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Best of 2014 – Yankee

von geinou
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Zum Jahreswechsel schauen die Racingblog-Autoren auf das vergangene Jahr zurück und stellen ihre persönlichen Highlights und Enttäuschungen zusammen.

In Japan gibt es seit dem 15. Jahrhundert die Tradition des bōnenkai, bei dem sich meist Arbeitnehmer aber auch Freunde üblicherweise im Dezember versammeln. Während man das Ganze als „Jahresabschlussfeier“ betrachten könnte, heißt bōnenkai wörtlich übersetzt „Zusammenkunft zum Vergessen des Jahres“. Und letztlich ist die wörtliche Bedeutung auch Programm: Arbeitnehmer oder Freunde versammeln sich, um die Probleme und Leiden des Jahres zu vergessen und mit Hoffnung auf das neue Jahr zu blicken. Das Konzept, bei dem sehr viel Alkohol konsumiert wird, ist für einige Ausländer mitunter nur schwer zu greifen. Solch eine Feier hatte ich dieses Jahr nicht, weshalb ich mich kurzerhand entschlossen habe, dieses „Best of“ einfach zu meinem persönlichen bōnenkai zu transformieren. Die Geister, die ich rief, sind um mich herum versammelt, ein guter Bourbon Whiskey steht bereit. Keine Sorge: Natürlich wird es nicht persönlich. Wir bleiben stets in der Welt des Motorsports, stets bei den „Kreisfahrern“.

2014 begann mit einem schrecklichen Unfall von Memo Gidley bei den 24 Stunden Daytona und hörte mit einem schrecklichen Unfall von Mark Webber beim WEC-Saisonfinale in Sao Paulo auf. Diese beiden Unfälle umrahmen irgendwie das Jahr, an dessen Ende ich einfach nur müde bin. Ich weiß, dass viele unserer Leser wie auch aktiven Chat-Teilnehmer immer nach „mehr“ schreien. Mehr Rennen, mehr Motorsport im Winter. Persönlich finde ich diese Pause aber doch recht erholsam. Den ganzen Zirkus zu verfolgen, zehrt mitunter schon sehr an der persönlichen Lebensbatterie. Über, in meinem persönlichen Fall, zwei Serien mitunter etwas zu ausführlich zu berichten, dazu irgendwie noch Job und Co. unter einen Hut zu bekommen, entlädt die Batterie teilweise jedoch komplett. Das klingt natürlich nun wehleidiger, als es eigentlich gemeint ist. Aber ich spreche wohl für jeden der Racingblog-Redakteure, wenn ich sage, dass wir selbstredend froh sind, dass unsere Arbeit geschätzt und gemocht wird, das Ganze aber natürlich nicht vom Baum fällt und, verzeiht bitte den kräftigeren Ausdruck, verdammt viel Zeit beansprucht. Außerdem habe ich bereits zwei Gläser intus.

Solch ein Jahr ist ganz schön lang. Bei so vielen Serien, die man irgendwie versucht zu verfolgen, vergisst man schnell einiges. Das ist traurig, da so oftmals einige Momente in Vergessenheit geraten. So musste ich eben zweimal überlegen, wer denn eigentlich das Indianapolis 500 gewonnen hat (es war Ryan Hunter-Reay). Beim Daytona 500 fiel es mir hingegen sofort ein. Den traurigen Höhepunkt dürfte das Jahr wohl bei den beiden tragischen Zwischenfällen von Kevin Ward jr. und Jules Bianchi gehabt haben. Während ersterer leider von uns gegangen ist, ist nach wie vor ungewiss, wie und ob letzterer rehabilitiert wird. Das Gleiche gilt für Michael Schumacher, der vor knapp einem Jahr seinen tragischen Unfall hatte. An dieser Stelle möchte ich der Familie Ward nochmals mein tiefstes Beileid ausdrücken sowie den Familien Schumacher und Bianchi weiterhin viel Kraft und Ausdauer wünschen.

2014. Ein Jahr vieler Vorsätze und Wünsche. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass so gut wie gar nichts in Erfüllung ging. Auch die Vorsätze, mal auf die Arbeit hier im Blog bezogen, haben nicht so wirklich geklappt. Pläne hat man ja viele. Einer der Pläne war, vielleicht nicht mehr ganz so viele Worte pro Artikel zu verlieren. Hat nicht wirklich geklappt, genauso wie manche Artikel einfach aus privaten wie auch zeitlichen Gründen nicht immer so klappten, wie man eigentlich wollte. Da verzweifelt man manchmal und… jetzt wird’s ja doch wehleidig. Fangen wir also mal schnell mit den einzelnen Kategorien an. Außerdem habe ich nun drei Gläser intus. Hey, wusstet ihr, dass der aus der japanischen Folklore stammende Meeresgeist Shōjō eine besondere Vorliebe für Alkohol hat? Nicht? Ok.

