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Vorschau: IndyCar in Edmonton

von Vorsicht
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Lange hatte es so ausgesehen, als würde die IndyCar nicht mehr in Edmonton antreten. Nun startet man sogar auf einer brandneuen Strecke.

Die Gemüter sind nach dem Chaos-Rennen in Toronto noch immer nicht ganz beruhigt, da kehrt die IndyCar Series auch noch an jenen Ort zurück, an dem es schon im vergangenen Jahr heftige Diskussionen um das Regelwerk gegeben hatte. Zur Erinnerung: Helio Castroneves war in Edmonton 2010 nach einer reichlich kontroversen Blocking-Strafe der Sieg aberkannt worden, was der Brasilianer alles andere als ruhig zur Kenntnis nahm. Mit Flashbacks muss man beim Zusehen trotzdem nicht rechnen. Weil nämlich die Stilllegung großer Teile des Flughafens für die Stadt Edmonton zu teuer geworden ist, hat man für heuer eine neue Streckenführung entworfen. Das hat zwei Vorteile: Erstens kann der Flugbetrieb jetzt ungestört weiterlaufen. Und zweitens bietet der neue Kurs dank langer Geraden und enger Kehren mehr Überholmöglichkeiten. Weniger schön sind die, wenn man ersten Entwürfen glauben darf, doch äußerst dürftigen Auslaufzonen.

Die Marketingabteilung der IndyCar Series hat erstaunlich schnell reagiert. Der TV-Sender Versus hat die Übertragung der Tour de France in diesem Jahr mit einem immer wiederkehrenden IndyCar Trailer gespickt. Inhalt: Die Fehde zwischen Dario „Princess“ Franchitti und Will „Wanker“ Power, die sich nach deren unglücklicher Kollision in Toronto entsponnen hat. Man scheint also, wie schon in der Toronto-Analyse spekuliert, ganz froh darüber zu sein, dass man die Piloten endlich auch als Charaktäre vermarkten kann. Auf den Rundkursen mag diese Strategie der Serie helfen. Irgendwie muss man aber doch darauf hoffen, dass zumindest der offene Streit wieder beigelegt ist, wenn es Ende der Saison auf die schnellen Ovale geht – wo Respekt bei engen Zweikämpfen eine unabdingliche Sicherheitskomponente ist.

Wie auch immer man bei den Offiziellen wirklich zum Streit der Meisterschaftsanwärter steht: Mit der mutmaßlichen Aktion eines weiteres „Charakters“ unter den Piloten kann man gewiss keine Freude haben. Im Forum der Seite trackforum.com soll Paul Tracy in der vergangenen Woche etwas geschrieben, was den Offiziellen ganz besonders missfallen muss. Dort ist nämlich die Rede davon, INDYCAR CEO Randy Bernard habe persönlich darauf hingewirkt, dass Dario Franchitti in Toronto keine Strafe bekommt, weil er das Rennen zusammen mit einer Abordnung von dessen Sponsor Target verfolgt habe. (Zumindest ein Teil der Behauptung ist faktisch unwahr: Bernard hat das Rennen nachweislich nicht mit Persönlichkeiten von Target verfolgt).

Eine solche Anschuldigung, noch dazu ausgesprochen von einem aktiven Fahrer, ist natürlich das letzte, was eine Rennserie brauchen kann, die unbedingt ernst genommen werden will. Die INDYCAR reagiert dementsprechend erzürnt, und droht Paul Tracy mit harten Strafen. Der wiederum hat verkündet, er sei gar nicht der Urheber der Meldung – sein Account bei trackforum.com sei gehackt worden.

So gut die Rivalitäten auch ankommen mögen – das Strafchaos um Franchitti hat dem Ansehen der Serie sicher nicht gerade geholfen. Vor allem der Umgang mit der Materie bei Vs. wirkte äußerst ungeschickt. Um in Zukunft bessere Kontrolle über Verlautbarungen der Rennleitung behalten zu können, führt die INDYCAR ab dem kommenden Rennen neue und klare Regeln für die interne Kommunikation mit der TV-Crew ein.

Zu den Favoriten am kommenden Wochenende fällt mir, ehrlich gesagt, nicht viel Neues ein. Wie auf den meisten anderen Stadtkursen in dieser Saison ist wohl auch in Edmonton wieder mit Ganassi und Penke zu rechnen, wobei Ganassi derzeit den deutlich konstanteren Eindruck macht. Es ist außerdem möglich, dass die Konkurrenz auf dem ungewöhnlichen (und ungewöhnlich holprigen) Flugplatzkurs wieder etwas weiter weg ist, als noch in Toronto.

Was das Streckenlayout betrifft, ist in dieser Saison alles neu. Der alte Kurs musste, wie oben schon erwähnt, geändert werden, weil er für zu viele Unterbrechnungen im Flugbetrieb des internationalen Flughafens von Edmonton sorgte. Schade ist das nicht, denn in den vergangenen Jahren präsentierten sich die IndyCar-Rennen dort eher als langweilige Angelegenheiten – den Blocking-Skandal vom Vorjahr mal ausgenommen.

