Home IRLIndyCar IndyCar: Analyse Firestone 600 – der Irrsinn siegt

IndyCar: Analyse Firestone 600 – der Irrsinn siegt

von Rainer
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Am Samstagabend hat die IndyCar Series das längste Rennen ihrer Geschichte endlich beenden können. Am Ende war Graham Rahal der glückliche Sieger.

04CJ4692Das Firestone 600 kann man in drei Teile gliedern. Der erste Teil umfasste die 71 Runden, die am 12. Juni absolviert werden konnten. Damals hatte sich James Hinchcliffe, von Startplatz 10 kommend, in den ersten 42 Runden an die Spitze des Feldes vorkämpfen können. Die erste Grünphase wurde durch den schweren Unfall von Conor Daly und Josef Newgarden beendet. Einsetzender Regen einige Minuten später führte zum endgültigen Abbruch. Daly und Newgarden durften zum Restart am Samstag nicht antreten, da ihre Wagen im Juni so schwer beschädigt waren, dass eine Reparatur innerhalb eines Rennens nicht möglich gewesen wäre. Takuma Sato, Marco Andretti und Max Chilton gingen mit einer, Jack Hawksworth mit zwei Runden Rückstand in den zweiten Teil.

16C_8694-1Am Samstag machte James Hinchcliffe dann da weiter, wo er im Juni aufgehört hatte. Zehn Runden nach dem Restart übernahm er die Spitze des Packs, das ihm in Zweierreihe folgte, und dominierte für die nächsten 129 Runden das Rennen. Durch den hohen aerodynamischen Abtrieb, in Kombination mit neuen Reifen, war es möglich Flat-out durch das Oval zu fahren und so blieben die Wagen sehr dicht beisammen. Erinnerungen an die schlechten alten Zeiten wurden wach. Nach etwa zehn Runden fielen die ersten Fahrer hinten aus dem Pack und nach 20 Runden löste es sich auch langsam an der Spitze auf.

Der Reifenverschleiß war daher das bestimmende Thema. Mit einer Benzinfüllung wäre es ohne Probleme möglich gewesen, 50 Runden oder mehr zu absolvieren. Je nach Wagen verloren die Reifen aber nach zehn bis 20 Runden schon so viel Grip, dass die Rundenzeiten um ein bis zwei Sekunden einbrachen. Ein Stint über 50 Runden war für viele Fahrer absolut illusorisch und so gingen die meisten Teams direkt auf eine 4-Stopp-Strategie. Der Wagen von James Hinchcliffe lag aber so perfekt auf der Strecke, dass er ohne Probleme Stints über 40 Runden absolvieren konnte.

04CJ4335ADen zweiten Teil des Firestone 600 bildeten insgesamt 140 Runden ohne einzige Caution, die das Feld hätte zusammenführen können. So spulte James Hinchcliffe meist alleine seine Runden ab und überrundete dabei dreiviertel des Feldes. In Runde 193 ging er an Scott Dixon vorbei, der zu diesem Zeitpunkt auf Platz 5 lag. Nur Ed Carpenter konnte einigermaßen das Tempo und die Strategie von Hinchcliffe halten. Außerdem waren noch Tony Kanaan und Graham Rahal in der Lead-Lap. Durch eine andere Strategie kam Helio Castroneves zurück in die Führungsrunde, musste nach Runde 210 aber, im Gegensatz zu den anderen vier Fahrern, noch einen Stopp einlegen. Den zweiten Teil des Rennens beendete dann Scott Dixon.

Nach seinem Stopp in Runde 200 wurde Scott Dixon schneller und schloss langsam die Lücke auf der Strecke zu Ed Carpenter. Carpenter lag auf Platz 2 und Dixon mit einer Runde Rückstand auf Platz 6. Das Überholen von Carpenter hätte für Dixon also keinen Platzgewinn oder den Gewinn einer Runde bedeutet. Trotzdem fuhr er extrem hart und in Runde 213 touchierte er in Kurve 1 mit dem Vorderrad den Wagen von Carpenter. Dixon verlor die Kontrolle und schlug in die Mauer ein. Dem Wrack konnte Helio Castroneves nicht mehr ausweichen und überfuhr den Frontflügel von Dixons Wagen.

Die Caution nutzten fast alle, James Hinchcliffe und Ed Carpenter waren die Ausnahmen, für einen Boxenstopp. Auch Castroneves absolvierte den nötigen Stopp und war so wieder ein Kandidat für den Sieg. Wie nach dem ersten Restart führten neue Reifen zum Pack-Racing und da die überrundeten Fahrer nicht nach hinten beordert wurden, kam es einem großen chaotischen Haufen. Alle versuchten irgendwie, an James Hinchcliffe vorbeizukommen, um in Führung zu gehen oder um eine Runde Rückstand aufzuholen. Punkt 2 gelang dabei Mikhail Aleshin.

