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Formel Eins: Analyse GP von Österreich 2017

von DonDahlmann
5 Kommentare

Es war ein sehr übersichtliches Rennen, um es mal vorsichtig zu formulieren. Aber der unscheinbare GP bot ein paar interessante Entscheidungen in Sachen Strategie.

Ein lockerer Start-Ziel-Sieg von Bottas, auch wenn das Rennen keine zwei weiteren Runden mehr hätte dauern dürfen. Denn in den letzten Runden gingen die Reifen des Finnen ein und Vettel hatte seine Nase schon im Diffusor des Mercedes. Es war durchaus interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Reifen von Hamilton und Bottas auf dem Mercedes funktionierten. Mit dem schweren Auto und den Supersoft kam Hamilton 31 Runden weit. Mit dem leeren Auto schaffte Bottas nur 30 Runden, bevor die Reifen schwere Auflösungserscheinungen zeigten. Ganz anders dagegen die Ferrari. Vor allem die Fahrt von Räikkönen war bemerkenswert. Über 40 Runden hielt er die Ultrasoft auf seinem Auto und fuhr dabei brauchbare Zeiten. Allerdings muss man sich schon die Frage stellen, warum Ferrari Hamilton nicht hinter dem Finnen halten konnte.

Hamilton hatte von P8 einen relativ guten Start hingelegt. Entscheidend war allerdings, dass sich der Brite schnell an beiden Force India vorbeidrücken konnte. Hätte er dafür länger benötigt, das Rennen wäre für Räikkönen anders verlaufen. So hatte der Brite aber relativ freie Fahrt und konnte auf den Ferrari vor ihm schnell aufholen. Kimi war an diesem Wochenende nicht gut aufgestellt. Konnte er in den bisherigen Rennen den Speed von Vettel in der Quali mitgehen oder gar vor dem Deutschen stehen, fehlte ihm in Österreich etwas mehr als eine halbe Sekunde. Schuld daran waren die Gripverhältnisse am Red Bull Ring, die seinem Fahrstil nicht entgegenkommen. Aber da war er ja nicht alleine, Hamilton hatte ebenfalls Probleme mit der Abstimmung.

Die Aufholjagd von Hamilton auf Räikkönen konnte man im Timing gut beobachten. Der Brite knöpfte dem Finnen meist so fünf Zehntel ab. Ferrari konnte das Problem also auf sich zurollen sehen. Hätte man Hamilton hinter Räikkönen halten wollen, hätte man einem Undercut zuvor kommen müssen. Doch ein früher Wechsel hätte auch bedeutet, dass Kimi die Supersoft über 70% der Distanz hätte schleppen müssen. Diese Risiko wollte man nicht eingehen, was sich im Nachhinein vielleicht als Fehlkalkulation herausstellen sollte. Denn die Supersoft hielten auf dem Ferrari besser als erwartet.

Nachdem das Boxenstoppfenster für Kimi zu war, ließ man den Finnen dann lange draußen. Einmal, um möglicherweise Hamilton aufzuhalten, und dann, um Bottas im Weg rumzustehen. Ein etwas kläglicher Versuch von Ferrari. Wobei die Idee der Italiener nicht schlecht war. Wäre es Räikkönen gelungen, seinen Landsmann für ein, zwei Sekunden aufzuhalten, hätte das Vettel am Ende des Rennens geholfen. Die Rechnung ging aber nicht auf, aber man sah eine weitere Chance.

Die Reifen von Hamilton zeigten schnell Blasen und damit Überhitzungserscheinungen. Es war fraglich, ob er damit a) durchfahren und b) auf Dauer schnell fahren konnte. Denn vorne brachen die Zeiten von Bottas schnell ein, warum also nicht auch bei Lewis? Erstaunlicherweise lief es aber anders. Selbst mit zerfetzten Hinterreifen, die schon Löcher hatten, fuhr Hamilton noch schnellste Runden. Und war so schnell, dass Räikkönen die Jagd abbrach und nach Hause gondelte.

