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Formel Eins: Analyse Testfahrten in Barcelona

von DonDahlmann
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Die zweiwöchigen Testfahrten in Barcelona haben leider kein klares Bild in Sachen Rangordnung ergeben. Das hat verschiedene Gründe.

Testzeiten sind, ohne den kompletten Datensatz oder zumindest die Sektorenzeiten zu haben, immer schwer einzuschätzen. Aber immerhin weiß man, dass die Programme sich die zwei Wochen bei allen Teams gleich sind. Man macht Short- und Long Runs, man testet verschiedene Setups, man geht auch mal auf Zeitenjagd. Ein paar Geheimnisse bleiben aber. Wie schwer war das Auto? Waren die Reifen bei den schnellen Runden frisch oder gebraucht? Und ist man überhaupt mit der vollen Motorleistung unterwegs? Vor allem letzteres kennt man aus den freien Trainings am Freitag. Meist verbessern sich die Zeiten am Samstag dann enorm. Dennoch probieren wir es mal mit einer Rangfolge.

Schaut man sich nur die reinen Spitzenwerte an, dann sieht das Bild so aus.

FerrariSF71H1.17.182Hypersoft
McLarenMCL331.17.784-0.602Hypersoft
Red BullRB141.18.047-0.865Hypersoft
RenaultR.S.181.18.092-0.910Hypersoft
HaasVF181.18.360-1.178Supersoft
Toro RossoSTR131.18.363-1.181Hypersoft
MercedesW091.18.400-1.218Ultrasoft
Force IndiaVJM111.18.967-1.785Hypersoft
Sauber C371.19.118-1.936Hypersoft
WilliamsFW411.19.189-2.007Soft

Jetzt muss man allerdings noch die verschiedenen Reifenmischungen mit ein beziehen. Pirelli hat das so angegeben:

Mediums -> Softs: 0.8 Sek
Softs -> Supersoft: 0.4 Sek
Supersoft -> Ultrasoft: 0.6 Sek
Ultrasoft -> Hypersoft: 0.7/0.8 Sek

Demzufolge wäre der Haas  knapp das schnellste Auto auf der Strecke. Was eher unwahrscheinlich ist und  klar macht, dass vor allem die Spitzenteams nicht mit einem leeren Tank unterwegs waren. Pro 10 Kilogramm rechnet man in Barcelona mit 0,3 Sekunden Zeitverlust. Geht man davon aus, dass der Haas mindestens eine Sekunde langsamer ist als der Ferrari, hatten die Italiener also rund 30 Kilo Sprit an Board. Zieht man der Fairness halber bei allen drei Top Teams 30 Kilo ab, landet man bei dieser Reihenfolge.

Ferrari circa 1.16.0 min
Mercedes circa 1.16.7 min
Red Bull circa 1.16.9 min

Das die Abstände aber so nicht stimmen dürften, kann man leicht erkennen. Kaum zu glauben, dass Ferrari aus einem Rückstand von rund 3 Zehnteln einen Vorsprung von 7 Zehnteln gemacht. Gleichzeitig scheint der Abstand zwischen Mercedes und Red Bull realistisch. Offenbar ist Ferrari bei ihrem Quali-Lauf etwas leichter unterwegs gewesen. Aber nicht so leicht wie der Haas.

Nicht vergessen sollte man auch, dass man bei den Tests nicht mit der vollen Motorleistung unterwegs ist. Auch hier kann es, auf Grund des Mappings, erhebliche Unterschiede geben. Da wird keine Daten über den Topspeed und die Sektorenzeiten haben, ist schwer zu durchschauen. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass die Teams den Motor im Schongang fahren.

Der Rest des Feldes dürfte sich, auf eine Runde, ungefähr dort befinden, wo sie in der Tabelle stehen. Mit Ausnahme von Williams, die keine Quali-Simulation gefahren sind. Zieht man allerdings den Sprung von Soft auf Hypersoft (1,7 Sekunden) von der Zeit des FW41 ab, ergibt sich eine 1.17.4 min, was eine ganz erstaunliche Zeit für den Williams wäre.

Die Wertung im einzelnen:

Mercedes
Auch wenn Mercedes keine Topzeiten gesetzt hat, das Team dürfte weiterhin die Nase vorne haben. Der W09 lief mal wieder problemlos und Mercedes hatte Zeit unterschiedliche Aero-Teile auszuprobieren. Dazu kam, dass man die meiste Zeit auf den Medium unterwegs war, während die Konkurrenz die weicheren Mischungen bevorzugte. Dieses Programm hatte Mercedes schon im letzten Jahr genutzt. Um dann allerdings bei den ersten Rennen von Ferrari überrascht zu werden.
Auffällig waren die Long Runs, die wohl außerordentlich konstant waren. Im letzten Jahr war das nicht immer der Fall. Offenbar hat man bei Mercedes genau diese Schwäche im Blick gehabt. In Sachen Speed dürfte der Mercedes sein wahres Potential erst in Australien zeigen.