 

Bestes Rennen

Spontan fallen mir da gleich einige Rennen ein. Ganz vorne dabei wäre da zum Beispiel, und nach vielen Jahren der dort stattfindenden Taktikklassiker überraschte mich das sehr, der Grand Prix von Bahrain der Formel 1. Das erste Mal in der Wüste unter Flutlicht zauberten insbesondere Nico Rosberg und Lewis Hamilton ein Feuerwerk um die Führung ab. Aber auch im Mittelfeld wurde hart gekämpft. Dazu hatten sich Pastor Maldonado und Esteban Gutiérrez ganz lieb. Glücklicherweise ging der Überschlag des Mexikaners glimpflich aus. Und auch wenn es fast schon ein Eingeständnis des neuen Chase-Formats der NASCAR ist (ist es nicht), so war das Sprint-Cup-Finale in Homestead-Miami unglaublich spannend. Und am Ende gewann mit Kevin Harvick auch noch der kompletteste Pilot der Saison, weshalb das Ganze auch noch ein versöhnliches Ende nahm. Für die persönliche Wahl zum besten Rennen des Jahres möchte ich aber dann doch in Japan bleiben. Sowohl Super GT als auch Super Formula haben 2014 wieder einige klasse Rennen abgeliefert. Eigentlich kann man die Rennen, bei denen vielleicht nicht ganz so viel passiert ist, an zwei Fingern abzählen. Nennenswert wären beispielsweise die Saisonstarts der Super GT in Okayama sowie der Super Formula in Suzuka. Motorsport vom Feinsten, mit viel Spannung bis zum Schluss. Auch die 1000 km von Suzuka waren ein absoluter Schmaus bis zum Schluss, und selbst das Premierenrennen in Thailand auf der etwas seelenlose Strecke von Herman Thielke, obgleich das Rennen direkt nach dem Ende des Japan-GP der Formel 1 stattfand, war sehr unterhaltend. Manche Serien können scheinbar überall eine tolle Show abliefern. Nicht zu vergessen sind außerdem die Rennen der Super Formula im Sportsland Sugo (immer gut) sowie das Finale in Suzuka (starke Duelle im Regen).

Meine persönliche Wahl fällt jedoch auf das Sommerrennen der Super GT am Fuji Speedway. Geplagt von Taifun Halong verwandelte sich der Kurs am Fuße des Wahrzeichens Nippons binnen weniger Runden zum Schwimmbad. Kein Problem für die Regen-erprobten Fahrer, die hervorragende Action ablieferten, bis die Rennleitung doch mal für kurze 30 Minuten das Rennen aufgrund der unfahrbaren Bedingungen unterbrach. Danach ging es jedoch munter bis zum Schluss weiter. Am Ende gewann mit Honda zudem noch eine Marke, welche zum einen die ersten Rennen mit einem komplett unterlegenen Auto der Konkurrenz hinterherfuhr, zum anderen beim Frühjahrsrennen am gleichen Ort alle Autos aufgrund technischer Probleme nicht im Ziel sah. Zudem zählte die Hochgeschwindigkeitsbahn in der Vergangenheit nicht immer zu den stärksten Kursen für Honda. Als man dann mit über 300 km/h die lange Start- und Zielgeraden entlang bretterte, waren alle Beteiligten mehr als nur überrascht. Die Super GT im Regen auf dem Fuji Speedway war Motorsport vom Feinsten. Das offizielle Highlights-Video wird der Action eigentlich gar nicht gerecht.

 

Bestes Finish

Auch hierfür muss ich in Japan bei der Super GT bleiben. Gleich zwei Finishes fallen da besonders in Auge. Zum einem jenes um den Sieg in der GT300 beim Saisonstart in Okayama zwischen Nobuteru Taniguchi (GSR Hatsune Miku Z4) sowie Jörg Müller (Studie Z4). Der Deutsche holte Stück für Stück auf den Japaner auf, sodass in den finalen Runden ein heißer Kampf um den Sieg entbrannte. Letztlich konnte sich Taniguchi mit gerade 0,329 Sekunden vor Müller behaupten. Entsprechend rief Taniguchi „save!“, als er aus dem Auto ausstieg. Meine Wahl fällt jedoch auf das Finish beim Saisonfinale in Motegi. Erneut war Nobuteru Taniguchi einer der involvierten Fahrer. Während vorne Katsuyuki Hiranaka / Björn Wirdheim im Gainer Dixcel SLS zum Sieg eilten, kämpfte Taniguchi zusammen mit Teamkollegen Tatsuya Kataoka um den dritten Platz. Würden sie von den Podiumsrängen fallen, wären Hiranaka und Wirdheim die Champions geworden. Bereits zur Halbzeit des Rennens heizten Richard Lyons und Tomonobu Fujii in ihrem Audi R8 dem BMW-Duo richtig ein. Zu einem Zeitpunkt ging man sogar am bunten Miku-Z4 vorbei, wodurch Kataoka / Taniguchi kurzzeitig die Meisterschaft aus den Händen gaben. Nach den Boxenstopps kämpfte sich Taniguchi jedoch zurück und behauptete sich am Ende vor Fujii, der nach dem zweiten Podiumserfolg des Jahres für seine Mannschaft lechzte. Zwar ging es in dem Duell „nur“ um den Bronzerang. Weil jenes Duell aber quasi ein Fernkampf um die Meisterschaft war, und auch erst in der letzten Runde entschieden wurde, war es mein Finish des Jahres.

