Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Mexiko – Vettel ist schuld

Formel Eins: Analyse GP von Mexiko – Vettel ist schuld

von DonDahlmann
6 Kommentare

Was war das denn? 90 Minuten Langeweile, dann 5 Minuten Spannung, die zu einer vielstündigen Diskussion führten. Das Rennen in Mexiko war wirklich ungewöhnlich.

2016 Mexican Grand Prix, SaturdayDie ersten tiefen Sorgenfalten der Teams zeigten sich schon am Freitag. Der Asphalt war rutschiger, als man gedacht hatte. Nicht nur staubig, er nahm auch einfach kein Grip an. Das führte schnell zu einem Umdenken in der Strategie. Schon im zweiten freien Training sah man alle Teams mit den Medium auf den Longruns, was schon andeutete, dass man es mit einer Ein-Stopp-Strategie versuchen wollte. Die Entscheidung manifestierte sich am Samstagmorgen. Mit den Supersoft kam man vielleicht zehn Runden weit, dann waren sie unbrauchbar. Die Soft hielten etwas länger, etliche Teams hatten hier auch auch mit Graining zu kämpfen. Die Medium wiederum hielten ewig. Quasi das ganze Rennen. So machten dann fast alle in Q2 einen Bogen um die Supersoft, außer Red Bull, Williams und Hülkenberg, was für Sonntag dann entscheidend war.

Logischerweise hätten beide Red Bull mit den Supersoft am Start an den Mercedes vorbei gehen müssen, aber das passierte nicht. Hamilton rettete sich über die Wiese, Rosberg wurde von Verstappen abgedrängt und rumpelte ebenfalls durchs Gras, kam aber knapp vor dem Niederländer wieder raus. Hinten musste Wehrlein den Manor abstellen, was zu einer VSC und damit zu interessanten strategischen Entscheidungen führte.

Red Bull holte Ricciardo rein, um die Supersoft loszuwerden, und gab ihm Medium mit. Allerdings verzockte man sich mit dem Stopp. Die ebenfalls auf Supersoft gestarteten Williams und Hülkenberg bleiben draußen. So landete Ricciardo nicht um P12 oder P13 nach seinem Stopp, sondern auf P17. Das kostete ihn die Zeit, die am Ende auf P3 beziehungsweise P2 fehlte.

2016 Mexican Grand Prix, SaturdayDennoch wäre Mercedes beinahe in die Undercut-Falle von Red Bull gelaufen. Man wollte beide Piloten so lange wie möglich draußen lassen. Gleichzeitig rauschte aber Ricciardo durch das Feld, was man fast übersah. Man holte erst Hamilton in Runde 21 rein und wollte Rosberg eine Runde später an die Box rufen. Doch da war Ricciardo so nah, dass Rosberg hinter ihm gelandet wäre. Der Deutsche, der am Wochenende nicht das schnellste Auto hatte, presste schnelle Runden aus dem Mercedes, gleichzeitig blieb Ricciardo hinter den Kampfhähnen Perez und Massa hängen. Das Überholmanöver kostete ihn knapp 1,5 Sekunden, was genau die Zeit war, die Rosberg für den Wechsel auf die Medium benötigte.

Bis dahin war also alles normal. Der Wechsel der Top-Piloten auf die Medium war zwischen Runden 15 und Runde 25 erfolgt. Damit konnte man knapp durchfahren. Eine Gefahr stellte nur Ricciardo dar, der ja in Runde 5 drin war und sicher noch mal reinkommen musste. Ebenso klar war, dass er dann die Soft nehmen würde. So nahmen dann alle an, dass man auf den möglichen Wechsel von Red Bull reagieren würde, um ebenfalls Soft oder zumindest frische Medium zu nehmen. Doch da hatte man die Rechnung ohne Vettel und Ferrari gemacht.

Vettel schleppte die Soft vom Start bis Runde 36, also zu Halbzeit des Rennens. Klar, der würde nicht mehr reinkommen. Aber die Abstände im Rennen waren enger als sonst. Als Vettel wieder auf die Strecke kam, lag er zwar auf P6, aber nur 18 Sekunden hinter Hamilton, der vorne seinen Motor schonte. Das war zu wenig für einen Stopp. Damit war auch klar: Ferrari hatte die Spitze ausmanövriert. Niemand konnte mehr an die Box, wollte er nicht hinter Vettel landen, dessen Wagen aber im Longrun schwer zu schlagen war. Vor allem für Mercedes hätte das ein hohes Risiko bedeutet, das man nicht eingehen wollte. Das bedeutete aber auch, dass man gegen den Angriff von Ricciardo nichts machen konnte.