Ferrari
Die Italiener starteten gut und hatten einen problemlosen Test. Zumindest, was die Zuverlässigkeit anging. In Sachen Chassis war man sich nicht so sicher. Vettel berichtete davon, dass man noch nicht alles am neuen Auto verstehen würde. Übersetzt: man fummelt noch am Setup rum. Die sehr schnellen Rundenzeiten sollte man nicht überbewerten. Vieles deutet darauf hin, dass Ferrari schauen wollte, was der Wagen mit einem Quali-Setup kann. Das Problem sind aber die Long-Runs. In diesem Jahr wird man hier und da zwei Mal an die Box kommen, was dem Ferrari eventuell helfen könnte. Schon im letzten Jahr zeigte der SF70H bei langen Stints Schwächen in Sachen Reifenmanagement. Das galt vor allem für die Momente, in denen Vettel oder Räikkönen den Reifen sofort nach dem Stopp forderten.

Allerdings sah mir der Ferrari im direkten Vergleich zum Mercedes auf der Strecke fast etwas ruhiger aus.

Red Bull


Nur kurz blitzte bei den Tests der Speed des RB14. Dann verlegte sich Red Bull wieder auf ein konservatives Testprogramm. Verstappen und Ricciardo berichten unisono von einer erheblichen Verbesserung gegenüber dem Vorjahresmodell. Das Auto lag besser, benahm sich ruhiger und erlaubte, so die Fahrer, ein besseres Einlenken. Beobachter vor Ort bestätigen diesen Eindruck und gaben vorsichtig die Devise aus, dass der RB14 bei den Tests den besten Eindruck auf der Strecke machte. Offensichtlich hat Red Bull die gute Form aus den letzten Rennen über den Winter gerettet. Die Frage wird aber sein, wie gut der Renault ist. Es wäre aber keine Überraschung, wenn Red Bull in diesem Jahr näher dran ist.

Renault
Den größten Schritt nach vorne scheint das Werksteam gemacht zu haben. Hülkenberg und Sainz waren schnell und vor allem, bis auf den letzten Tag, problemlos unterwegs. Der R.S.18 hat einige interessante aerodynamische Lösungen, wie den kleinen Flügel unterhalb der Airbox und die sehr hochgezogenen Auspuff. Der kratzt wohl am Rande der Legalität. Die Konkurrenz vermutete, dass Renault verbotenerweise den Heckflügel anbläst. Wird man sehen, ob da jemand in Australien Protest einlegt. Ansonsten waren die Testfahren für Renault unauffällig, aber eben sehr konstant schnell. Man konnte auch auf härteren Reifen gute Zeiten fahren. An der Spitze ist man deswegen zwar noch nicht dran, da fehlen wohl mindestens 8 Zehntel. Aber das Mittelfeld sollte man anführen.

HaasF1
Nimmt man die reinen Zeiten, muss man den Haas tatsächlich richtig weit vorne erwarten. Das eher konservative Design schien jetzt nicht das richtige Mittel zu sein. Vor allem im Vergleich zu den komplexeren Varianten von Williams und Sauber. Aber der Haas lief richtig gut. Und zur Abwechslung gab es auch keine Beschwerden über die Bremsen. Für mich gezogene Augenbrauen sorgten Magnussen und Grosjean, als sie an zwei verschiedenen Tagen zwei sehr gute 1.18er Zeiten fuhren und sich hinter Ferrari und Red Bull setzen. Und dabei war der Haas nicht mal auf den Hypersoft unterwegs.
Haas lief aber dennoch ein bisschen unter dem Radar, weil sich die Aufmerksamkeit eher auf die McLaren und Renault konzentrierte, von denen man den Sprung Richtung Spitze erwartet hatte. Wäre eine nette Überraschung, wenn Haas den beiden Teams ein Schnippchen schlagen könnte. Allerdings sind wir da weiter skeptisch. Für Haas wäre der Sprung auf P4 nach der letzten Saison wirklich sehr groß. Derartige Fortschritte sieht man normalerweise nur, wenn am Auto auch etwas anders gestaltet ist, was beim Haas ja nicht der Fall ist.

McLaren
Wir setzen die Briten zwar auf Platz Fünf, aber mit ein bisschen Bauchschmerzen. Es gab einfach zu viele technische Probleme bei McLaren. Vor allem bei der Ableitung der Wärme muss McLaren nacharbeiten. Die Motorabdeckung zeigte einige Male starke Hitzespuren und angebrannte Stellen. Der Turboladerschaden am letzten Tag dürfte auch auf die Kappe des Kühlungsmanagement gehen. Da wird McLaren einiges zu tun haben, zu mal man in Sachen Speed auch nicht völlig auf der Höhe war. Offenbar gibt es, wie bei vielen Teams, noch Setup Probleme. Das Auto machte nicht immer das, was die Fahrer wollten und zeigte Untersteuern. Zwar ist man schneller als im letzten Jahr, aber reibungslos läuft die Sache nicht.