 

Bester Fahrer

Ehre wem Ehre gebührt: Lewis Hamilton war diese Saison der kompletteste Fahrer in der Formel 1. Mit Nico Rosberg bekam er zwar aus dem eigenem Team starken Gegenwind, letztlich behielt der Brite aber die Oberhand – und das, obwohl er einen Ausfall mehr zu verbuchen hatte. Man muss Hamiltons Art nicht mögen. Allerdings ist er ein klasse Rennfahrer, der dieses Jahr seine Qualitäten unter Beweis stellte. Vielleicht auch weil ich nun fast schon das vierte Glas intus habe, geht meine Wahl jedoch nicht an Hamilton, sondern an Ronnie Quintarelli. Das mag mitunter auch mit der Japan-Brille, die ich aufhabe, zu tun haben. Aber auch mit Hamiltons weinerlichen Aussagen während und nach den Rennen. Dieser „Krieg der Sterne“, so wie die Medien das Duell zwischen ihm und Rosberg gerne hochgejubelt haben, war vielleicht unterhaltsam, aber auch etwas zu übertrieben. Hamilton traf öffentlich einige merkwürdige Aussagen, fühlte sich vom Team hintergangen, hatte während der Rennen, wie in Spa, nachdem Rosberg mit ihm kollidierte, oftmals keine Lust mehr und wollte lieber „den Motor schonen“, anstatt noch wenigstens zu versuchen, ein paar wertvolle Punkte mitzunehmen. Keine Frage: Ich verneige mich vor Hamiltons Leistung. Er ist ein Weltklassefahrer, der absolut verdient Weltmeister wurde. Ähnlich einem Kevin Harvick in der NASCAR, der trotz einiger Rückschläge eine absolut konstante und überragende Saison fuhr, und ebenfalls an dieser Stelle genannt werden könnte, kämpfte sich Hamilton sogar von einem recht beachtlichen Rückstand wieder an die Spitze.

Meine Wahl fällt aber auf Ronnie Quintarelli, weil er zusammen mit seinem Teamkollegen Tsugio Matsuda nach einem eher suboptimalen Saisonstart ebenfalls den Weg in die Erfolgsspur zurückfand. Er blieb ruhig, machte keine Fässer auf und demonstrierte tolle Überholmanöver auf der Strecke. Zudem war es für Quintarelli bereits der dritte Titel in vier Jahren, was in einer solch engen wie auch umkämpften Rennserie wie der Super GT eine mehr als nur beachtliche Leistung ist. Der Italiener mag dieses Jahr (oder generell) nicht so präsent gewesen sein. Aber vielleicht aus genau diesem Grund verdient er, meiner bescheidenen Meinung nach, diese Auszeichnung. Einen Fahrer, bei einem „Best of“ für ein einzelnes Jahr, für seine Leistung in den letzten vier Jahren zu belohnen, klingt zwar nach Cheating. Aber hey, wusste ihr das Genji Monogatari als der erste (moderne) Roman der Welt angesehen wird? Nicht? Ok.

 