04CJ4484AWie leider üblich verursachten diese chaotischen Zustände Unfälle. In Runde 224 verlor Ed Carpenter seinen Wagen, als er versuchte, sich gegen Graham Rahal zu verteidigen. Auf dem Weg in die Mauer nahm er Helio Castroneves mit, der aber nur leicht mit Front- und Heckflügel die Mauer touchierte. Ohne Rundenverlust gelang die Reparatur an der Penske-Box. Des Weiteren holte sich Mikhail Aleshin frische Reifen.

Kurz nach dem Restart in Runde 230 schob sich Simon Pagenaud neben James Hinchcliffe, der immer noch das Rennen anführte. Im Kampf mit überrundeten Fahrern übertrieb es Mikhail Aleshin und verlor in Runde 232 seinen Wagen. Er sammelte dabei Jack Hawksworth ein, der zu diesem Zeitpunkt schon sieben Runden zurück lag und trotzdem im Pack mitfuhr. Pagenaud hatte gerade seine Nase knapp vor Hinchcliffes, als die Caution ausgerufen wurde, und gelangte so auch zurück in die Lead-Lap.

Für den finalen Sprint über zehn Runden ließen Simon Pagenaud und Tony Kanaan noch einmal neue Reifen aufziehen. Helio Castroneves‘ Wagen war doch zu angeschlagen, sodass er nicht mehr in den Kampf um den Sieg eingreifen konnte. Das Rennen wurde so zwischen James Hinchcliffe und Graham Rahal auf älteren und Tony Kanaan und Simon Pagenaud auf frischen Reifen entschieden. Pagenauds Tweet veranschaulicht diesen Kampf ganz gut:

Graham Rahal schaltete sein Gehirn am besten aus und gewann am Ende mit 0,008 Sekunden vor James Hinchcliffe. Rahal zeigte unter anderem in Runde 246 ein Manöver, das man so wohl nur durchziehen kann, wenn einem die eigene Gesundheit und die seiner Kontrahenten absolut egal ist. Ausgangs von Kurve 4 zog er von außen kommend einmal quer durch das Pack nach innen, durchfuhr die Start-Ziel-Kurve auf dem Apron, nur um dann in Kurve 1 wieder ganz nach außen zu schießen. Wäre Simon Pagenaud in der Situation nicht deutlich vom Gas gegangen, wäre es zum Crash gekommen. Nicht erst seit Josef Newgarden im Juni wissen wir, wie solche Unfälle ausgehen können. Leider kann sich wohl auch kaum noch einer an Dan Wheldon erinnern.

Simon Pagenaud vermied mit Blick auf die Meisterschaft am Ende das Risiko und fuhr hinter Tony Kanaan Platz 4 nach Hause. Mit einer Runde Rückstand folgten Charlie Kimball, Carlos Munoz und Will Power auf den Plätzen 6 bis 8. Power betrieb so Schadenbegrenzung gegenüber Pagenaud und baute seinen Vorsprung in der Gesamtwertung auf Scott Dixon und Josef Newgarden deutlich aus.

Keine Rolle spielte diesmal Ryan Hunter-Reay, der noch in Pocono der schnellste Fahrer war. Zu Beginn des zweiten Teils des Firestone 600 konnte er zwar die Führung übernehmen und war so mit zehn Führungsrunden die Nummer 2 hinter James Hinchcliffe (155 Führungsrunden) am Samstag, aber später im Stint litt er stark unter abbauenden Reifen. Hunter-Reay musste früh an die Box, um nicht zu viel Zeit auf der Strecke zu verlieren. Da er aber unter Grün häufiger stoppen musste als die Spitze, verlor er drei Runden und wurde nur auf Platz 13 gewertet.

Das ganze Ergebnis gibt es auf der Homepage der IndyCar Series als PDF.

Bei nur noch zwei Rennen der IndyCar Saison führt Simon Pagenaud (529 Punkte) mit 28 Punkten vor Will Power (501 Punkte) die Gesamtwertung an. Zwischen diesen beiden Fahrern wird sich die Meisterschaft wohl entscheiden. Durch die doppelten Punkte im Finale sind theoretisch noch 132 Punkte aufzuholen. Tony Kanaan auf Platz 3 hat aktuell 113 Punkte Rückstand. Er benötigt schon einen sehr frühen Ausfall von Simon Pagenaud in Sonoma. Das gilt natürlich auch für Helio Castroneves (415 Punkte) und Josef Newgarden (406 Punkte). Scott Dixon kann mit 132 Punkten Rückstand nicht mehr Meister werden, da der Tie-Breaker in Form der Rennsiege bei Simon Pagenaud liegt. Das alles gilt natürlich nur für den Fall, dass Pagenaud auch zu beiden Rennen antritt.

Der vorletzte Lauf der Saison findet am nächsten Wochenende auf dem Watkins Glen International statt und nicht wie geplant in den Straßen von Boston.

(c) Photos: IndyCar Media; Chris Jones, Chris Owens

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