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Vorschau 24h von Le Mans: GTE-Pro

von Flo aus N
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Die Klasse, die sich seit 2014 im Schatten des damaligen großen Dreikampfes in der LMP1 immer weiter zum eigentlichen Star der Serie und in Le Mans mauserte, hat heuer ihren ganz großen Auftritt: In der GTE-Pro werden diesmal insgesamt sechs Marken um die Krone in der Klasse kämpfen. EIne solche Vielfalt hatte die LMP1 in ihrer aktuellen Form nie vorzuweisen. Die insgesamt 17 Werksautos werden sich über die 24 Stunden ein wahres Hauen und Stechen um die vorderen Plätze liefern.

Bereits letztes Jahr bot die Klasse über die gesamte Dauer hinweg einen extrem engen und harten Kampf an der Spitze, der seinen Höhepunkt darin fand, dass erst Eingangs der letzten Runde der entscheidende Führungswechsel stattfand, und Johnny Adam der Corvette mit Ricky Taylor am Steuer den ersten Rang abluchsen konnte. Damit war der erste Sieg für Aston Martin in der GTE-Pro perfekt. Damals balgten sich noch bis kurz vorm Ende der damals brandneue Porsche RSR, ein Ford GT und die besagten Aston Martin V8-Fahrzeuge, nur durch ein paar Sekunden getrennt, um den Sieg in der am härtesten umkämpften Klasse. Für heuer dürfte auf dem Papier sogar noch etwas enger werden, denn mit BMW hat zum einen ein weiterer Hersteller zwei Wagen an den Start gebracht, zum anderen stockte aber auch Porsche sein Aufgebot auf vier Fahrzeuge auf. Damit sind es insgesamt 17 Fahrzeuge, die in der GTE-Pro um den Titel fahren. Allerdings hat eben auch diese Konstellation in der Vergangenheit auch gezeigt, dass dadurch das beliebte Sandbagging noch umso intensiver betrieben wird, da ja kein Hersteller noch zusätzliche Gewichte oder weniger Motorleistung vor dem Rennen riskieren will.

Deshalb, und auch weil in der aktuellen Super-Saison mit Spa nur ein einziges Rennen vor Le Mans stattfand, wird es  heuer noch schwieriger, hier irgendeinen Favoriten ausfindig zu machen. Denn auch beim Testtag hat der örtliche Bauhandel wohl allerlei Umsatz gemacht. Ziemlich früh in der ersten Session fuhren die meisten Fahrzeuge ihre jeweils schnellsten Runden und viele Fahrzeuge haben dann gefühlt peinlich genau darauf geachtet, auf keinen Fall mehr Performance zu zeigen, obwohl die Strecke im Laufe des Tages naturgemäß noch um einiges schneller wurde. Lediglich der Porsche mit der #92 ging dann noch auf eine schnelle Runde und konnte mit einer 3:52.6 die Bestzeit markieren. Daher muss ich gleich mal eines vorweg nehmen: Eine Hackordnung hier bereits ausfindig zu machen ist eigentlich unmöglich und vermutlich wird das auch bis zum Rennen so bleiben, denn da der ACO gerne mal noch am Freitag, also einen Tag vor dem Rennen, in der Vergangenheit Anpassungen vorgenommen hat, kann es durchaus sein, dass auch im Zeittraining noch mit den berühmten Sandsäcken gefahren wird. Letztes Jahr fuhr man beim Testtag bis zu 3:52er Zeiten und das bei sehr hohen Temperaturen, die normalerweise die Fahrbahn etwas langsamer machen. Manche Autos kamen aber stellenweise gar nicht unter 3:54er oder 3:55er Marken, was ein deutliches Zeichen für eben jenes Sandbagging ist. Beginnen möchte ich aber mit der Marke, die heuer ihr 70 jähriges Jubiläum feiert und bereits das 24 Stunden Rennen vom Nürburgring für sich entscheiden konnte:

Porsche

Nach dem Rückzug aus der LMP1 stellten sich viele die Frage: Was macht Porsche nun 2018 in Le Mans, da man nun einige Fahrer zur Verfügung hat und zum anderen auch ein Auftritt mit 2 Wagen in der GTE nicht so recht zur Marke gepasst hätte. Die Antwort kam dann Anfang des Jahres: Neben den 2 RSR von Manthey aus der WEC setzt auch Core Autosport ihre beiden RSR aus der IMSA ein, womit also 4 RSR mit Mittelmotor am Start sind. Dies stellt das größte Aufgebot der Marke in der Klasse dar, seit aus der damaligen GT2 die GTE-Pro und GTE-Am geworden sind. Der neue RSR geht mittlerweile in seine zweite Saison und naturgemäß ist dies oft jenes Jahr, in welchem ein Auto seinen Peak erreicht. Die Kinderkrankheiten aus dem ersten Jahr sind in der Regel behoben und gleichzeitig ist das Konzept aber nicht zu alt, um kaum Platz für Verbesserungen zu haben. Im letzten Jahr hatte man zu Beginn des Jahres noch leichte Probleme mit dem Reifenverschleiß, welcher aber 2018 kein Thema mehr sind, wie der Sieg in Sebring und die sehr starke Vorstellung der beiden RSR in Spa gezeigt haben. Nur ein technischer Defekt machte den Sieg von Richard Lietz und G. Bruni zunichte, nachdem man im Rennen sogar eine etwas bessere Pace als die Ford GT anschlagen konnte.

In Sachen Fahrer hat man bei Porsche wohl über alle 4 Fahrzeuge gesehen die stärksten Besatzungen in der ganzen Klasse, denn Richard Lietz und Gimmi Bruni werden in Le Mans in der #91 von keinem geringerem als dem Rainman vom Nürburgring, Frederic Mackovicki unterstützt. Kevin Estre und Michael Christensen haben Laurens Vanthoor als dritten Mann in der #92 neben sich, welcher beim Eifelklassiker die Fabelzeit von 8:09.1 in den Asphalt brannte. Die beiden IMSA-Autos gehen mit der #93 und #94 an den Start, wobei die #93 von Patrick Pilet und den beiden Le Mans-Siegern Earl Bamber und Nick Tandy pilotiert wird.

Wenn ein Werksporsche dann mit der Besatzung Sven Müller, Timo Bernhard und Romain Dumas als vergleichsweise schwächere Besatzung einzuschätzen ist, dann sagt das schon extrem viel über fahrerische Klasse der anderen Fahrzeuge aus, denn Bernhard und Dumas haben zusammen fast ein Dutzend Siege bei großen Langstreckenrennen und sämtlichen Klassen für sich zu Buche stehen. Dies stellt übrigens eine Wiedervereinigung dar, denn Timo Bernhard und Romain Dumas, das einstige Traumduo auf dem Manthey-Porsche oder dem RS Spyder in der ALMS fuhren 2013 beim 24 Stunden-Rennen vom Nürburgring das letzte Mal auf einem Auto. Eigentlich wäre es eine richtige tolle Story, wenn beide zusammen mit dem jüngsten Werksfahrer die Klasse für sich entscheiden könnten.

Eine Besonderheit stellt die Folierung der beiden WEC-Autos dar. Die #91 tritt in den historischen Farben Blau und Weiß an und stellt somit eine Hommage auf alle Rennporsche dar, die damals mit der Rothmanns-Lackierung fuhren. Die #92 tritt hingegen komplett in Pink an, womit an die „Pink Pig“ erinnert wird, den legendären Porsche 917, der 1971 von Reinhold Joest und Willibert Kauhsen in Le Mans pilotiert wurde, damals aber nicht das Ziel erreichte.

