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Formel Eins: Analyse GP von Aserbaidschan 2018 – Buntes Treiben

von DonDahlmann
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Wie schon im letzten Jahr entwickelte sich das Rennen in Baku etwas anders, als man dachte. Mercedes lieferte einen strategischen Geniestreich.

Zwei Safety Car Phasen und 51 Runden später freute sich Mercedes über den ersten Sieg, Perez und Force India über Platz Drei, während Kimi Räikkönen auf P2 mit sich haderte. Sein Fehler in Q3 kostete ihn nicht nur die Pole sondern vielleicht auch den Sieg. Überhaupt werden sich nach dem Rennen einige Fahrer sehr ärgern. Vettel über die unpassende SC-Phase, Ferrari über einen Strategiefehler, Bottas über ein Trümmerteil, Hülkenberg über ein verpasstes Podium und Sirotkin über verpasste Punkte. Und von Red Bull braucht man in dem Zusammenhang gar nicht erst erwähnen.

Der Crash zwischen Ricciardo und Verstappen in Runde 39 kam mit langer Ansage. Seit den Start hatten sich beide Fahrer beharkt wobei Verstappen derjenige war, der vorne lag. Mehrfach hatte Ricciardo, der offensichtlich schneller war, versucht am Niederländer vorbei zu kommen, mehrfach konnte Verstappen die Angriffe hart verteidigen. Man berührte sich mindestens zweimal und war dementsprechend mehrfach kurz vor einem Abflug. Nachdem Ricciardo endlich vorbei kam, gelang Verstappen drei Runden später der Overcut und er lag wieder vorne. Wieder schien Ricciardo schneller. Und dann kam halt das:

Die Schuldfrage zu beantworten ist schwer. Verstappen deckt die Innenseite erst ab, dann macht er ein bisschen auf um dann doch wieder nach links zu fahren. Tu diesem Zeitpunkt hatte sich Ricciardo aber schon für die Lücke entschieden. Am Anbremspunkt klemmte er dann so knapp hinter Verstappen, dass ihm auf der Front Anpressdruck fehlte. Der fehlende Abtrieb sorgte dann wiederum dafür, dass er seinen Wagen nicht schnell genug stoppen konnte. Man kann Verstappen für den letzten Move nach links kritisieren. Es war auch nicht das erste Mal, dass Verstappen in letzter Sekunde vor dem Anbremspunkt die Linie wechselt. Für diese Eigenart wurde erschon mehrfach unter anderem von Hamilton und Vettel kritisiert. Auf der anderen Seite: eine wirkliche Lücke war da nun auch nicht. Der Platz zwischen Verstappen und der Boxenmauer war eng, die Innenseite zudem staubig. Wie Ricciardo da um die Kurve kommen wollte, ist auch ein kleines Rätsel. Alles in allem war ein Rennunfall zwischen zwei Fahrern, die dickköpfig waren und sich keinen Millimeter Platz gelassen haben.

Der Unfall und das daraus resultierende Safety Car stellte dann den Rennverlauf auf den Kopf. Eigentlich hatte Vettel das Rennen gut im Griff. Vom Start weg führte er, auch wenn er Hamilton hinter ihm nicht wirklich abschütteln konnte. Bottas lag auf P3 und fiel vor allem im ersten Drittel des Rennen auffällig weit zurück. Während Hamilton den Abstand bei rund 4 Sekunden konservierte, betrug der Rückstand von Bottas rund 12 Sekunden. Dahinter steckte aber eine interessante Taktik von Mercedes. Bottas schonte seine Reifen, vor allem in den ersten 20 Runden. Nachdem Hamilton in Runde 22 an der Box war, reduzierte der Finne den Abstand zu Vettel innerhalb weniger Runden um drei Sekunden.

