Das Jahr fing schlecht an, verbesserte sich dramatisch, bevor man wieder in die Bedeutungslosigkeit fiel. Für Mercedes war es ein Jahr zum Vergessen.
Die Meldung des Jahres gab es schon, bevor die Saison überhaupt startete. Der Wechsel von Lewis Hamilton zu Ferrari überraschte alle. Dass der mittlerweile auch fast 40-jährige Brite noch mal das Team wechseln würde, hatte niemand erwartet und über die Hintergründe rätselt man immer noch. Dass jeder Fahrer mal für Ferrari fahren will, mag eine Sache sein. Aber er steigt in ein Team, das mit Charles Leclerc einen der schnellsten Piloten im Feld hat. Und dieses Jahr hat auch gezeigt, dass der Quali-Speed von Hamilton oft nicht auf dem Punkt ist. Nicht wenige erwarten, dass der Brite im nächsten Jahr von Leclerc zumindest in der Quali demontiert wird.
Frederic Vasseur ist mit dem Wechsel ein grandioser Coup gelungen. Er schwächt damit einen Konkurrenten nachhaltig, gleichzeitig holt er jemanden, der sehr viel Erfahrung und oft unorthodoxe Sichtweisen ins Team bringt. Etwas, was Ferrari durchaus benötigt. Unbestritten ist auch, dass Hamilton immer noch einen extrem hohen Rennspeed hat, dank dessen er im Rennen schwächere Startpositionen wettmachen kann. Und wie gut er noch sein kann, zeigte er bei seinem letzten Sieg in Silverstone.
Mercedes traf die Entscheidung schwer. Toto Wolff überlegte lange, wen man als Ersatz nehmen könnte, entschied sich dann aber doch für Andrea Kimi Antonelli. Es birgt ein enormes Risiko, einen unerfahrenen 18-Jährigen, als Nachfolger zu bestimmen. Antonelli ist schnell, keine Frage, und seine schlechte F2-Saison ist auch darauf zurückzuführen, dass das Prema Team in diesem Jahr nicht wirklich auf der Höhe der Zeit unterwegs war. Immerhin schlug er seinen ebenfalls hoch gehandelten Teamkollegen Oliver Bearman sehr deutlich.
Das Risiko ist für Mercedes auch überschaubar, da man mit George Russell einen Fahrer hat, der die Kohlen aus dem Feuer holen kann. Zumindest, was die Position in der Team-WM angeht. Russell ist in jedem Rennen ein Kandidat fürs Podium, Antonelli soll 2025 sehen, dass er regelmäßig in Q3 und in die Punkte kommt. Ziel ist dann, dass der Italiener ab 2026 dann so viel Erfahrung hat, dass er stabil und schnell unterwegs ist. Der Neuaufbau bei Mercedes soll dann damit abgeschlossen sein, wenn alles gut läuft.
Aber gut gelaufen ist es in diesem Jahr nicht. Mercedes hatte sich vom Zero-Pod Konzept verabschiedet und auf die mittlerweile übliche „Down/Out-Wash“ Variante beim Design gesetzt. Die Entscheidung dafür hatte man schon im Mai 2023 getroffen, aber dennoch fehlte Mercedes natürlich einiges an Erfahrung mit dem Konzept. McLaren hatte schon 2023 das Red Bull Konzept kopiert und eine Reihe von Updates brachte dann zur Mitte der Saison den Durchbruch. Ferrari hatte sich etwas später vom „Badewannen“ Design verabschiedet und kam dann zum Start in 2024 mit einem ausgereiftem Konzept.
Das hatte Mercedes nicht. Das Auto war zwar laut der Piloten fahrbarer und auch das Setup-Fenster gestaltete sich weiter. Aber Mercedes benötigte ein paar Rennen, um eine Basiskonfiguration zu entwickeln, mit deren Hilfe man dann die ersten Updates anbauen konnte. Das Update in Miami brachte schon einen großen Sprung, es folgten dann weitere Updates bis zum Rennen in Kanada. Danach lief für Mercedes dann sensationell, gewann man doch die Rennen in Österreich (mit Glück), England und in Belgien. Es sah so aus, als wäre Mercedes wieder zurück an der Spitze.
Doch dann folgte ein krasser Absturz zurück hinter McLaren, Ferrari und Red Bull. Bis zum Doppelsieg in Las Vegas konnte Mercedes nur einen dritten Platz in Aserbaidschan einfahren. Es war etwas unverständlich, wie das passieren konnte. War ein neuerliches Update, das nicht funktionierte? Oder lag es an dem grundsätzlichen Konzept des Autos?