Ob Porsche wirklich den Sieg einfahren kann, kann ich zum Zeitpunkt des Artikels noch nicht sagen, aber nach den bisher gezeigten Leistungen gehe ich stark davon aus, dass man auf jeden Fall ein gewichtiges Wort um den Sieg wird mitreden können, denn bereits letztes Jahr war man bis 1,5 Stunden vor Ende im Kampf um den Klassensieg, bis ein Reifenschaden zum Schluss nur Platz 4 bedeutete. Die Porsche werden aber nicht nur optisch auffallen, auch die Boxen werden im Retro-Design erstrahlen und in Sachen Sound wird man jetzt schon die Krone haben. Grund ist wie schon letztes Jahr eine geänderte Auspuffführung direkt nach hinten raus, wo man auf sämtliche Schalldämpfer verzichten kann, welche den Sound beeinträchtigen würden. Weil der Motor auch bis fast 9500 rpm dreht, wird man sich wieder an diesem infernalischen Gebrüll erfreuen dürfen.

Ford

#67 FORD CHIP GANASSI TEAM UK / USA / Ford GT -Total 6 hours of Spa Francorchamps – Spa Francorchamps – Stavelot – Belgium –

Die zweite Marke, die 4 Fahrzeuge an den Start bringt, ist der Dreifachsieger aus dem Jahre 2016, nämlich Ford mit ihrem GT. Wie üblich bringt man auch hier wieder beide IMSA und beide WEC-GT an den Start, die Betreueung erfolgt durch Chip Ganassi Racing. Eine kleine Überaschung gab es aber zu Beginn des Jahres, als man verkündet hat, kein Update oder Evo-Paket für den GT zu homologieren, obwohl die Entwicklungsarbeit dafür schon recht weit fortgeschritten war. Allerdings haben gerade die Rennen in Daytona und Spa gezeigt, dass man jenes Update wohl auch gar nicht nötig hat, denn in Spa konnte man nach hartem Kampf die Klasse gewinnen, während die GT in Daytona absolut dominant waren. Daytona ist insofern eine wichtige Strecke, da sie mit ihren Geraden und engen Kurven dem Profil von Le Mans relativ nahe kommt und in der Regel ein guter Anhaltspunkt ist. Gerade im Rennen waren die GT sehr stark, da man kaum Probleme mit den Reifen auch bei Mehrfachstints hatte und nachdem man in der Nacht wohl den letzten Sandsack entfernt hatte, liefen die Ford GT auf einmal eine halbe Sekunde schneller als im Zeittraining…

Auch wenn man letztes Jahr mit Glück den dritten Platz in Le Mans geerbt hat, wird auch heuer wieder der Ford GT das Auto sein, was man schlagen muss, wenn man vorne mit um den Sieg mitfahren will. Die langen Geraden sind einfach ein perfektes Terrain für die geringe Stirnfläche des Fords, der auch beim Testtag mit gut 298 km/h den höchsten Topspeed aufweisen konnte. Ein Umstand, der gerade in einer so engen Klasse sehr wichtig sein kann, denn damit tut man sich selber leichter beim Überholen bzw. macht es den Konkurrenten sehr schwer, wenn diese mit 5-8 km/h Nachteil am Ford GT vorbei wollen. Allerdings muss man diese Werte auch mit Vorsicht genießen, denn Augenzeugen haben berichtet dass diverse GTE-Teams beim Testtag bewusst aus dem Windschatten augeschert sind um ja keinen zu hohen Topspeed zu haben.

Fahrerisch sind die 4 Ford GT nach wie vor sehr gut besetzt, wobei ich die Besatzungen nicht ganz so extrem stark wie bei den Porsche einschätze. So werden die beiden WEC-GTs von Stefan Mücke, Oliver Pla und Billy Johnson in der #66 pilotiert, während die #67 von Andy Priaulx, Harry Tincknell und Tony Kanaan gesteuert wird. Die beiden IMSA-Fahrzeuge mit der #68 und #69 werden von Dirk Müller, Joey Hand und Sebastian Bourdais respektive Richard Westbrook, Ryan Briscoe und Scott Dixon pilotiert. Tendenziell finde ich die Autos aus der IMSA einen Ticken besser besetzt, womit diese leicht die Nase vorne haben könnten. Man sollte diese Fahrzeuge auf jeden Fall im Auge behalten, denn immerhin markiert dieser Auftritt den vermutlich vorletzten Einsatz der GT an der Sarthe, bevor dann 2019 die Abschiedsvorstellung dieses Game Changers stattfindet.

