Die Frage des Wochenendes: hat BrawnGP Barrichello mittels einer schlechten Strategie den Sieg geklaut?
Rubens Barrichello war sauer, seine Mundwinkel hingen so tief, wie seit dem legendären GP in Österreich nicht mehr, als er „Michael for the championship“ vorbei lassen musste. Befehlshabender Vorgesetzter war damals Ross Brawn. Gestern hätte er eigentlich gewinnen müssen. Er gewann den Start, hatte mehr Spirt an Bord als Button – was sollte da noch schief gehen? Es sprach viel für Rubens während des ersten Stints, doch dann lief wieder alles anders und der Brasilianer wurde mal wieder nur zweiter. Hat Brawn mal wieder getrickst, um Button in Richtung Weltmeisterschaft zu pushen?
Barrichello ist ein alter Hase. Seine Zeit als „1b“ bei Ferrari war schlimm genug. Auch wenn er Schumacher meist das Wasser nicht reichen konnte, so schlecht und langsam, wie viele ihn gemacht haben, ist er dann doch nicht. Das zeigt er auch bei Brawn, wo Button keineswegs der dominat schnellere ist. Vor allem nicht im Rennen. Kein Wunder, dass Barrichello gestern einen Hals hatte. Nach dem Rennen (und noch vor allen Meeting mit dem Team) machte er deutlich, dass er sofort seinen Helm an den Nagel würde, wenn er rausbekommt, dass Brawn ihn benachteiligt.
Dass er sauer war, hatte etwas damit zu tun, dass man Button im Rennen auf eine Zwei-Stopp-Strategie umgestellt hat. Verabredet war, laut Barrichello in der Pressekonferenz, dass beide dreimal halten würden. Fragt sich, warum man Button umstellte, und nicht seinen Teamkollegen. Schwer zu sagen – auf dem Papier waren drei Stopps laut Brawn die schnellere Alternative, aber wenn dem so war, warum hat das kein anderes Team gemacht? Nur Nakajima stoppe dreimal. Vermutlich hat man bei Renault und auch bei Toyota ebenso wie Brawn reagiert. Nachdem man gesehen hat, dass die weichen Reifen einen langen Stint locker durchhalten, hat man umdisponiert. Dass man die Situation zwischen Button und Barichello entzerren wollte und sich beide Optionen gleichzeitig offen halten wollte, ist eine logische Erklärung für die Umstellung, beantwortet aber immer noch nicht die Frage, warum man Button genommen hat. Hätte man Barrichello beim ersten Stopp länger betankt, wäre er allerdings auch hinter Vettel raus gekommen, und hätte vermutlich auch hier Zeit liegen lassen.
Tatsächlich haben Barrichello am Ende gerade mal acht Sekunden auf den Sieg gefehlt und das trotz des dritten Stopps. Sein Problem lag sowohl im ersten, als auch im zweiten Stint. Im ersten konnte er vor allem in den ersten Runden nicht genug Vorsprung auf Button rausfahren. Button beklagte sich ja im Rennen, dass Rubens nicht schneller fuhr. 13 Sekunden klagen gut, waren aber definitiv zu wenig. Als er in die Box fuhr, ahnte ich, dass das zwei Runden zu früh war. In denen er hätte er den Vorsprung auf 15 Sekunden ausbauen können. Im zweiten Stint kam er hinter Vettel und Massa raus. Er konnte aber nicht aufholen, sondern lang ziemlich konstant vier Sekunden hinter beiden. Und in dem Stint verlor er dann das Rennen, weil er den Speed aus dem ersten Stint nicht mehr gehen konnte. Hier hätte er aber noch mal mindestens sechs Sekunden holen müssen, was aber nicht ging, weil Button immer mal wieder leicht schneller war. Damit war die Sache dann durch.
Für Barrichello hätte es noch schlechter kommen können, wenn Vettel an Massa vorbei gekommen wäre. Mark Webber, der wie aus dem Nichts heraus den dritten Platz eroberte, zeigte, was ging. Ein langer zweiter Stint mit dem weichen Reifen war in Spanien die ideale Herangehensweise. Auch da stellt sich die Frage, warum Red Bull bei Vettel nicht reagiert hat.
Das Rennen des Deutschen war aber schon am Start vorbei, als Massa ihn kassierte. Wie schon zu befürchten war, konnte Massa seinen Vorteil mit KERS ausspielen, was mich dann aber überraschte, waren seine relativ verhaltenen Rundenzeiten gegen Ende der Stints. Er kam nie so recht auf den Speed, den der Ferrari eigentlich haben sollte. Das der Motor offensichtlich etwas mehr säuft als der Renault ist auch so eine Sache. Ferrari meinte zwar, es habe Probleme mit der Tankanlage gegeben, aber das hätte ich auch gesagt. Wenn der Ferrari in einem 20 Runden Stint rund eine Runde mehr verbracht, sind das auf das Rennen rund drei Runden, also rund 5 Kilo. Da im nächsten Jahr nicht mehr nachgetankt werden kann, wird man da noch Arbeit vor sich haben.