Der Stopp von Hamilton kam ungefähr zur Halbzeit und es war klar, dass man mit den Soft problemlos 30 Runden und mehr würde fahren können. Erstaunlicherweise reagierte Ferrari auf den Stopp von Mercedes aber nicht. Statt Vettel eine Runde später reinzuholen, wartete man bis Runde 30. Man setzte sich so einem unnötigen Risiko aus, sollte es zu einem SC kommen und die Position auf der Strecke dann ungünstig wäre. Mercedes wiederum hatte mit Bottas nichts zu verlieren. Man ließ ihn auf den Supersoft einfach draussen und der Finne fuhr sehr gute Rundenzeiten. Interessanterweise konnte Vettel auf den brandneuen Soft den Abstand zu Bottas nicht verkürzen. Zwischen Runde 30 (Stopp Vettel) bis Runde 39 blieb der Abstand relativ konstant bei rund 12 Sekunden.

Natürlich war es reines Glück, dass das SC genau dann kam, als Bottas auf der langen Geraden war. Zehn Sekunden später und die Sache wäre für Bottas schlechter ausgegangen. Auffällig war allerdings, dass Vettel mit den neuen Soft die Zeiten von Bottas teilweise nicht gehen konnte. Unklar ist, ob das daran lag, dass Ferrari Vettel im Schongang fahren ließ, oder ob er, wie die Mercedes auch, Probleme hatte, die Soft ins richtige Temperaturfenster zu bekommen. Hat Ferrari das Rennen verloren, weil man den Abstand nicht verkürzte? Nicht unbedingt. Denn selbst wenn Vettel im Heck von Bottas gehangen hätte, der Finne wechselte logischerweise auf die Ultrasoft. Ferrari hätte nur zwei Chancen gehabt: entweder auch wechseln und damit auf P2 bleiben oder mit den Soft draussen bleiben und hoffen, dass man Bottas hinter sich halten kann. Im Endeffekt hatte Ferrari auf Grund der ungünstigen Situation keine Chance.

Über den Versuch von Vettel nach der SC-Phase sich auf der letzten Rille an Bottas vorbei zu bremsen, kann man nur wenig negatives sagen. Einerseits war die Lücke da und Vettel ist keiner, der so eine Chance an sich vorbeiziehen lässt. Andererseits hatte er das schnellere Auto. Er hätte auch eine Runde warten können um es dann auf der langen Geraden zu versuchen. Es bestand aber auch die Chance, dass Bottas sich hätte um die 1,5 Sekunden absetzen können und Vettel auf der Geraden ohne DRS eh keine Chance hatte. Das Bottas dann einen Reifenschaden ereilte konnte er kaum vorhersehen.

Der Ausfall beider Red Bull und von Bottas schob das Mittelfeld dann nach vorne. In der Lotterie gewann dann Force India, die an diesem Wochenende wieder zu alter Stärke gefunden hatten. Aber eigentlich hätten da entweder Sainz oder Hülkenberg stehen müssen. Die Renault hatten in den ersten Runden beide Red Bull hinter sich gelassen, was schon an sich erstaunlich war. Leider verabschiedete sich der Deutsche in Runde 11 mit einem Mauerkuss. Sainz wurde dann Opfer der SC-Phase. Renault hatte den Spanier relativ früh in Runde 15 auf die Soft gesetzt. Das hatte zwar den Vorteil, dass er später, als alle anderen an die Box kamen, nach vorne gespült wurde, gleichzeitig verlor Sainz zwischen Runde 15 und 23 sehr viel Zeit im Hinterfeld. Mit einer anderen Strategie wäre da mehr drin gewesen.

Force India wiederum hatte erst Pech, aber dann doch alles richtig gemacht. Nachdem Ocon gegen Räikkönen den kürzeren gezogen hatte, blieb nur Perez im Rennen. Den holte man in Runde 2 schon an die Box und setzte ihn auf die Soft. Wie Sainz steckte Perez im Verkehr fest, aber der Mexikaner musste halt nicht mehr an die Box kommen. Gleichzeitig profitierte er davon, dass das Feld relativ eng zusammenblieb. So rutschte Perez dann bis Runde 39 auf P7 vor. Der Ausfall beider Red Bull, von Grosjean und Bottas nebst eines Überholmanövers gegen Vettel brachten Perez dann auf P3. Mehr als verdient, nach so einem Rennen.

