Formel Eins Vorschau 2009

Es geht also wieder los und als Fan muss man sich auf einige Änderungen gefasst machen. Das die Wagen eine neue Aerodynamik haben, ist bekannt. Und auch, dass dies bedeutet, dass mehr oder weniger alle ganz von vorne anfangen mussten.

So ganz stimmt der Satz mit dem „weißen Blatt“ Papier natürlich nicht, denn die Aerodynamik wurde ja nicht komplett verändert, sondern nur beschnitten. Schon im letzten Jahr fuhren die ersten Teams Tests mit den niedrigeren Abtriebswerten und viele starteten die Entwicklung der 09er Wagen sehr früh. BMW verzichte auf den Kampf um den WM-Titel, was bei Robert Kubica zu einen leichten Zornanfall führte. Beim ehemaligen Honda-Team fand Ross Brawn einen Wagen vor, den man nicht mehr retten konnt. Schon ab dem letzten Frühjahr steckte er einen Großteil seines Budgets in das neue Chassis. Die Teams fielen also nicht aus allen Wolken, als sie ihre Wagen im Januar auf die Strecke brachten. Jedenfalls nicht alle.

Weil alles neu ist und weil die Formel Eins selbstverständlich ein völlig paranoider Haufen ist, wollten sich die Teams nicht in die Karten schauen lassen. Nie war es so schwer aus den Testdaten eine vernünftige Rangordung abzulesen. Zum einen, weil fast alle in Melbourne noch mal neue Teile zeigen werden, zum anderen, weil man nie weiß, mit wie viel Gewicht und Sprit man unterwegs war, und wer KERS einsetzte, und wer nicht und was das überhaupt bringt.

Denn KERS hat sich (noch) nicht als der große Heilsbringer gezeigt. Bis sechs Zehntel sollen mit dem Energiepush drin sein, aber dummerweise ist KERS so schwer, dass man ohne KERS genauso schnell ist. BrawnGP verzichtet dann wohl auch für die gesamte Saison auf die Energierückgewinnung. Bei BMW läuft KERS, aber das Gewicht macht Sorgen, ebenso bei McLaren, deren Probleme an der Hinterachse bekannt sind. Bei Renault hat man es fertig, setzt es aber angeblich nicht ein, bei Williams war es drin, wurde aber angeblich nicht genutzt, bei Toyota wird man verzichten. Red Bull steht wohl da, wo Renault steht, Force India da, wo Mercedes ist, bei STR weiß man halt nicht, was Ferrari macht und ob die überhaupt KERS einsetzen werden.

Ich will nicht alle Regeländerungen des Jahres aufführen, aber ein paar seien noch genannt:

– Man hat pro Jahr 8 Motoren zur Verfügung. Der Motor muss also nicht mehr zwei Rennen am Stück durch halten, sondern man kann den Motor wechseln. Er muss nur noch von Samstagmorgen bis zur Zieldurchfahrt halten. Sind die acht Motoren verbraucht, bekommt das Team einmal ein Strafe (+10 in der Startaufstellung). Dafür gibt es Freitags keine „Testmotoren“ mehr.

– Das Getriebe muss allerdings vier Rennen am Stück durchhalten, sonst gibt es +5 beim Start.

– Quali bleibt netterweise unangetastet, allerdings wird man die Tankmenge und die Reifenart veröffentlichen, mit der man an den Start geht.

– Zwischen der Woche vor dem ersten Saisonrennen und dem 31. Dezember eines Kalenderjahres sind Testfahrten generell verboten.

Und jetzt zu den Teams, die ich der Reihenfolge aufliste, wie ich sie einschätze. Die Reihenfolge im Mittelfeld ist extrem schwer einzuschätzen und wird sich im Laufe der Saison sicher ändern. Toyota, Renault, Williams, Red Bull, BrawnGP und vermutlich auch McLaren werden sehr, sehr eng zusammen liegen. Schon im letzten Jahr ging es in der Quali teilweise um Tausendstel, das wird 2009 nicht anders sein.

Die Fahrer kommen morgen dran.

Ferrari
Ich sehe die Italiener hauchdünn vorne. Und zwar nicht unbedingt, weil sie den besseren Wagen und/oder Motor haben. BMW liegt da sicher gleichauf. Aber irgendwas sagt mir, dass Ferrari auch beim Entwicklungspotential die besseren Karten haben. Der Wagen ist etwas extremer geformt. Die Seitenkästen sind trotz KERS tief eingezogen, Ferrari setzt als einziges Team auf einen leicht zurück gesetzten Frontflügel, der mehr Druck unter den Wagen bringen soll. Man hat die Spur wieder verlängert, und der Motor gehört zu den Besten im Feld. Schwachpunkte bei Ferrari sind KERS, die Zuverlässigkeit und zumindest ein Pilot. Insgesamt haben sie aber die neuen Regeln erstaunlich problemlos adaptiert und auch die Tests liefen mehr oder weniger geräuschlos, wenn man von ein paar Zuverlässigkeitsproblemen absieht. Man weiß aber nie, ob ein Team manche Komponenten einfach so lange im Wagen lässt, bis sie hinüber sind.

