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BTCC: Analyse Saisonfinale Brands Hatch 2015: Wow!!!

von Sebastian Focks
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Deutlich spannender als erwartet verlief das Saisonfinale der BTCC in Brands Hatch. Die Entscheidung über den BTCC-Titel 2015 fiel erst in den letzten Runden des letzten Rennens. Gordon Shedden krönte sich am Ende zum zweiten Mal zum Champion, Jason Plato ist hauchdünn geschlagener Zweiter.

Definitiv ein Saisonfinale, an das man sich erinnern wird und das schon jetzt in die Klassikersammlung der BTCC Eingang gefunden haben dürfte. Mit einer sensationellen Fahrt durch das halbe Feld sicherte sich Gordon Shedden in den letzten Rennrunden des Jahres 2015 seinen zweiten Titel nach 2012.

Wie in der Vorschau geschrieben, hatte Shedden vor Brands Hatch mit 23 Punkten Vorsprung eigentlich alle Vorteile auf seiner Seite. Solange er immer in der Nähe seiner Gegner bleiben würde, wäre ihm der Titel so gut wie sicher gewesen. Aber die Betonung im vorherigen Satz liegt auf dem Konjunktiv, denn Lauf 2 beendete der Schotte weit außerhalb der Punkte und ließ seinen schönen Vorsprung damit in Windeseile verpuffen.

Shedden-8Aber fangen wir von vorne an: Im Qualifying lief alles zunächst nach Plan für Shedden. Einmal mehr zeigte er seine unglaubliche Stärke, den mit 75 Kilo Zusatzballast beladenen Honda flott durch die Qualifikation zu bringen. Startplatz 4 mit 0,2 Sekunden Rückstand auf Polesitter Mat Jackson war eine sehr gute Ausgangslage. Besonders auch deswegen, weil er damit alle anderen Meisterschaftsanwärter (knapp) hinter sich ließ: Colin Turkington und Jason Plato fanden sich auf den Startplätzen 5 und 6 ein, Matt Neal qualifizierte sich als Achter.

Während an der Spitze der erneut bärenstarke Ford von Mat Jackson zum Sieg enteilte und Áron Smith und Adam Morgan das Podium komplettierten, gab es dahinter einige Verschiebungen. Colin Turkington knackte Shedden bereits beim Start. Damit war schon mal ein VW durchgeschlüpft. Und natürlich ließ sich auch Jason Plato nicht lange bitten. Bereits in Druids suchte er den ersten Kontakt mit dem Honda, gab ihm in Surtees einen weiteren kleinen Schubser, der Shedden neben die Ideallinie rutschen ließ, und war ebenfalls vorbei.

Shedden-05Dahinter hatte sich Matt Neal an Andy Priaulx vorbei gearbeitet, womit nach der ersten Runde alle vier Meisterschaftsanwärter von P4 an hintereinander fuhren. An sich war das trotz der zwei verlorenen Plätze keine schlechte Situation für Shedden. Die eine bzw. die zwei Punkte, die Plato und Turkington gutmachen würden, waren zu verkraften, und von hinten drohte dank des abschirmenden Matt Neal keine große Gefahr. Zwei Safety-Car-Phasen wegen Abflügen von Newsham und Martin in Runde 1 sowie von Lines in Runde 6 brachten zusätzliche Ruhe ins Feld.

Turkington2Nach beiden Restarts fiel dann aber jeweils auf, dass Plato zum vor ihm fahrenden Teamkollegen Turkington abreißen lassen musste oder vielleicht vielmehr abreißen ließ. Die logische Frage stand schnell im Raum: War das Absicht vom alten Taktikfuchs Plato? Denn zwei Dinge bewirkte er dadurch, dass er die beiden Honda an seiner Heckstoßstange hielt, ohne ihnen jedoch eine realistische Chance zum Vorbeikommen zu bieten. Erstens: Der dahinter fahrende Pulk aus den drei BMWs sowie Josh Cook im Chevrolet lag unmittelbar hinter Shedden und Neal. Dass einer oder mehrere von ihnen versuchen würden, nach vorne zu attackieren, war nicht unwahrscheinlich und hätte die Honda weitere Punkte gekostet. Zweitens: Dadurch, dass Shedden und Neal mit Plato vor der Nase nicht frei fahren konnten, gelang es ihnen nicht, eine schnelle Runde für die Startaufstellung des zweiten Laufs zu drehen. Tatsächlich war vor allem in den letzten Rennrunden zu beobachten, wie Shedden und Neal ihrerseits versuchten, etwas Abstand zu Plato zu schaffen, um noch eine schnelle Rennrunde absolvieren zu können.

