Die neue Saison der Formel Eins steht vor der Tür, aber schon jetzt ist deutlich, dass es kein einfaches Jahr für die Serie wird. Es lodert an allen Ecken und Enden und mit der WEC erwächst der F1 echte Konkurrenz.
Die Formel Eins bezeichnet sich als „die Königsklasse des Motorsport“. Mit der Aussage liegt man durchaus richtig. Keine Motorsportserie hat mehr TV-Zuschauer, keine Serie verdient mehr Geld und kaum eine Serie ist so international wie die Formel Eins. Das wird sich auch 2015 nicht ändern, aber es ist nicht zu übersehen, dass es in der F1 an allen Ecken und Enden brennt. Die Serie ist politisch zerstritten, die Gelder werden ungerecht verteilt und man tut nichts dafür, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Wäre man ein Pessimist, würde man sagen, dass die Serie kurz vor einem Kollaps steht.
Aber selbst als Optimist fällt einem ein positiver Ausblick im Moment schwer. HRT und Caterham sind nach nur wenigen Jahren Geschichte, Manor kratzt die Pennys aus den Marmeladengläsern zusammen, um mit einem halben Auto in Australien an den Start zu gehen. Und das auch nur, weil man die Aussicht auf knapp 50 Millionen Euro Preisgeld hat. Man könnte jetzt allen drei Teams vorwerfen, dass man die Sache zu blauäugig angegangen ist. Aber so leicht ist das nicht. Immerhin steckte hinter Manor zunächst Richard Branson mit seinem Virgin-Label. Der zog sich nach etwas mehr als einem Jahr aber wieder zurück, nachdem er bemerkte, dass Investition und Ertrag nicht übereinstimmen.
Die finanzielle Krise in der Formel Eins geht noch tiefer. Lotus, Sauber und Force India stehen ebenfalls mit dem Rücken zur Wand. Lotus lebt (mit einem riesigen Schuldenberg) nur deswegen noch, weil der Genii Fonds mit Gerard Lopez und Eric Lux das Team auch als Abschreibung- und Steuervermeidungsmaßnahme gut gebrauchen kann. Sauber, immerhin seit 1993 in der Serie, steht auch nicht im Verdacht, keine Ahnung davon zu haben, wie man ein Rennteam führt. Und mal abgesehen vom letzten Jahr war man auch immer erfolgreich. Aber auch die Schweizer leben finanziell auf der Kante. Bei Force India ist die Not schon vor der Saison so groß, dass man Bernie um Geld anpumpen musste und dies auch öffentlich bestätigte. Sonst wäre der Start in Australien gar nicht möglich gewesen.
Die Formel Eins läuft Gefahr, in nur zwei Jahren sechs Teams zu verlieren. Man stelle sich vor, in der Bundesliga würden plötzlich 50% der Vereine dichtmachen müssen. So groß ist die Not.
Und neues Geld ist nicht zu erwarten. Um bei einem Top-Team als Hauptsponsor auftreten zu dürfen, muss man so 50 bis 60 Millionen Euro hinlegen. Pro Jahr. Warum sollte jemand das machen, wenn man sich für 30 Millionen bei einen Fußballclub nebst allen Spielern und Fans einkaufen kann? Gelingt es der FIA und Ecclestone nicht, die Kosten in der Formel Eins zu senken, dürfte die Serie schnell implodieren. Spätestens dann, wenn Mercedes plötzlich beschließt, keine Lust mehr zu haben.
Dazu kommt, dass die Formel Eins das Netz auch 2015 mehr oder weniger komplett ignoriert. Die Präsenz der Serie wird allein durch die Teams und die Fahrer garantiert, die sehr wohl erkannt haben, dass es ohne Social-Media-Reichweite nicht mehr geht. Aber die FIA und die FOM bleiben hier stur. Weder gibt es ein vernünftiges Livetiming, noch gibt es ein, zwei Stunden nach dem Training oder dem Rennen ein Highlight Reel auf YouTube. Eine Kommunikation mit den Fans findet sowieso nicht statt. Der Fan hat zu zahlen. Entweder vor Ort oder halt für eine schlecht programmierte, selten ohne Abstürze laufende App. So kann man seine Fans natürlich auch vergraulen.