BMW
Die Münchner gehen in dieser Saison „All in“. Sie haben mehrfach gesagt, dass das selbst gesteckte Ziel sei, um die Meisterschaft zu fahren. Alles andere sei uninteressant. Kann auch gut sein, dass Mario Theissen den BMW-Vorstand, angesichts der miesen Zahlen des Konzerns, überhaupt nur mit dem Argument „Weltmeister“ bei der Stange halten kann. Also müssen Siege her und Heidfeld oder Kubica sollten am Ende nahe am Thron sein. Das setzt das Team vom ersten Rennen an unter Druck, was ja nicht schlecht ist. BMW machte im Winter einen unauffälligen Job, kämpfte aber wohl laut der Beobachter und einiger Aussagen von Nick Heidfeld, mit dem Reifenverschleiß auf der Hinterachse. Der ist einfach zu groß gewesen und bremst den Wagen nachhaltig ein. Schuld daran ist auch das Zusatzgewicht von KERS. Beim Design ist BMW dieses Jahr auffällig konservativ geblieben. Ich hatte da vor allem bei der Front andere Lösungen erwartet, wenn man bedenkt, wie mutig die Münchner im letzten Jahr waren. Angesicht der konstant guten Zeiten sollte BMW von an Anfang an vorne liegen. Ob sie diem Luft und Erfahrung haben, in einem WM-Kampf zu bestehen, ist eine andere Frage.

Toyota
Sollte Toyota dann doch mal der Schritt nach ganz vorne gelungen sein? Schon im letzten Jahr hatte man mit einem konservativen Design richtig gelegen und ich vermute dass man im letzten Jahr auch schon sehr früh mit der Entwicklung des 09er Wagens angefangen. Das scheint sich auszuzahlen. Schon im Februar in Bahrain konnte man auf Anhieb die Pace des Ferrari mitgehen, aber interessanterweise ging das auch in Barcelona. Toyota ist immer noch eine Wundertüte, bei der man nie weiß, was drin ist. Ihr Wagen mag nicht so extrem sein wie der Ferrari oder der Red Bull, aber sie haben einige interessante Lösungen gefunden, die sie nach vorne spülen. Problem ist allerdings, dass man komplett auf KERS verzichtet. Das mag zu Beginn der Saison noch ein Vorteil sein, wie das gegen Ende aussieht, ist schwer zu sagen. Toyota wird kein ernsthaften WM-Kandidat sein, könnte aber bei den Podiumsplätzen regelmäßig auftauchen.

McLaren
Das die britisch-deutsche Mannschaft ein Problem hat, haben sie letzte Woche endlich auch mal zu gegeben. Ich glaube nicht, dass McLaren noch „mauert“. Vielmehr scheint das Problem sehr ernst zu sein. Denn immerhin hat man es in knapp zwei Monaten nicht geschafft, eine Lösung zu finden. Die „Rettungsversuche“ sahen teilweise schon etwas hilflos aus. Vielleicht weiß man ja wo das Problem liegt, kann es aber nicht ändern und versucht das Beste draus zu machen. Vielleicht hat man auch einfach keine Ahnung und stochert im Nebel rum. Im Moment scheinen sie mindestens eine Sekunde hinten dran zu sein, aber man sollte McLaren nicht unterschätzen. Da müsste schon der gesamte Wagen ein totaler Flop sein, was natürlich angesichts des Testsverbots eine Katastrophe sein wäre. Ich sehe Hamilton nicht seinen Titel verteidigen, wenn McLaren nicht bis Anfang Mai das Problem gelöst hat. Wenn die Hinterachse grundsätzlich Mist ist, dann wird man zu lange hinterher fahren, um in der WM noch etwas reißen zu können. Die vierte Position, die ich hier angegeben habe, sollten sie aber im Laufe der Saison erreichen.

BrawnGP
Man könnte BrawnGP an die zweite oder gar die erste Stelle setzten. Man kann sie aber auch an die letzte packen. Es ist einfach nicht klar, warum der Wagen so schnell ist. Fahren Sie nur mit wenig Sprit? Oder hatten mal 50 Kilo Ballast rausgenommen? Ist es der umstrittene Diffusor? Es ist aber schon ein Wunder – da baut man den halben Wagen um, damit der Mercedes Motor passt, und dann ist der Wagen immer noch schnell. Was wäre gewesen, wenn Honda geblieben wäre? Klar ist, dass Brawn bis Dezember das Geld mit vollen Händen für die Saison 2009 aus dem Fenster werfen konnte. Das hat er offenbar gemacht, auch wenn er seit Dezember nur theoretisch weiter arbeiten konnte. Interessant wird auch die Frage, ob und wie er dem Entwicklungsdruck in der Saison standhalten kann. Die Fahrer sind unumstritten. Button wird seit Jahren unter Wert geschlagen, das Rubinho nicht mehr der allerschnellste ist, dafür aber eine „Rennsau“, kennt man ja. Sollte BrawnGP wirklich den Speed haben, steht uns eine lustige Saison bevor.

