Als ich eben auf dem Weg nach Hause im Taxi hörte, dass die FIA das Wertungssystem komplett verändert hat, fiel mir die Kinnlade auf den Boden. Ich muss aber gestehen, dass das neue System seinen Reiz hat.
Veränderungen sind immer schwer zu meistern, und das, was die FIA heute beschlossen hat, ist eine Revolution in der Formel Eins. Nicht mehr der mit den meisten Punkten gewinnt am Ende die Meisterschaft, sondern der mit den meisten Siegen. Im letzten Jahr hätte das dazu geführt, dass Massa und nicht Hamilton Weltmeister geworden wäre. Aber das ist in den letzten 10 Jahren auch die Ausnahme. Denn auch nach den neuen Regeln, hätten wir seit 1999 dieselben Weltmeister gehabt. Es hätte sich also nichts verändert. Die Frage ist also: was bringt das dem Sport?
Bei aller Vorliebe für Historie – man darf nicht vergessen, dass sich der Sport verändert hat. Die Idee Punkte zu vergeben entstammt aus einer Zeit im Motorsport, als die Rennen noch länger waren und die Ausfälle auch bei den Top-Teams an der Tagesordnung waren. Man wollte keinen „zufälligen“ Weltmeister, sondern einen, der Technik, Maschine und Strecke am besten gemeistert hatte. Da war es sinnvoll, dies über Punkte zu machen.
Heute ist das anders, zumindest in der Formel Eins. Ausfälle sind, abgesehen von Crashs am Start, selten geworden. Oft kommen mehr als 15 Wagen an und bei den Top Teams fällt vielleicht ein oder zweimal im Jahr ein Wagen mit einem technischen Defekt aus. Dazu kommt, dass die Rennen kürzer geworden sind. Einerseits auf Grund der geringeren Distanz, andererseits, weil die Geschwindigkeiten höher geworden sind. Das Punktesystem legt aber weiter das Gewicht auf Konstanz und Taktik, nicht auf den Kampf an der Spitze.
Einen Weltmeister nach Siegen zu bestimmen, während man für die Teams gleichzeitig das bewährte Punktesystem behält, ist nicht so doof. Es zwingt die Teams ihre Taktik aufzugeben, aggressiver an ein Rennen heran zu gehen und mehr zu wagen. Es belohnt auch die Fahrer, die in der Lage sind zu überholen, die sich was trauen und Mut haben. Wir oft haben wir Rennen gesehen, wo sich der Zweite gemütlich eingerichtet hat, weil man die Punkte in der WM haben wollte? In Zukunft müssen sich die Teams entscheiden: Konstrukteurs-WM oder Fahrer-WM?
Natürlich gibt es Gefahren. Nehmen wir mal an, Rubens Barrichello gewinnt 2009 die ersten fünf Rennen, danach fällt BrawnGP aber ab, weil die anderen Teams bessere Ressourcen haben. Dann kloppen sich Kubica, Massa und Hamilton in den verbliebenen 12 Rennen um die Siege. Wenn jeder viermal gewinnt, ist Rubens trotzdem Weltmeister, auch wenn er seit Mtte Mai kein Rennen mehr zu Ende gefahren wäre. So etwas ist natürlich ein Witz. Und es wäre nicht das erste Mal, dass ein Team den Saisonauftakt dominiert. Das hat McLaren im letzen Jahr gemacht, das hat Ferrari auch schon oft getan.
Das neue System funktioniert nur dann gut, wenn man mehr Rennen fährt. Also mindestens 20 Rennen pro Jahr. Denn bei einer so langen Saison geht es auch wieder um die Konstanz. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass jedes Team innerhalb einer Saison mal Probleme hat. Umfasst die Saison aber nur wenige Rennen, ist so ein Loch tödlich. Und es macht auch keinen Sinn, wenn die WM nach 5 Rennen praktisch entschieden ist.
Dennoch – ich will die neuen Regeln dieses Jahr gerne sehen. Man kann ja auch nicht immer nur schimpfen, dass vorne zu wenig passiert, und dann einen Versuch der FIA, die Teams zu mehr Wettkampf im Rennen zu zwingen, sofort verdammen. Ich bin sehr gespannt, wie das dieses Jahr aus geht, aber vermute auch, dass die jetzige Aufregung umsonst war, weil man am Ende sieht, dass doch der mit den meisten Punkten Weltmeister geworden ist. Wie eben fast immer in der Geschichte der Formel Eins.
