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Formel Eins: Mercedes GP – Rückblick und Ausblick

von DonDahlmann
16 Kommentare

Da ist es also. Das Team, vor dem sich Mercedes seit Mitte der 90er Jahre gedrückt hat. Ein komplettes deutsches Team unter dem Namen Mercedes sollte es ja eigentlich nie geben.

MercedesGPDenn schwer wiegt immer noch die Geschichte auf der Daimler AG. Immerhin war man in den 50er Jahren dank Alfred Neubauer und Juan Manuel Fangio praktisch unschlagbar und demontierte damalige Größen wie Maserati und Alfa Romeo. Der Rückzug 1955 war ein zu frühes Ende der Motorsportaktivitäten, der Wiedereintritt 1993, in dem man unter dem Label „Concept by Mercedes“ über die Motorenschmiede Ilmor hinlegte, war auch eher halbherzig. Einen Schritt weiter ging man erst im Jahr 2000, als man 40% der McLaren Group übernahm. Die anderen Anteile lagen zu 30% bei Mansour Ojjeh (TAG) und Ron Dennis, was sich schnell als Problem herausstellen sollte. Dennis hatte überhaupt nicht die Absicht die Leitung seines Lebenswerkes (das er selber mit einem Trick bekommen hatte) abzugeben und Ojjeh blieb auf der Seite von Dennis. Auch als die Daimler AG 2006 die Anteile neu sortierte, in dem Ojjeh und Dennis jeweils 15% an die Bahrain Mumtalakat Holding Company abgaben, änderte nichts, wie man 2008 und 2009 schmerzlich erfahren musste. Selbst als Ron Dennis offiziell im März auf Druck von Max Mosley (und Mercedes) gehen musste, blieb der Einfluss der Stuttgarter marginal. Über die Jahre gab es zu dem viele Punkte, die Mercedes nachhaltig verärgert haben.

Mal abgesehen von der Spionage-Affäre, bei der die Mitwirkung, bzw. eine Mitwisserschaft von Mercedes nie völlig geklärt wurde, waren da noch ein paar andere Dinge. Man ärgerte sich mehrfach über die Fahrerauswahl von Dennis, man ärgerte sich darüber, dass McLaren Adrian Newey nicht halten konnte. Man ärgerte sich, dass man im Team und die Teamabläufe kaum Einfluss hatte. Und man ärgerte sich, dass man bei Sieg nicht alleine da stand. Das Team heiß „Vodafon McLaren Mercedes“, was die Rangfolge schon ziemlich gut beschreibt.

Gerne hätte man McLaren komplett gekauft, was auch Sinn gemacht hätte, nach all der Zeit. Immerhin hatte Mercedes auch einiges an Personal an McLaren abgegeben. Aber offenbar blockierten Dennis und Ojjeh eine Übernahme, aus welchen Gründen auch immer. Es wird viel darüber gesprochen, dass Ron Dennis im Hintergrund eine entscheidende Rolle gespielt haben soll. Ihm gehört die McLaren Automotive Group, als jene Gruppe, die den neuen McLaren Supersportwagen baut. Der keinen Mercedes Motor haben wird, sondern stattdessen ein eigenen Motor einsetzen soll. Dazu kam, dass Mercedes um Erlaubnis fragen musste, wenn man den eigenen Motor auch woanders einsetzen wollte. Das war bei Force India so, das war bei Brawn so und ein Deal mit Red Bull scheiterte wohl an dem „No“ aus Woking.

Dazu muss man wissen, dass McLaren die Motoren von Mercedes, wie Force India und BrawnGP, über die Mercedes-Benz High Performance Engines (HPE) bezieht, also die ehemalige Ilmor-Werkstatt, die jetzt eine 100%ige Tochter von Mercedes ist. Offenbar war man Mercedes nicht gerade begeistert und McLaren ließ die Deutschen in einer Sackgasse stecken. Gleichzeitig sah man in diesem Jahr, was ein Team rund um Ross Brawn leisten kann – nur werben durfte man nicht mit dem Weltmeistertitel.

Allerdings – in die missliche Lage hat man sich auch selbst gebracht. Statt, wie BMW oder Honda, einfach irgendwann den Sprung ins kalte Wasser zu wagen, also wirklich als „Mercedes“ anzutreten, hatte man sich jahrelang hinter einem komplizierten Vertragswerk versteckt, dass einem aber immerhin ab und an die Sicherheit bot, mit dem Finger auf jemanden anderen zu zeigen.

Für Mercedes stellten sich also zwei Optionen: weiter so halbherzig weiter machen, oder eben die Brawn Option.

