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Formel Eins: Analyse GP Spanien 2016 – Crash Kids

von DonDahlmann
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Was für ein Rennen. Kaum sind die Mercedes vorne mal weg, trennen die ersten vier nur wenige Sekunden. Aber neben Max Verstappen war das Thema des Rennen natürlich der Crash der Mercedes-Piloten.

GP SPAGNA F1/2016Es war ja eigentlich nur eine Frage der Zeit. Genauso, wie es zwischen Vettel und Webber irgendwann krachen musste, genauso wie Senna und Prost aneinander gerieten, musste es auch irgendwann mal zwischen Hamilton und Rosberg krachen. Wenn zwei gleichschnelle Piloten über Jahre so nahe zusammen fahren, muss der Fehler irgendwann kommen. Aber wessen Fehler war es denn nun?

Es war ein Rennunfall, haben die Kommissare geurteilt, was so viel heißt wie: beide schuld. Und damit liegen die Kommissare auch richtig. Rosberg hat etwas über-aggressiv seine Linie verteidigt, obwohl er wusste, dass er langsamer war, Hamilton wollte mit der Brechstange innen vorbei, obwohl er wissen musste, dass Rosberg natürlich die Innenlinie dicht machen würde. Hätte, wäre, wenn…

Eigentlich hätte Rosberg innen einen Wagenbreite Platz lassen können, aber nicht müssen. Zu dem Zeitpunkt, als er rüberzog, war Hamilton noch nicht neben ihm. Auf der anderen Seite – keiner zieht an der Stelle so weit von der Rennlinie in den Dreck rüber. Hamilton seinerseits hätte den Move antizipieren müssen. Wo sonst sollte Rosberg hinziehen, wenn nicht nach links, um die Kurve zu schützen? Es war eine von beiden Fahrer in der Hitze der ersten Kurven und innerhalb von einer knappen Sekunde gefällte Fehlentscheidung.

Individuelle Fehler von Rosberg und Hamilton

Dass beide überhaupt so dicht zusammen waren, lag auch an zwei individuellen Fehlern. Hamilton hatte sich überraschend einfach von Rosberg in der ersten Kurve abkochen lassen. Da hat man schon andere Rennlinien von ihm in diesen Fällen gesehen (Austin 2015). Rosberg hatte beim Start die falsche Motoreinstellung gewählt, der Motor schaltete in der Kurve in den „Harvest“-Mode, statt die Energie abzugeben. Deswegen fehlte ihm Leistung und Hamilton konnte so schnell so viel näher kommen. Und wenn so viele individuelle Fehler zusammenkommen, dann kann es eben auch mal krachen. Unnötig, vor allem aus Sicht von Hamilton. Zwar hatte Rosberg zunächst die Nase vorne, der Brite war aber übers Wochenende immer etwas schneller. Die Möglichkeit, dass er mit DRS an Rosberg vorbeigekommen wäre oder dass er den Deutschen über die Strategie hätte schlagen können, waren gegeben. Dass man mit der Strategie an fast gleich schnellen Konkurrenten vorbeikommen kann, zeigte Ferrari im Kampf Vettel vs. Ricciardo.

Schwierig ist die Situation jetzt für Mercedes, denn man muss sehen, dass man einerseits niemandem die Schuld gibt, andererseits die Gemüter beruhigt. Im Interview nach dem Rennen machte Hamilton einen gefassten Eindruck, wollte zumindest öffentlich niemandem die Schuld geben. Rosberg sagte nur: „Wenn die Rennkommissare meinen, dass das ein Rennunfall war, dann war es einer.“ So kann man natürlich auch sagen, dass man die Sache anders sieht.

F1_Race_Spain_2016_21Die schlechten Nachrichten für Mercedes waren gute Nachrichten für Red Bull, Ferrari und die Zuschauer. Erstaunlicherweise waren die Red Bull in Spanien deutlich besser unterwegs, als man erwarten konnte. Dem Chassis kommen die schnellen und mittelschnellen Kurven entgegen, das konnte man schon in China sehen. Was aber überraschte, war der Topspeed der Red Bull. Es gibt kaum noch ein Unterschied zwischen dem Renault- und dem Ferrari-Motor. Ferrari hat scheinbar ein bisschen mehr Punch im mittleren Drehzahlband, der Renault hat in Verbindung mit dem Red Bull-Chassis mehr Kraft aus den langsamen Ecken heraus. Das führte dann dazu, dass alle vier Wagen auf einem Niveau unterwegs waren. Und dann ist es halt in Barcelona schwer mit dem Überholen, auch mit DRS.