Beim Testtag ist noch aufgefallen, dass die GT sofort schnell bis auf eine 3:53.0 rangefahren sind, aber dann alles unternommen haben um ja nicht schneller zu werden. Da aber auch schon in Spa die Zeiten im Vergleich zu 2017 um gute 2 Sekunden schneller geworden sind und man letztes Jahr schon hohe 3:50er Zeiten fahren konnte, darf man also ruhig davon ausgehen, dass die GT unter 3:50 fahren können und entsprechend noch Reserven haben werden.

Ferrari

#51 AF CORSE / ITA / Ferrari 488 GTE EVO – Total 6 hours of Spa Francorchamps – Spa Francorchamps – Stavelot – Belgium –

Der Hersteller mit den drittmeisten Autos im Feld heißt heuer Ferrari. Wie die letzten beiden Jahre bringt man auch heuer wieder drei F488 an den Start, wobei zum einen alle Fahrzeuge mit dem neuen Evo-Paket augestattet sind. Das dritte Fahrzeug wird heuer nicht mehr von Risi eingesetzt, sondern nun von AF Corse, da Risi lieber in der GTE-Am mit Ben Keating zusammenspannt, als nochmal ein Chassis bei der wilden Hatz in der GTE-Pro zu verlieren, wie es 2017 passiert ist und was das Team an den Rand des Ruins getrieben hat.

Das Evo-Paket erkennt man am besten am Frontsplitter, denn dieser ist an den seitlichen Ecken nun weiter nach vorne gezogen und im Gegenzug hat man den Einschnitt links und rechts entfernt. Damit will man die Balance und die Aero-Sensitivtät verringern, unter der das Auto in 2017 manchmal gelitten hat. Auch hat man die Lufteinlässe über jenem Splitter sowie die Auslässe vor der Windschutzscheibe etwas verändert, um den Luftfluss und somit den Luftwiderstand zu optimieren. Der größte Verlust wird aber jener von Gimmi Bruni sein, der nun bei Porsche fährt, denn Gimmi Bruni war über Jahre hinweg der schnellste Pilot von AF Corse. Die #51 wird daher wie in der WEC von James Calado und Davide Rigon gesteuert, Unterstützung kommt von Daniel Serra. Der fuhr letztes Jahr starke Stints im Aston Martin und trug damit wesentlich zum Sieg bei. Daneben war Serra war auch schon Entwicklungsfahrer bei Dunlop.

Das zweite WEC Auto mit der #71 wird wie gewohnt von Alessandro Piere Guid und Sam Bird gesteuert, während Miguel Molina in den Werkswagen aufrückt, nachdem er 2017 noch in der GTE-Am an den Start gehen durfte bzw. musste. Das dritte Auto wird von F1-Entwicklungsfahrer Antonio Giovinazzi, Pipo Derani und Toni Vilander gesteuert. Während Pipo Derani und Toni Vilander zwei gestandene und schnelle Langstreckenpiloten sind, wird es sehr spannend zu sehen, wie sich Giovinazzi auf den GTE umstellen kann, wobei  Beispiele in der Vergangenheit gezeigt haben, dass dies ohne große Probleme machbar ist. Ein kleines Fragezeichen bleibt aber noch hinter der Leistungsfähigkeit des Fahrzeuges. In Spa hat man in der Qualifikation und zu Beginn des Rennens viel Zeit verloren, sich dann aber durch extrem konstante Stints und Rundenzeiten am Ende sogar noch auf das Podest gefahren, als man deutlich weniger Graining zu verzeichnen hatte als die Konkurrenten. Es wäre daher gut möglich, dass die Ferrari nicht auch gleich zu Beginn vorne dabei wären, sich dann aber im Laufe des Rennens nach vorne arbeiten, da der Ferrari auch kaum Probleme mit steigenden oder fallenden Temperaturen hat. Zur BoP-Einstufung schreibe ich bewusst nichts, denn diese wird sich wohl noch mindestens zwei mal bis zum Rennen ändern. Es wäre aber alles andere als überraschend, wenn am Ende Porsche, Ford und Ferrari vorne wären, während die anderen 3 Teams etwas Abstand haben.

