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Formel Eins: Das Ende der Tradition

von DonDahlmann
11 Kommentare

Das der Hockenheim in finanziellen Schwierigkeiten steckt, ist kein Geheimnis. Und nicht deren Schuld. Wie die Kanadier frustriert nach den Verhandlungen mit Bernie Ecclestone heraus posaunt haben, will der Brite etwas mehr als 100 Millionen Dollar dafür haben, dass seine Truppe anrückt. Wer soll das bezahlen?

Denn zum „Startgeld“ kommen auch noch die Ausgaben, die die Betreiber sonst so haben. Dazu kommt, dass die Zuschauer schon länger nicht mehr so zahlreich zu den Rennen strömen, wie das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Kein Wunder, bei den Eintrittspreisen. Und nächstes Jahr werden es auch nicht mehr werden, die sich die Tickets erlauben können. In Kanada sowieso nicht, denn dort fährt man ja nicht mehr. Doch man verliert nicht nur den extrem populären Grand Prix dort, sondern auch das Rennen in Frankreich. Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit fährt man kein Rennen auf französischen Boden, was schon ziemlich heftig ist. Dafür bekommen die Fans Abu Dhabi, ein Stadtkurs, den mal wieder Tielke macht. Aber vielleicht wird der Kurs ja trotzdem was. 2009 sieht also noch relativ gut aus – 2010 zeichnet sich aber aus europäischer Sicht größere Katastrophen ab. Ein Blick auf die Strecken, die wackeln:

– Australien
Dort macht man jedes Jahr einen zweistelligen Millionenverlust und streitet sich zu dem mit Ecclestone über alles mögliche. Das Geld, die Startzeiten, das Rahmenprogramm, die Infrastruktur. Ganz weg fallen wird das Rennen wohl nicht, da, sollte Melbourne das Handtuch werfen, schon andere Strecken ihr Interesse bekundet haben.

– England
Silverstone ist raus und das Donnington mit der Strecke rechtzeitig fertig wird, glauben bisher auch nur die Betreiber. Doch die haben, glaubt man den britischen Presse, noch nicht mal die nötige Finanzierung zusammen. Sollte Donnington ausfallen, will Ecclestone nicht nach Silverstone zurückkehren. Wer jetzt denkt, dass man den GP in England nicht ausfallen lassen kann, sollte an Frankreich denken.

– Frankreich
Magny Cours ist raus. Das Disneyworld Projekt ist gestorben. Ein Stadtrennen in Paris wird es nicht geben. Paul Ricard fällt wegen der Nähe zu Monaco und den langen Anfahrtswegen weg. Nach Dijon will man nicht. Bleibt der Versuch, in Versailles was zu etablieren, oder die Idee, eine neue Strecke zu bauen. In Versailles gibt es Widerstände seitens der Politik und der Bürger und eine neue Strecke baut so schnell auch keiner, es sei denn, der Staat greift ein, was er in Anbetracht der Rezession wohl kaum machen wird.

– Deutschland
Hockenheim bekommt, nachvollziehbarerweise, kein Geld vom Land oder vom Staat, um die Formel Eins ins Land zu holen. Der Nürburgring hat für 2010 schon dankend abgewunken, denen reichen die Verluste, die man alle zwei Jahre macht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es ab 2010 nur alle zwei Jahre ein Rennen in Deutschland geben wird. Sollte es also 2010 keinen Grand Prix in Deutschland geben, wäre dies das erste Mal seit 1960.

– Belgien
Spa ist schon seit langem ein Wackelkandidat und überlebt auch nur, weil die Regierung Geld zuschießt. Man ist überhaupt nur wieder in den Kalender reingerutscht, weil man die komplette Boxenanlage umgebaut hat.

– China
Der Vertrag läuft noch bis Ende 2010, aber die Veranstalter haben schon laut verkündet, dass man keine Lust hat, noch mehr Geld auszugeben. Vermutlich wird man sich einigen, weil die Hersteller sonst auf die Barrikaden gehen, wenn sie nach den USA den zweiten wichtigen Absatzmarkt als Austragungsort verlieren.

Sicher sind: Bahrain, Malaysia, Monaco, Spanien (aber auch nur mit einem Rennen) Ungarn, Italien, Singapur, Japan, Brasilien und Abu Dhabi. Und die Türkei, weil Ecclestone da praktischerweise selber Veranstalter ist, auch wenn keiner kommt, um sich das Rennen anzuschauen. In petto hat man noch Indien, evtl. Moskau und ein Rennen in den USA, nur weiß noch keiner wo. Anders ausgedrückt – wenn es ganz doof liefe, wären nur noch bei rund 12 Rennen im Jahr.