Das gelang ihnen aber nicht. Während Plato und Turkington den zweiten Lauf immerhin von den Positionen 8 und 9 in Angriff nehmen konnten, reichte es für Shedden und Neal nur zu den Startplätzen 13 und 14. Diese nun deutlich verschlechterte Ausgangslage für Lauf 2 war definitiv schmerzhafter als das eine Pünktchen, dass Plato auf Shedden zuvor gutmachen konnte.

Plato war derweil trotz des an sich guten Rennens sauer und kritisierte sein Team öffentlich. Er hatte erwartet, dass sich der auf P2 fahrende Teamkollege Árón Smith zurückfallen lassen würde, womit weitere Zähler drin gewesen wären. Teamchef Warren Scott gab ihm kleinlaut Recht und sprach von einem „Kommunikationsproblem“. Das klingt für mich ein wenig so, als ob Smith einfach keinen Bock hatte, sein Podium herzugeben.

Jackson914Mit der neuen Ausgangslage bot Lauf 2 jedenfalls viel Unterhaltungspotenzial. Den Sieg sicherte sich einmal mehr Mat Jackson von der Pole aus, gefolgt vom toll auffahrenden Tom Ingram und Adam Morgan. Auch Dave Newsham und Jack Goff, die Lauf 1 vor allem für das Erzielen einer schnellen Rennrunde nutzen, zeigten auf P4 und 5 ein sehr gutes Rennen.

Jason Plato versuchte derweil, möglichst weit nach vorne zu kommen, hatte dabei aber ausgerechnet in seinem Teamkollegen ein kritisches Hindernis. Nach einer längeren Safety-Car-Phase wegen eines Crashs von Depper und Austin am Ende der ersten Runde ging Plato an Andy Priaulx vorbei für P7. Bis zur zehnten Rennrunde hing er hinter den vor ihm fahrenden Newsham und Goff, die ihrerseits den davor liegenden Árón Smith attackierten und im Parallelflug erfolgreich vorbeigehen konnten. Statt nun seinen Teamkollegen erwartungsgemäß einfach passieren zu lassen, blockte Smith Plato eine halbe Runde lang mit klarer Kampflinie, bis er ihn im Bergabstück vor Hawthornes schließlich doch passieren ließ. Keine Ahnung, was da genau los war, aber das Geschrei am Boxenfunk kann ich mir lebhaft vorstellen.

CollardPlato hielt bis zum Ende des Rennens zwar unmittelbaren Kontakt zur eng zusammenliegenden Spitzengruppe, konnte aber keine weitere Position mehr gutmachen und querte als Sechster die Ziellinie. Nur einen Platz dahinter landete ein sehr kämpferisch auftretender Matt Neal. Der hatte bereits beim Start einige Plätze gutgemacht und sich dann vor allem mit den BMWs – und hier insbesondere Rob Collard – intensiv duelliert. Einen weiteren harten Fight lieferte er sich dann mit Árón Smith, nachdem dieser Plato hatte passieren lassen.

Turkington-1Ein überraschend unauffälliges Rennen legte Colin Turkington hin. Nach dem Start war der Nordire plötzlich nur noch 13. und hielt sich das gesamte Rennen auch in diesem Bereich auf. In der letzten Runde platzte dem amtierenden Meister dann auch noch ein Reifen, womit auch die letzte rechnerische Chance auf eine Titelverteidigung endgültig dahin war.

Shedden9Und Shedden? Der erlebte tatsächlich ein grausames Rennen, an dessen Ende keine Punkte zu Buche stehen sollten. Das war der Supergau, der nicht passieren durfte. Bereits beim Start verlor Shedden mit durchdrehenden Reifen einige Positionen und war nur noch 16. Zwei Plätze konnte er in der Folge zwar zunächst gutmachen, schaffte es aber nicht, die Lücke zu den davor fahrenden Konkurrenten zu schließen. In Runde 13 unterlief dem Schotten dann auch noch ein kapitaler Quersteher ausgangs Hawthornes, der ihn bis auf P19 zurückfallen ließ, wo er dann auch die Zielflagge sah.