Die gute Fahrt von Perez reichte aber nicht für den Titel „Fahrer des Rennens“. Den bekam am Ende Charles Leclerc von den Fans verliehen. Der Monegasse hievte den Sauber immerhin auf P6. So weit vorne hatte man einen Sauber schon lange nicht mehr gesehen. Die Grundlage für das gute Rennen war das Vordringen in Q2 am Samstag und ein guter Start. Nach dem Start lag der Sauber auf P12, danach kämpfte sich Leclerc auf P10 vor. Sauber stoppte wie viele Teams in Runde 24 und konnte P10 halten. Die vielen Ausfälle schoben Leclerc dann nach vorne. Auffällig war aber, dass der Sauber, wie schon im Rennen zuvor, erstaunlich gut ging. Offensichtlich hat man den neuen Wagen so langsam im Griff. Spanien wird dann zeigen, wo man wirklich steht.

Ebenfalls Punkte gab es für Williams. Stroll musste zwar Leclerc passieren lassen, konnte sich dann aber hinter dem Sauber festsetzen. Generell machte Williams in Baku einen leicht verbesserten Eindruck, aber das mag auch an der Strecke gelegen haben. Da in Baku mittelschnelle und schnelle Kurve fehlen, wurde die bisherige Schwäche des Williams auch nicht gefordert. Der Eindruck, dass Williams hinter Sauber hängt verstärkt sich deutlich.

McLaren und Toro Rosso konnte ebenfalls Punkte einsammeln, aber da können sich beide Teams bei den vielen ausgefallenen Piloten bedanken. McLaren war in Baku erstaunlich langsam unterwegs, man erreichte nicht mal Q3. Die Schwäche des Chassis auf schnellen Kursen zeigte sich wieder einmal. Toro Rosso litt unter dem schwachen Honda-Motor, wie man allein an den Höchstgeschwindigkeiten sehen konnte. Das Hartley auf P10 einlaufen konnte, war dann reines Glück.

Weiter geht es in 14 Tagen dann in Spanien. Und wie immer werden alle Teams zum Start der Saison in Europa stark überarbeitete Autos mitbringen. Das könnte, vor allem im engen Mittelfeld, die Rangfolge dann verändern.

Alle Daten zum Rennen.

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1

Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Toro Rosso?
Die Teams stellen die PR-Bilder normalerweise zur Verwendung für Presseberichte mit einer speziellen Lizenz zur Verfügung. Diese ist zeitlich nicht limitiert und gilt weltweit. Red Bull hat sich entschlossen, Bilder nur noch für 6 Monate zu lizenzieren. Das bedeutet, dass wir die Bilder nach sechs Monaten löschen müssten, um nicht Gefahr zu laufen, eine Abmahnung, Rechnung etc. zu bekommen. Der Aufwand dafür ist nicht gerechtfertigt. Wir werden also in Zukunft leider keine Bilder mehr von Red Bull verwenden. Dies gilt auch für Bilder von Toro Rosso, da sie über die gleiche Plattform vermarktet werden.

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1 Kommentare

nona 30 April, 2018 - 20:27

Also…, ich bin ja kein Freund von typischen „Schuldfragen“-Reflexen. So viele Incidents sind oftmals Sachen, die im Rennen einfach passieren wo zwei oder mehr Autos sich um denselben Platz streiten. Oder man bedenke auch, dass die Aktionen der Beteiligten häufig das Ergebnis minimalster Lenkbewegungen und Sekundenbruchteilsentscheidungen sind, die eben auch mal reflexartig falsch gewählt sein können. Dass man (lies: Medien) da zwecks Skandalisierung, Sensationalisierung und Dramatisierung unbedingt so gerne mit dem Finger auf „Verursacher“ oder gar „Schuldige“ zeigen müsse, finde ich äusserst diskutabel. Sehr häufig ist es tatsächlich niemandes „Fehler“ wenn etwas passiert.