13 Kommentare
Die ganzen theoretischen Szenarien sind ja gut und schön, aber die Tatsachen reichen mir schon:
1) Stallorder wird vom ersten Sieg eines Teams an zur zwingenden Notwendigkeit. Niemand kann es sich dann noch leisten, dass seine Fahrer sich gegenseitig Siege wegnehmen.
2) WM-Anwärter haben nur noch wenig Grund, um Positionen zu kämpfen, sobald ein Sieg nicht mehr möglich ist. Da wird so mancher lieber das Material schonen und so gar keine Rolle mehr spielen oder sich gar gleich ganz aus dem Rennen verabschieden.
3) Wenn aufgrund der Streckencharakteristik klar ist, dass man wohl nicht gewinnen kann, wird die Strategie beider Wagen darauf auszurichten sein, dem Kontrahenten den Sieg zu vermasseln. Das könnte sehr unschön werden.
sehr interessante Punkte, die ich garnicht so bedacht habe.
wenn man schon will, dass Siege mehr wert sind, sollte man das doch einfach über die Punkte machen, wie schon vielfach hier vorgeschlagen.
Wenn der Gewinner _so_ wichtig ist, sollen sie einem Sie halt 15 Punkte geben statt 12. Ich denke es ist auch guter Grund Erster zu werden.
jup sehe ich genauso. die stallorder wird definitiv härter angewand werden. zudem glaub ich kaum das es harte positionskämpfe geben wird. denn sobald nur der geringste und kleinste unfall passiert oder man mit 2 reifen neben der strecke ist gibt es gleich „under investigation“ und so weiter und sofort.
ich finde diese regelung schwachsinnig. zumal bringt sie kein bisschen action auf die strecke. ich kann es mir einfach nicht vorstellen. für mich sieht es so aus als ob die leute ein bissl zuviel langeweile haben. kommt mir auch vor wie so ein haufen aufgeschreckter hühner. „wir müßen alles ändern“
änderungen sind gut, keine frage. aber step by step wäre angebracht.
Ich halte diese Regeländerung für ausgemachten Schwachsinn. Gründe und sehr valide Kritikpunkte wurden ja schon genannt.
Ich stelle immer öfter immer verblüffter fest, wie ich zunehmend weniger das Gefühl habe, dass das noch „meine“ Formel 1 ist, angesichts der vielen doch ziemlich bunten Säue, die von den F1-Oberen durch’s Dorf getrieben und mitunter auch mal eingefangen und behalten werden. „Der Sport verändert sich“ ist richtig, die Zeit bleibt ja nicht stehen, aber auch in gewissen Teilen ist das auch eine Umkehrung von Ursache und Wirkung. Der Sport *wird* verändert, es wird daran herumgedoktort und laboriert, und auch schonmal komplett durch die Mangel gedreht bis man ihn kaum wiedererkennt. Und ob das immer aus völlig triftigen und nachvollziehbaren Gründen geschieht, bezweifele ich mal. Das mit der viel zitierten „Orientierung an den Wünschen der Zuschauer“ von vor ein paar Monaten kann man inzwischen vergessen, die Herren der F1 machen erwartungsgemäss damit was sie wollen, wider jede noch so fundierte Kritik.
@ich
Sehr gute Punkte! Aufgrund der begrenzten Anzahl von Motoren könnte man sich mit seiner Nr.1 auf die aussichtsreichen Rennen beschränken und die restlichen Rennen nur mit alten Motoren und geringer Drehzahl mitrollen.
Diese „Alles oder Nichts“-Sichtweise ist ziemlicher Blödsinn. Da wären sich die Teams mal einig und dann kommt Mosley mit so einem Mist daher. Da habs wohl in letzter Zeit nicht nur Schläge auf den Allerwertesten sondern auch ein paar zuviel nördlicher…
Habs heute früh im Radio gehört und mir ist spontan das Brötchen aus dem Mund gefallen.
Ja haben die denn jetzt komplett ein Rad ab bei der FIA? Was soll denn dieser Blödsinn? Wer nicht um den Sieg mitfahren kann, fährt jetzt nur noch um die „Goldene Ananas“? Ja klar gibts noch Punkte, aber wen wird das noch interessieren? Läßt sich doch nach diesem neuen System (wahrscheinlich im Vollsuff ersonnen) gar nicht mehr vermarkten!