Bestes Team

Mercedes. Wer so viel Geld in die Entwicklung seines Formel-1-Wagens steckt, der will auch verdammt flink auf der Strecke sein. Und das war der Silberpfeil. Kein anderes Team konnte mit den „Sternenkriegern“ mithalten. Lewis Hamilton wie auch Nico Rosberg fuhren Kreise um ihre Konkurrenten. Hätten die beiden nicht zu Beginn der Saison freie Fahrt gehabt, hätte es an der Spitze mitunter ziemliche Langweiler geben können. So bekämpften aber immerhin die beiden Mercedes-Piloten um den Sieg, während der Rest um Platz drei fahren konnte. Sicherlich gab es hier und da ein paar technische Probleme, von denen dann Red Bull und speziell Daniel Ricciardo profitierte. Auch einige Fauxpas im kommunikativen Bereich sollen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mercedes das Team war, das es dieses Jahr (zumindest in der Formel 1) zu schlagen galt. Vergleicht man deren Leistung mit anderen Serien, was wohl etwas unfair ist, so hatte kein anderes Team solch eine starke Dominanz aufweisen können. Nennenswert wäre aber auch Toyota, die mit ihrem zweiten WM-Titel in der WEC dem großen Konkurrenten Audi die lange Nase zeigte, auch wenn es erneut nicht zum Gewinn der 24 Stunden von Le Mans reichte. Zwar ist der WEC-Triumph medial international ungefähr so interessant wie die 24 Stunden vom Nüburgring, dennoch sollte dieser Umstand nicht die Leistung der Japaner (und Kölner) schmälern. An dieser Stelle sei auch Nissan, speziell das Werksteam Nismo, erwähnt, die in der hart umkämpften Super GT die Oberhand behielten, obgleich Lexus als der große Favorit in die Saison ging. Neben dem GT500-Titel feierte man zudem in der Autopolis einen Dreifacherfolg.

 

Überholmanöver des Jahres

Über die klasse Wasserschlacht der Super GT am Fuji Speedway habe ich bereits geschrieben. Genau bei diesem Rennen ereignete sich meiner bescheidenen Meinung nach auch das beste Überholmanöver des Jahres. In der achten Runde, als es bereits richtig schüttete, bekriegten sich, aus der 13. Kuve kommend, Kosuke Matsuura (ARTA NSX Concept-GT) sowie Takashi Kogure (Raybrig NSX Concept-GT). Zu zweit nebeneinander, mitsamt leichter Berührung, schossen sie auf die Netzkurve zu. Beide kamen im Duell leicht von der Ideallinie ab, wodurch Juichi Wakisaka (Denso Sard RC F) in die Lücke innen hineinstechen konnte. Zu dritt nebeneinander fuhren die Drei durch die Kurven, wobei sich im Sprint zur finalen Kurve vor Start und Ziel der mittig befindliche Takashi Kogure durchsetzen konnte. Zweiter Profiteur war Juichi Wakisaka, der sich eingangs Start/Ziel dann Matsuura krallte.

Super GT Fuji
Das Manöver ist auch im offiziellen Highlights-Video enthalten. Ab Sekunde 52 geht es los.

Erwähnenswert ist außerdem das bärenstarke Überholmanöver von Naoki Yamamoto gegen Narain Karthikeyan beim Super-Formula-Saisonfinale in Suzuka. Außen in Kurve eins krallte sich der Japaner den Inder. Da wurden selbstverständlich Erinnerungen an das Manöver von Kimi Räikkönen gegen Giancarlo Fisichella an just der gleichen Stelle 2005 wach. Mit dem großen Unterschied, dass Yamamoto das Überholmanöver bei starkem Regen setzte. Zu sehen gibt es das Ganze im Highlights-Video ab der vierten Minute:

Super Formula Suzuka

 

Feinde / Duell des Jahres

Über den von den Medien ausgeschlachteten „Krieg der Sterne“ hatte ich bereits weiter oben geschrieben. Tatsächlich kann man den Kampf Hamilton gegen Rosberg um die WM-Krone in der Formel 1 auch als das Duell des Jahres sehen. Den Anfang fand das Ganze in Bahrain, als sich die beiden knüppelhart auf der Strecke bekämpften, dabei sich sogar mitunter ins Streckenaus abdrängten. Was folgte waren weitere enge Zweikämpfe, eine verbale Schlammschlacht, ein aus Hamiltons Sicht absichtliches Parken von Rosberg während der Monaco-Qualifikation, um so die Pole-Position zu sichern, sowie der wohl vermeintliche Höhepunkt in Spa-Francorchamps, als Rosberg ohne Rücksicht auf Verluste in den Zweikampf hineinhielt und so eine vermeidbare Kollision in Kauf nahm. Das war wohlgemerkt keine Absicht seitens des Deutschen. Anders als später berichtet wurde, wollte Rosberg Hamilton nicht abschießen. Stattdessen war es ihm quasi „egal“, ob es kracht. Entsprechend hatte er also nicht absichtlich, sondern rücksichtslos gehandelt. Natürlich sollten so insbesondere Teamkollegen nicht miteinander umgehen. Spätestens seit diesem Moment waren die Medien jedoch in Tränen. Der „Krieg der Sterne“ war geboren. Und Rosberg wurde von der Führungsetage an die Leine genommen. So ansehnlich das Duell der Beiden über das Jahr auch war, umso übertriebener fand ich die Reaktion der Medien. Letztlich wurde das Ganze größer gemacht, als es war.

