Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Aserbaidschan – Verlorene Siege

Formel Eins: Analyse GP von Aserbaidschan – Verlorene Siege

von DonDahlmann
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Drei Gelbphasen, einmal die rote Flagge, mehrere Unfälle und das halbe Feld hätte das Rennen gewinnen können. Langweilig war das Rennen in Baku sicher nicht und es wird ein Nachspiel haben.

Hat er nun oder hat er nicht? Die Rede ist von Lewis Hamilton und seiner Fahrweise in Turn 15. Vettel behauptete nach dem Rennen, dass der Brite ihn einem Bremstest unterworfen hätte. Der Deutsche hatte seine Nase wegen des nahenden Restarts direkt im Getriebe des Mercedes und rutschte nach der Kurve in dessen Heck. Danach steuerte er seinen Ferrari erst neben und dann in Hamilton. In der Folge berührten sich die Vorderreifen, es kam zur Kollision. Mit drastischen Folgen für Vettel, denn die Rennleitung bestrafte die Aktion mit einer 10-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe. Nach dem Rennen untersuchte die FIA dann die Telemetrie-Daten von Hamilton. Dabei stellte man fest: a) der Brite hatte nicht gebremst und b) er hatte sich genauso verhalten wie die Runde zuvor. Für Aktion brummte die FIA Vettel dann auch noch drei Strafpunkte auf. Jetzt hat der Deutsche neun dieser Punkte, erreicht er zwölf, droht ihm eine Rennsperre. Allerdings verfallen drei Punkte nach dem Rennen in Österreich.

Die britischen Medien zerreißen Vettel wegen des Vorfalls, und er war ja auch komplett überflüssig. Die Bilder zeigen allerdings auch, dass Vettel nicht bewusst in den Mercedes steuerte. Er nahm beide Hände vom Lenkrad, um Hamilton seinen Unmut zu zeigen. Dabei steuerte der Ferrari nach rechts. Was ihn allerdings keineswegs freisprechen soll. Es gibt da auch keinen Zweifel an seiner Schuld. Hamilton hatte das Recht des Führenden, das Tempo zu bestimmen. Er nahm Abstand vom SC, weil es in dieser Runde an die Box gehen sollte. Zudem ist bekannt, dass Hamilton gerne hinter einem SC das Tempo sehr variabel gestaltet. Sein ehemaliger Teamkollege Rosberg kennt das nur zu gut. Ob das fair ist? Zumindest ist es üblich, Vettel hätte es genauso gemacht.

Die vermutlich meist diskutierte Szene dieses Grand Prix war aber nur eine von vielen in einem Rennen, das man so auch noch nicht gesehen hat. Die Liste der Vorfälle ist ebenso lang wie die Liste der möglichen Sieger. Es hätten gewinnen können:

  • Bottas, wenn er nicht den Kontakt mit Räikkönen gehabt hätte
  • Räikkönen dito
  • Verstappen, aber dessen Motor ging ein
  • Sergio Perez und Esteban Ocon, wenn sie sich nicht gegenseitig abgeschossen hätten
  • Felipe Massa, dessen Aufhängung kollabierte
  • Vettel, wenn er sein Temperament im Griff hätte
  • Hamilton, wenn die Sache mit dem Kopfschutz nicht gewesen wäre

Das Debriefing einiger Teams am heutigen Montag dürfte zu einer Klage über vertane und verlorene Chancen werden. Dabei hatte das Rennen einigermaßen normal angefangen, sieht man mal von der Berührung zwischen Bottas und Raikkönen in Turn 2 ab. Nach der ersten Runde tat sich auf der Strecke dann aber wie erwartet gar nichts mehr. Das Feld zog sich weit auseinander, kaum ein Fahrer stand unter Druck. Doch dann stellte Kvyat seinen Toro Rosso ab und das Rennen musste zur Bergung mit einem SC unterbrochen werden. Damit begann eine Kaskade von Ereignissen, die am Ende zur roten Flaggen führte.

