Dass Lance Stroll in einer Krise steckt, ist noch untertrieben. Das ist dennoch kein Grund, ihn durch die Medien zu hetzen.
Zugegeben, ich sehe die Leistungen von Lance Stroll kritisch und bringe das hier auch zum Ausdruck. Aber seine Leistungen, vor allem im Vergleich zu Alonso, zu kritisieren, ist eine Sache. Eine andere ist Berichterstattung, die Stroll in den letzten Tagen über sich ergehen lassen musste. Dass die FIA sich die Vorfälle aus Katar anschaut, weil er gegen die Verhaltensregeln der Serie verstoßen hat, scheint einige Medien, vor allem aus dem englischsprachigen Bereich, dazu veranlasst zu haben, eine volle Breitseite gegen Lance Stroll zu fahren. Selbst eigentlich soliden Seiten wie „The Race“ ist Stroll zwei kritische Artikel wert.
Sicher, sein emotionaler Ausbruch am letzten Freitag, als er in Q1 ausschied und seinen Trainer, der ihn beruhigen wollte, wegschob, war nicht gerade hübsch anzusehen. Ebenso wenig sein einsilbiges Interview danach. Aber er ist nicht der Erste, dem das passiert. Verstappen fiel gleich zweimal auf, als er andere Fahrer anging. Und auch andere Piloten sind in der Geschichte der Formel Eins immer mal wieder explodiert und haben Dinge getan, die nicht gerade gut aussahen, heute aber in jedem Highlight Reel der F1 auftauchen (Schumacher, Piquet z.b)
Der Druck auf Lance Stroll muss mörderisch sein. Einerseits im Team, wo ihm Fernando Alonso um die Ohren fährt. Das ist einerseits keine Schande, Alonso ist immer noch ein Ausnahmefahrer, der vermutlich 80 bis 90 % des Feldes in gleichwertigen Autos hinter sich lassen kann. Aber der massive Abstand zum Spanier ist natürlich auffällig. Stroll sagt, dass er mit dem Auto nicht so zurechtkommt und das kann man ihm durchaus glauben.
Fast alle Fahrer beklagen sich über die schwierige Abstimmung der Fahrzeuge, die zudem sehr spitz ist. Der Grenzbereich der diesjährigen Formel Eins ist dank der komplexen Aerodynamik sehr klein. Abtriebverluste stellen sich schnell ein und wir haben außergewöhnlich viele kleine Fehler von fast allen Fahrern gesehen. Wenn einem das Auto liegt, dann ist es schnell, wenn man die eigene Fahrweise nur schwer anpassen kann, wird es schwierig.
Dafür gibt es einige Beispiele im Feld. Magnussen vs. Hülkenberg, Verstappen vs. Perez, Sainz vs. Leclerc. Auch wenn bei der Ferrari-Paarung die Unterschiede marginal sind, beide weisen an bestimmten Wochenende immer wieder darauf hin, dass sie mit dem Setup nicht klarkommen. Und das passiert auch einem Weltmeister wie Lewis Hamilton, der bekannt dafür ist, dass er sich gut an ungewohnte Verhaltensweisen von Chassis adaptieren kann.
Natürlich ist Stroll kein Top-Fahrer. Er ist kein Verstappen, Alonso oder Hamilton. Nicht mal annähernd. Er gehört zur sehr großen Gilde der F1-Fahrer, die an manchen Wochenenden über sich hinauswachsen können, dann zu schnellsten Piloten gehören, um am folgenden Wochenende wieder im Mittelfeld zu versinken. Er hat Highlights, aber die kommen zu selten. Das war auch schon so vor dieser Saison, die im übrigen außergewöhnlich schlecht für ihn läuft.
Ob er sich das eingestehen kann, ist eine Frage. Eine ganz andere Frage ist, ob sein Vater sich das eingestehen kann. Es ist offensichtlich, dass ein nicht unerheblicher Druck auch aus der Familie und damit von Lawrance Stroll kommt. Für den bald 25-jährigen, dessen Karriere sehr eng von seinem Vater begleitet wurde, wird das Leben nicht einfach sein. Dem eher scheu wirkenden Sohn eines erfolgreichen und für seine robusten Geschäftstaktiken bekannten Vaters kann man die Unsicherheiten oft ansehen.
Was auch nicht überraschend ist. Er ist der Sohn des Teambesitzers, dem alle nachsagen, dass er nur deswegen noch im Team ist, weil der Vater ihn nicht herauswirft. Es ist eine mehr als unangenehme Situation, die dann auch noch gepaart wird mit den eigenen, ungenügenden Leistungen. Wer sich einmal im Job überfordert gefühlt hat, kann vielleicht nachvollziehen, wie es Lance Stroll gehen muss.
Es ist völlig in Ordnung, seine Leistungen im Team in diesem Jahr zu kritisieren. Und es auch völlig in Ordnung, dass man seine Unfälle analysiert und zum Schluss kommt, dass er eventuell überfordert sein könnte. Aber das bedeutet nicht, dass man ihn den Löwen zum Fraß vorwirft. Und schon gar nicht geht es, dass man ihn persönlich angreift. Ein belgischer Kommentator nannte Stroll im letzten Jahr einen „Autisten“ und wurde daraufhin suspendiert. Aber das taucht auch in diesem Jahr, vor allem auf Accounts in Instagram oder TikTok immer wieder auf. Das geht gar nicht, zumal Autismus keine Krankheit oder ein irgendwie gearteter psychischer Mangel ist.
Lance Stroll hat es schwer genug im Team und ist ganz offensichtlich mit seinen eigenen Leistungen auch nicht zufrieden. Aber man sollte ihn nicht, nur weil er der Sohn vom Teambesitzer ist, komplett durch den medialen Fleischwolf jagen. Seine Leistungen kritisieren, so wie man jeden anderen Fahrer kritisiert – natürlich. Aber das ist dann auch die Grenze.
Bilder: Aston Martin
1 Kommentare
[…] dass man Fehler beheben und wieder die korrekte Richtung in der Entwicklung einschlagen kann. Was man allerdings mit Lance Stroll dann anstellt, ist eine andere Frage. Es ist offensichtlich, dass man mit einem schwachen zweiten Fahrer in der […]
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