Doch wird es so weit kommen? Vermutlich nicht, denn Ecclestone braucht die vielen Rennen, damit die Schulden, die auf der Formel Eins lasten, abgezahlt werden können. Weniger Einnahmen durch weniger Rennen bedeuten weniger Geld am Ende des Jahres und damit auch weniger Geld für die Teams, die auch von dem leben, was die Formel Eins so abwirft. Das gilt insbesondere für Red Bull, STR, Williams und Force India. Zwar sinken die Kosten bei weniger Rennen ebenfalls, das gilt aber nur für Reise und Personalkosten. Entwickeln muss man immer noch mit allem was man hat, egal, ob man nun 12 oder 17 Rennen fährt.

Die Untergrenze für die Anzahl der jährlichen Grand Prix liegt wohl bei 15 Stück. Darunter wird es eng. Ecclestone hätte nichts dagegen, auch etwas mehr als 20 Rennen zu fahren, aber da meutern die Teams. Deutlich mehr als 20 will er allerdings auch nicht haben, denn das würde die Marke „Formel Eins“ zu sehr verwässern. Da seine wirtschaftliche Konstruktion nicht mehr auf den Einnahmen an der Strecke (i.e Zuschauer) basiert, sondern auf den Zahlungen der TV-Sender, der Veranstalter und der Sponsoren, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Ware einigermaßen knapp zu halten. Er kann also Traditionsrennen wie in Frankreich über die Klinge springen lassen und damit den anderen Veranstaltern einen Warnschuss geben.

Ob die Strategie aber auf Dauer aufgehen wird? Die Formel Eins mag die Top-Serie sein, aber den Streckenbetreibern ist es letztlich wurscht, wer die Bude voll macht. Wenn man zum Beispiel sieht, dass die A1 in Zandvoort bei unterirdischem Wetter fast ausverkauft ist, wird das anderen Betreibern nicht entgangen sein. Warum soll man Ecclestone dreistellige Millionenbeträge zahlen, wenn man die A1 für einen Spottpreis bekommt, und die Fans angelaufen kommen? Wenn die A1 2009 überlebt und es 2010 schafft, noch bessere Namen in die Serie zu bekommen, könnte sie für noch mehr europäische Strecken ein interessantes Angebot darstellen. Immerhin hat man den Kalender ja schon bis in den April ausgedehnt. Es spricht wenig dagegen, dass man die frei gewordenen Slots der Formel Eins auch besetzt. Und die A1 fährt auch in Dijon, ohne sich darüber zu beschweren, dass die Anreise beschwerlich ist.

Die Fans müssen gerade in Sachen Formel Eins viel einstecken. Die neue Aerodynamik ist da nur ein winziger Bruchteil. Aber wenn Rennen wegfallen, sympathische Teams aus Kostengründen schliessen müssen, wenn das Punktesystem unter Beschuss ist, die Fahrer wie bessere PR-Darsteller gehalten werden, man selbst als langjähriger Beobachter langsam aber sicher den Überblick verliert, was genau da eigentlich in der Serie los ist und man das Gefühl hat, dass Entscheidungen getroffen werden, die nicht so wirklich im Interesse der Fans liegen, dann wird die Luft schon arg dünn.

Aber noch hat die Formel Eins das Sagen in Europa. Noch funktioniert das Geschäftsmodell. Zu den finanziellen Hintergründen der Formel Eins kommt diese Woche noch ein längeres Posting. Ich hab mal versucht heraus zu finden, wie das Firmengeflecht von Bernie Ecclestone und der CVC eigentlich funktioniert.

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11 Kommentare

Prometheus 1 Dezember, 2008 - 11:40

Mit Ecclestone ist es wirklich wie mit dem Papst. Je älter, desto schlimmer, aber loswerden tut man ihn nicht, bis er den Löffel abgibt… aber dass selbst die Chinesen laut überlegen, ob sie sich die F1 noch leisten wollen, das sollte ihm doch auch mal wirklich zu denken geben.

Andererseits ist ja ein ganz entscheidender Satz bei dir, dass die Schulden der Formel 1 abgebaut werden müssen. Man glaubt ja gern, die würden Geld machen ohne Ende, ich war selbst ganz überrascht, als ich mal irgendwann gelesen hatte, dass diese ganzen Unternehmen dicke Schulden haben. Von daher sind die hohen Forderungen betrebswirtschaftlich schon halbwegs nachvollziehbar. Werden die natürlich so hoch, dass sich keiner mehr das Produkt leisten kann, kehrt es sich aber wohl ins Gegenteil um.