Das der Vorstand der Daimler AG sich ausgerechnet jetzt zu diesem Schritt entschlossen hat, ist schon bemerkenswert. Zum einen wird man auch 2010 nicht mehr sondern eher weniger Autos verkaufen. Zum anderen haben mit Honda und BMW zwei Welthersteller an denen man sich messen konnte, die F1 verlassen, was einen kleineren Marketingeffekt zeigt. Zwar kann man sich in der Formel Eins ab 2010 noch mit Ferrari messen, aber Renault ist nun wirklich nicht die Liga im Automobilbau für Mercedes. Das der Betriebsratschef heute die Investition verdammt hat ist kein Wunder.

Zu den Zahlen kann man ja leider nichts sagen. Klar ist, dass Mercedes 45,1% von Brawn erworben hat. 30% gehen an die Aabar Investments PJSC, eine Firma die zum einen 9.1% an der Daimler AG hält, zum anderen aber auch in 100%igen Staatsbesitz von Abu Dhabi ist. Den Rest halten weiter Ross Brawn und Nick Fry. Das Team läuft aber unter dem Namen Mercedes Grand Prix. Ross Brawn, der nie Teameigner sein wollte, bleibt Teamchef, berichtet aber an Norbert Haug.

Interessant sind die Zahlen bei McLaren. Die 40% gehen nämlich komplett wieder an die McLaren Group zurück. Da kann man zu Recht vermuten, dass bei McLaren demnächst wieder Ron Dennis das Sagen haben wird. Der kommentierte die Trennung nämlich heute schon mit den Worten, dass sie gut für beide Seiten sei. Von Martin Withmarsh hat man nichts gehört, auch wenn der „nur“ der Teamchef von McLaren F1 ist. Welche Summen genau geflossen sind, ist nicht bekannt. Angeblich wollte Mercedes rund 200 Millionen Euro für die Anteile haben und ich frage mich schon, wo McLaren das Geld dafür her hat. Der einzige, der das aus dem Ärmel schütteln könnte, wäre Mansour Ojjeh, der sich aber schon vor Jahren aus dem Geschäfts- und Rennbetrieb zurück gezogen hat. Vielleicht hat er einen günstigen Kredit gewährt. Spannend ist, dass McLaren damit wieder zu 70% in privater Hand ist.

Kurzfristig gesehen ist der Deal für die Daimler AG gut. Man hat vermutlich ein paar Euro verdient und kassiert ab 2010 auch die Sponsoren,- Preis- und TV-Gelder. Wenn man sich aber den gesamten Zeitraum der Zusammenarbeit anschaut, ist das eher teuer gewesen. Die Investitionen sind nicht gering gewesen. Für beide Seiten gibt es einen heissen Winter. Mercedes rupft seine Struktur bei McLaren komplett raus. Die Briten sind ab sofort nur noch Kunden von HPE. Also muss McLaren ein paar Löcher stopfen, während Mercedes sich mit Brawn verzahnen muss, die ja teilweise noch die Honda-Strukturen haben. In Japan dürften die Kinnladen heute noch mal ein Stück ein tiefer gefallen sein. Nicht nur, dass man sich zu früh verabschiedet hat, jetzt kauft ein direkter Konkurrent auch noch für einen Bruchteil den Laden auf, den man über Jahre mit hunderten von Millionen aufgebaut hat.

Fraglich ist auch, was McLaren jetzt macht. Man verliert nicht nur Mercedes, sondern auch Mobil 1 als Geldgeber, die ebenfalls zu Brawn/Mercedes wechseln. Man darf ab 2010 auch nicht mehr in silber unterwegs sein und die garantierte Motorenlieferung läuft nur bis Ende 2011. Für Jahre bis 2015 besteht nur eine Option. Es gibt nicht wenige Gerüchte, die behaupten, dass McLaren einen eigenen Motor entwickeln möchte, und gerade schon massiv ehemalige BMW-Leute einkauft. Ich bin mal gespannt, was für Teamfarben man wählen wird. Vodafone ist rot, aber da wird man sich mit Ferrari ins Gehege kommen, die traditionelle Teamfarbe ist Orange, das dürfte aber im Zusammenhang mit dem Vodafone-Rot zu Brechanfällen führen. Vielleicht geht man ja wieder auf Rot/Weiß zurück. [Nachtrag: 2010 wird man noch in Silber unterwegs sein, vermutlich etwas reduzierter, aber das war wohl „part of the deal“, da die Sponsoren, das Merchandising usw. auf Silber gepolt sind. Danke an die zahlreichen Hinweise per Kommentar und Chat]