Corvette

Das Team, das mit diesen drei vermutlich noch am ehesten mithalten wird können, ist Corvette Racing. Bereits letztes Jahr war man bis zur letzten Runde auf Siegkurs, als Jordan Taylor von einem schleichenden Plattfuß erwischt wurde, den er sich 1,5 Runden zuvor bei einem beinharten Manöver gegen Johnny Adam in Arnage geholt hatte. Corvette geht auch heuer wieder mit zwei Autos an den Start, wobei es sehr wahrscheinlich die Abschiedsvorstellung der jetzigen C7 ZR1 sein wird, 2019 wird man vermutlich mit einem Mittelmotor wieder richtig angreifen wollen, denn das aktuelle Auto geht in seine fünfte Saison und man wird alle Hände voll zu tun haben, mit den nochmals schneller gewordenen Porsche und Ford GT mithalten zu können.

Zwar verfügt das Fahrzeug über ein ordentliches Drehmoment und einen guten Reifenverschleiß, aber in Sachen Aero hinkt man der Konkurrenz etwas hinterher. Dafür ist das Auto in der Regel in Sachen Zuverlässigkeit eine echte Bank, denn größere technische Defekte hatte man in der Vergangenheit kaum, eher hatte man die Autos durch Unfälle verloren. Im Gegensatz zum Fahrzeug hat sich aber auch was bei den Fahrern getan: In der #63 gibt Mike Rockenfeller nach 2012 endlich wieder sein Comeback in Le Mans. Der Gesamtsieger von 2010 wird in dem Auto Jordan Taylor ersetzen, der nicht mehr Bestandteil des Teams ist. Mit ihm werden Jan Magnussen und Antonio Garcia die #63 steuern, während in der #64 Tommy Milner, Oliver Gavin und zum zweiten Mal in Folge Mike Rockenfellers ehemaliger Teamkollege aus LMP1-Zeiten, Marcel Fässler, das Fahrzeug steuern werden. Beim Vortest war man nicht bei den schnellsten dabei, allerdings hat man sich wie fast alle anderen vornehm zurückgehalten.

BMW

#82 BMW TEAM MTEK / DEU / BMW M8 GTE – Total 6 hours of Spa Francorchamps – Spa Francorchamps – Stavelot – Belgium –

Etwas anders sieht die Sachlage aber bei den Neulingen aus München aus. Nachdem man 2011 das letzte mal mit dem damaligen M3 GT am Rennen teilgenommen hat, blieb man bis heuer dem Rennen fern. Es gab mal Bemühungen von Marc VDS den Z4 GTE an den Start zu bringen, allerdings hätte BMW dafür das Auto deutlich umkonstruieren müssen, da mit dem Z4 auf den langen Geraden kein Blumentopf zu gewinnen gewesen wäre. Mit dessen Nachfolger, dem M6 GTLM, hätte man auch keine Chance gehabt, denn dieses Auto war in der IMSA erst gegen Ende 2017 mit erneuten drastischen Zugeständnissen via BoP siegfähig. Für 2018 hat man sich anders entschieden und man will wieder mit einem richtigen GTE an den Start gehen, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht von einem GT3-Wagen abgeleitet ist.

Für dieses Unterfangen hat man sich den M8 GTE ausgesucht. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist dies der einzige Wagen, der aktuell in der Entwicklung ist und Ende 2018 / Anfang 2019 in Serie gehen wird. So kann man während der Entwicklung noch gewissen Einfluss zu Gunsten der Renningenieure z.B. im Bereich Fahrwerk oder Chassiskonstruktion ausüben. Zum anderen ist der M8 fast das einzige Auto, welches grundsätzlich für einen GTE in Frage kommt. Der I8 hat dafür keinen Platz, mit dem M4 fährt man schon in der DTM, der Nachfolger des Z4 wäre auch keine passende Lösung dafür gewesen, und der M5 ist zu hoch gebaut.