Mercedes hatte in diesem Jahr zwar kein Problem mit dem Bouncing wie in den Jahren zuvor, litt aber vor allem auf Strecken, die etwas uneben waren. Wenn man, wie in Silverstone und Spa, eine topfebene Strecke hat, kann man den W15 sehr tief einstellen. Das führt dazu, dass der Unterboden besser abgedichtet ist und man dementsprechend mehr Abtrieb hat. Muss man das Auto etwas höher legen, kann man nicht mehr den Abtrieb generieren, den die anderen Teams haben. Die Unterschiede zu McLaren und Ferrari sind dabei nicht groß, aber verliert man 3 Zehntel pro Runde, summiert sich das über eine Renndistanz zu unangenehm hohen Abständen.
Mercedes konnte dieses Problem im Laufe der Saison nicht abstellen. Was darauf hindeutet, dass es ein zweigeteiltes Problem ist. Einerseits liegt es an der Aerodynamik des Unterbodens und der Unterbodenkante (plus Abführung nach hinten), zum anderen an der Federungs- und Achsgeometrie. Gerade letzteres lässt sich innerhalb einer Saison schlecht anpassen. Die Aufhängungspunkte lassen sich zwar verschieben, aber nur, wenn man das im Design einplant. McLaren hatte das gemacht. Bei Mercedes ging das wohl nicht oder man hätte ein neues Chassis samt neuen Crashtests bauen müssen. Die Kosten dafür sind dann wiederum zu hoch.
Bei allen anderen Werten sah der Mercedes nicht schlecht aus. Der Reifenverschleiß stimmte, die Zuverlässigkeit war da. Auch bei der Strategie erlaubt man sich selten Fehler. Dass man zwischenzeitlich größere Risiken bei der Strategie einging, war entschuldbar. Warum nicht etwas versuchen und daraus lernen, wenn man ohnehin wenig Chancen auf einen Sieg hat.
Dass Mercedes Erfahrung mit dem Aero-Konzept fehlte, merkte man dem Team das ganze Jahr an. Die Fortschritte, die McLaren und Ferrari gelangen, blieben bei Mercedes teilweise aus. Immerhin scheint man zu wissen, was alles schiefgelaufen ist und wo die Bereiche sind, in denen man sich verbessern muss. Das gibt dann zumindest Hoffnung für das nächste Jahr.
Die größte Verantwortung für die Erfolge auf der Strecke wird dann George Russell tragen. Das Potenzial des Briten einzuschätzen, fällt mir immer noch schwer. Er kann grandiose Rennen haben und dann macht er wieder fürchterliche Fehler. Mangelnde Motivation oder fehlenden Biss kann man ihm sicher nicht vorwerfen, aber ich habe noch meine Zweifel, ob er ein Team alleine tragen kann. Und wie er mit dem Punkt umgehen wird, sollte Antonelli in der Quali regelmäßig schneller sein. Die ganze hektische Verpflichtung von Antonelli macht auch den Eindruck, dass Mercedes Zweifel hat, ob Russell ein Nachfolger von Hamilton ist.
Allerdings hat er in diesem Jahr gezeigt, dass er mit einem eher schwierigen Chassis umgehen kann und dennoch ausgezeichnete Ergebnisse herausholt. Er gehört auf jeden Fall zu der Sorte Piloten, die sich dem Auto anpassen können. Eine Fähigkeit, die nicht viele im Feld haben. Mir fallen da nur Verstappen, Leclerc, Hamilton, Norris und Alonso ein.
2025 wird ein für Mercedes durchaus spannendes Jahr. Man wird die Erwartungen nicht hoch hängen, da man sich auf 2026 konzentrieren wird. Aber natürlich will man auch nicht weiter abfallen. Gelingt es Mercedes, die Lücke nach vorn zu schließen und nicht nur auf ausgewählten Strecken mit dabei zu sein, beweist man auch, dass die Entwicklungsfähigkeiten nicht verlernt wurden. Was dann auch ein gutes Zeichen dafür sein kann, dass man für das 2026er-Chassis die richtigen Entscheidungen treffen wird.
Quali-Duell
Russell – Hamilton 19:5
Renn-Duell
Russell – Hamilton 15:9
Bilder: Pirelli