Als Feinde des Jahres würde ich die Beiden aber dann noch nicht bezeichnen. Die Ehre geht an Brad Keselowski gegen das restliche NASCAR-Fahrerfeld. Gefühlt hatte sich „Bad Brad“ mit nahezu jedem Piloten angelegt. Oftmals war es sogar nicht mal seine Schuld. Oftmals gab es auch gar keinen Grund, komplett auszuflippen. Manchmal hingegen schon. Der Klimax der Fehde „Keselowski gegen die NASCAR-Welt“ wurde wohl gegen Ende des Chase erreicht, als sich Schlägereien entwickelten, bei denen wohl selbst die WWE-Offiziellen zu Tränen gerührt wären. Oftmals musste Keselowski nicht mal etwas tun. Da reicht es schon, wenn Kevin Harvick aus dem Nichts einen Schubser tätigt, wodurch eine große Schlägerei ausbrach. Geboren war das Meme des „harvicking“. Harvicking out of nowhere. Nicht umsonst nennt man ihn auch “Mr. Where the heck did he come from?” Nicht etwa, weil er bei den Plate-Rennen immer aus dem Nichts ganz vorne zum Schluss auftaucht… „Pushing for SummerSlam“ bekommt da eine ganz neue Bedeutung. Ich schenk mir noch ein Glas ein.

 

Überraschung des Jahres

Überraschungen gab es dieses Jahr so einige. Zum einen wäre da Williams zu erwähnen. Der Traditions-F1-Rennstall hat sich diese Saison aus dem hinteren Mittelfeld zum ersten Verfolger von Mercedes entwickelt. Sowohl Valtteri Bottas wie auch Felippe Massa kämpften oftmals überlegen, manchmal auch etwas enger, mit den Red Bull um den dritten Podiumsrang. Williams zeigt, dass auch kleinere Teams nach wie vor Erfolg haben können. Freilich tat der bärenstarke Mercedes-Motor ebenfalls seine Arbeit. Dennoch sollte dies lediglich als Schlüsselkomponente zum Erfolg gesehen werden, nicht als Allheilmittel. „El Cheffe“ Don hat es in seiner Formel-1-Rückschau hervorragend beschrieben. Williams kam wie der Phoenix aus der Asche. Bleibt nur zu hoffen, dass es in den kommenden Jahren so weitergeht.

Ebenfalls überraschend war das Thailand-Debüt der Super GT. Der Kurs wurde von den Fans im Vorfeld als seelenlos und ohne Charakter beschrieben. Flach wie eine Flunder kann die von Herman Tielke entworfene und in Buriram liegende Strecke den japanischen Bahnen nicht das Wasser reichen. Wenn man den Chang International Circuit jedoch mit einem Adjektiv positiv assoziieren würde, dann wäre es das Wort „schnell“. Tatsächlich bretterte die Super GT dort so flink wie auf keiner anderen Strecke im Kalender über den Asphalt. Entsprechend war das Thailand-Gastspiel auch das schnellste Rennen des Jahres. Und unterhaltsam war es ebenfalls. Es machte einfach Spaß zuzuschauen, wie die neuen GT500-Wagen um den Kurs heizten. Gepaart mit vielen Duellen sowie dem noch frischen Asphalt entstand ein spannendes, sehr unterhaltsames wie auch taktisches Rennen. So war es Lexus, die auf einen Reifenwechsel verzichteten und sich so einen Vorteil herausfuhren. Anders als bei der Formel 1 im russischen Sotschi bewegten sich die Akteure jedoch auf einem schmalen Grad. Wer die Pneus zu sehr beanspruchte, verlor auf den gebrauchten Schlappen zu viel Zeit. Fazit: Eine überraschend tolle Premiere, die kommendes Jahr ihre Fortsetzung finden wird.

 

Enttäuschung des Jahres

Vielleicht ist es etwas zu extrem, von der Enttäuschung des Jahres zu sprechen, doch persönlich war ich mit der Performance der Honda enttäuscht – serienübergreifend. Natürlich habe ich hierbei die Super GT wie auch Super Formula im Blickwinkel, in denen Honda zu Beginn des Jahres der Konkurrenz hinterherfuhr. Dies war insbesondere deshalb enttäuschend, da man als erste Marke ihren NSX Concept-GT fertigstellte. Da dieser aber nicht dem neuen Reglement der GT500 entspricht (Mittelmotor, Hybrid-System), musste eine Blanace of Performance angewandt werden. Honda fand, dass der Wagen etwas zu schwer war. Von dieser Seite aus gab es ein Zugeständnis der GTA, weshalb man die Zusatzkilos des Wagens etwas reduzierte. Das Hauptproblem war jedoch der zu schwache Motor, der deutlich weniger Leistung als die Pendants von Toyota und Nissan produzierte. Beim Frühjahrsrennen auf dem Fuji Speedway fehlten den NSX teilweise bis zu 10 km/h auf die Spitze. Zu viel, besonders auf einem Kurs, auf dem Höchstgeschwindigkeit eine entscheidende Rolle spielt. Hinzu kamen Kühlungsprobleme, weshalb alle Honda-Teams beim ersten Fuji-Auftritt ausfielen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürften alle Alarmsirenen quer durchs Honda-Hauptquartier gleichzeitig gekreischt haben.