Das Problem des M8 GTE ist aber dessen Entwicklung, und das was in den letzten 16 Monaten so alles vorgefallen ist. BMW wollte ursprünglich die Dachlinie im Vergleich zur Serie um gute 100mm absenken. Dafür benötigt man einen Waiver (eine technische Ausnahmegenehmigung), der alle anderen Hersteller zustimmen müssen. Diesen Antrag hat man im Winter / Frühjahr 2017 gestellt, als das ganze Auto schon mehr oder weniger fertig konstruiert war. Es ist aber das eingetreten, womit man irgendwie rechnen musste: Mindestens 1 Hersteller hat diesem Waiver nicht zugestimmt und damit das bisherige Konzept über den Haufen geschmissen.

BMW musste also bei einem ohnehin schon sehr engen Terminplan das Auto stellenweise komplett neu konstruieren, was massive Auswirkungen auf die Aerodynamik hatte, da man eben nun nicht mit der abgesenkten Dachlinie fahren durfte. Dies hat dem Fahrzeug etwa drei Monate wertvolle Testzeit gekostet, und dafür gesorgt, dass das Aero-Paket nicht so gut ist, wie man es eigentlich gerne gehabt hätte. Dazu kommt, dass man wohl auf diesen Waiver angewiesen wäre, um auf die entsprechende Performance zu kommen, was natürlich umso mehr ein Grund für die Konkurrenz war, die Aktion zu blockieren. Allerdings kommen bei BMW wohl noch andere Dinge zum Tragen. Zum einen hat man das Auto wohl nicht so konsequent an die Grenzen des Reglements entwickelt wie Ford mit dem GT oder Porsche mit dem RSR mitsamt Mittelmotor, zum anderen hatte man angeblich laut Radio Fahrerlager auch nicht jene Kapazitäten wie die anderen Hersteller.

#82 BMW TEAM MTEK / DEU / BMW M8 GTE -Total 6 hours of Spa Francorchamps – Spa Francorchamps – Stavelot – Belgium –

Durch das verspätete Testdebüt startete man somit in Daytona mit einigem Rückstand die die Saison, und bekam gleich mal recht deutlich die Grenzen aufgezeigt. Über 6 Runden Rückstand auf einer Strecke, die Le Mans ähnelt, waren schon ein herber Rückschlag. Im Zuge dessen hat man dann bei der IMSA und der FIA das große Rad in Sachen Politik / BoP gedreht und um teilweise massive Erleichterungen gekämpft. Angeblich wurde sogar mit einem Ausstieg gedroht, sollte der M8 GTE nicht per BoP siegfähig gemacht werden. Im Laufe der Saison konnte man dann z.B. in Spa erkennen, dass der M8 über eine Runde näher an der Konkurrenz war, allerdings hat sich auch hier eine weitere Schwachstelle des Fahrzeuges mehr als offenbart: Die Reifennutzung und der Reifenverschleiß.

Während andere Marken wie Ferrari dies mittlerweile fast perfektioniert haben, nutzt der BMW die Reifen sehr unterschiedlich ab. Dies erkennt man dann am zunehmenden Unter- als auch Übersteuern. Allgemein liegt das Fahrzeug gefühlt sehr unruhig, während der F488 im Vergleich ruhig wie ein Brett liegt. In Spa verlor man im Laufe eines Doppelstints immer weiter an Boden und konnte sich nur noch vor den Aston Martin behaupten konnte. Ein Umstand, der sich auch in Le Mans niederschlagen wird, denn allgemein werden in der Klasse Dreifachstints auf einem Satz Reifen gefahren, da die maximale Anzahl der Reifensätze limitiert ist. Auch soll der BMW wohl einen sehr schmalen Bereich  für die Abstimmung des Autoshaben, was nicht von Vorteil sein dürfte, da sich die Strecke im Laufe der Woche doch deutlich verändert. Etwas überraschend war dann auch die Entscheidung, dass MTEK aus der DTM den Einsatz und die Entwicklung des neuen Wagens durchführen soll, denn MTEK war bis dahin nur in der DTM am Start und verfügt über keine Erfahrung auf der Langstrecke. Schnitzer als ausgemachtes Langstreckenteam kam hingegen nicht zum Zuge. Besetzt sind die Fahrzeuge mit Philipp Eng, Nicky Catsburg und Martin Tomczyk, der der Entwicklungspilot war, auf der #81, womit diese wohl etwas stärker besetzt ist als die #82, die mit Augusto Farfus, Alexander Sims und Antonio Felix da Costa etwas abfällt.