Und schlagartig waren es damit nur noch zwölf Punkte Vorsprung für Shedden vor dem letzten Lauf. Dazu kam eine mehr als miserable Startposition, während gleichzeitig klar war, dass Jason Plato wegen des Reverse Grids schlechtestenfalls von P4 in das Finale gehen würde. Alle Zutaten für einen echten Showdown waren damit also beisammen. Besonderes Augenmerk richtete sich nun logischerweise auf den Grid Draw, den Series Director Alan Gow durchführte. Und um die Dramatik ins höchste zu treiben, loste dieser die Nummer 7 aus, was ausgerechnet Matt Neal auf die Pole Position beförderte, Seite an Seite mit Jason Plato.

Neals Mission für den letzten Lauf war damit klar: Plato auf jeden Fall hinter sich halten, um ihn daran zu hindern, die 20 Punkte für den Sieg sowie den Bonuspunkt für eine Führungsrunde zu holen, während Shedden gleichzeitig versuchen würde, von hinten soweit in die Punkte vorzufahren wie nur irgendwie möglich.

Race3Diese wichtige Mission von Neal klappte dann auch hervorragend … bis zum Scheitelpunkt der ersten Kurve. Ein Quersteher von Neal ließ einen überraschten Plato kampflos die Führung übernehmen. Und diese perfekte Ausgangslage gab der Routinier natürlich nicht mehr her. Gewinnen war das einzige, was er tun konnte, um seine Titelchance aufrecht zu halten, und so enteilte der schwarze VW dem Rest des Feldes. Solange Shedden nicht punkten würde, war Plato nun klar auf Meisterschaftskurs und hatte zeitweise neun Punkte Vorsprung.

Ingram3Shedden kam derweil zunächst nur schleppend vorwärts. In der ersten Runde hatte er sich auf P16 vorgearbeitet und lag nun ausgerechnet hinter dem VW von Alan Menu, als wegen eines Abflugs von Ingram und Hill das Safety Car noch in der ersten Runde rauskommen musste. Viel sollte dann auch in der ersten Rennhälfte nicht für Shedden funktionieren, da sich zwei weitere Safety-Car-Phasen (Abflug Lines und Abflug Newsham) nahtlos anschlossen. Allerdings löste sich Sheddens Menu-Problem von alleine, als dieser während des zweiten Safety Cars einen Plattfuß hatte. Möglicherweise als Folge einer Berührung mit Shedden kurz nach dem Start. Außerdem gelang es Shedden, kurz nach dem zweiten Restart Positionen gutzumachen und dabei unter anderem James Cole hauchdünn vor dem Safety Car Board, das die dritte Caution anzeigte, zu überholen. Damit war er immerhin schon mal Zwölfter. Und innerhalb der Punkte unterwegs.

Als es mit noch neun zu fahrenden Runden und endlich mal ohne Safety Car weiter ging, folgte die große Gordon Shedden-Show. Im absoluten Attacke-Modus ging es für den Schotten nur noch ab nach vorne. Das, was Shedden da unter großem Druck und mit glühenden Bremsscheiben zusammenfuhr, gehört für mich zu den großartigsten Leistungen, die ich im Tourenwagensport gesehen hab. Der Tabellenstand änderte sich nun quasi jede Runde und in der Box von Dynamics und BMR starrte man gebannt auf die Monitore.

SheddenBushellEin kleiner Ausschnitt aus der Chronologie: Runde 9, ohne Kompromisse vorbei an Jeff Smith und Sam Tordoff, P10. Runde 10, am querstehenden Andrew Jordan vorbei und kurz darauf parallel mit Áron Smith auch an Andy Priaulx, P8. Runde 11, auf Start-Ziel an Smith vorbei, P7, parallel dreht Plato die schnellste Rennrunde und holt sich einen weiteren Zusatzpunkt. Shedden lag damit nun in der Meisterschaft einen Zähler zurück. Runde 13, Shedden geht in Paddock Hill an Collard vorbei, P6. Plato und Shedden sind nun punktgleich, aber Plato wäre mit mehr Siegen Meister.