Der kam dann 20 Runden vor Schluss an die Box und stürmte anschließend durchs Feld. Er packte sich Räikkönen, dann musste er eine Lücke von 17 Sekunden auf Vettel zufahren, der seinerseits auf Verstappen auflief. Und so trafen sich die drei auf der Strecke. Das Ergebnis waren dann am Ende: eine 5-Sekunden-Strafe gegen Verstappen und eine 10-Sekunden-Strafe gegen Vettel. Beide verloren P3 – die holte sich dann Ricciardo.

GP MESSICO F1/2016Ich muss sagen, dass ich vor allem die Strafe gegen Vettel kritisch sehe. Verstappen hatte sich eingangs T1 verbremst, rodelte übers Gras und setzte sich wieder vor Vettel. Das kann man bestrafen, obwohl man auch sagen muss, dass Vettel zu keiner Zeit neben Verstappen war. Aber der hatte abgekürzt, was nun mal nicht geht. Red Bull meinte, die gleiche Strafe hätte man auch Hamilton und Rosberg geben müssen. Bei Rosberg war es Verstappen, der ihn abgedrängte, da konnte der Deutsche wenig machen. Aber Hamilton hätte man ebenso wie Verstappen bestrafen müssen. Es war ein klares Abkürzen der Strecke und das auch noch aus eigenem Verschulden. Wenn man Hamilton nicht bestraft, hätte man auch Verstappen nicht bestrafen dürfen.

Bezüglich Vettel vs. Ricciardo empfinde ich die Strafe als nicht gut für den Sport. Ja, Vettel hat die Linie beim Anbremsen verlassen und den Raum für Ricciardo verkleinert. Aber er hat ihm genug Platz gelassen. Die Regel, dass man beim Anbremsen seine Linie nicht wechseln darf, ist ja keine „Lex Verstappen“, die gab es vorher auch schon. Man hat sie nach Suzuka allerdings verschärft und quasi eine „Lex Verstappen“ geschaffen. Zwar darf man seine Linie wählen (und danach beim Anbremsen nicht mehr ändern), Verstappen macht aber die Linie so zu, dass kein Platz mehr ist. Das wollte die FIA abschaffen. Es ist aber ein Unterschied, ob ich eine Linie komplett abschotte und den Hintermann blockiere oder ob ich den Raum verenge, ihm aber Luft zum Leben und Überholen lassen.

Wenn die FIA jetzt anfängt, derartige, in jedem anderen Motorsport beim Anbremsen, völlig normale Manöver zu verbieten, dann haben wir am Ende nur noch Überholmanöver, wenn das DRS offen ist. Was lächerlich ist. Dass man überhaupt wegen eines Fahrers diese Regel aufstellt, zeigt die Hilflosigkeit der FIA. Wenn man einen Fahrer disziplinieren will, dann sperrt man ihn halt für ein oder zwei Rennen, aber man bestraft nicht das gesamte Feld mit einer neuen Regel.

Man muss allerdings auch sagen, dass Vettel die 10 Sekunden, die ihn dann P3 gekostet haben, auch bekommen hat, weil er in der letzten Runde Charlie Whiting beschimpft hat. Sein „Tell Charlie, fuck off….“ war unsportlich. Wenn man beim Fußball so etwas zu einem Schiedsrichter sagt, fliegt man auch vom Platz. So amüsant die Bemerkungen von Vettel per Funk sind – man kann jetzt auch nicht das gesamte Feld beschimpfen, wenn einem etwas nicht passt. Dennoch hoffe ich, dass die FIA die Regel über Winter entweder präzisiert oder – besser – wieder streicht.

Was sonst noch war:

– Marcus Ericsson erreicht im Sauber P11. Er kam wie Ricciardo in der VSC-Phase rein und nahm Medium, die er dann 69 Runden lang fuhr. Ein tolles Ergebnis für Sauber, aber trotzdem knapp an dem so wichtigen einen Punkt vorbei. Mit dem Punkt würde man, auch dank dem Ergebnis in Mexiko, an Manor vorbeiziehen.

– Perez kann das Heck von Massa vermutlich im Schlaf zeichnen. Er hing das gesamte Rennen hinter dem Williams und kam auf der Geraden einfach nicht vorbei. Dennoch holte Force India dank Hülkenberg einen Punkt mehr als die Williams.