Die Probleme sind aber grundsätzlich lösbar. Eine andere Verteilung der TV-Gelder und eine generell höhere Beteiligung der Teams an allen Einnahmen, plus ein Maßnahmenpaket zur Kostenreduzierung, eine bessere Marketing- und Fanstrategie. Klingt nicht kompliziert, doch die Serie hat sich ein derartig komplexes Abstimmungssystem geschaffen, dass man immer wieder an sich selbst scheitert. Bei jeder Neuerung muss Einstimmigkeit herrschen. Das hat zwar den Vorteil, dass sich große Teams nicht einfach eine Stimmenmehrheit erkaufen können, aber auch den Nachteil, dass kleine Teams nicht ihre Interessen durchsetzen können. Am Ende bewegt sich überhaupt nichts und die Teams und Hersteller blockieren sich selbst. Und laufen sehenden Auge in ihr eigenes Verderben.
Vielleicht würde die Serie sogar eine handfeste Krise mit dem Wegfall von knapp der Hälfte der Teams überleben, gäbe es da nicht die WEC. Ja, auch die WEC hat ein kompliziertes, für Nicht-Experten kaum nachvollziehbares Reglement. Ja, und auch was die FIA in Social Media mit der WEC macht, ist eine Katastrophe. Allein, dass man den Stream hinter eine Paywall packt, ist ein Witz.
Aber – großes „aber“ – kaum eine Serie hat in den letzten Jahren einen derartigen internationalen Aufschwung erlebt wie die WEC. Der könnte sogar noch größer sein, würde die FIA für die nötige kostenlose Übertragung im Netz sorgen, dennoch ist es deutlich, dass die WEC ein nicht zu unterschätzender Gegner für die Formel Eins ist. Sie bietet das bei weitem interessantere Reglement, weil es mehr technische Abwechslung zulässt. Die meisten Fahrer sind international bekannt und das Interesse der Formel-Eins-Piloten ist so hoch wie nie. Hülkenberg fährt dieses Jahr in Le Mans für Porsche, Button und Alonso hätten gerne ähnliches gemacht, wenn sie denn die Freigabe bekommen hätten. Das Interesse der Fans an der Serie wächst in einem großen Umfang, wie wir alleine an den Zugriffszahlen und Suchbegriffen zum Thema WEC sehen können. Nicht auszuschließen, dass die WEC in diesem Jahr die noch große Lücke zur Formel Eins deutlich verkleinert.
Vor allem dann, wenn die Saison wieder zu einer „Mercedes-Show“ wird. Natürlich gönnt man dem Team den Erfolg, sie haben dafür hart gearbeitet. Aber nach vier Jahren der Red-Bull-Dominanz droht der Serie eine weitere Saison, in der das Weltmeister-Team mehr oder weniger feststeht. Ein enger Kampf um die WM ist im Moment nur zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton zu erwarten. Die Rennen drohen zu einer One-Team-Show zu werden, was das schwindende Interesse an der Serie noch weiter beschleunigen wird. Die TV-Quoten sind schon seit einigen Jahren im freien Fall, auch wenn man natürlich erwähnen muss, dass sie immer noch auf einem recht hohen Niveau sind. Aber lange wird sich die Serie auch hier nicht erlauben können zu warten.
2015 könnte für die Formel Eins ein Jahr werden, in dem sich die schwelenden Krisen noch weiter verstärken. Und es schaut nicht so aus, als könne die Serie die Probleme wirklich beheben.
5 Kommentare
Was man auch nicht vergessen sollte, ist was sich so an der TV-Front tut. In manchen Märkten, sogar in GB, laufen ja nicht mehr alle Rennen im Free TV. Meiner Ansicht nach schneidet man sich auch damit ins eigene Fleisch weil man sofort an Reichweite verliert und natürlich auch Fans langfristig vergraulen wird. Das kann, im Fall der Formel 1 anders als etwa bei der deutschen Fußballbundesliga, der Gewinn aus besseren Verträgen mit Pay-TV Sendern insgesamt nie aufwiegen.
RTL überlegt ja angeblich auch den Ausstieg und hat heuer schon mal die Vorberichte gekützt. Im ORF, der die Formel 1 ununterbrochen seit den späten 60ern überträgt, ist die Formel 1 auch zu einem massiven Wackelkandidaten geworden. Verlängerung über 2016 hinaus nach momentanen Stand wohl eher unwahrscheinlich.
Die Sache mit dem Pay-TV ist halt auch eine zweischneidige Sache, kurzfristig wird da angeblich mehr Geld ausbezhalt als bei FreeTV-Verkarktung, langfristig verliert man aber überproportional an „Eyeballs“, was dann wieder den Wert für Sponsren massiv einschränkt. Warum 50 Millionen dafür ausgeben, wenn der Aufkleber am Auto nur für eine kleine MInderheit zu sehen ist? Gleiches gilt für Streckenwerbung.
