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Best of 2017 – Phil

von Philipp Körner
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Der moderne Motorsport kennt das Konzept einer Winterpause quasi nicht mehr. Während in den vielen Rennsportfabriken gerade erbarmungslos an den Boliden der Zukunft gearbeitet wird, bereiten sich die ersten Teams und Fahrer schon wieder auf die Klassiker des Jahresbeginns vor. Für Sportwagenenthusiasten und News-Junkies wie mich ist die ruhige Zeit im Zuge des Jahreswechsels also ziemlich kurz – falls vorhanden. Dadurch bleibt nicht viel Raum für ein intensives Zurückschauen auf die letzten zwölf Monate, die doch ein überbordendes Füllhorn an dem waren, was den Motorsport ausmacht. Lasst uns zusammen die Zeit anhalten!

Mein Kollege Thomas fasst sein Jahr 2017 mit dem Wort Veränderung zusammen. Sowohl in Bezug auf den Motorsport als auch im persönlichen Sinne setzten die letzten 365 Tage einiges in Bewegung. Bei mir sieht es ziemlich ähnlich aus. Mein momentanes Studium befindet sich auf der Zielgeraden und hat den „J. R. Hildebrand“-Punkt vor kurzem intakt passiert. Hoffen wir noch, dass mir ein Indy-500-Finish wie in der Saison 2002 erspart bleibt. Dementsprechend begegne ich 2018 mit einer besonderen Erwartungshaltung.

In einem Umfeld, in dem sich vieles verändert, braucht man Fixpunkte und Hoffnungsträger. Folgerichtig ist die Hoffnung auch 2017 wieder ein gern gesehener Gast in den Fahrerlagern gewesen. Ohne sie wäre das DPi-Konzept der IMSA beispielsweise nie entstanden, das in eine Welt von Skeptikern hineingeboren wurde. Wie viele andere stand ich der Idee anfangs ausgesprochen kritisch gegenüber. Genervt von den überalterten Daytona-Prototypen und ihren Einstufungsdilemmas sehnte ich mich nach dem späten „Sieg der europäischen LMP2“. Doch dann betraten sie die Bühne des Rennsports – die ästhetischen Mazdas, die röhrenden Cadillacs und die aggressiven Nissans.

Als bekennender Gruppe-C-Liebhaber war ich sicherlich gefundenes Fressen für den Reiz, welchen die DPi aussenden. Differenzierbare Motorenklänge, charakteristische Aerodynamik und die nie langweilig werdende Silhouette von LMP packten einen von Beginn an. Jedoch sollte schlussendlich eine ganze IMSA-Saison dafür nötig gewesen sein, die DPi, allen voran Cadillac, und die ursprünglichen LMP2 anzugleichen. Der spät erkämpfte erste Saisonsieg von Spirit of Daytona Racing in Laguna Seca und der Abschlusserfolg des ESM-Nissans beim Petit Le Mans verbreiten glücklicherweise BoP-Optimismus für die Zukunft. Dass nun auch noch Acura (bzw. Honda) mit der Hilfe des Traditionsteams von Roger Penske eingestiegen ist und Joest das Projekt von Mazda übernahm, macht die Prototypenklasse der IMSA zum Hoffnungsträger des Jahres für mich.

Wie aus Hoffnung Erfolg werden kann, bewies eine italienische Traditionsmarke. Dank einer größeren Finanzspritze Lamborghinis und eines starken Werksfahrerkaders wurde der Huracán GT3 endlich zu der Erfolgsgeschichte, die dem eigenständig gebauten Renner prophezeit wurde. Neben den Titelgewinnen in der Blancpain GT Series reüssierte er in diversen weiteren Meisterschaften (z.B. International GT Open). In Relation gesetzt ist der Huracán GT3 somit das Auto des Jahres für mich. Für die Kategorie des besten Fahrzeugs des Jahres sind sicherlich andere Nennungen viel sinnvoller.

Mir fiele dafür sofort die neueste und letzte Iteration des Porsche 919 Hybrid ein. Die Ingenieure der Dr. Ing. h.c. F. Porsche Aktiengesellschaft haben sich mit dieser Bolidenreihe ein rennsportliches Denkmal gesetzt. So haben sie mit ihr nicht nur die 24 Stunden von Le Mans neu definiert – sie haben auch die Latte für Werkseinsätze in komplett neue Sphären aufsteigen lassen. Einen besonders spannenden Einblick in die Hintergründe lieferte Kollege Flo im Zuge des WEC-Saisonfinales.

Zudem sollte auch der Mercedes AMG F1 W08 EQ Power+ genannt werden, der in der Formel 1 ebenfalls eine erfolgreiche Ära ausbauen konnte. Die schlauen Köpfe aus Stuttgart und Brackley sind demnach weiterhin das Maß aller Dinge und werden uns auch 2018 wieder mit smarten Kreationen überraschen – sehr zum Missfallen der Konkurrenz.

