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IndyCar: Analyse Indianapolis 500

von Rainer
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Tony Kanaan ist der strahlende Sieger eines spektakulären Indianapolis 500. Sowohl mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 187,433 mph (301,644 km/h), als auch mit 68 Führungswechseln wurden neue Rekorde aufgestellt.

Tony Kanaan mit den verdienten Milchspuren (C) Shawn Gritzmacher/IndyCar Media

Tony Kanaan mit den verdienten Milchspuren
(C) Shawn Gritzmacher/IndyCar Media

Tony Kanaan bestritt seit 2002 jedes Jahr das Indy 500 und konnte in bisher neun Ausgaben das auch Rennen anführen. Trotzdem war es ihm nie gelungen, als erster die Ziellinie zu überfahren. In der Regel fehlte es ihm nicht an Geschwindigkeit, sondern vor allem an dem Quäntchen Glück, das man einfach auch mal braucht. In diesem Jahr hatte er dieses Glück, nicht zuletzt mit der letzten Gelbphase, die einen geballten Angriff von Andretti Autosport verhinderte. Schon während der vorletzten Gelbphase kündigte Kanaan über Funk an, alles riskieren zu wollen: „all or nothing“ – und Sonntag hat er so alles gewonnen.

Das Rennen wurde von nur fünf Cautions unterbrochen. Die ersten drei, aufgrund von Unfällen bzw. Drehern, lagen in Runde 4 (Hildebrand), Runde 35 (Saavedra), Runde 57 (Sato) und somit noch in der Anfangsphase der 500 Meilen. Danach folgte eine sehr lange Grünphase bis zum Crash von Graham Rahal in Runde 194 und der letzten Caution durch Dario Franchitti in Runde 197. Nur durch die geringe Zahl an Gelbphasen war es möglich, einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen. Trotz der langen Grünphase und vier Runden an Boxenstopps blieb das Feld sehr dicht beisammen. Der Luftwiderstand in Führung bzw. der Windschatten dahinter ermöglichte es den Verfolgern, immer dicht am Führenden zu bleiben. Begünstigt wurde dies auch noch durch starken Gegenwind auf der Start-Ziel-Geraden, sodass vor allem hier bzw. in Turn 1 hinein immer wieder Überholmanöver stattfinden konnten.

Tony Kanaan konnte sich schon beim Start und beim Restart in Runde 7 gut nach vorne arbeiten und übernahm in Runde 9 zum ersten Mal die Führung. In den folgenden Runden wechselte diese ständig zwischen Kanaan, dem Polesitter Ed Carpenter und Marco Andretti. Das ganze Rennen über blieb er in den Top 5, auch wenn er nicht immer um die Führung mitkämpfen konnte. Nach der letzten Runde der Boxenstopps konnte er aber wieder ganz vorne angreifen. Ab Runde 188 wechselte Führung dann fast jedes Mal vor Turn 1. Tony Kanaan musste sich dabei gegen die Andretti Autosport Dallara von Ryan Hunter-Reay, Marco Andretti und Carlos Munoz durchsetzen. Beim letzten Restart in Runde 197 führte Hunter-Reay, musste aber schon vor Turn 1 Tony Kanaan passieren lassen. Im Hintergrund verlor Dario Franchitti seinen Chip Ganassi Dallara und so endete ein spektakuläres Indy 500 ganz langweilig unter Gelb. Fast alle Besucher auf den gut gefüllten Tribünen und der Großteil des IndyCar-Zirkus freute sich ehrlich mit Tony Kanaan, der es einfach mal verdient hat, den großen Sieg zu landen.

Das ganze Rennen über bestimmten die Fahrer von Andretti Autosport das Tempo des Feldes. Mit Ausnahme von James Hinchcliffe waren alle meistens in den Top 7 zu finden. Ein ganz erstaunliches Rennen bot dabei vor allem Carlos Munoz, der sein erstes IndyCar-Rennen überhaupt bestritt. Nicht nur, dass er bei den für ihn neuen Boxenstopps keine Fehler machte, er war auch immer extrem schnell unterwegs. Diese sehr gute Leistung krönte er mit Platz 2 vor seinen Teamkollegen Ryan Hunter-Reay und Marco Andretti, der auch neuer Führender in der Meisterschaftswertung ist. Im Rahmen der turbulenten Schlussphase sind EJ Viso (Platz 18) und James Hinchcliffe (Platz 21) aber noch weit zurück gefallen.

Nach den ganzen Chevrolet angetriebenen Wagen von Tony Kanaan und Andretti Autosport konnte sich auf Platz 5 mit Justin Wilson der erste Honda platzieren. Wilson war über die meiste Zeit des Rennens unauffällig unterwegs und fuhr sich erst in den letzten 30 Runden, inklusive des letzten Boxenstopps, mit sehr guten Runden nach vorne. Die Serie von sehr guten Ergebnissen für Dale Coyne Racing setzt sich also fort. Dies zeigt sich auch in Platz 6 in der Meisterschaft. Es ist schon erstaunlich, welche Leistungen Wilson und das Team von Dale Coyne in diesem Jahr bringen.