So hatten Vettel, Räikkönen, Ricciardo und Verstappen zu verschiedenen Zeiten im Rennen alle die gleichen Chancen auf den Sieg, denn man lag teilweise innerhalb von wenigen Sekunden. Das war schön anzusehen und zum ersten Mal seit langem konnte man ein Rennen sehen, bei dem man bis in die letzten Runden nicht wusste, wer denn nun gewinnen würde. Klar war – die Strategie würde entscheiden, denn wer vorne lag, würde nur schwer zu überholen sein.

Logischerweise glühten die Köpfe der Strategen und man versuchte, sich gegenseitig auszutricksen. Im ersten Schritt splittete man die Strategie. Während Ricciardo und Vettel auf drei Stopps gingen, setzte man Räikkönen und Verstappen auf zwei Stopps. Auf dem Papier war man mit drei Stopps schneller, denn es war unklar, ob die Rechnung aufgehen würde, dass man mit dem Medium würde durchfahren können. Die Vorhersage von Pirelli lautet: 25 Runden für die Medium.

Wie sich die Strategen gegenseitig austricksten

Beim ersten Stopp sah es noch so aus, als wolle Ferrari Vettel auf zwei Stopps setzen. Ricciardo kam in Runde 11, Verstappen und Räikkönen folgten in Runde 12. Vettel stoppte in Runde 15 und nahm, wie die Red Bull und Räikkönen, die Medium. Die Augen von Ferrari waren auf Ricciardo gerichtet, denn man ging davon aus, dass er derjenige war, den man schlagen musste. Die durchaus geniale Idee von Ferrari kam dann beim zweiten Stopp. Ricciardo kam in Runde 28 und nahm Soft, Vettel eine Runde später. Statt den Deutschen aber einzubremsen, sollte er die gebrauchten Soft ohne Rücksicht ausquetschen. Genau das tat Vettel und genau in der Phase konnte Vettel die Zeit gewinnen, die ihn vor Ricciardo bringen würde. Man holte Vettel nach acht Runden wieder rein und setzte in Runde 37 auf die Medium. Bedeutete zwar 27 Runden auf den Medium, aber Ricciardo verlor mit der reifenschonenden Fahrweise zu viel Zeit. Ein ziemlich genialer Schachzug von Ferrari.

F1_Race_Spain_2016_11Wenn denn nicht das Problem mit dem Zwei-Stopper gewesen wäre. Red Bull und Ferrari hatten ihre beiden anderen Fahrer auf identische Strategien gesetzt. Man ließ man beide länger auf den Medium draußen. Das sah, im ersten Moment, nach einer Fehlentscheidung aus, denn beide verloren massiv viel Zeit auf Vettel und Ricciardo. Allerdings hatte man durch den langen Mittelstint festgestellt, dass die Medium besser hielten, als man dachte. Gleichzeitig legte sich mehr Gummi auf die Strecke und die Wagen wurden leichter, das Risiko, dass die Medium plötzlich einbrechen würde, wurde geringer.

Wie eng die beiden Strategien zusammenlagen, konnte man am Ende sehen. Vettel fehlten im Ziel fünf Sekunden auf Verstappen, allerdings verlor Vettel auch im Kampf mit Ricciardo um P3 einiges an Zeit. Aber der eigentliche Verlierer war der Ricciardo . Der hatte Reifen drauf, die sechs Runden jünger als die von Vettel waren, und neun beziehungsweise acht Runden frischer als die der Spitze. Das Problem – Ricciardo kam nicht an Vettel vorbei. Und selbst wenn er den Deutschen im ersten Rutsch überholt hätte – vor ihm kurvten noch Räikkönen und Verstappen rum.