Die Sache mit der nicht vorhandenen Internet/Social Media-Strategie kann ich auch nur doppelt und dreifach unterstreichen. So wird das nix.
Mein Vorschlag:
* Mr Ecclestone tritt ab und CVC verkauft die Serie bevor sie nichts mehr Wert ist.
* Die Teams machen eine Art „Manegement-Buy-Out“ und sichern sich die Mehrheit and der Serie.
* Es wird eine komplett neue Entscheidungsstruktur eingeführt die nicht bei jeder Kleinigkeit zur totalen Blockade führt und die Interessen der kleineren Teams ausreichend berücksichtigt.
* Die die FIA wird wieder mit ordentlichen Reglement-Kompetenzen ausgestatttet.
* Die Einnahmen werden zu 85% (statt 50%) unter den Teams aufgeteilt.
* Die Tracks müssen in eine SItuation komme, dass sich die Veranstaltung eines F1-Rennens auch wieder ohne staatliche Zuschüsse lohnt.
* Kai Ebel wird duch Helge Schneider ersetzt.
Ich glaube nicht, dass die WEC der F1 gefährlich werden kann. Aus zwei Gründen:
1. Zuschauerdemographie:
An der Strecke sind 80-90% der WEC Besucher männliche, mit SLRs bewaffnete Nerds zwischen 18-35 Jahren. Techies, deren Interessenfokus auf den Autos liegt. Diese Fans gibt es bei der F1 natürlich auch, aber es gibt eben auch viele, viele andere Zuschauer, die mehr human-interest orientiert sind. Welcher Fahrer ist der Beste, Schumacher oder Senna? Verheimlicht McLaren die Wahrheit über Alonsos Unfall? Warum guckt Vettel immer so verbiestert, wenn er nur zweiter wird? Ist Rosberg ein fieser Schummler? Die gesammelte F1 Daily Soap. Man muss sich nur ein beliebiges Youtube Video und die darunter statt findenden Diskussionen anschauen. Die WEC mit ihren Fahrerwechseln, Stint-Rechnungen und langen Rennen wird diese Fangruppe niemals für sich begeistern.
2. Über die genannten Probleme mit der Vermarktung hinaus hat die WEC im Grunde doch ähnliche strukturelle Probleme wie die F1. Zu nennen wären hier z.B.:
FIA: Das Verhältnis der FIA zur WEC ist ausgesprochen ambivalent. Einerseits hilft die WEC, das neue FIA Gebäude in Paris zu finanzieren. Andererseits hat man überhaupt kein Interesse daran, dass die WEC Hersteller und Sponsoren aus der Formel 1 abzieht. Jean Todt hat das in Interviews ziemlich deutlich durchblicken lassen. Man möchte die WEC also gleichzeitig unterstützen und kleinhalten. Dieser Interessenkonflikt ist eigentlich nicht lösbar und wird auch in Zukunft zu seltsamen Kompromissen und Entscheidungen führen. Z.B. wurden die Gebühren für Teilnahme an WM und Einzelrennen in den letzten Jahren unverhältnismäßig in die Höhe getrieben.
Finanzen: Die WEC bzw. LMS wurde die letzten 10 Jahren effektiv von Audi finanziert und am Leben erhalten. Audi zahlt überall die Streckenwerbung, die TV Übertragungen, baut die größten Motorhomes und Hospitalities ins Fahrerlager und investiert am meisten in Werbung, die Rennautos und die Fahrer. Die anderen LMP1 Werksmannschaften Peugeot, Toyota, Aston Martin konnten und wollten nie so viel Geld auf den Tisch legen wie der Volkswagen Konzern. Wie viel Nissan investieren möchte, muss man auch erst mal abwarten. Wenn Volkswagen zurückschraubt, hat die WEC ein Problem.
Kosten: Die WEC ist momentan nur für wenige Teilnehmer wirklich profitabel. Am besten läuft es für Anbieter, die als Einsatzteams für Werke fungieren, also Oreca und Joest. OAK versucht seit Jahren, einen ähnlichen Deal an Land zu ziehen, bisher erfolglos. In der GT haben Prodrive und AF Corse eine Nische als Serviceanbieter für Werke und Private gefunden; Manthey als Mannschaft für Porsche sollte auch Profit machen. Alle anderen krakseln irgendwie herum und halten sich knapp über Wasser. Ein Privatteam, das (ohne Werksvertrag) dauerhaft profitabel in der WEC fährt, sehe ich nicht. Über Sponsoring bekommen die Teams zu wenig rein. Für Gentleman Driver ist ein ganzes Jahr WEC mit weltweiten Rennen nicht nur teuer, sondern außerdem auch terminlich schwer zu machen. Kolles versucht dieses Jahr noch mal als LMP1 Anbieter für Paydriver anzutreten, mal sehen wie weit er damit kommt. In der Nascar können Teams tatsächlich Geld verdienen, in der WEC braucht es wie in der F1 ein Werk oder einen „reichen Gönner“, der Rennsport aus Liebhaberei ohne Notwendigkeit für ein return-of-investment betreibt (Rebellion, Krohn, Companc etc).