Das gleiche Problem war auch in der Super Formula zu sehen, wo man mit dem gleichen Motor startet. Die Zeit bis zum Sommer wurde deshalb zur Fehlerbeseitigung genutzt. Der Motor bekam mehr Leistung, was letztlich in beiden Serien auch zum Erfolg führte. In der Super GT gewann man ausgerechnet die Wasserschlacht am Fuji, wo man Monate zuvor noch eine der bittersten Niederlagen erlitt. Gleichzeitig wurde die Kühlung des NSX Concept-GT verbessert, wodurch der Wagen deutlich konkurrenzfähiger wurde. Der Chamionship-Zug war zu dem Zeitpunkt zwar schon nahezu abgefahren. Dennoch war ein allgemeiner Aufwärtstrend durch alle Honda-Teams zu erkennen. In der Super Formula war es insbesondere Rookie Tomoki Nojiri, der mehrmals knapp an seinem ersten Karrieresieg vorbeischrammte. Im Sportland Sugo sollte ihm dann letztlich der Sprung auf die Mitte des Podiums gelingen. Es bleibt zu hoffen, dass man über den Winter weiter an den Achillesverse des Motors sowie der Performance des NSX Concept-GT arbeitet, um den Aufwärtstrend fortzusetzen.

Ähnliches sollte auch für die WTCC gelten, wo man dieses Jahr als eine von zwei Marken mit Werksengagement gegenüber Citröen klar den Kürzeren ziehen musste. Das war insbesondere deshalb enttäuschend und bitter, da man gegenüber den Franzosen einen Entwicklungsvorsprung hätte haben sollen. Stattdessen fuhr Citröen größtenteils alles in Grund und Boden. Ein japanischer Honda-Fan meinte zu mir: „Ich hoffe, dass dies kein Vorbote für die Formel-1-Rückkehr ist.“

 

Langweiligstes Rennen

Die einfache Antwort: Eines der vielen 1,5-Meilen-Rennen der NASCAR. Da gab es einige Einschlafhilfen. Wirklich erinnern tue ich mich an sie aber auch nicht mehr, könnte also nicht mal ansatzweise argumentieren, weshalb ich sie langweilig fand. Vielleicht waren sie aber auch deshalb langweilig. Oder die NASACAR hat einfach zu viele Rennen im Jahr. Die zweite einfache Antwort wäre deshalb: Der Russland Grand Prix der Formel 1. Allerdings bezweifle ich weiterhin, dass dies tatsächlich auch ein Rennen war. So viel CGI-Werbung, ein Vladimir Putin, der sich demonstrativ in den letzten Runden neben Zampano Bernie Ecclestone auf die Tribüne setzte. Es kollidierten die Welten des Sports mit der Politik. Mehrmals schwenkte die Kamera weg vom Geschehen auf Putin. Verpasst hat man nichts, denn das Rennen war ungefähr so gehaltvoll wie die Nachrichten auf Fox News. Putin inszenierte sich in „seinem“ olympischen Dorf selbst. Dazwischen war irgendein Rennen, von dem ich nicht mal weiß, ob es überhaupt ein Rennen war. Wenn die Werbung schon CGI ist, vielleicht waren es dann die Autos auch?

CGI

Die dritte Antwort wäre jedoch tatsächlich die Super Formula in der Autopolis. Das Rennen fällt deshalb auf, weil Japans höchste Formelserie ansonsten über das Jahr nur attraktive wie auch spannende Unterhaltung bot. Der Auftritt in der Autopolis war deshalb langweilig, weil ähnlich dem Russland-GP nichts passierte. Schuld war die Entscheidung, das Nachtanken für diesen Lauf zu verbieten. Dadurch schonten die Fahrer über die gesamte Distanz ihre Reifen, um so ohne Boxenstopp über die Distanz zu kommen. Das Ergebnis war ein absolut statisches Rennen ohne nennenswerte Highlights. Abgesehen vom Start tat sich nicht sonderlich viel. Die japanischen Fans waren darüber nicht sonderlich entzückt. Viele schrieben, dass das doch genauso schlimm wie die „fuel economy races“ der Formel 1 sei. Langweilige Rennen kann und sollte man Rennserien verzeihen. Es kann nicht immer „Action“ geben. Es können nicht immer packende Duelle geboten werden. In diesem Falle verhinderte ein gescheitertes Regelexperiment jedoch ein womöglich tolles Rennen. Schade.