Von den 6 Piloten sind bislang nur Farfus 2011 und Eng 2016 in Le Mans gefahren, während alle anderen „Rookies“ sind. Nicky Catsburg war bislang mit Philipp Eng der schnellste GT-Fahrer bei BMW in den letzten 12 Monaten. Diese Entscheidungen aus Fahrersicht sind nicht ganz ohne Risiko und Gefahr, denn Le Mans ist keine Strecke wie z.B. Paul Ricard, wo man nach kurzer EIngewöhnung am Limit fahren kann. Viele Piloten (wie beispielsweise Mark Webber) haben  Jahre gebraucht, um hier auf einem Level mit den Topstars der jeweiligen Klasse zu fahren. Da BMW auch nur mit zwei Fahrzeugen am Start ist, ist man auch nicht in der Lage den Wissenvorsprung in Sachen Setup z.B. der Ford-Truppe auf die schnelle zu egalisieren. Ich persöhnlich rechne damit, dass sich BMW im Comeback-Jahr hart tun wird. Man wird auch in Le Mans tendenziell im Zeittraining eher bei der Musik sein als im Rennen, es sei denn man bekommt erneut weitere Zugeständnisse in der BoP, die aber die Schwachstellen in der Reifennutzung eigentlich nicht egalisieren können.

Aston Martin

#95 ASTON MARTIN RACING / GBR / Aston Martin Vantage AMR -Total 6 hours of Spa Francorchamps – Spa Francorchamps – Stavelot – Belgium –

Ebenfalls mit einem neuen Fahrzeug geht Aston Martin an den Start. Nachdem der ursprüngliche GT2 V8 Vantage 2008 debütiert hatte, und dessen Motor in seinen Grundzügen fast 20 Jahre alt ist, war es höchste Zeit, den alten Vantage in Rente zu schicken und mit dem neuen Vantage GTE an den Start zu gehen. Dieser verfügt nicht mehr über den 4,5l V8 sondern über einen 4,0l V8 Biturbo, ähnlich dem BMW, wobei dieser Motor von Mercedes kommt und von Prodrive auf den Einsatz in der Klasse entsprechend umkonstruiert wurde.

Im Gegensatz zum alten Fahrzeug vertraut der neue Vantage nicht mehr auf so viele Waiver, denn das Fahrzeug ist eine komplette Neuentwicklung, womit man auch einen entsprechend engen Austausch zwischen der Serienentwicklung und der Rennsport-Mannschaft sicherstellen konnte. Nach über 40.000 Testkilometer im Jahr 2017, hatte das Fahrzeug heuer in Spa seine Premiere. Alle, die hier anfangs einen Siegkandidaten vermutet hatten, mussten feststellen dass das Auto in Spa und auch bislang beim Prolog und beim Vortest einige Sekunden von der Spitze weg war, was schon überraschend ist, denn eigentlich ging man davon aus, dass der Vantage mindestens mit dem BMW M8 mithalten wird können. Aber in Spa fuhren die Astons ihr eigenes Rennen am Ende des Feldes.