Hinter Wilson kamen die ersten beiden Penske Racing Chevrolet ins Ziel. Für Helio Castroneves mag Platz 6 ein wenig enttäuschend sein, für AJ Allmendinger hingegen ist Platz 7 ein schöner Erfolg. Castroneves hielt sich konstant in den Top 7, man hatte aber nicht das Gefühl, dass er die vor ihm liegenden Andretti-Piloten hätte ernsthaft angreifen können. Dies konnte aber zumindest zu Halbzeit AJ Allmendinger, der zu Rennbeginn noch zügig Plätze verloren hatte. Leichte Änderungen bei den Pitstops sowie die Anweisungen von Roger Penske führten ihn in Runde 97 sogar an die Spitze des Feldes. Auch für ihn war es das erste Indy 500. Probleme mit einem gelösten Sicherheitsgurt zwangen ihn aber zu einem frühzeitigen Boxenstopp in Runde 113. Durch die lange Grünphase und weil er keinen zusätzlichen Stopp einlegen musste, konnte er sich auf Platz 7 retten. Nächste Woche bestreitet Allmendinger übrigens auch beide Rennen in Detroit für Penske Racing.

Sein Teamkollege Will Power hatte für eine kurze Phase das mit Abstand schnellste Auto im Feld und konnte in Runde 75 zum ersten Mal überhaupt in seiner Karriere die Führung des Indy 500 übernehmen. In den folgenden Runden konnte er auf gebrauchten Reifen Vollgas durch die Kurven fahren, als alle anderen leicht Lupfen mussten. Ein früher Stopp in Runde 89, ein bis drei Runden eher als der Rest des Feldes, beförderte ihn ins Mittelfeld, aus dem er sich nur sehr langsam wieder nach vorne arbeiten konnte. Erst 90 Runden später tauchte er wieder in Top 5 auf, um dann beim letzten Stopp Probleme zu haben und wieder außerhalb der Top 10 zu landen. Ein leicht verzweifelter Reifenwechsel in der vorletzten Gelbphase brachte, durch den Unfall von Franchitti, keinen Erfolg mehr und so blieb nur Platz 19 am Ende der Führungsrunde.

Simon Pagenaud auf Platz 8 war schon in der Qualifikation der beste Honda-Pilot und konnte dies auch über weite Phasen des Rennens bestätigen. Konstant hielt er sich auf Positionen um Platz 10 herum und konnte zum Ende des Rennens immer bessere Rundenzeiten fahren. Hinter ihm kam der beste Chip-Ganassi-Fahrer mit Charlie Kimball auf Platz 9 ins Ziel. Der konnte sehr überraschend seine viel erfahreneren Teamkollegen Ryan Briscoe (Platz 12), Scott Dixon (Platz 14) und Dario Franchitti (Platz 23) schlagen. Insgesamt konnten alle Chip-Ganassi-Fahrer die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Dies könnte eine Ursache in einem leicht schwächeren Honda-Motor haben. Justin Wilson und das kleine Dale-Coyne-Team zeigten aber, dass trotzdem ein Top-5-Ergebnis möglich war. Zur Krönung des schlechten Rennens verlor Dario Franchitti dann auch noch beim letzten Restart seinen Dallara und löste so die letzte Gelbphase aus.

Die Top 10 komplettierte Polesitter Ed Carpenter. Bis zur zweiten Runde der Boxenstopps bestimmte er das Rennen mit und hatte schöne Kämpfe mit Marco Andretti und Tony Kanaan. Im Laufe des Rennens verschlechterte sich das Fahrverhalten und er fiel nach hinten, bevor er sich im Endspurt wieder in die Top 10 fahren konnte. Insgesamt gab es einige dieser Auf- und Ab-Bewegungen. Das anschaulichste Beispiel ist der vorhin geschilderte Rennverlauf von Will Power.

Der bisherige Tabellenführer Takuma Sato hatte in Runde 57, als er sich ohne Mauerkontakt drehte, eine Schrecksekunde. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich in die Top 10 vorgeschoben, konnte sich aber danach nicht mehr so weit nach vorne fahren. Mit Platz 13 verliert er auch die Führung in der Meisterschaft an Marco Andretti. Ein anderer Sohn im Team seines Vaters, Graham Rahal, hatte hingegen ein ganz schwaches Rennen. Über weite Teile des Rennens fuhr irgendwo im Hinterfeld herum und seine einzige auffällige Aktion war der Unfall, der zur vorletzten Caution ab Runde 194 führte.