Und jetzt wurde es richtig bunt: Theoretisch war klar, dass Shedden einen weiteren Punkt von Matt Neal geschenkt bekommen könnte, wenn der sich zurückfallen lassen würde. Aber Neal war seinerseits in einen irren Kampf mit Jack Goff, Mat Jackson und Adam Morgan verwickelt. Als Neal in Runde 14 eine Attacke auf Goff setze, entbrannte der Fight völlig und die Kontrahenten tauschten mehrfach die Positionen.

Dadurch tauchte nun plötzlich der heranstürmende Gordon Shedden hinter dem kleinen Pulk auf und attackierte seinerseits in Runde 15 Adam Morgan erfolgreich in Paddock Hill Bend. Jetzt war Shedden Fünfter und lag in der Meisterschaft einen Punkt vorne. Es war der pure Wahnsinn, als Shedden in der Folge keine Ruhe fand oder nicht wusste, dass es schon reichte oder warum auch immer anfing, Jack Goff zu attackieren. Gleichzeitig versuchte Neal, der davor lag, Goff zu blocken, um Shedden eine gute Gelegenheit für einen Angriff zu geben.

BTCC-2Zu Beginn der letzten Runde ließ Neal dann Goff und Shedden passieren. Drei weitere Zähler gingen damit auf die Haben-Seite von Shedden. Das reichte nun völlig für den Titel, denn Neal sicherte nun nach hinten ab. Aber Shedden konnte irgendwie nicht aufhören und attackierte Goff, wo es nur ging, setze sich in der letzten Runde in Druids neben ihn, Goff konterte, Shedden attackierte in Hawthornes erneut. Es war zum Durchdrehen. Vorne ging Plato über die Ziellinie, es folgte Mat Jackson und schließlich Goff, Shedden, Neal und der ganze Rest.

Shedden-01Shedden war mit vier Punkten Vorsprung Meister. Plato hatte alles gegeben, aber gegen diesen entfesselten Schotten konnte er im dritten Lauf nichts mehr machen. Ein großartiges Finale beendete damit eine spannende BTCC-Saison 2015.

Aber machen wir mal eine kleine Randnotiz: Angenommen, Árón Smith hätte sich im ersten Lauf, wie von Plato gefordert, zurückfallen lassen und auch Colin Turkington hätte Plato seinen Platz geschenkt. Ratet mal, wie viele Punkte mehr Plato dann gehabt hätte! Richtig, genau vier Punkte … Damit wären Shedden und Plato punktgleich gewesen und Plato aufgrund von mehr Siegen Meister. Aber das ist ja nur eine Randnotiz.

Was gibt es noch zu sagen? Hier gibt es alle Rennergebnisse aus Brands Hatch zum Nachlesen. Und hier geht es zu den Abschlussständen in der Meisterschaft.

Goff-3Hinter Shedden und Plato sichert sich Neal den dritten Rang im Gesamtklassement mit sieben Punkten Vorsprung vor Colin Turkington, der im letzten Lauf nur Zwölfter wurde. Dafür konnte sich der Nordire ganz knapp gegen Jason Plato in der Independent-Meisterschaft durchsetzen und seinen Titel hier verteidigen. In der Teamwertung konnte sich BMR gegen Dynamcis und Triple Eight Racing behaupten. Herstellerchampion ist erwartungsgemäß Honda vor MG, WSR/BMW und Infiniti. Obwohl die Truppe um Triple Eight nur einen Sieg in diesem Jahr landete (Goff in Snetterton), konnte man die BMW sowohl in der Team- als auch in der Herstellerwertung schlagen. Daran wird noch einmal die tolle Konstanz deutlich, die Andrew Jordan sogar bis zum Schluss noch rechnerische Meisterschaftschancen ermöglicht hat.

JackSearsDer Titel in der Jack Sears Trophy für den besten Rookie stand bereits vor Brands Hatch fest und geht völlig verdient an Josh Cook. Der Youngster hat einige beeindruckende Rennen in diesem Jahr gezeigt (vor allem Donington sei an dieser Stelle genannt) und war von Anfang an auf Augenhöhe mit seinem erfahrenen Teamkollegen Dave Newsham unterwegs.

So, und damit beschließe ich dann mal die BTCC-Saison 2015. Es hat Spaß gemacht!

Shedden-06

 

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1 Kommentare

Andr3as 13 Oktober, 2015 - 18:04

PS: Shedden hatte in Rennen 2 Probleme mit der Hinterradbremse, die permanent zu war. Konnte man gut an den glühenden Scheiben hinten sehen.

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