Nach jedem Restart musste man unterbrechen, weil Carbon-Teile auf der Strecke lagen. Bei einer 2,1 Kilometer langen Geraden mit Geschwindigkeiten um 340 km/h und null Auslaufzonen rechts und links wollte man zu Recht kein Risiko eingehen. Die rote Flagge folgte nach dem Crash zwischen Ocon und Perez. Der Franzose war in T2 innen, drängte Perez aber weiter nach außen, der nicht mehr ausweichen konnte. Eine kleine Retourkutsche für Kanada, wo Perez seinen Teamkollegen trotz einer Bitte des Team nicht vorbei ließ. Perez konnte aber nicht mehr ausweichen und die Berührung beendete dann sein Rennen, Ocon wurde mit einem Platten weit nach hinten gereicht. Räikkönen lag in dem Moment gerade hinter den Force India und deren Carbon-Teile schlitzten seinen rechten Hinterreifen auf. Der Finne stellte aber nicht ab, sondern fuhr weiter. Dabei hinterließ er eine Wolke aus Kohlefaser, da der Reifen seinen Unterboden zerschlug. Die Folge war die rote Flagge.

Es gibt im US-Sport den schönen Satz „Cautions breed cautions“ und genau so war es bei der F1 in Baku. Hamilton beschwerte sich mehrfach über Funk, dass das SC zu langsam fahren würde und die Reifen dabei zu viel Temperatur verlieren würden. Das war aber gar nicht das Problem bei den Restarts. Es waren die Fahrer selber, die individuelle Fehler machten oder ihr Temperament nicht im Griff hatten.

Immerhin entwickelte sich so aber einer der kuriosesten Grand Prix in der Geschichte der Formel Eins. Ein Rennen, das Sieger Daniel Ricciardo am Ende ziemlich treffend mit „Holy Fuck“ analysierte. Ein Blick in die Top Ten und eine Zusammenfassung des Rennens:

Daniel Ricciardo:
Der Australier lag nach seinem ersten Stopp in Runde 4, der etwas länger dauerte, weil man seine Bremsbelüftung säubern musste, auf P17. Zwischen den Runden 5 und 11 schob er sich auf P11. Danach profitierte er von den SC-Phasen und den Stopps der Konkurrenz, die ihn auf P5 nach vorne spülten. Nach dem Restart holte sich auf der Geraden Massa und Magnussen, sodass er dann in Runde 23 auf P3 lag. Um danach von den Problemen der Spitzenreiter zu profitieren.

Valtteri Bottas
Der Finne lag bis Runde 16 auf dem letzten Platz. Die SC-Phasen halfen ihm zwar, den Anschluss zu halten, er kam aber nicht voran. Nach der Unterbrechung des Rennens lag er auf P13 und kämpfte sich danach, als es keine weiteren Störungen im Rennen mehr gab, bis auf P2 nach vorne. Wäre das Rennen noch fünf Runden weiter gegangen, hätte er vielleicht gewinnen können.

Lance Stroll
Sehr sauberes Rennen des Kanadiers. Er profitierte zwar von den Fehlern der anderen, machte aber selber auch keine, was für einen 18 Jahre alten Fahrer auf der Strecke auch schon eine Leistung ist. Es war das erste Rennen, in dem man zumindest erkennen konnte, dass Stroll mehr kann. Dass ihn Bottas am Ende schnappen konnte, lag nicht an Stroll. Der Mercedes war einfach 1,5 Sekunden pro Runde schneller und holte diese Zeit auch auf Ricciardo auf.

Sebastian Vettel
War mit seiner 10-Sekunden-Strafe noch gut bedient. Und dass er trotz dieser Strafe noch vor Hamilton landete, dürfte bei Ferrari wie ein Sieg gefeiert werden.

Lewis Hamilton
Er hatte das schnellste Auto, es war sein Rennen. Offenbar hatte man vor dem Restart das seitliche Polster nicht richtig befestigt. Damit verschenkte man den Sieg und man hätte Vettel die WM-Führung abknöpfen können. Teamchef Toto Wolff war nach dem Rennen extrem sauer. Auf die simple Frage von Ted Kravitz, was denn da passiert sei, blaffte er den Reporter an und unterstellte ihm, dass er das Team schlechtreden würde. So viel zum Thema Nerven.