Die vier Frauen im Feld hatten recht unterschiedliche Rennen. Katherine Legge war von Platz 33 gestartet und konnte sich im Verlauf der ersten 30 Runden bis an die Top 20 heran schieben. Bei einem leichten Mauerkontakt verbog sie einen Teil der Aufhängung und die Reparatur dauerte einige Runden. Sie konnte das Rennen so nur auf Platz 26 beenden. In Anbetracht der Tatsache, dass sie im Gegensatz zu allen anderen Fahrern kaum trainieren konnte, hat sie aber eine sehr erstaunliche Leistungen in der Qualifikation und in den ersten 30 Runden gezeigt. Auch für Pippa Mann endete das Rennen früh in der Mauer. Im Gegensatz zu Katherine Legge konnte sie das Rennen aber nicht mehr aufnehmen und so blieb am Ende nur Platz 31. Ana Beatriz und Simona de Silvestro kamen ohne Unfall über die 500 Meilen und platzierten sich im Mittelfeld. Für Beatriz ist Platz 15 auch ein sehr gutes Ergebnis. Simona de Silvestro hingegen dürfte mit Platz 17 nicht ganz zufrieden sein, da ja ihr Teamkollege das Rennen gewonnen hat. In den Trainings war sie noch gut dabei, aber schon während der Qualifikation und dann auch im Rennen fehlte es einfach an Geschwindigkeit.

Bei den Indy-Teilzeit-Fahrern gab es auch Licht und Schatten. Buddy Lazier musste schon nach 44 Runden seinen Dallara mit technischem Defekt abstellen. Auch für Townsend Bell hat sich der Einsatz mit Platz 27 kaum gelohnt. Zwischendurch tauchte er aber innerhalb der Top 15 auf und zeigte, dass auch ein TV-Experte noch schnell sein kann. Conor Daly kam zwar nur auf Platz 22 ins Ziel, konnte aber immerhin viel Erfahrung sammeln. Ryan Briscoe war auf Platz 12 zweitbester Fahrer von Chip Ganassi und konnte die beiden Stammpiloten und ehemaligen Indy-500-Sieger Scott Dixon und Dario Franchitti hinter sich lassen. Er konnte sich, wie auch Carlos Munoz mit seinem sehr guten zweiten Platz, für weitere Einsätze empfehlen.

Auch wenn das Rennende unter Gelb ein wenig enttäuschend war, so war die 97. Auflage des Indianapolis 500 doch eine der besseren. Bei 68 Führungswechseln konnte sich im Schnitt kein Fahrer drei Runden in Führung halten. Dallara ist es mit dem DW12 gelungen, ein ausgezeichnetes (Oval-)Auto zu bauen. Sehr erfreulich ist es auch, dass es zu keinem schweren Unfall gekommen ist. Die Fahrer zeigten sich sogar beim letzten Restart noch recht diszipliniert. Da es mit Tony Kanaan auch einen „richtigen“ Sieger gab, kann man fast von einem rundum gelungen IndyCar-Wochenende sprechen. Hoffentlich wirkt sich das auch auf die Einschaltquoten der Serie aus.

Das ganze Rennergebnis gibt es hier und den aktuellen Stand in Meisterschaft und den einzelnen Wertungen für Ovale und Rundstrecken findet man auf der Statistikseite der IndyCar. Das Indy 500 zählt natürlich neben der Meisterschaftswertung auch zur Ovalwertung und ist Teil der Tripple Crown zusammen mit den Rennen in Pocono und Fontana.

Am nächsten Wochenende geht es schon mit dem Double-Header, d.h. mit Rennen am Samstag und Sonntag, in Detroit weiter.

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2 Kommentare

Crusher75 28 Mai, 2013 - 20:47

Noch ein weiterer Rekord ist das overnight rating on ABC für das Indianapolis 500. Dieses sank um 7% im Vergleich zum Vorjahr (3.8 zu 4.1) bzw. 12% zu 2011 (4.3) und somit auf den niedrigsten Wert seit das Rennen live übertragen wird.

Saamy#48 28 Mai, 2013 - 22:49

Ich hab einen ABC-Stream geschaut, werde ich da auch erfasst…? ;-)
Nein Quatsch, mir persönlich hat das Rennen sehr gut gefallen, allerdings stellen extrem lange Grünphasen mit Werbeunterbrechungen grosse Herausforderungen an die Regie und die Kommentatoren.
Es war schön, den Führenden bei ihren Positionskämpfen zuzusehen, aber für die Ränge 10+ blieb kaum Zeit, wobei ich in der ersten Rennstunde auch mal einen kurzen Unterbruch machen musste. Vielleicht ging mir dort ein wenig der Zusammenhang verloren.
Wie immer hatte ich auch das Livetiming angeschaltet, was noch ziemlich viel hilft (ist auch bei F1 und DTM ein Muss).
Als „Fast-Food Zuschauer“ würde ich mir solche Rennen vielleicht auch nicht antun, da mir der Background fehlt. Wäre ich „Fast-Food Zuschauer“ wäre die erste Massnahme dies radikal zu ändern…
Also man sieht @Crusher75, die geistige Verflachung nimmt überalles zu, daher schaut sich auch niemand mehr das Indy 500 an ;-).

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