Aber wenn man denn in Sachen Ricciardo/Verstappen eine Schuldfragenanalyse betreiben will (und wer will das nicht…), dann muss ich sagen: das war ein ganz, ganz klassischer Verstappen. Das genau das mal irgendwann genau so passiert, das war so sonnenklar dass man eigentlich eine Wette hätte drauf abschliessen müssen.

Natürlich war Ricciardos Ansatz zum Überholmaneuver hart (kein Wunder, nach der Vorgeschichte im Rennen) und eine Spur optimistisch – wäre er erfolgreich links auf die Kurveninnenseite gekommen, hätte er Verstappen vermutlich mindestens in der Kurve lang schicken müssen. Aber nichtsdestoweniger wäre die Lücke da gewesen, hätte Verstappen nicht wieder nach links reingezogen; Ricciardo hat die Lücke ja extra dafür mit dem Antäuschen nach rechts aufgemacht. Verstappens Positionsverteidigung war haargenau das, was er schon etliche Male mit diversen Fahrern gemacht hat, und wofür er schon X-mal völlig zurecht kritisiert wurde: sich abrupt vor den Überholenden setzen, wenn der längst committed ist und kaum noch/garnicht mehr ausweichen kann. Das ist einfach saudreckig, sowas macht man nicht. Das ist oft genug „gerade eben so“ gut gegangen, weil der andere Fahrer haarscharf noch ausweichen konnte oder wissend um Verstappens dreckigen Verteidigungsstil es sowieso nur so halbernsthaft versucht hat. Diesmal ist es dann mal nicht mehr gut gegangen. Nicht zuletzt weil die Anbremszone nach einer Highspeed-Geraden ungefähr der schlechteste Punkt auf der Strecke für so eine Art von Verteidigung ist.

Und ich kann nur wiederholen: das ist eine Art von Fahren, die man normalerweise ablegt, wenn man ein paar gute Jahre mit Hörnerabstossen in Nachwuchsserien verbringt, wobei man auch mal schmerzhaft lernt was für Maneuver man besser bleiben lässt. Diese Schule hat Verstappen nie durchlaufen, sein „unvorsichtiger“ Fahrstil – so spektakulär er auch sein mag – ist u.A. das Ergebnis von Naivität und mangelnder Nachwuchsfahrer-Erfahrung. Er ist auch nicht nur von Hamilton und Vettel dafür kritisiert worden, auch z.B. Kimi kann mehrer Lieder davon singen. Genaugenommen hat ihm unisono jeder Fahrer schonmal sehr deutlich gesagt (ich glaube erstmals bei einem Fahrermeeting vor Hockenheim 2016, wo ihm intern wohl mächtig von allen Fahrerkollegen der Kopf gewaschen wurde), dass er diesen Scheiss gefälligst bleiben lassen soll, or else. Er hat’s nicht verstanden, und aus den Interviews hört man raus dass er glaubt er mache alles richtig. Im Gegenteil, er wird von seinem Umfeld motiviert, seinen Stil bloss nicht zu ändern, und nicht auf die Kritiker zu hören. Ergebnis: siehe Baku 2018.

Die Teamführung muss sich fragen (lassen), warum sie den Schaum nicht schon vorher gebremst haben angesichts der sich rundenlang aufschaukelnden Aggressivität zwischen den beiden, oder warum sie nicht einfach per Order den schnelleren Fahrer nach vorne gebracht haben, wie früher schonmal. Marko und andere haben ja hinterher geäussert, es sei im Vorfeld den Fahrern alles gesagt worden was es da zu sagen gibt, aber „fahrt euch nicht gegenseitig in die Kiste“ ist ihnen offenbar nicht vermittelt worden. Und die Rennleitung sollte man vielleicht mal fragen, ob es da nichts weiter zu untersuchen gibt, schliesslich bestand Verstappens Verteidigungs-Move aus zwei Zickzack-Spurwechseln in entgegengesetzte Richtungen. Wenn ich nicht irre ist das auch in der F1 nach wie vor nicht erlaubt („Zick darfste machen, Zack nicht mehr“…).

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