Ferrari hat aber, dass muss man auch mal sagen, einen ziemlich guten Job gemacht in den letzten zwei Wochen. Der F60B geht sehr gut und man darf nicht vergessen, dass man noch mit einem normalen Diffusor unterwegs ist, der nur leicht verbessert wurde. Von allen Teams ist den Italienern der größte Sprung gelungen.
Ein Lob muss man auch mal an Nick Heidfeld weitergeben. Sein Rennen war unauffällig aber sehr gut. Beim Start ließ er mal wieder Kubica stehen, dessen Starts wirklich unterirdisch sind. Immerhin kam Heidfeld von der 13 während der Pole auf der 10 stand. Bleibt dabei: im Rennen ist Heidfeld meist besser als der Pole, wenn er denn endlich mal die Quali hinbekommen würde. Was man vielleicht auch mal erwähnen sollte: Alle Punkte, die BMW dieses gesammelt hat, stammen von Heidfeld. Kubica hat bisher nichts geliefert. Trotzdem sollte sich BMW mal überlegen, was man 2010 mit den Fahrer macht. Hallo, Nico Rosberg…
Zu McLaren wird Rosberg wohl eher nicht wechseln, denn da tut sich gerade auch nicht so viel. Allerdings sollte man fairerhalber erwähnen, dass das Team selber vor dem Rennen schon gesagt, dass man in Barcelona schlecht aussehen wird. Man hat nicht allzu viele Updates mitgebracht, die nächste große Runde gibt es erst in Istanbul. Da muss man allerdings einen sehr großen Schritt machen, denn der Kurs ist in Sachen Aerodynamik extrem fordernd.
Gleiches gilt für Toyota. Es ist schon erstaunlich – vor zwei Wochen belegte man die ersten beiden Startreihen, in Barcelona lag man plötzlich rund 8 Zehntel von der Spitze weg. So schnell kann es gehen, aber es liegt wohl auch daran, dass Toyota bei den Updates einen anderen Rhythmus hat.
Die Rangliste nach dem Rennen ist zumindest für den Moment mal klar: Vorne die Brawn, dahinter oder auch gleichauf die Red Bull. Dann folgt Ferrari, dann die Toyota, Renault und BMW. Allerdings sind die STRs beide unter Wert, bzw. gar nicht gefahren.
Das nächste Rennen ist dann Monte Carlo. Eine Strecke, von der alle sagen, dass sie den Brawn auf den Leib geschneidert ist. Sollte das stimmen und Brawn wieder gewinnen, kann man so langsam die Fahrer-WM ins Auge fassen. Aber da sieht es jetzt schon nach einem Dreikampf aus. Button vs. Barrichello vs. Vettel. Toyota hat noch nicht genung Konstanz für den Titel, McLaren, Ferrari und BMW sind schon jetzt zu weit weg. Wenn die Brawn nicht drei Rennen hintereinander ausfallen, sollte die Sachen zwischen Red Bull und ihnen ausgetragen werden. Vor diesem Hintergrund, dass Button gegen Vettel in der WM antritt, macht die Umstellung der Strategie bei Brawn schon wieder etwas mehr Sinn.
Ärger zwischen der FOTA und der FIA
Nicht nur Toyota, auch Red Bull hat mittlerweile bekannt gegeben, dass man 2010 nicht mehr antreten wird, sollte die FIA bei ihrem Entschluss bleiben, ein geteiltes Reglement einzuführen. Klingt dramatisch, und sollten sich noch weitere Teams diesem Entschluss anschliessen, liegt das Wort „Piratenserie“ mal wieder in der Luft. Frage wäre, wer alles mitzieht und wer nicht:
Auf der „Piraten“ Seite wären BMW, Red Bull, STR, Renault, Toyota und Ferrari. Auf der FIA-Seite ständen: BrawnGP, Force India, Williams und McLaren. Damit können weder die einen, noch die anderen eine Serie auf die Beine stellen. Mosley hat schon angedroht, dass er zur Not die GP2 Teams in die F1 aufrücken lassen wird und ein paar Neuanmeldungen gibt es ja scheinbar auch. Zwei scheinen sicher, zwei weitere bekommt Bernie Ecclestone vermutlich auf die Beine, fehlen noch zwei Teams, um das Feld voll zu bekommen. Der günstige Cosworth Motor ist ja auch da. Theorethisch könnte die FIA also weitermachen, während die FOTA Teams schon mehr Probleme haben würden, eine komplette Serie auf die Beine zu stellen. Bei Ferrari bin ich mir nicht mal sicher, ob sie das wirklich machen würden, oder ob man zur Not einfach ein Jahr Pause einlegt und in Le Mans startet.