Auf den Geraden haben in Spa als auch beim Vortest bis zu 10 km/h auf die Schnellsten gefehlt, was in dieser Klasse auf einer Strecke wie in Le Mans ein gewaltiges Defizit ist, denn Überholen ist damit praktisch unmöglich. Auch war man bei den Zeiten schlechter als letztes Jahr mit dem alten Modell. Erstaunlich, denn der neue Turbo hat mehr Drehmoment, das Chassis ist deutlich verwindungssteifer und auch der Schwerpunkt wurde deutlich abgesenkt. Die Aerodynamik wurde auch deutlich weiterentwickelt, was man den Schwellern, der Entlüftung über der Motorabdeckung und der neuen Heckflügelhalterung gut erkennen kann.

#95 ASTON MARTIN RACING / GBR / Aston Martin Vantage AMR -Total 6 hours of Spa Francorchamps – Spa Francorchamps – Stavelot – Belgium –

Ich persöhnlich kann mir allerdings nur sehr schwer vorstellen, dass man mit dem neuen Fahrzeug mehrere Sekunden langsamer als mit dem alten Auto ist, sondern dass man eventuell auch hier bewusst Sandbagging betrieben hat, um eine bessere Einstufung für das Rennen zu erhalten. Eine Taktik, die Aston Martin eigentlich auch mit dem alten Auto seit 2016 relativ regelmäßig vor Le Mans betrieb, und letztes Jahr auch den Klassensieg einfahren konnte. Das war der erste Erfolg, seit man 2012 nach dem LMP1-Desaster in die GTE zurückgekehrt war.

Fahrerisch ist man gut besetzt, denn die Titelverteidiger gehen mit Nicki Thiim, Marco Sorensen und Darren Turner in der #95 an den Start, während Alex Lynn, Johnny Adam und Neuzugang Maxime Martin in der #98 Platz nehmen. Ein Fiasko war aber bislang die Vorbereitung, genauer der Testtag in Le Mans. Im Laufe der ersten Session hatte man einen heftigen Unfall mit der #35, dem LMP2 Dallara von SMP Racing auf dem sehr schnellen Abschnitt von Mulsanne zu Indianapolis. Während der Dallara ohne größeren Schaden davonkam, ist das Chassis der #95 Kernschrott, womit das Team einerseits nun ein komplett neues Chassis aufbauen muss, anderseits auch wichtige benötigte Testzeit verloren hat. Zeit, die um so wichtiger gewesen wäre, denn neben dem Fahrzeug hat Aston Martin auch den Reifenausrüster gewechselt und ist nach zwei sehr erfolgreichen Jahren von Dunlop zu Michelin gewechselt. Michelin ist damit Alleinausrüster in beiden GTE-Klassen sowie der LMP1.

Wie am Ende das Rennen in der GTE-Pro wirklich ausgehen wird, das kann vermutlich aus heutiger Sicht kaum jemand vorhersagen, da kaum abzusehen ist, wie viele Sandsäcke bislang jedes Auto in der WEC und beim Test geladen hatte. Es kann sogar so weit kommen, dass die Fahrzeuge erst nach 2 oder 3 Stunden im Rennen volle Leistung fahren, um damit einer Strafe oder Einbremsung durch den ACO zu entkommen.

Auch wird es während der Trainingssitzung und nach dem ersten oder zweiten Zeittraining wieder garantiert Hersteller geben, die hinter den Kulissen Politik betreiben, um eine bessere Einstufung zu bekommen. Eigentlich ist das für diese Klasse extrem schade, denn immerhin bietet sie mit 17 Profiautos eine nie dagewesene Leistungsdichte, und wird wohl wieder ein sehr munteres und spannendes Rennen liefern. Ich persöhnlich wäre nicht überrascht, wenn am Ende das Rennen wieder erst in der letzten Runde durch einen beinharten Zwei- oder sogar Dreikampf entschieden wird. Bei dieser Anzahl der Autos kann man daher nur an die TV-Anstalten appellieren, der GTE-Pro mehr Sendezeit einzuräumen, denn hier wird mal so richtig die Post abgehen. Eigentlich wäre es perfekt, wenn es einen eigenen Stream nur für die GTE-Wagen geben würde.

Bilder: FIA WEC

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