Renault
Die größte Überraschung des Winters lieferte Renault ab. Das Design des R29 ist schon gewöhnungsbedürftig und so sicher bin ich mir nicht, dass die Franzosen da so richtig liegen. Ich glaube, dass sie in der Front etwas gefunden haben könnten, das ihnen viel Potential in die Hände gibt, aber das Heck, mit seinen ausfließenden Partien scheint nicht so dolle zu funktionieren. Man hat viel rum gedoktert, scheint aber am Ende der Tests zumindest auf eine Runde schnell zu seine. Würde mich nicht überraschen, wenn Alonso in Australien in der Quali in den ersten zwei Reihen steht, im Rennen aber gnadenlos untergehen wird. Bei Renault hat man auch den Gürtel enger geschnallt, was die Weiterentwicklung des komplizierten Wagens nicht einfacher machen wird. Wenn sie nicht plötzlich die Entdeckung des Jahres beim Wagen machen, werden sie wieder einmal mit der WM-Entscheidung nichts zu tun haben.

Red Bull
Man hat den mit Abstand schönsten Wagen. Jedenfalls bis zum Cockpit, denn die Heckflosse ist schon arg hässlich. Aber schön ist eben nicht schnell, und Newey ist bekannt dafür leicht zickige Diven zu bauen. Und so rätselte man wohl zeitweilig während der Tests rum. Am Anfang war man vorne dabei, aber dann haben die anderen nach gelegt und man fand sich im Mittelfeld wieder. Kann natürlich sein, dass Red Bull gemauert, kann aber auch sein, dass man den Wagen einfach noch nicht voll im Griff hat. Vom Potential her scheinen sie aber gut dazu stehen und ich gehe davon aus, dass sie spätestens ab Saisonmitte ganz vorne dabei sein können. Was auch wohl auch nötig ist, denn ewig will man nicht hinterher fahren.

Williams
Ganz schwer einzuschätzen. Ich habe sie mal vorsichtig unten einsortiert, weil es mir scheint, dass zwei Dinge ihren Speed gefährden könnten. Zum einen hatte man bekanntermaßen finanzielle Engpässe, die sich negativ auf die Weiterentwicklung des Wagens im Januar ausgewirkt haben könnten. Zum anderen ist die Frage, ob die beschränkten Mittel von Williams in diesem Jahr für einen guten Start ausreichen. Das Team ist, wie immer in den letzten Jahren, auf die ersten sechs bis acht Rennen angewiesen, weil man danach vermutlich wieder von den Herstellern abgehangen wird. Allerdings waren sie schon sehr schnell bei den Tests und dass man sie danach nicht weiter aufgefallen sind, muss nichts bedeuten. Sie könnten in Australien genauso gut auf Augenhöhe mit Toyota sein. Dem Team wäre es zu wünschen.

Toro Rosso
Die werden ein schwieriges Jahr haben. Berger weg, Vettel weg, der gesamte Laden steht zum Verkauf. Alles psychologische Gründe, die einem Team nicht wirklich weiterhelfen. Man hat in diesem Jahr die Kopie des Red Bull zum ersten Mal selber gebaut, also auch die Teile hergestellt. Bedeutet auch, dass man durchaus ein Stück Eigenentwicklung betreiben konnte und musste, um den Wagen an den etwas größeren Ferrari-Motor anzupassen. Dafür kam der Wagen auch extrem spät, so dass man der Entwicklung hinterher läuft. Auf Fahrerseite ist man gut bestückt, vor allem Bourdais könnte mit den Slicks dieses Jahr überraschen.

Force India
Sind und bleiben die Hinterbänkler, die sich vermutlich mit Toro Rosso herum schlagen werden. Was aber schon ein ziemlicher Fortschritt wäre. Man darf nicht vergessen, dass das Team wenig Ressourcen hat und kaum Zeit in die Tests stecken konnte. Es wäre also ein „Brawn“ Wunder nötig gewesen. Allerdings wäre es schon ein Riesenschritt, wenn das Team den Abstand auf Platz 10 auf deutlich unter eine Sekunde drücken könnte. Damit hätte man auch gute Chancen auch mal in die Punkte zu kommen, was in diesem Jahr sicher möglich ist. Auch wird man sehen, wie sich die sehr weitreichende Kooperation mit McLaren auswirken wird. Das McLaren ein Problem mit der Hinterachse hat, könnte sich auch auf Force India auswirken, die ja von McLaren Motor, Getriebe und KERS bekommen.