Die Mannschaften hinter diesen beiden Wunderboliden teilen sich damit meinen Titel des Teams des Jahres. An sich würde ich ja gerne eine Münze werfen, aber ich hatte ja am Anfang die Zeit angehalten – blöd gelaufen. Zusätzlich zu diesem Duo haben sich noch weitere Truppen anerkennende Jahresabschlusskopfnicker redlich verdient:

  • Callaway Competition (GT-Masters-Meister nach hartem Kampf gegen Werks-Goliaths)
  • Corvette Racing (Alive and Kicking – trotz neuer GTLM-Konkurrenz wieder Titelträger)
  • DJR Team Penske (Supercars-Team-Champions nach großflächigem Umbau)
  • Furniture Row Racing (vgl. Best of von Thomas)
  • Goodsmile Racing & TeamUKYO (Bestes GT300-Team und Spa-Pechvögel)
  • GRT Grasser Racing Team (BGTS-Meistermannschaft)
  • Land-Motorsport (Sieger der 24 Stunden auf dem Nürburgring nach Kampf gegen Technik und Elemente)
  • Lexus Team KeePer TOM’s (GT500-Titelträger)
  • Team BMW / West Surrey Racing (BTCC-Meister im ersten Jahr des Werksteamdeals)
  • Team Penske (Anhaltende Dominanz in der IndyCar Series und fast Petit-Le-Mans-aus-dem-Stand-Gewinner)
  • Toyota Gazoo Racing (Le Mans 2018 – ganz bestimmt!)
  • Wayne Taylor Racing (Dominierendes DPi-Team und verdiente Meister)

Nahezu alle genannten Teams waren auch in meinen besten Rennen des Jahres vertreten. Da ich bekanntlich eine große Vorliebe für traditionelle Langstreckenklassiker habe, ist es wohl kaum verwunderlich, welche Veranstaltungen nun folgen werden. An erster Stelle seien wie immer ehrfürchtig die 24 Stunden von Le Mans genannt, die sicherlich kein 1.440-Minuten-Dauer-Feuerwerk gewesen sind. Doch die Abschlussbilanz spricht für sich: Beinahe-Sieg eines LMP2, beinhartes GTE-Pro-Finish und beide LMP1H-Hersteller am extremen Rand ihrer technischen Möglichkeiten. Die 85. Ausgabe wird zweifelsohne noch viele Kapitel zukünftiger Motorsportlektüre füllen und den Mythos Le Mans nachhaltig prägen.

Auch die Eifel bot 2017 regelmäßig eine Bühne für dramatisch-historische Schlussphasen. Neben den vielen sehenswerten VLN-Läufen sollte natürlich das 24-Stunden-Rennen aus der Masse an Veranstaltungen herausstechen. Unter anderem war das Wetter überdurchschnittlich sonnig und trocken, wodurch lange Zeit die Hoffnung generiert wurde, dass es mal wieder eine Ausgabe ohne Regen geben könnte. Doch das sah die Eifel naturgemäß komplett anders und stellte den späten Rennverlauf umfangreich auf den Kopf. Ihr perfider Regen hatte das beste und wohl längste Finish des Jahres zur Folge:

Das europäische Langstrecken-Trio wurde wie immer von den 24 Stunden von Spa-Francorchamps abgerundet, welche in Sachen Action und Spannung ebenfalls nicht geizten. Seht selbst:

Zusätzlich dazu könnte ich noch etliche weitere grandiose Endurance-Läufe nennen. Die Liste würde dann aber mit den 24 Stunden von Daytona beginnen und im zeitlichen Umfeld des Bathurst 1000 enden. Dass mir dermaßen viele Optionen einfallen, ist sowohl ein gutes Zeichen für den Motorsport als auch ein schlechtes für mein Freizeitkonto.

Ausnahmsweise sind noch zwei kürzere Rennen in meine illustre Liste gerutscht. Zum einen feierte der Audi Sport TT Cup seinen Pseudo-Abschluss mit einem Audi-Legendenrennen. Und das war fantastisch!

Zum anderen war das Supercars-Saisonfinale im malerischen Newcastle pure Werbung für den Automobilsport. Aber das habt ihr ja bereits bei Thomas gelesen!

Hoffnung ist sicherlich eines der meist genutzten Rennfahrerwörter. Häufig wird nach Rückschlägen auf das nächste Rennen oder gar das nächste Jahr gehofft. Gerne erscheint auch mal eine Situation als komplett hoffnungslos. Fernando Alonso könnte vor allem letzteres mehrmals im Laufe des Jahres gedacht haben – hauptsächlich wenn eine Honda-Rauchfahne seine Spiegel füllte. Doch mitten in dieser Misere entwickelte sich etwas, das den Rennsport nachhaltig reformieren könnte: Der Spanier entdeckte das Racing wieder für sich. Was mit einem umfangreich umjubelten Indy-500-Gastspiel seinen Anfang fand, wird bei den 24 Stunden von Daytona fortgesetzt werden und womöglich bei den 24 Stunden von Le Mans seinen absoluten Höhepunkt erreichen. Hoffentlich wird mein Fahrer des Jahres damit das Gesicht eines neuen Zeitgeists im Motorsport.