– Der Stopp von Räikkönen 27 Runden vor Schluss war taktisch merkwürdig. Man verlor damit zwar keine Position (außer gegen Vettel) konnte aber auch nichts gewinnen. Mehr Sinn hätte es gemacht, Vettel vorbeizulassen und den Finnen wie Ricciardo dann 20 Runden vor Schluss auf die Soft zu setzen. So ließ man Räikkönen im Nirvana. Der Finne sagte nach dem Rennen auch, dass er das nicht verstanden habe. So gut die Idee mit Vettel war, so schlecht war die Taktik mit Räikkönen.

– Überraschend schlecht waren die McLaren. Es war wohl eine Kombination aus mangelnder Leistung und den harten Reifen, mit denen man mal wieder nicht zurechtkam.

In der WM ist Hamilton zwar auf 19 Punkte rangekommen, aber das reicht bekanntermaßen nicht. Tatsächlich kann Rosberg in Brasilien Weltmeister werden, wenn er das Rennen gewinnt. Das erhöht den Druck auf den Briten, der in Brasilien noch nie gewonnen hat. Gleichzeitig kann sich Rosberg sogar in den verbleibenden Rennen einmal P3 und einmal P2 erlauben, um Weltmeister zu werden. Es bleibt also spannend.

(Etwas weniger Bilder diese Woche, da unterwegs und schlechte Internetverbindung)

 

 

 

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Red Bull Mediahouse/Getty Images, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1

Das könnte Dir auch gefallen

6 Kommentare

andi 31 Oktober, 2016 - 21:04

Ich denke ein guter Teil der harten Strafe Vettels ist auf das Gefluche im Funk zurückzuführen. Das sieht/hört man im englischsprachigen Raum nicht gerne.

Ariane 31 Oktober, 2016 - 21:28

Dieses Strafengehampel war in der letzten Saison schon extrem nervend und hat sich leider nicht wirklich verbessert. Ich denke (hoffe) auch, dass Vettels Strafe eher mit dem Fluchen zu tun hat, ich bin überhaupt kein Freund davon, jedes Überholmanöver zu untersuchen und ggf. auch zu bestrafen. (Um dann rumzuweinen, dass keiner überholt und Nothilfen wie DRS einführen zu müssen).
Die Strafe gegen Verstappen in diesem Rennen sehe ich auch kritisch, da man eben Hamilton nicht bestraft hat. Spricht ebenfalls dafür, dass die Kommissare entweder aufmerksamer werden sollten oder die zig Regeln mal so präzisiert werden müssen, dass es nicht immer erscheint, als würfen die da eine Münze. Für die Formel 1 eher unwürdig.
Und was man auch nicht vergessen darf: ich bin der Meinung, dass dadurch die Fahrer immer mehr rumheulen und bei jedem Überhol- oder Überrundungsversuch verlangen, dass das Team Beschwerde einlegt.

batis 31 Oktober, 2016 - 22:04

Kernproblem bei der „Lex Verstappen“ ist eben nun mal, dass die FIA sich verzockt hat… Man hätte VES für das Manöver gegen RAI in Spa bestrafen können und müssen. Das war gefährliches Fahren und unsportlich. Selbes gilt in etwas geringerem Maße auch für das Manöver gegen HAM in Suzuka.
Um gesichtswahrend aus der Nummer rauszukommen musste man eben eine neue Regel machen (mal wieder mitten in der Saison, sowas war doch früher völlig unüblich…?!) Dabei hat man einen Tatbestand geschaffen, den man so eingentlich niemand haben wollte. Man wollte das absolut gefährliche Blocken von VES unterbinden. Stattdessen hat man eine Regel geschaffen, die auch ein völlig übliches und eigentlich gerechtes Abdrängen, wie VET es gemacht hat, verbietet.
Vielleicht hat man das aber auch genauso gewollt. Diese neue Regel ist Schwachsinn. Das Blocken von VES in Spa und Suzuka war auch schon vorher verboten, man hat es einfach nur nicht mit den entsprechenden Mitteln durchgesetzt. Nun hat man aber eine Regel in der Hand, die man den Teams, der FOM oder wem auch immer, abverhandeln kann, wenn diese die denn loswerden wollen. Also wieder mal nur Politik, dann wäre es eben doch nicht verzockt, sondern eiskaltes Kalkül.

Zum Abkürzen von HAM und VES muss man sich halt überlegen: „Ab wann hat man einen Vorteil durch das Abkürzen?“
Für mich ist das klar. Wenn ich die Bremsen aufmache, um mir so keinen Bremsplatten einzufahren oder einen Dreher zu verhindern, dann habe ich einen Vorteil. Also hätten HAM und VES beiden bestraft werden müssen. Wie man beim Überholversuch von PER gegen MAS gesehen hat, kann man auch spät bremsen und die Schikane trotzdem einigermaßen korrekt nehmen. Eben ohne jeden Vorteil.
VES hatte hier immer noch die komfortable Situation einen direkten Konkurrenten vorbei zu lassen, was er aber nicht getan hatte. Bei HAM ist es da schon schwieriger. Er hätte halt auch die 5Sek bekommen müssen (streng genommen eine Drive-Through, beide.)