Auf der Fahrerseite ist Nico Rosberg bei Mercedes gesetzt. Offenbar hält man so große Stücke auf den Deutschen, dass man ihn als „Nummer Eins“ installieren möchte. Allerdings – Norbert Haug ist da wenig sentimental und setzt lieber auf einen guten Fahrer. Jenson Button ist weiterhin im Gespräch, allerdings war er am Wochenende schon im McLaren-Werk. Das hat er sicher nicht gemacht, weil er sich ein paar alte Autos im Museum ansehen wollte. Mercedes würde Button durchaus gerne behalten, weil man mit ihm auch die „1“ auf der Nase kleben hat, aber beim Gehalt gibt es wohl Probleme. Kein Wunder, dass Norbert Haug unter anderem auch Nick Heidfeld heute ins Spiel gebracht hat. Was ich nicht so ganz verstehe, weil man mit Timo Glock da eventuell eine bessere Lösung hätte. Ebenfalls eine Variante ist Kimi Räikkönen, aber scheint zu teuer zu sein. Vermutlich läuft es auf Button oder Heidfeld raus.

Mercedes setzt sich und Ross Brawn mit der Entscheidung unter einen enormen Druck. Die deutsche Presse wird, wenn sie sich mal warm geschrieben hat, von einem „Dreamteam“ sprechen. Ein Ross Brawn, der auf die Ressourcven von Mercedes zurück greifen kann – eine bessere Konstellation kann es ja kaum geben. Dementsprechend wird der Anspruch mit dem Start in die neue Saison hoch sein. Man wird den WM-Titel erwarten, darunter wird nichts gehen. Schon gar nicht darf man sich von McLaren schlagen lassen, das wäre ein Desaster.

Die Befürchtung könnte durchaus lauten, dass Mercedes, alleine um die eigene Historie nicht zu beschmutzen, die Messlatte der Ausgaben in der Formel Eins, wieder ein Stück nach oben legen wird. Sicher – es gibt innerhalb der FOTA die Sache mit der Budgetbegrenzung, aber die ist freiwillig.

Auf der anderen Seite – die Situation für einen Einstieg von Mercedes war noch nie so gut. Denn ausser Ferrari gibt es kein Team, dass derartige Ressourcen hat. Sich von Ferrari schlagen zu lassen ist aber schon fast wieder gut fürs Geschäft, wenn es denn nicht zu oft passiert. Alle anderen Teams sind, abgesehen von Renault und Red Bull, Privatteams. Die zu schlagen sollte leicht sein.

Bleibt die Frage, wie lange der Vorstand der Daimler AG den Spaß mit macht, vor allem dann, wenn der eigene Rennstall sehr viel Geld kosten sollte.

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16 Kommentare

Myself 16 November, 2009 - 18:45

…wie immer eine fundierte Analyse, wie sie im deutschsprachigen Netz sonst nicht zu finden ist. Danke

xeniC 16 November, 2009 - 19:11

Korrektur: Laut Aussage von Haug muss McLaren das „Branding“ nicht ändern. Also wird es vermutlich vier Silberpfeile geben, außer Ron Dennis hat ein As im Ärmel.

Sonst guter Artikel, alle Informationen drin.

hwk 16 November, 2009 - 21:19

Zum Thema Branding. Mercedes wird wohl in silber an den Start gehen und wird dies McLaren für 2010 auch zugestehen:

„Der Wunsch von McLaren war und ist es – und wir haben das positiv zur Kenntnis genommen -, das Branding des heutigen Fahrzeuges auch 2010 unverändert zu lassen. Insofern wird das Fahrzeug das gewohnte Bild bieten. Wir haben McLaren zugesagt, dass sie vorbehaltlich der Gesamtrahmenbedingungen im Grundsatz von uns bis 2015 Motoren kaufen können.“ Das bedeutet, dass es nächstes Jahr sogar vier Silberpfeile in der Formel 1 geben wird.“

(MS-total)

nona 17 November, 2009 - 08:43

Falls jemand ein leises Kichern im Hintergrund hört, das könnte eventuell aus dem Grab von Teddy Mayer kommen.

Die Heidfeld-Personalie überrascht mich ein wenig. Fahrerpaarungen aus dem selben Land sind marketingtechnisch ungewöhnlich. Aber wenn es so kommen sollte, Heidfeld den Vorzug vor Glock zu geben könnte eine Frage des Alters -auch mit Blick auf ein eventuelles Karriereende in einigen Jahren- und der Erfahrung sein. Rosberg soll eindeutig der Racer im Team sein (mit Entwicklerqualitäten) während Heidfeld eher der Entwickler (mit Racerqualitäten) wäre. Solche Pole zu haben ist nicht dumm, Glock stünde da irgendwo wohl eher zwischendrin.