Das Wort „Zuschauerdemographie“ hat mich getriggert. Ich möchte da mal etwas zur Rezeption aus eigenem Erleben sagen, denn nur dass kann ich wirklich beurteilen. Wenn ich so an die 90er Jahre zurückdenke, kann ich mich schon daran erinnern dass die F1 viel breiter verfolgt wurde. Ich denke schon dass das am Schumacher-Faktor, bzw. den großen Duellen lag. Weiterhin war es m.E. so, dass Motorsport und die F1 als maximale Steigerung als Ausdruck allgemeinen Faszination für Autos angesehen werden kann, die auch das Zuschauerverhalten von Kindern, Jugendlichen und Familien beeinflusste.
Zwanzig Jahre später hat ja aber das Auto als Mobilitätsbegriff sehr viel weniger Bedeutung, vor allem auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dieser ist heute eher durch Netz, Technologie usw. bestimmt. Selbst wenn die F1 also im Netz/Social stark verfügbar wäre, heisst das noch lange nicht dass sich Interesse dafür entwickeln würde. Und es gibt soviel weitere Themen, die sich eher negativ auswirken, Klimawandel, Wirtschaftskrisen, Peak-Oil usw. All das läßt schnöden Motorsport „wie er immer war“ weniger attraktiv erscheinen. Zumal auch die großen sportlichen Duelle nicht mehr stattfinden und Rennställe immer weniger Identität und Nähe für den normalen Zuschauer haben. (Siehe: RedBull, ich behaupte mal, niemand interessiert sich für F1 nur weil er EnergyDrinks konsumiert.)
Persönlich fand ich die Einführung von KERS, Hybrid, Kraftstofflimit richtig und zukunftsträchtig, aus Erzählungen anderer (älterer) hörte ich aber Enttäuschung, was das solle, „kleine“ Motoren, leise usw. Solche Leute interessieren sich nicht mehr für F1, höchstens für TopGear.
Lange Rede kurzer Sinn, ich bin in einem Umfeld aufgewachsen in dem viele sonntags F1 Rennen schauten, heute kenne ich niemanden mehr, der das tut. Vielleicht wird die Begeisterung auch einfach nicht mehr wiederkommen, die Zeiten haben könnten sich geändert haben.
PS: Die WEC ist natürlich interessant, doch einfach unbekannt (arbeitet man nicht gerade in Ingolstadt).
Das mit dem Zeitgeist ist so eine Sache. Ich denke es schadet der Formel 1 eher, dass sie ihm versucht nachzujagen. Wozu sie aber von den Herstellern (nicht von allem aber von den meisten) getrieben wird. Die WEC tut sich da leichter den Zeitgeist in ihr Produkt zu integrieren. Effizienz spielte auf der Langstrecke ja immer schon eine größere Rolle.
Die Formel 1 soll vor allem Spaß machen. Der typische Fan will, wenn er sich mit der Formel 1 beschäftigt, nicht an die großen Probleme der Welt erinnert werden. Er möchte unterhalten werden und sucht nach Zerstreuung. Er will Unvernunft sehen, an die er sich im Alltag nicht einmal zu denken getraut. Das war für mich immer das Erfolgsgeheimnis der Formel 1. Dazu gab es vor 2 Jahren oder so auch mal einen Artikel in der Zeit, der das sehr gut beschrieben hat. (ist sicher leicht zu finden, wen es interessiert, weiß noch, dass die Überschrift irgendwas mit Unvernunft beinhaltet hat)
Mit dem neuen Motorenreglement und dem „grünen“ Anstrich, den sich die Fomrel 1 gegeben hat, hat sie mit Sicherheit einen Teil ihrer Leichtigkeit verloren. Sie ist jetzt nicht mehr die Parallelwelt, in der der Unvernuft gefrönt werden kann. Ich denke auch das schadet ihr massiv. Die geringe Lautstärke der Motoren ist nur das auffälligste Zeichen dieser Entwicklung.
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