DonDahlmann 1 November, 2016 - 00:11

Völlig korrekt. Man hätte Hamilton unbedingt bestrafen müssen. Er hat die Strecke verlassen und abgekürzt, da gibt es gar keinen Zweifel. Hier wurde mit zweierlei Maß gemessen, das ist sehr schädlich für den Sport. Zwar lassen die Rennkommissare so Sachen in der ersten Kurve gerne mal durchgehen, weil die Hektik am Start eh groß ist, in dem Fall war die Sache aber glasklar und kann ich den Ärger von Red Bull gut verstehen. (Das ich mal mit Dr. Marko einer Meinung bin… wer hätte das gedacht)

nona 1 November, 2016 - 01:00

Hamilton dürfte deswegen für das Abkürzen nicht bestraft worden sein, weil es die erste Kurve unmittelbar nach dem Start war, was in den meisten Rennserien sehr lax gesehen wird. Verstappen dagegen befand sich im unmittelbaren Zweikampf im laufenden Rennen, das ist schon was anderes. Bemerkenswerter finde ich, dass er (mal wieder) für das gute alte „forcing another car off the track“ nicht bestraft wurde, und dass er die Anweisung des Teams ignoriert hat, die Position an Vettel aufgrund des Abkürzens abzugeben (was man im HInterkopf behalten sollte wenn sich RB-Leute nach dem Rennen hinstellen und sagen, die Strafe gegen ihn sei unfair…). Es wird ihm insgesamt deutlich Freiheit eingeräumt sowohl vom Team als auch von der Rennleitung, denn er ist ja Spektakel und Schlagzeilen sind ja immer gut. Ist ja eigentlich interessant dass all die Apologeten mit ihren invaliden „so gut wie Senna“ und „fährt hart wie Schumacher“-Vergleichen nicht drauf kommen mal zu sagen „fährt wie Gilles Villeneuve“, denn da müsste man sich ja mal unbequeme Gedanken machen anstatt zu jubelpersern…

In Sachen Vettel-Funk muss man eines nicht vergessen: was in die Fernsehübertragung durchkommt und was nicht liegt vollends in der Hand Dritter. Die „Bernie-Regie“ hat komplette Kontrolle darüber, wie die öffentliche Wahrnehmung eines Fahrers anhand des Funkverkehrs aussieht. Wenn etwas zurückgehalten werden soll, dann können sie das. Wenn etwas hervorgehoben werden soll, können sie das auch. Ob abseits davon geschimpft oder gescherzt oder geflucht oder beleidigt wird, weiss man nicht, man kann aber natürlich davon ausgehen. Alonso motzt nicht ständig über sein Auto, Vettel fordert nicht ausschliesslich blaue Flaggen ein (und alleine ist er damit schon garnicht), usw., aber wenn ein Fahrer ein bestimmtes Image verstärkt oder aufgedrückt bekommen soll, dann ist das ohne weiteres möglich. Und dass die Bernie-Abteilung die Übertragung gerne für eigene Zwecke benutzt weiss man nicht erst seit dynamischer CGI-Werbung und der Abstrafung von kritischen Stimmen indem man die Autos eines Teams so gut wie nicht im Bild hat.

Andi Pieper 1 November, 2016 - 10:27

Zum Funk noch: Es ist schon klar, dass der Funk zuvörderst der Kommunikation zwischen Fahrer und Team dient. Das war ja auch lange Zeit Privatsache (ab einem Zwischenfall mit MacLaren dann auch verschlüsselt). Dann wurde das geöffnet und ist seitdem eine wunderbare Quelle für Kontroversen und ein Spezialkanal für Teams und Fahrer mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren (Alonsos GP2-Engine-Spruch war definitiv für die Öffentlichkeit bestimmt).

Natürlich filtert, zensiert und beeinflusst die FOM-Regie alles was da am Ende zu hören ist, aber wenn man sich durch „bad language“ angreifbar macht, dann ist man auch selber schuld. Gerade Vettel hat genug Hirn, um dieses Werkzeug für sich zu nutzen, deshalb kann ich seine Formulierungen an dieser Stelle nicht verstehen. Unterm Strich ist eine rigorose Funkdisziplin eh das Beste, das kennt man aus dem Militär. Aber vielleicht nicht so interessant.

Comments are closed.