Daniel Ricciardo seinerseits hatte eigentlich ein ruhiges Rennen. Zwar lag Räikkönen hinter ihm, der stellte aber offensichtlich keine Gefahr dar. Gleichzeitig waren Vettel und Bottas unerreichbar. Red Bull entschied sich angesichts der Situation für eine sehr konservative Strategie und holte den Australier nach den beiden Führenden rein. Dafür bestand eigentlich kein Grund und die Supersoft machten auch auf dem Red Bull Probleme. Hätte man Ricciardo etwas länger draußen gelassen, hätte man sich den Stress am Ende des Rennens sparen können.

Ein bemerkenswertes, aber völlig unbeobachtetes Rennen, fuhr Romain Grosjean. Dem Haas-Piloten war schon in der Quali das Kunststück gelungen, den Haas auf P6 zu stellen. Dem Getümmel am Start entging Grosjean und danach fuhr er einfach sein Rennen. Es war klar, dass er Hamilton nicht würde halten können, er bemühte sich sich auch gar nicht. Von hinten drohte aber auch keine Gefahr, also hielt er den Haas auf P6. Ein Ergebnis, das sich das Team nach vielen Rückschlägen verdient hat.

Ebenfalls überraschend war das Ergebnis der Williams, die ich viel stärker eingeschätzt hatte. Aber bei den Briten ging in Österreich wenig zusammen. Man stand da selber vor einem Rätsel, aber offensichtlich bekam man die Reifen nicht ans Arbeiten. Dennoch war die vorletzte Startreihe schon eine Demütigung. Im Rennen lief es auch deswegen besser, weil man eine geschickte Reifenwahl hatte und weil beide Piloten vom Crash am Start profitierten. P9 für Massa und P10 für Stroll können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Williams weit, weit weg von dem ist, was man zu Beginn der Saison erwartet hatte.

In der WM wird es interessant. Vettel hat nun 20 Punkte Vorsprung – das reicht fast für einen Ausfall, um bei einem Sieg von Hamilton die Führung zu behalten. Aber hinter Hamilton lauert mit nur 15 Punkten Rückstand Bottas. Man darf gespannt sein, wie Mercedes damit umgeht.

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1
Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Toro Rosso?
Die Teams stellen die PR-Bilder normalerweise zur Verwendung für Presseberichte mit einer speziellen Lizenz zur Verfügung. Diese ist zeitlich nicht limitiert und gilt weltweit. Red Bull hat sich entschlossen, Bilder nur noch für 6 Monate zu lizenzieren. Das bedeutet, dass wir die Bilder nach sechs Monaten löschen müssten, um nicht Gefahr zu laufen, eine Abmahnung, Rechnung etc. zu bekommen. Der Aufwand dafür ist nicht gerechtfertigt. Wir werden also in Zukunft leider keine Bilder mehr von Red Bull verwenden. Dies gilt auch für Bilder von Toro Rosso, da sie über die gleiche Plattform vermarktet werden.

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5 Kommentare

Spätzünder 10 Juli, 2017 - 18:50

Gar nichts zu (vermeintlichen?) Frühstart von Bottas?