Im Grunde ist das alles hohe Politik, denn beide Seiten wissen, dass sie nur verlieren würden. Die Sponsoren würden sich bedanken und was so eine Trennung aus einem Sport machen kann, hat man ja in den USA gesehen. Zwei Königsklassen hält in Europa keiner aus.
Am Ende geht halt ums Geld. Ecclestone hat schon eine Erhöhung des Budgets auf 60 Millionen durchblicken lassen und am Ende wird vermutlich 80 Millionen rauskommen. In der Zwischenzeit wird man sich anbrüllen, beschimpfen und bespucken, die Teams werden sich Ende Mai nicht einschreiben, die FIA wird sagen „Pech gehabt“ und wenn man sich im Spätsommer geeinigt hat, wird die FIA die Teams gnädigerweise doch noch für 2010 in die Nennliste aufnehmen. Bis dahin müssen wir halt das Theater ertragen.
Ach ja, die FIA hat das „Winner takes all“ System für 2010 wieder eingedampft und Weltmeister wird auch nächstes Jahr der mit den meisten Punkten.
7 Kommentare
Nakajimas erster Stop war übrigens ein sehr früher zum Nase wechseln, er war also eigentlich auch auf einer Zweistop.
Für mich ist sonnenklar, dass Brawn mittels der Strategie die perfekte Reihenfolge sicherstellen wollte. Ich finde das auch gar nicht schlimm. Natürlich ist es ähnlich wie 2002 so, dass Button und Brawn schon lange vor Schluss als Weltmeister feststehen werden. Nur solange es eben nicht auch mathematisch wirklich feststeht, muss man einfach die Punkteausbeute maximieren. Es geht einfach um zu viel. Danach darf Barrichello dann sicher auch gewinnen, wenn Button kein Problem hat.
Schade finde ich nur, dass man überhaupt meinte, Stallregie „verbieten“ zu müssen. Das hatte nur zur Folge, dass die Teams den Platztausch jetzt derart inszenieren und den Zuschauern Märchen („3 Stopps waren eigentlich besser“) erzählen müssen. Das beleidigt aber eigentlich die Intelligenz jedes halbwegs kundigen Zuschauers.
Ich glaube nicht, dass es Absicht war, das man Rubens um den Sieg gebracht hat. Er war einfach im zweiten Stint zu langsam, ich hatte dort erwartet, das er zügig auf Vettel und Massa aufholt und dann hinter den beiden hängen bleibt, da man in Barcelona nicht überholen kann. Dann wäre er genau deswegen mit seiner Strategie immer noch nur zweiter geworden, aber es wäre etwas enger gewesen. Das ist einfach das Problem an einer Drei-Stopp-Strategie: Wenn man irgendwo hängen bleibt oder die Leistung nicht bringt, die notwendig ist, dann hat man nichts von der Strategie. In dem Fall halte ich 3-Stopp einfach für einen Fehler.
@nona: Stümmt. Danke für den Hinweis. Dann macht es noch weniger Sinn.
@Dirk: Ja, der zweite Stint war es in meinen Augen auch. Da hatte er dann keine Chance mehr, zumal Button mal wieder extrem stark in seinem langem Stint war.
Na eben. Das wussten auch alle anderen Top-Teams, aber der beste Stratege der F1, Ross Brawn, hätte das übersehen? Ich vermute ja, dass Barrichello schon früher zum Ausdruck gebracht hatte, dass er nicht mehr die zweige Geige spielen wird. Ein Grund mehr, es dann eben über die Strategie zu deichseln. Trotzdem muss Brawn hoffen, dass das nicht noch häufiger notwendig sein wird, denn mit jedem Mal würde ja offensichtlicher, was da abgeht.
Ferrari in Le Mans? Wie kommst du denn da drauf? Bis auf die privat eingesetzten 333SP in den 90ern haben die Roten aus Maranello doch schon lange nichts mehr mit dem Langstreckenklassiker am Hut.
Guck dir mal den engen Kampf an der Spitze an, einen konkurenzfähigen LMP stampft niemand mal eben einfach so für ein Übergangsjahr aus dem Hut. Noch dazu wird 2010 ein absolut unsinniges Jahr um ein neues Auto zu bringen da ab 2011 neue Regeln greifen…Peugeot wird deshalb wohl auch nächstes Jahr Pause einlegen um sich auf ein neues Auto zu konzentrieren.
Ach und zum Thema Rosberg & BMW: Bitte nicht, diesen aufgeblasenen Selbstdarsteller möchte ich keinesfalls bei den Weiß-Blauen sehen….
Ach ja, vergessen: bin mir nicht sicher ob man daraus eine angenommene Priorität ableiten kann, aber laut Boxenfunk an Barrichello ist Button während des Rennens auf „Plan A“ umgeschwenkt (worden?), also möglicherweise das was ursprünglich mal als Primärstrategie geplant war. Die Strategie, mit der Barrichello (und ursprünglich auch Button) losgefahren ist, war demnach Brawns „Plan B“. Warum und wieso, das sei dahingestellt.
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