Soll heißen: ich bin sehr gespannt auf dein Finanz-Posting ;-)

xeniC 1 Dezember, 2008 - 14:05

Ich bin überrascht, dass es doch soviele Strecken sind, die einen erheblichen Mangel an Mitteln besitzen. Von Hockenheim und dem Nürburgring wusste man es ja.
Mich würde mal interessieren, womit diese ganzen Streckenbetreiber jährlich kalkulieren? Wieviel bezahlen die Strecken den eigentlich so für die Austragung an die F1?

Henning 1 Dezember, 2008 - 14:07

Ich weiß leider nicht mehr, wo und wann ich das gelesen habe, aber vor einige Jahren soll Bernie gesagt haben, Europa habe die wirtschaftliche Entwicklung verschlafen und die Zukunft würde in Asien liegen. Daher würde würde der Markt Formel 1 halt dahin wandern, wo die Wirtschaft brummt und das Interesse der Streckenbetreiber vorhanden ist, die Formel 1 zu beherbergen: in Asien eben.

Der Haken an der Sache ist nur, daß die Rennstreckenbetreiber vielleicht Interesse an der Formel 1 haben, die Zuschauer vor Ort aber nicht. Viele Leute kennen die Formel 1 entweder gar nicht oder haben andere Sorgen, als sich einen Tag lang für teures Geld Autos anzusehen, deren Wert den Arbeitslohn ihres ganzen Lebens überschreitet. Und das Zuschauerproblem betrifft nicht nur die Formel 1. Wenn die Zuschauer nicht von der Regierung auf die Tribünen gesetzt werden, dann sind die Tribünen meist sehr übersichtlich gefüllt. Dazu kommt, daß der Rennsonntag in vielen moslemischen Ländern, in denen die Formel 1 neuerdings fährt, ein normaler Arbeitstag ist. Welcher Europäer würde am Montag zum Autorennen gehen? Bevor die Formel 1 aber am Samstag fährt, werden wahrscheinlich eher auch noch die Medaillen für die Zweit- und Drittplatzierten abgeschafft ;-)

Ich halte Bernies Vorgehensweise, den Rennstreckenbetreibern in anderen Kulturen sein 50 Jahre altes europäisches Konzept aufzuzwingen, für gefährlich. Aufgrund seines Alters wird er die Konsequenzen dieser Ignoranz wahrscheinlich nicht mehr ausbaden müssen, aber wenn sich 2-3 asiatische Strecken im Kalender den Spass nicht mehr leisten können, dann wird kein Scheich mehr dahinterstehen und mit dem Blankoscheck wedeln, um ein Formel 1-Rennen austragen zu dürfen.

foofighter 1 Dezember, 2008 - 15:14

Einerseits zieht Bernie mit aller Macht aus Europa ab, andererseits muss er in Asien die Streckenbetreiber dazu nötigen, möglichst Nachts zu fahren. Warum, weil Europa eben doch der Kernmarkt für die F1 ist. Nicht nur in den USA ist Tradition wichtig und letztlich hebt neben der techn. Ausnahmestellung doch grade die Tradition die F1 von anderen Rennserien ab. Also ich wäre mit einem voreiligen Abzug von europäischen Rennstrecken (Spa, Silverstone, Monza,etc.) genauso vorsichtig, wie mit Medaillien…

Ich 1 Dezember, 2008 - 15:57

Um die Anzahl der Rennen würde ich mir keine Gedanken machen. Es werden sich schon reiche Russen oder Ölscheichs finden lassen, die mal eben eine neue Strecke aus dem Boden stampfen (natürlich nach Entwürfen von Tielke). Oder man fährt eben auf einigen Strecken gleich zweimal, das gibt es in anderen Rennserien ja auch.

Dass die F1 sich auf einem sehr schlechten Weg befindet, ist aber nicht zu bestreiten. Ich denke, dass immer mehr echte Fans es sich nur noch anschauen werden, weil es ihrer Gewohnheit entspricht und es kaum Alternativen gibt. Das ist den Verantwortlichen aber auch ohnehin ziemlich egal, weil auch in der F1 längst der Massenmarkt das Wichtigste ist.

DonDahlmann 1 Dezember, 2008 - 16:10

Man muss sich das aber mal überlegen. Es gibt wohl kein Rennen mehr, dass sich von alleine trägt. Ohne die staatliche Unterstützung, würde es kaum noch einen GP geben. Weder in Australien, wo es immer ausverkauft ist, noch in Brasilien, dem einzigen (!) Rennen auf dem gesamten amerikanischen Kontinent. (Muss man sich vorstellen – da, wo die Leute wie bescheuert nach Motorsport gieren, wo die Hersteller mit am meisten verdienen (USA/Kanada) fährt die beste Serie der Welt nur ein einziges Rennen. 2006 waren es noch drei. Da kann was nicht stimmen.)
Aber erstaunlich ist das schon, dass sich keiner mehr alleine die Formel Eins leisten kann. Selbst mit den Touristenströmen machen alle Minus und hoffen darauf, dass der „long tail“, also der langfristige Marketingeffekt eines Rennens durch die Erwähnung im Fernsehen, Print, Internet etc. die Sache wieder raus reißt.