Die Klasse eines Fahrers wird nicht zu Unrecht an gelungenen Überholmanövern gemessen. Davon gab es bei der letzten Ausgabe der 12 Stunden von Bathurst mehrere zu sehen – unter anderem auch mein Überholmanöver des Jahres. Selbiges war passenderweise auch Teil meines Duell des Jahres, welches einen angepissten Deutschen, einen verunfallten Neuseeländer und triumphale Altherren zur Folge hatte:

Über die letzten Jahre hinweg habe ich eine Faszination für verschiedenste Motorsport-Disziplinen entwickelt. Was vor mehr als einem Jahrzehnt mit der Formel 1 begann, umfasst heutzutage quasi jede Form von Automobilsport. Jedoch gab es bis 2017 noch einen blinden Fleck in meinem Repertoire: Dragster-Rennen. Eine extrem spannende NHRA-Saison konnte diesen dramatischen Missstand glücklicherweise endgültig beheben. Legendentochter Brittany Force ging aus dieser als Top-Fuel-Champion hervor (bitte nicht Carmen Jorda erzählen) und gewann mich nebenbei noch als Fan.

Vor genau einem Jahr hätte ich mir aber nicht mal ansatzweise vorstellen können, dass mich das wenige Sekunden lange Geradeausfahren derart mitreißen kann, doch meine Überraschung des Jahres belehrte mich eines Besseren. Besonders als Ergänzung zu anderen, parallel laufenden Rennen bieten die kurzen Runs eine perfekte Mischung. Spannend, kompakt und immer entscheidend!

Ein mögliches Gegenteil von Hoffnung ist Enttäuschung. Leider verspürte ich selbige während der letztjährigen Formel-1-Saison häufiger, was auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden kann. Einen Großteil nimmt dabei der extrem schnell verglühte Liberty-Media-Hype ein, welchen wir im Jahresendpodcast länger besprochen haben. Noch ärgerlicher war für mich der stupide Umgang mit der Kopfschutzlösung. So starb der Aeroscreen im Abseits darbend und der Schutzschild wurde nicht mal umfangreich weiterentwickelt. „Vielen Dank“ noch mal an Sebastian Vettel…

Leider kamen auch viele F1-Läufe als langweiligste Rennen des Jahres daher und ich bin sonst eigentlich kein „Alles-ungeil-hier-F1-Fan“. Dementsprechend hoffe ich sehr auf ein tolles 2018 der Königsklasse, das ordentlich Brandbeschleuniger in meine erste Motorsportliebe gießen kann.

Mein Motorsport-Herz stand 2017 mehrmals still. Meistens waren geniale Zieleinläufe oder faszinierende Manöver die Auslöser dessen, doch am 28. Mai war es kein so schöner Anlass. Quasi noch in der Schockstarre des brutalen Bourdais-Einschlags befindlich mussten wir zusammen den gewaltigen Abflug Scott Dixons mitverfolgen, der von allen Schutzengeln Indianapolis‘ abgefangen werden konnte. Der Glückspilz des Jahres bewies im späteren Interview übrigens eindrucksvoll, warum er einer der größten Racer der Geschichte ist:

Für meinen Spruch des Jahres (in diesem Fall eher Konversation) müssen wir in den März des nun vergangenen Jahres zurückgehen. Die 12 Stunden von Sebring befanden sich in ihrem letzten Viertel und eine Safety-Car-Phase legte den Grundstein für ein äußerst spannendes Finish. Während das Feld hinter dem blinkenden Rennleitungsfahrzeug zirkulierte, erschien plötzlich ein leuchtender Punkt am Himmel. Dieser war ein Satellit samt angeschlossener Rakete, der im nahen Cape Canaveral aufgebrochen war. Technikfans aller Länder, vereinigt Euch:

Das Rennsportjahr 2017 hatte jedoch auch einige tragische Tiefpunkte wie den tödlichen Unfall bei der Rallye Monte Carlo. Wir haben viele große Athleten und Menschen verloren, die den Sport maßgeblich geprägt haben. Ich erinnere diesbezüglich unter anderem an John Surtees und Nicky Hayden. Ihr Andenken wird am besten bewahrt, indem wir als Gemeinschaft zusammenhalten. Dass wir dazu mehr als fähig sind, bewies die grenzenlose Unterstützung für Billy Monger. Diesen Spirit wünsche ich mir für 2018 und alle darauffolgenden Jahre.

Für Euch, werte Leser, setze ich nun nicht nur die Zeit wieder in Bewegung, ich bedanke mich auch herzlich für Eure Unterstützung, Eure Nachsicht und Eure Leidenschaft für den Motorsport. Ich bin mir sehr sicher, dass wir zusammen ein gigantisches Rennsportjahr 2018 haben können. Bleibt gesund und vor allem verrückt!

Bilderquelle / Copyright: ADAC (GT Masters); Blancpain GT Series (SRO); BTCC; FIA WEC; IMSA; IndyCar; McLaren F1; Mercedes F1; NASCAR; Porsche Motorsport; Super GT (GTA)

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