Steve5 17 November, 2009 - 09:06

Na ich denke Button und Rosberg, wären eine gute Fahrerkombination, fürs erste Jahr. Dann schaut man sicher weiter. Mehr als 2 Jahresverträge mit einer Abfindungsoption wird es nicht geben. Haug will Vettel für MercedesGP verpflichten und so wird es auch kommen, eher früher als später.

NoteMe 17 November, 2009 - 09:54

Wenn Button sich anderweitig orientiert, hat Mercedes ja zur Not auch noch einen guten Draht zu Ralf Schumacher. >:)

lanotte 17 November, 2009 - 10:23

ein deutsches Team mit 2 deutschen Fahrern hätte schon was als Deutscher. Am besten noch als Testfahrer (oder besser seit 2009 Ersatz- oder PR-Pilot) einen jungen deutschen Piloten wie Vietoris und das ganze Team inkl. Nobbi Haug werden recht rasch sympathisch.

Die Idee, Schumi noch als Teamchef zu installieren, wäre zu abwägig ?

kingchaos 17 November, 2009 - 10:59

Reizvoll wäre es ja schon, wenn ein deutsches Silberpfeil-Team (Rosberg/Heidfeld) gegen ein britisches Silberpfeil-Team (Hamilton/Button) antreten würde…

Aber bin unter den neuen Vorzeichen mal gespannt, was der Button macht und ob ihn evtl. Mercedes Grand Prix doch noch zum bleiben „überreden“ kann.

Ich 17 November, 2009 - 11:23

Ich sehe das alles nicht so optimistisch. Für schaut das nach weiterer DTMisierung der F1 aus, und das ist das letzte, was die Serie zu allen anderen (massiven!) Problemen noch braucht.

Prometheus 17 November, 2009 - 14:11

Ich bin gespannt, ob Mercedes seinen Job als nun reines Werksteam besser macht als das BMW, Toyota und Honda getan haben. Also ob man wieder mit dem glauben an viel Geld als Allheilmittel und zu komplizierten, büro- und technokratischen Strukturen, bei denen der Vorstand zu viel zu sagen hat, scheitert. Klar, so extrem wie bei den Japanern wirds vielleicht nicht werden, aber BMW(-Sauber) ist doch ein recht guter Vergleich für Mercedes(-Brawn).

Aber ich mag die Marke Mercedes eh nicht besonders, Norbert Haug dazu auch nicht, von daher ist es eh kein Team, für das ich große Sympathie empfinden werde…

ToBa 17 November, 2009 - 16:04

Denkt bei der Konstellation Deutsches Team/ Deutsche Fahrer/ Deutscher Motor eigentlich irgendjemand an die Zuschauer? Heiko Wasser kriegt doch Schnappatmung und Nervenzusammenbruch beim Kommentieren aus deutscher Sicht.

DonDahlmann 17 November, 2009 - 16:11

Hehe, stimmt. Da wird man sich zwischen Mercedes, Rosberg und Vettel entscheiden müssen. Mal sehen, wer mehr Werbeminuten bei RTL bucht. Für die Einschaltquoten ist das allerdings schon nicht schlecht.

Arnulf 17 November, 2009 - 16:53

Andererseits dürfte mit einem rein britischen McLaren-Team die BBC-Berichterstattung (bislang ja der Ausweg aus der Sky-/RTL-Soße) auch nicht unbedingt vielfältiger werden.

Sponsorspiegel 20.11.09 « sportinsider 20 November, 2009 - 17:17

[…] wurde 1955 im Werks-Boliden Weltmeister. Mehr dazu gibt es bei Don Dahlmann im Racingblog unter Formel Eins: Mercedes GP – Rückblich und Ausblick. Gute Analyse […]

Flo 20 November, 2009 - 19:36

Ich stehe einer komplett deutschen Paarung auch eher skeptisch gegenüber. Mir persönlich sind es dann wieder zu viele Deutsche in der Formel 1, die ja eigentlich International gehalten werden soll. Wenn man nun aber mal rechnet das Rosberg schon fast bei Mercedes ist, Sutil wahrscheinlich wieder bei Force India fährt, Vettel eh bei RedBull bleibt, Hülkenberg bei Williams ist, Heidfeld und Glock auch noch irgendwo unter kommen werden sind es dann schon 6 von 26(?) das entspricht einem Anteil von 23%, was ja dann nicht mehr international ist.

Wochenlinks 09-KW47 | verschrieben 20 Februar, 2013 - 15:32

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