Esteban Ocon
Der Franzose rettete zwar ein paar Punkte für Force India, muss sich aber die Frage gefallen lassen, ob er dem Team nicht ein Podium gekostet hat. Und große Liebe entsteht zwischen den Teamkollegen auch nicht mehr.

Kevin Magnussen
Der Däne war von P12 gestartet und hielt sich aus allem Ärger raus. Der HaasF1 ging so mittelgut auf der Strecke, gegen die Top-5-Teams hatte er keine Chance. Immerhin lag er zwischendurch mal für eine Runde auf P3, musste dann aber Stroll, Vettel, Hamilton und Ocon passieren lassen. Mehr war für den HaasF1 nicht drin.

Carlos Sainz
Das sehr gute Rennen des Spaniers ging im Trubel etwas unter. Nach der ersten Kurve lag er auf dem letzten Platz, weil er seinem Teamkollegen Kvyat ausweichen musste und sich drehte. Nach der roten Flagge lag er auf P12, danach kämpfte er sich weiter nach vorne und profitierte auch von den Ausfälle von Perez und Räikkönen. Am Ende schnappte er sich noch Alonso.

Fernando Alonso
Die ersten Punkte für McLaren in diesem Jahr. Die kamen zustande, weil Räikkönen, Verstappen, Massa, Perez, Hülkenberg und Kvyat ausfielen, aber man muss halt auch in die Position kommen. Und immerhin hielt der Honda-Motor.

Pascal Wehrlein
Mal wieder Punkte für Sauber. Im Grunde gilt aber alles, was für Alonso gilt. Erschreckend war aber der Abstand zu Alonso, der am Ende rund 30 Sekunden betrug. Und das nach nur knapp 30 Runden Renndistanz. Was zeigt, wo der Sauber gerade steht. Kleine Randbemerkung. Sauber hatte Wehrlein an Ericsson im Rennen vorbei gewunken, um zu schauen, ob man an Sainz dran bleiben würde. Man wollte diesen Platztausch dann wieder rückgängig machen, als klar war, das Wehrlein gegen den Toro Rosso keine Chance hatte. Sein Glück: Vandoorne hing Ericsson im Diffusor, ein Tausch war nicht möglich.

Und im Bild sah das dann so aus:

Nach dem Rennen in Baku ist zumindest eins klar: Die Zeit der „Wir mögen und respektieren uns“-Nummer zwischen Hamilton und Vettel ist vorbei. Wobei der Deutsche da durchaus eine tragende Rolle spielt. Man darf auf die nächsten Begegnungen auf der Strecke gespannt sein. Je länger das Duell an der Spitze eng bleibt, desto dünner dürften die Nerven werden.

 

 

 

 

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1

Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Toro Rosso?
Die Teams stellen die PR-Bilder normalerweise zur Verwendung für Presseberichte mit einer speziellen Lizenz zur Verfügung. Diese ist zeitlich nicht limitiert und gilt weltweit. Red Bull hat sich entschlossen, Bilder nur noch für 6 Monate zu lizenzieren. Das bedeutet, dass wir die Bilder nach sechs Monaten löschen müssten, um nicht Gefahr zu laufen, eine Abmahnung, Rechnung etc. zu bekommen. Der Aufwand dafür ist nicht gerechtfertigt. Wir werden also in Zukunft leider keine Bilder mehr von Red Bull verwenden. Dies gilt auch für Bilder von Toro Rosso, da sie über die gleiche Plattform vermarktet werden.

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1 Kommentare

Janus Schulz 1 Juli, 2017 - 08:09

Als ich die Szene das erste Mal gesehen habe, dachte ich mir sofort, welche eine Dummheit.

Sowas hat Vettel nicht wirklich nötig, aber wer weiß vielleicht wollte er wirklich etwas Action ins Rennen bringen oder zeigen wer die Hosen an hat.

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