Toro Rosso
Der Honda schnurrte wie japanisches Manga-Kätzchen. Nicht einen Motorschaden gab es in den zwei Wochen. Allerdings tauchte auch parallel das Gerücht auf, dass Honda jeden Abend den Motor wechseln würde. Selbst wenn das der Fall war: so lange am Stück ohne Motorschaden hat man den Honda noch nicht erlebt. Teilweise hielt der Motor zwei Renndistanzen. Und der Toro Rosso war schnell. Und zwar beeindruckend schnell. Natürlich nicht auf der Höhe der Top Teams, aber für Toro Rosso war das schon was. Denn normalerweise ist man sehr konservativ unterwegs, testet Long Runs und geht nicht auf schnelle Zeiten. Das kann in diesem Jahr mit dem neuen Motor etwas anders sein. Auch die Japaner wollen vermutlich Daten haben, wie gut der Motor mit leeren Tank ist. Ich schätze die Zeiten des Toro Rosso daher sehr vorsichtig ein. So gut sie im Test waren, in Australien kann es wieder nach hinten gehen.

Force India
Von den Indern gab es wenig zu vermelden. Das Auto lief, die Zeiten waren die, die man erwarten konnte. Keine Überraschungen. Das Design hat sich nicht sonderlich zum letzten Jahr verändert, also dürfte man auch keine großen Sprünge nach vorne erwarten. Force India ist traditionell eher konservativ bei den Tests und geht nicht auf schnelle Runden. Das man die Zeiten des Toro Rosso fahren konnte (beide mit Hypersoft) zeigte aber, dass man die Inder mal wieder nicht unterschätzen sollte.

Williams
Das komplett neue Auto macht dem Team noch Schwierigkeiten. Es ist sicher eine Verbesserung zum letzten Jahr, allerdings berichten Experten vor Ort von einem schwierigen Fahrverhalten. Am Anfang eines Stints gab es ein Untersteuern beim Einlenken. später rollte das Auto über beide Achsen mit einer Tendenz zum Übersteuern. Auch hier kämpft man offensichtlich noch mit dem Setup und beide Fahrer haben mit dem Auto so ihre Probleme. Kubica verzichtete am letzten Tag auf seinen Einsatz, damit Stroll mehr Zeit mit dem Wagen hatte. Das deutet auf größere Probleme bei Williams hin. Allerdings lobt selbst Adrian Newey die eigenwilligen Ideen, die Paddy Lowe in Sachen Aerodynamik hatte. Kann also gut sein, dass das Team einfach einen „Sweet Spot“ bei der Abstimmung finden muss und dann rennt der Williams.

Sauber
Zusammen mit Williams war Sauber das einzige Team, dass nicht unter einer 1.19min fahren konnte. Zeiten um 1.18.5 schienen für alle anderen Mittelfeldteams machbar zu sein. Jörg Zander bestätigte, dass man auch in den letzten Tagen noch sehr am Setup arbeiten würde. Die vielen Ausflüge ins Kiesbett von Leclerc und Ericsson zeigten, dass der Sauber noch sehr unruhig liegt und schwer einzuschätzen ist. Mit anderen Worten: da hat man eine größere Baustelle. Auch hier gilt aber, dass das Chassis keinen schlechten Eindruck macht und man vermutlich einfach nur etwas länger benötigen wird, um die Feinheiten zu verstehen.

Das Feld ist auf jeden Fall enger zusammengerückt. Vor allem im Mittelfeld ist es zwischen Toro Rosso, McLaren, Haas, Force India und Williams sehr, sehr eng. Aber auch vorne sind die Abstände geschrumpft. Im zweiten Jahr der neuen Aero-Regeln war das aber auch zu erwarten.

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1

Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Toro Rosso?
Die Teams stellen die PR-Bilder normalerweise zur Verwendung für Presseberichte mit einer speziellen Lizenz zur Verfügung. Diese ist zeitlich nicht limitiert und gilt weltweit. Red Bull hat sich entschlossen, Bilder nur noch für 6 Monate zu lizenzieren. Das bedeutet, dass wir die Bilder nach sechs Monaten löschen müssten, um nicht Gefahr zu laufen, eine Abmahnung, Rechnung etc. zu bekommen. Der Aufwand dafür ist nicht gerechtfertigt. Wir werden also in Zukunft leider keine Bilder mehr von Red Bull verwenden. Dies gilt auch für Bilder von Toro Rosso, da sie über die gleiche Plattform vermarktet werden.

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