrage über die Zukunft der Strecke ab – darauf wird die FIA-Sicherheitskommission intensiv achten.

Aber wie steht es um die 24 Stunden und um den zukünftigen Charakter des Rennens? Generell sind Unfälle nicht zu vermeiden. Das fängt bei der anspruchsvollen Strecke an, umfasst die teils extrem verschiedenen Bedingungen und endet irgendwo beim Fahrerfeld. Während die Strecke im wahrsten Sinne des Wortes in Stein gemeißelt wurde und die Ardennen nicht geschlossen in sanftere Gefilde verschifft werden können, bleibt nur noch das Feld an sich als Diskussionspunkt. Hier ein Beispiel dafür:

Interessanterweise drehte sich die Diskussion später etwas gegen die Profis:

Und gegen das chancenlose Blue-Flag-Verfahren, welches aus der Zeit gefallen zu sein scheint, da es nicht mehr mit den Entwicklungen moderner Langstreckenschlachten mithalten kann:

Ein riesiger Kritikpunkt war zudem das Neutralisierungskonzept:

Im Chat hatten wir dieses leidige Thema bereits umfangreich besprochen und ich habe darauf hingewiesen, dass die SRO-Rennleitung sonst kurz FCY ausgerufen hat und dann das Safety Car für eine umfangreiche Ordnung auf die Strecke ließ. Das neue Verfahren für die Spa24h war dementsprechend zum einen im Vergleich völlig willkürlich und zum anderen nicht passend zum Feld eines Langstreckenrennens. Ob es wirklich Unfälle provoziert hat, ist nicht komplett seriös zu beurteilen, aber die Unruhe im Zuge der Neustarts war für jeden sichtbar.

Welche direkten Maßnahmen gibt es also? Offen gestanden nicht viele. Neben einer vorgeschriebenen GT3-Grunderfahrung, die wohl als Milchmädchenrechnung enden wird, bleiben (schwer zu bestimmende) Feldergrenzen und neue Rennleitungsmaßnahmen als realisierbare Ideen übrig. Demnach müssen die SRO und der belgische Automobilclub als ihr Partner mal sehr tief in sich gehen. Es wäre den Spa24h zu wünschen.

These 2: Das Rennen war sehr interessant aufgebaut, aber fiel im Zuge der Unfälle und der nicht ganz gelungenen Übertragung aus dem Fokus.

Viele Fan-Fazits fielen nachhaltig negativ aus und auch ich muss sagen, dass das Rennen leider weit von meinem Wunschverlauf abgedriftet ist. Dennoch gab es diverse Aufholjagden und Strategiekniffe zu sehen, die verschiedene Ebenen zur Folge hatten. Selbige waren mit den gegebenen Instrumenten (simples Live Timing, TV-Bild sowie Kommentar) kaum zu entzerren und auch die folgenden Grafiken werden dem Ganzen nicht so wirklich gerecht.

Sie zeigen die Positionen der finalen Top 10 bzw. Top 5 zum jeweiligen Stundenwechsel an, was natürlich Strategieverzerrungen beinhaltet. Zudem existiert Stunde elf aufgrund der roten Flagge faktisch nicht (hier: Ergebnis der Vorstunde). Während das erste Drittel noch sehr hektisch daherkommt, beruhigt sich der Verlauf zur Rennmitte zusehends und spätestens im letzten Rennviertel ergeben sich konstante Entwicklungen.

Rennverlauf der Top 10 (Positionen zum Stundenwechsel)

Rennverlauf der Top 5 (Positionen zum Stundenwechsel)

These 3: Der Sieg des #34 Walkenhorst Motorsport BMW M6 GT3 (Philipp EngTom BlomqvistChristian Krognes) ist zwar kein großes Wunder – aber dennoch eine herausragende Leistung.