 

Race-Control-Moment des Jahres

Ein Glas gönn ich mir noch. Race-Control-Moment des Jahres. Auwei! Kennt ihr den? Kommen vier Rennfahrer in die Box. Zwei von ihnen absolvieren ihren Stopp am schnellsten, werden zudem nahezu zeitgleich (im Bruchteil einer Sekunde) wieder von ihren Crews losgelassen. Benennen wir diese Fahrer doch einfachheitshalber Robert Wickens und Timo Glock. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind natürlich rein zufällig. Besagter Wickens kommt nur knapp vor Postbote Glock heraus. Dieser muss leicht bremsen, um nicht in den Mercedes des Kanadiers zu knallen. Dahinter ist es enger. Die anderen zwei Akteure sind Pascal Wehrlein und Marco Wittmann. Die Crew fertigt Wittmann schneller beim Service ab, weshalb dieser sich bereits in der Fahrspur befindet. Da kommt besagter Wehrlein vom Service geschossen und knallt fast parallel in den BMW von Wittmann, wenn er nicht noch rechtzeitig ganz leicht nach rechts gezuckt hätte. Wer wird bestraft? Wickens.

Doch damit ist sein Team nicht einverstanden, möchte das mit der Rennleitung ausdiskutieren. Die lässt aber nicht mit sich reden, begutachtet aber nochmals das Beweismaterial. Bei der Strafe für Wickens bleibt’s, dafür kassiert Wehrlein doch noch eine, nachdem er zuvor freigesprochen wurde. Dummerweise ist der aber mittlerweile ausgeschieden, also knallt man ihm eine Platzierungsstrafe fürs nächste Rennen drauf. Wickens kommt aber nicht zur Durchfahrtsstrafe. Warum? Weil sein Team es ihm nicht gesagt hat. Man bestand auf der eigenen Position, ignorierte die „Drei-Runden-Regel“. Wickens tobt im Auto, versteht die Welt nicht mehr. Der Witz: Sein Team hat ihm nichts von der Strafe erzählt. Und die Rennleitung änderte innerhalb von Minuten ihre Entscheidung.

Der ist gut, oder? Vielleicht muss ich noch etwas an der Pointe arbeiten. Die dauert etwas zu lange. Für Stand-up-Comedy könnte es aber passen. Vielleicht noch ein paar Autogeräusche nachmachen und wild mit den Armen herumwackeln. Ich habe auch schon eine Idee für den Nachfolger: Unsafe Release wird jetzt per Gentlemen-Agreement geregelt. Diese Schlingel.

 

Spruch des Jahres

„Erzähl, dass der in die Box abbiegt.“

Stefan Bradl zu Edgar Mielke bei der Live-Berichterstattung der 24 Stunden am Nürburgring auf Sport 1, nachdem dieser wieder über alles Mögliche, nur nicht über das Wichtige geschwafelt hat. Ein sinnbildlicher Kommentar für eine leider fürchterliche Übertragung. Ach ja: Bernie Ecclestone hat ja auch einige lustige Dinge dieses Jahr gesagt.

 

Glückspilz des Jahres

An dieser Stelle könnten Memo Gidley, Mark Webber, aber auch Loic Duval nach seinem fürchterlichen Unfall im Vorfeld der 24 Stunden von Le Mans stehen, obgleich es Gidley am härtesten der Drei getroffen hat. Zum Schluss möchte ich aber den Kreis wieder schließen. Wir fingen mit Japan an und hören auch mit Japan auf. Gleich zwei sehr brenzlige Szenen fallen mir da ein. Zum einen Yuki Iwasaki beim Rennen der Super GT in der Autopolis. Kurz vor Schluss löste sich beim Anbremsen auf die erste Kurve einer seiner Reifen, wodurch Iwasakis Nissan GT-R GT3 nahezu ungebremst in die Reifenstapel schoss. Dort brach der Wagen auch durch die sich direkt dahinter befindliche Leitplanke durch, hob ab und landete direkt vor dem Fangzaun. Ein fürchterlicher Unfall, der leicht auch in einer Katastrophe hätte enden können. Iwasaki selbst musste zwar in ein örtliches Krankenhaus gebracht werden, konnte dies aber mit lediglich einigen Prellungen und weiteren Blessuren nach einer Nacht zur Beobachtung wieder verlassen. Zuschauer wurden glücklicherweise keine verletzt. Iwasaki nahm am nächsten Rennen bereits wieder teil.