batis 10 Juli, 2017 - 23:03

Frühstart vielleicht, aber eben kein Fehlstart, da es innerhalb des Reglements war.
Da in den letzten Wochen in diversen Kommentarspalten niemand verlegen war, Vergleiche zu anderen Sportarten anzustregen, will ich jetzt auch mal:
Beim 100m Lauf in der Leichtathletik werden Reaktionszeiten von <100ms als Fehlstart gewertet, da solche Reaktionszeiten als "unmenschlich" angesehen werden. D.h. man rennt los bevor das Gehirn den Startschuss überhaupt vernommen haben kann, auch wenn der Läufer eigentlich erst nach dem Schuss losläuft. Da das dann im Bereich von "Glück" und nicht von "Können" verläuft, wird das als Fehlstart gewertet.
Eine solche Regelung könnte man ja in der F1 auch anwenden, da die Fehlstartregel hinreichend unkonkret gefasst ist: Man darf zwar losrollen, aber die Startbox nicht verlassen. Wenn man aber schon rollt, bevor die Ampel auf Grün gesprungen ist, hat man natürlich trotzdem einen Vorteil.
Da wir ja nun wissen, dass die FIA anscheinend auch die Reaktionzeiten beim Start misst, sollte das doch eigentlich kein Problem sein hier zumindest ein zusätzliches Kriterium für einen Fehlstart einzuführen.
Ob 200ms wie bei Bottas bei einem optischen Startsignal jetzt noch im Rahmen des "Menschlichen" liegt, wage ich nicht zu bewerten. Aber die Reaktionszeiten dürften höher sein als bei einem akkutischen Startsignal.
Fakt bleibt aber wohl, das Bottas völlig regelkonform gestartet ist und es nichts zu beanstanden gibt. Falls aber ein "Fehlverhalten" vorliegen sollte, kann man ja gerne daraus für die Zukunft lernen.
Und überhaupt finde ich, dass soetwas wie Reaktionszeiten beim Start doch ein tolles Feature für den Zuschauer sind, warum wird sowas nicht immer eingeblendet? Man könnte ja die Reaktionszeit + die Zeit zum Überollen der Vorderlinie der Startbox nehmen und daraus eine nettes Gimmick für die Zuschauer machen, wer wie gut gestartet ist. Ob das am Ende ein Aussagekraft hat, sei dahingestellt, aber man hätte immerhin eine Messgröße zum Vergleichen zwischen den Fahrern beim Start.

Don Dahlmann 10 Juli, 2017 - 23:44

Es war ein regulärer Start. Daher gibt es da wenig zu sagen. Tatsächlich hat auch die FIA laut SkyUK ein solches System. Alles unter 200ms wird als Frühstart gewertet. Bottas war halt genau an der Grenze. Grundsätzlich finde ich solche Regelungen aber Unsinn. Wenn ich 1ms nach dem die Ampeln aus sind los fahre, ist das ein regulärer Start. Weil die Ampel halt aus ist. Natürlich ist das außerhalb der „normalen“ menschlichen Reaktionszeit. Aber darum geht es meiner Meinung nach nicht. Als Fahrer geht man das Risiko eines Fehlstarts ein, genau wie man andere Risiken in einem Rennen eingeht. Rollt man halt zu früh los, ist das ein Fehlstart, der bestraft wird.

nona 11 Juli, 2017 - 08:20

Das war natürlich ein regulärer Start von Bottas – da gibt’s kein Fass, das aufzumachen wäre. Dass Vettel da nachfragt (und die Regie sich genau diese Rosinen für’s Radio Replay rauspickt, was erwartungsgemäss zu etlichen idiotischen Schlagzeilen im Online-Motorsportblätterwald führt) heisst nicht, dass da tatsächlich irgendeine Kontroverse vorläge.

Wäre aber eventuell ein guter Zeitpunkt, die Startregeln in vielen Details besser und präziser zu kommunizieren. Früher wurde jede Radbewegung im Pre-Start als Frühstart gewertet und entsprechend geahndet. Heute gibt es inzwischen mehrere Rennserien, in denen „Anrucken“ durch das Getriebe erlaubt ist oder zumindest toleriert wird, teilweise mit deutlichem Vorwärtsrollen. Da hat man sich unnötig eine Grauzone geschaffen, auch im Vergleich der Serien zueinander.

j82 11 Juli, 2017 - 19:42

Meines Erachtens sollte es als Frühstart gewertet werden, wenn sich das Rad zwischen 4. Licht und Freigabe bewegt.
Das ist optisch durch die Zuschauer nachvollziehbar.

Es ist schwierig zu vermitteln wieso Bottas Start, trotz anrollen unter Rot, noch im Rahmen der Toleranz ist.

Das Rucken durch den Gangwechsel ist unkritisch weil es vor dem 4. Licht passiert.

… vielleicht eine Möglichkeit für die Zukunft.

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