Die Bayerischen Motoren Werke und die 24 Stunden von Spa bilden zusammen die vielleicht größte Liebesgeschichte des Motorsports. Während BMW in der Tourenwagen-Ära schlicht das beste Material stellte, scheinen ihre GT-Boliden hingegen in den Ardennen jedes Jahr über sich hinauszuwachsen. Der heuer erzielte 24. Gesamtsieg der Marke kam zwar aus der Saisonperspektive mal wieder höchst überraschend, doch hinsichtlich des Circuit de Spa-Francorchamps scheint er nur folgerichtig zu sein.

Die Walkenhorst-Motorsport-Geschichte liest sich wie ein Märchen: Ein halbwegs privates Team aus Melle fasste den Mut, in die Pro-Kategorie aufzusteigen und mit einem Fahrer, der hauptberuflich Ziegel verkauft, sowie zwei Werkspiloten nach der Krone des GT3-Sports zu greifen. Auch wenn diese Ausgangslage natürlich außergewöhnlich wirkt, sollte man nicht vergessen, dass Walkenhorst Motorsport schon seit etlichen Jahren erfolgreich im GT-Sport antritt und vor allem im Umfeld der Nordschleife bekannt ist. In Spa gelang ihnen nun das Opus Magnum ihrer Teamgeschichte. Zwar war das nötige Glück im Zuge von Neutralisierungen auf ihrer Seite, aber insgesamt gesehen hat man das zusammen mit BMW perfekt vorbereitete Auto mit smarter Strategie bis zum Sieg durchgebracht.

Rennverlauf des #34 Walkenhorst BMW (Positionen zum Stundenwechsel)

These 4: Philipp Eng war der Fahrer des Rennens.

Dass der 28-jährige Österreicher zu den besten Piloten der GT-Szene gehört, ist keineswegs neu, doch in Spa fuhr er in einer anderen Welt. Vielleicht sogar in einem Paralleluniversum! So wiederholte er nicht nur die Pace seines ersten Spa24h-Sieges im Jahre 2016, er legte nochmals eine Schippe drauf. Die Durchschnittszeiten der Kollegen von The B Pillar zeigen dies eindrucksvoll:

These 5: Der Circuit de Spa-Francorchamps hat vollkommen zu Recht einen Legendenstatus und die Spa24h sind die perfekte Gelegenheit, ihn kennenzulernen.

Für die meisten hier ist der Südosten der Kurstadt Spa schon lange altbekanntestes Terrain, aber denen, die mit dem Gedanken einer Reise spielen, sei die Ardennenachterbahn wärmstens empfohlen. Die fanfreundlichen Wege, die verschiedensten Perspektiven auf die durchweg malerischen Sektionen und der pure Enthusiasmus der Fans um einen herum sind einzigartig. Dieses Gesamtpaket sucht man selbst am Ring oder in Le Mans vergeblich, wo die Rahmenbedingungen es aber auch nicht zulassen.

Die 24 Stunden von Spa-Francorchamps bieten schon alleine wegen ihrer eigenen Länge die perfekte Möglichkeit für eine ausgiebige Erkundungstour. Ich bin beispielsweise zum Ende des Sonnenuntergangs aufgebrochen und habe vor allem Nachtimpressionen aufsaugen können (damit Ihr nicht wie ich durch die Walachei stolpert, hier ein Pro-Tipp der Locals: Taschen- und Stirnlampen). Die Wegfindung war dank gut gemachter Schilder problemlos und man kann immer entlang der Strecke gehen -was aber auch größere Höhenunterschiede miteinschließt. Darauf sollte man sich unbedingt vorbereiten. Ansonsten ist Spa exakt das, was einem versprochen wird: Die intensivste Grand-Prix-Schleife der Welt.

Abschließend möchte ich mich nochmals bei Euch bedanken: Zum einen für den Beitrag der Spender zu den Kommunikationskosten vor Ort und zum anderen für die spannenden Diskussionen zu Themen wie der Zukunft der GT3, dem Reglement oder einfach dem Rennen an sich. Besondere Grüße gehen noch an Bembel und Exos raus, die ebenfalls vor Ort waren und uns mit wertvollen sowie häufig exklusiven Informationen versorgt haben.

Bilderquelle / Copyright: SRO (Blancpain GT Series)

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