Räikkönen ohne Optionen

Während Ferrari im Grunde bei Vettel alles richtig macht, vergaß man, sich was für Räikkönen zu überlegen. Der steckte während des gesamten Rennens hinter Verstappen und Ferrari beließ es dabei, die Stopps von Verstappen zu covern. Kam der Niederländer rein, kam der Finne eine Runde später. Mit dieser taktischen Route blieb Räikkönen aber nichts anderes übrig, als den Überholversuch auf der Strecke zu starten, was sich schwierig gestaltete.

Interessanterweise haben sich sowohl Red Bull als auch Ferrari verkalkuliert, da man dachte, dass die Medium am Ende so sehr einbrechen würden, dass Vettel und Ricciardo leicht die Spitze übernehmen würden. Aber so kam es dann eben nicht. Ferrari verlor das Rennen, weil man Räikkönen nicht an Verstappen vorbeibringen konnte, da man keine strategische Alternativen hatte. Der Red Bull hatte einen leicht besseren Reifenverschleiß. Hätte man Räikkönen im Mittelstint länger draußen gelassen, hätte der zwar am Ende Reifen gehabt, die zwei, drei Runden frischer gewesen wären, gleichzeitig hätte dann aber die Gefahr bestanden, dass er hinter Ricciardo zurückgefallen wäre.

Verstappen macht keine Fehler

GP SPAGNA F1/2016Die ganzen taktischen Spielereien sollen aber nicht die Leistung von Max Verstappen schmälern. Mit 18 in einem Auto, dass man nicht kennt, ein Rennen zu gewinnen, ist mehr als sensationell. Räikkönen biss sich die Zähne am Red Bull aus, weil Verstappen einfach keinen Fehler machte. Der Niederländer fuhr extrem klug, denn er wusste, dass der Ferrari im Grunde nur zwei Stellen hatte, an denen er gefährlich werden würde. Am Ende der langen Gerade und am Ende der kürzeren Gegengerade. Die bessere Traktion des Red Bull aus der letzten Schikane half, aber man muss mit abbauenden Reifen auch erstmal fehlerlos aus der Schikane kommen. Ein leichter Quersteher und schon hätte Räikkönen, der bis auf die letzten Runden immer in DRS-Reichweite war, mit dem besseren Topspeed einen Versuch in Turn 1 starten können.

Verstappen leistete sich nicht den kleinsten Fehler und dabei achtete er auch auf die Reifen. Dass der Newcomer eine große Zukunft hat, ist kein Geheimnis. Sein Sieg erinnert an den Überraschungserfolg von Vettel im Toro Rosso damals in Monza, ebenfalls ein Rennen, das damals etwas anders lief, als man dachte. Natürlich kam der Sieg von Verstappen zustande, weil beide Mercedes fehlten und weil sich die Reifensituation anders entwickelte, als man vor dem Rennen gedacht hatte. Nichtsdestotrotz muss man erst mal siegen. Viele andere Fahrer haben in der Situation auch mal Fehler gemacht. Man darf sehr gespannt sein, was Verstappen noch so zeigen wird.

Sainz sorgt für Freude in Spanien

F1_Race_Spain_2016_20Nicht weniger beeindruckend war im übrigen die Leistung von Carlos Sainz, der am Ende auf P6 kam. Zu Beginn lag er sogar auf P3, musste aber beide Ferrari ziehen lassen. Dass er am Ende auch hinter Bottas lag, hatte einen einfachen Grund: Toro Rosso holte Sainz schon in Runde 10 rein, was viel zu früh war. Da der Rest des Feldes zwei bis vier Runden länger draußen blieb, steckte Sainz für ein paar Runden im Verkehr fest, während Bottas frei fahren konnte. Das reichte dem Williams, um Sainz hinter sich zu lassen, der zudem im Rennen das Tempo von Bottas nicht ganz mitgehen konnte. Mehr war für den Toro Rosso vermutlich nicht drin.

Perez kam auf P7 und fuhr ein mehr oder weniger einsames Rennen. Mehr Action hatte der von P18 gestartete Massa. Williams hatte sich in Q1 mit dem Timing verheddert und Massa musste sich durch das ganze Feld kämpfen. Dass dann noch P98 raussprang, war schon bemerkenswert. Auch er profitierte vom Ausfall der beiden Mercedes und von unglücklichen Alonso.