Der neue Kurs (Achtung, .pdf) scheint mehr Überholmöglichkeiten zu versprechen: Nach einer langen Start und Zielgeraden, geht es durch eine schnelle Linkskurve in ein auf eine leicht kurvige, aber voll zu durchfahrenden Gerade, die in eine 180-Grad-Kehre mündet – eine erste gute Überholmöglichkeit. Danach geht es in ein längeres, vermutlich recht anspruchsvolles Geschlängel, das aufmerksamen Zusehern bekannt vorkommen wird – es ist der einzige Streckenteil, der aus dem alten Kurs übernommen wurde. Statt wie bisher nach rechts verlässt man diese Passage nun durch eine schnelle rechts-links Kombination, die auf die Gegengerade führt. An deren Ende folgt eine weitere 180 Grad-Kurve, von wo aus die Piloten wieder auf die Start-und Ziel Gerade einbiegen.
Im Internet ist mittlerweile eine Animation der neuen Strecke aufgetaucht.

Glaubt man der Simulation fallen zwei Dinge auf. Erstenes: Die Strecke ist erstaunlich schnell. Und zweitens: Der Auslauf ist an mehreren Stellen erschreckend knapp bemessen, und auch sonst scheint die Sicherheit verbesserungswürdig. Schon im schnellen Turn 1 kommen die Autos der  Betonwand am Kurvenausgang ziemlich nahe. Sollte hier jemand einschlagen, hat der Hinterherfahrende zudem nur wenig Chancen, dem Wrack auszuweichen. In der Schlusskehre (Turn 13) rasen die Piloten auf eine Betonwand zu, an deren Ende zu allem Überfluss auch die Tribünen recht nahe an der Strecke stehen. Abheben sollte man hier sowohl im eigenen Interesse, als auch in jenem der Zuseher besser nicht. Zum Glück lassen weitere Details Zweifel an der Wirklichkeitstreue des Videos aufkommen. So stehen hier etwa ungesicherte Laternenpfeiler direkt neben der Strecke. Kaum zu glauben, dass das in der Realität auch so sein kann. Schon heute Abend findet das erste Training statt – spätestens dann wissen wir, wie es um den neuen Kurs nun wirklich bestellt ist.

Noch kurz eine aktuelle Meldung: In dieser Woche wurden die ersten Namen von Piloten bekannt, die sich um eine Teilnahme beim 5-Millionen-Saisonfinale in Las Vegas beworben haben. Anscheinend führt die IndyCar ernsthafte Gespräche mit Motorsport-Allstar Travis Pastrana und Sportwagenpilot Joey Hand. Außerdem sind immer wieder die Namen von Kasey Kahne und Kyle Busch zu hören. Kahne möchte sich gerüchtehalber aber erst Anfang September entscheiden, wenn klar ist, ob er in diesem Jahr am NASCAR-Chase teilnimmt. Kyle Busch hat vergangene Woche auf einer Pressekonferenz gemeint, sofern er am Rennen teilnehmen wolle, habe er dafür einen Sponsor gefunden. Eine Entscheidung, ob er will, ist aber bisher noch nicht gefallen.

Wenn endlich klar ist, welche (maximal) fünf Piloten versuchen werden, die fünf Millionen zu gewinnen, muss auch die IndyCar eine Entscheidung treffen. Zahlt man lieber 1,2 Millionen an eine Versicherung, die notfalls den Jackpot von fünf Millionen auszahlen würde – oder riskiert man, im Ernstfall selbst die fünf Millionen aufbringen zu müssen? CEO Randy Bernard versucht derzeit offenbar, den INDYCAR-Vorstand zu überzeugen, ein Rennen ohne Versicherung zu riskieren. Offenbar hat er aber noch Schwierigkeiten, damit durchzukommen. Zu bedenken: Der Verlust von fünf Millionen Dollar könnte die Serie als ganzes in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.

Im TV

Wie immer muss man im deutschen Sprachraum auch diesmal wieder auf Streams hoffen. Achtung: Der Übertragungsbeginn ist in diesem Jahr schon um 20:00 Uhr, also ungewöhnlich früh für ein Rennen, das so weit im Nordwesten des amerikanischen Kontinents stattfindet. Unklar ist derzeit noch, wann genau die grüne Flagge fallen wird. Weil aber Vs. überträgt, würde ich (ohne Gewähr!) damit rechnen, dass es üppige Vorberichte gibt. Man sollte also auch nach dem Sonntagsdiner noch rechtszeitig einschalten können.

Foto: INDYCAR

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1 Kommentare

John 22 Juli, 2011 - 09:07

Sehr gut geschrieben, Kompliment. Bin auch gespannt wann der Start ist.
Aber bis zur MotoGP um 23:00h sollten die „Wankers“ fertig sein ;)
Finds nur schade, dass gleichzeitig 2 internationale Rennen in Kanada stattfinden! Die ALMS fährt ja parallel. Für mich eindeutig eine Fehlplanung der Termine.

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