NoteMe 1 Dezember, 2008 - 17:21

Ich persönlich freue mich auf den Tag, an dem sich alle Veranstaltungen selbst tragen müssen, ohne die Unterstützung durch Steuerzahler, Kronregenten, Oligarchen oder Einheitsparteien, dann wären nämlich ganz schnell wieder mehr Rennen in Europa und Nordamerika und solche Retortenrennen wie China oder Bahrain hätten sich im Handumdrehen erledigt.

Ralf G. 1 Dezember, 2008 - 18:34

Das Problem ist halt, dass die Rennen in den Diktaturen in aller Welt auf so lästige Dinge wie parlamentarisch legitimierte Haushalte keine Rücksicht nehmen müssen. Also gibt es Retortenrennen bei den Einheitsparteien und Öl-Oligarchen dieser Welt. Aber die Formel 1 hatte noch nie Moral, sie war ja auch die einzige weltweite Sportart, die in Südafrika zu Apartheidszeiten antrat…

Aber Bernie und die Autowerke richten die Serie zu Grunde. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da gab es Freitags morgens eine Vorqualifikation, weil sonst im normalen Zeittraining zu viele Autos (mehr als 30!) auf der Strecke gewesen wären.

Und die Formel 1 lebt von ihrer europäischen Tradition, wenn die traditionsreichen Rennen im demokratischen Europa (s.o.) nicht mehr auszutragen sind, werden irgendwann erst die TV-Zuschauer, dann die Fernsehanstalten und dann die Sponsoren das Interesse verlieren. Vielleicht hat vom armen Bernie eine gewisse Alterssturheit Besitz ergriffen, anders kann man sich das alles (inklusive der grotesken Medaillen-Schnapsidee) nicht mehr erklären.

dogfood 2 Dezember, 2008 - 07:53

Die Frage ist, ob die F1 mit ihrer Schwerpunktverlagerung gen Orient wirklich auf Zukunftssicherheit baut oder ob die arabischen Länder irgendwann auch mal die Schnauze voll von solchen unrentablen Prestigeobjekte haben.

Aktuell aus dem Economist:
Dubai — Has the bubble burst? As the sheen comes off glitzy Dubai, the other Gulf states are getting nervous too
http://www.economist.com/world/mideast-africa/displaystory.cfm?story_id=12684897

nona 2 Dezember, 2008 - 16:03

Bei all den Blicken in die Zukunft der Formel Eins unter dem Regime von Bernie Ecclestone sollte man ein Detail nicht vergessen: sein Alter. Der Mann ist 78. Nicht dass ich es ihm wünsche, aber sollte ihm mal irgendein Schlag treffen (was nun wirklich nicht völlig unwahrscheinlich ist), der ihn an der weiteren Ausübung seines Geschäfts hindert, dann wird sich auch in der F1 sehr viel ändern.

DonDahlmann 2 Dezember, 2008 - 16:15

Das Problem liegt nicht mal bei Ecclestone alleine, es ist auch die FIA. Denn die Formel Eins ist ja bei weitem nicht die einzige Serie, die Probleme macht. In der WRC hat sich die FIA mit allen Werken angelegt, weil man ein neues Reglement erzwingen will (S2000) und zu dem hat man diesen bescheuerten Rotationskalender eingeführt. So fällt die Rally Monte Carlo 2009 aus, dafür fährt man in Irland und Polen (immerhin nicht Jordanien).
In der WTCC gärt es auch, weil die FIA sich zu keinem klaren Kurs in Sachen Regelment durchringen kann. BMW wäre ja um ein Haar ausgestiegen und hat das Engagement nur um ein Jahr verlängert. Fast alle Regeländerungen der letzten Zeit in der F1 sind auf dem Mist der FIA gewachsen und nicht auf dem von Ecclestone. Die FIA könnte auch gut sich in die Pläne einmischen, die F1 immer mehr in den asiatischen Bereich zu verlagern. Sie hat als Druckmittel immer die Möglichkeit, einer Strecke die Zulassung zu verweigern. Da sich Mosley und Ecclestone aber auf eine Arbeitsteilung verständigt haben, tut sich da eben nichts.

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