Super GT Autopolis Iwasaki GT-R

An zweiter Stelle ist der Startunfall der Super Formula im Sportsland Sugo zu erwähnen. André Lotterer erlebte keinen guten Start und duellierte sich mit dem Pechvogel der Qualifikation, Joao Paulo de Oliveira, als sich beide in der ersten Kurve etwas zu nahe kamen. Die Autos verkeilten sich und Lotterer flog direkt über das Cockpit des Brasilianers. Der sich direkt dahinter befindliche Takuya Izawa konnte dem Impul-Toyota nicht mehr ausweichen und missbrauchte diesen ebenfalls als Sprungschanze. Alle drei Fahrer blieben zum Glück unverletzt. Eines der Fahrzeuge berührte mit einem Reifen jedoch Joao Paulo de Oliveiras Helm, wodurch noch kräftiger unterstrichen wird, welch Riesenglück er hatte. Der Brasilianer, der selbstständig aus einem Auto ausstieg, beklagte sich hinterher über Kopfschmerzen. Bei der Untersuchung im Krankenhaus konnten glücklicherweise jedoch keine Kopf- oder Gehirnverletzungen festgestellt werden.

Super Formula Sugo Joao Paulo de Oliveira Crash

 

Wünsche für 2015

Das Offensichtliche: Spannende Rennen sowie vor allem wenige schlimme Unfälle. Dieses Jahr gingen die meisten, so schrecklich sie auch aussahen, glücklicherweise einigermaßen glimpflich aus. Leider gab es aber auch Zwischenfälle wie den von Jules Bianchi. Es bleibt weiterhin die Hoffnung, dass Bianchi diesen schweren Kampf zur Rehabilitierung überstehen wird. Gleichzeitig bleibt zu hoffen, dass weltweit alle Rennserien die Lehren aus dem Unfall ziehen. Überhaupt wäre es wünschenswert, wenn einige Rennserien vielleicht für zumindest ein paar Sekunden in sich gehen und über so manche Regeln nachdenken würden. Die Formel 1 hat zumindest schon mal verstanden, dass doppelte Punkte für das Saisonfinale unsinnig sind. Es ist ein erster wichtiger Schritt. Verkompliziert nicht den Motorsport. Macht ihn wieder greifbarer für die Zuschauer.

An die Racingblog-Community kann ich ein großes Lob ausrichten. Es ist heutzutage nicht üblich behaupten zu können, dass wir eine solch tolle wie auch nette Leserschaft haben. Es spielt dabei keine Rolle, ob ihr still mitlest, euch aktiv in der meiner Meinung nach noch immer etwas zu spärlich benutzten Kommentarfunktion oder als aktiver Chat-User an der Gestaltung dieser tollen Community beteiligt. Ihr seid ein Teil davon. Und ohne euch könnte das Racingblog nicht funktionieren. Danke!

Und damit ist es Zeit aufzubrechen. Mein bōnenkai ist zu Ende, mein sechstes Glas leergetrunken. Es wird bereits dunkel draußen. Ich danke fürs Lesen.

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5 Kommentare

Am 29. Dezember 2015 gefunden … | wABss 30 Dezember, 2014 - 03:23

[…] Best of 2014 ? Yankee, gefunden bei http://www.racingblog.de (0.1 Buzz-Faktor) […]

ThomasB 30 Dezember, 2014 - 12:13

Chapeau Yankee!

Ein wirklich sehr schönes best-of. Und danke, dass du Yamamotos Manöver noch reingepackt hast, das hatte ich ganz vergessen, obwohl ich die Rennen sogar gesehen habe. Ist mir natürlich erst eingefallen, als ich mein best-of schon fertig hatte… Zeigt aber auch, dass die Saison lang genug war, und die Pause gerade richtig kommt.

Wobei „Pause“… Nicht mehr lang und es ist wieder Daytona… und dann Bathurst, und auf einmal fängt dann die F1 wieder an… *sigh*

(Wir sind solche Nerds…)

thomash 30 Dezember, 2014 - 12:48

Hi,
Yankee wie immer ein super Artikel ! Danke für die ganzen Super Formula und Super GT Artikel in 2014, natürlich auch ein Danke an das ganze Team für die super Leistung in 2014.

Beste Grüße & guten Rutsch !

ps: @ThomasB Ich zähle auch schon die Tage bis Daytona – Nerd sein tut gut ;-)

Yankee 31 Dezember, 2014 - 17:32

@ ThomasB:
@ thomash:

Vielen Dank für das Lob! Freut mich sehr zu hören! :)

Vorsicht 2 Januar, 2015 - 18:41

Ich sehe schon, ich bin – wenig überraschend – nicht der erste. Aber lass mich auch noch sagen: Was für ein klasse Rückblick, Yankee!! Ist dir wirklich sehr gut gelungen.

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