Die McLaren sahen in Spanien, durchaus eine Power-Strecke, nicht schlecht aus. Nicht sensationell gut, aber auch nicht schlecht. Es sind kleine Schritte, die McLaren und Honda im Moment machen, aber sie gehen in die richtige Richtung. Man ist noch nicht auf dem Niveau von Toro Rosso, aber auf Augenhöhe mit Force India. Der Ausfall von Alonso trübte das Bild etwas, aber Button konnte auf P9 Punkte holen.

Der unglücklichste Mann der Woche, Daniil Kvyat, holte den letzten Punkt. Der Russe, ausgetauscht gegen Verstappen, war deutlich enttäuscht und geknickt. In China noch auf dem Podium, zwei Rennen später im Toro Rosso. Der eine Punkt wird ihm egal sein, besonders angesichts der Tatsache, dass Verstappen mit „seinem“ Auto gewonnen hat.

Und sonst so?

  • Hülkenberg kam mal wieder nicht ins Ziel, weil der Mercedes-Motor aufgab.
  • Bei Haas zahlt man jetzt Lehrgeld. Der Schwung vom Start der Saison ist vorbei, die anderen Teams haben nachgelegt. Das war abzusehen, aber es wundert doch, dass Haas die guten Ergebnisse so gar nicht mehr wiederholen kann.
  • Die Sauber sind in der Quali weit weg von allem, im Rennen aber gar nicht so schlecht. Man fährt ja immer noch mit dem Wagen, den man in den Wintertests vorgestellt hat. Es fehlt das Geld für die Weiterentwicklung, zudem haben wichtige Ingenieure das Team verlassen. Da ist Platz 12 für Ericcson schon fast ein kleiner Sieg.
  • Bei Renault geht nur sehr langsam vorwärts. Magnussen kam mal in Q2, im Rennen lief aber nichts zusammen.
  • Manor bleibt das Schlusslicht und das mit einigem Abstand. Angesichts der Tatsache, dass man neusten Mercedes-Motor fährt, ist der Abstand enttäuschend.

Nächstes Rennen ist dann in 14 Tagen in Monaco. Da werden wir die Supersoft sehen und damit einen Reifen, den der Mercedes nicht so mag. Könnte ebenso spannend werden wie in Spanien.

Bilder: Red Bull Media House, Daimler AG, Ferrari, Force India, Williams F1, Sauber F1, Haas F1, Renault Sport, McLaren F1

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1 Kommentare

nona 21 Mai, 2016 - 01:20

So einfach hat sich Hamilton garnicht mal am Start von Rosberg abkochen lassen, sondern schon hart am Rande der Legalität (zweimal Seite wechselnd) verteidigt. Im Grunde war das etwas ein Spiegelbild des Crashs: Hamilton zieht quer nach links rüber um Rosberg zu blocken, sieht dass Rosberg dem folgt, zieht dann also hart nach rechts rüber bis zur Linie um dort zu blocken. Das war schon nicht direkt unaggressiv. Nur dass Rosberg dann halt wieder linksseits an Hamilton vorbeigezogen ist. Dass das zwei Kurven später nicht ähnlich ablief dürfte auch an Hamiltons Eigenart der geistigen Streckenerweiterung liegen – lies: er hat sich auch in der Vergangenheit schonmal nach aussen treiben lassen und dann jenseits der Streckenbegrenzung überholt, nur waren das dann Tilkesche Parkplatzrennstrecken mit Asphalt auf der anderen Seite der Linie, anstatt Gras. Da geht das…

Der wirkliche Verlierer des Rennens ist allerdings Kvyat. Das war eigentlich sein Drive, mit dem der Sieg eingefahren wurde, und Verstappen hat nichts geleistet, was Kvyat nicht genauso hätte machen können. Da hat lediglich retroaktiv die Red Bull Driver Policy gesiegt um dem unwürdigen Fahrerwechsel noch etwas Sinn und Zweck aufzumalen, nichts weiter. An Ricciardos Stelle wäre ich da ernsthaft angepisst. Man beachte mal, wie lange Kvyat als Überrundeter keinerlei Probleme hatte, dem Ferrari-RedBull-Paket vor ihm dicht zu folgen.

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