Also für mich ist das alles Blödsinn! Hatte mich auf die neue Saison schon gefreut, weil durch die neuen Regeln das Feld vermutlich durcheinander gewürfelt wird, aber so macht das alles keinen Spaß mehr. Am Ende einer Saison will ich nicht einen Fahrer als Weltmeister sehen, der zwar die meisten Rennen gewonnen hat, aber vielleicht in 49% aller anderen Rennen ausgefallen ist. Das wäre für mich kein würdiger Weltmeister, denn dazu gehört auch, über eine komplette Saison die Konstanz aufzubringen immer vorne mitzufahren.
Ich überlege mir gerade, ob ich meine Freizeit noch mit diesem Quatsch verschwenden soll. Lieber fahr ich dann 1-2 im Jahr zur Nordschleife und schau mir ein Rennen der VLN an.
Ich stimme in den Chor ein, eine totale Schnapsidee. Aber sowas von.
Gönnen würde ich Eierstein und Co. ja, dass einer bereits 5 Rennen vor Schluss genügend Siege eingefahren hat und dann 5 Läufe um die goldene Ananas ausgetragen werden. Waren die WM-Entscheidungen etwa langweilig in den letzten Jahren, war der WM-Wertungsmodus überhaupt das Problem?
Es gehörte schon immer zum Wesen der F1-WM, schlau zu fahren und Punkte zu sammeln, auch wenn ein Sieg nicht drin ist. Der Kampf um die Positionen ist nun für die WM-Aspiranten entwertet, und Punktesammlern aus dem Mittelfeld, die hinter im Rennen gerade siegchancenlosen WM-Aspirantenfahren, fallen dann die Punkte in den Schoß. Das ist Wettbewerbsverzerrung, der Ärger ist da schon vorprogrammiert.
Wenn die Verantwortlichen vor lauter ökonomisch motivierter Panik nicht mehr klar denken können, warum treten sie dann nicht zurück?
Ich glaube, die Ökonomie ist Mr Mosley egal, dem geht’s nur drum, den großen Max zu markieren. Ist aber nichts neues, das kennt man im Prinzip nicht anders von ihm.
Ich versteh das auch alles nicht… das ist doch verrückt. Jetzt fährt man also quasi zweigleisig. Alle kriegen Punkte, aber Siege zählen extra. Man hätte doch einfach nur die Punkte für Platz 1 etwas erhöhen müssen, und alles wäre super gewesen.
Die ganze Vorgehensweise der FIA ist doch Mist. Immer, wenn einem die letzte WM-Entscheidung nicht passt, wird das System geändert: Schumi dominiert: machen wir den Abstand doch kleiner; die WM wird in der letzten Kurve des letzten Rennens entschieden – aber da es ja „nur“ im Kampf um Platz 5 ging, müssen wir das ändern. Wenn diese Saison von der WM-Spannung her öde werden sollte, haben wir nächstes Jahr wieder ein neues System (ich wäre ja für eine progressive Berechnungsformel, die die Startposition, die schnellste Rennrunde und die Average Running Position mit einbezieht, ich finde, die FIA sollte sich da am deutschen Einkommensteuer-System orientieren). Trotzdem wird es immer so bleiben, dass es manchmal langweilige und manchmal spannende Rennen und Meisterschaften geben wird.
Denn ich bleibe dabei, was ich schon gesagt habe, als Bernie die Medaillen vorgeschlagen hat: durch mehr Belohnung wird das Auto des Zweitplatzierten nicht schneller! Wer mit echten Siegchancen auf Platz zwei liegt, wird meist auch angreifen, unabhängig vom Mehrgewinn. Nennt mir mal bitte ein Rennen, wo der Zweitplatzierte direkt hinter dem Sieger ins Ziel kam und nicht einmal versucht hat, um Platz 1 zu kämpfen… Wer ganz einfach nicht schnell genug ist, den Vordermann einzuholen oder zu überholen, dem würde es auch nicht weiterhelfen, wenn man noch 10 Millionen Dollar Prämie für den Sieg draufpackt.
mir ist grad eben klar geworden, dass damit Ecclestone mit seinem Medalliensystem gewonnen hat! Gut versteckt, aber das ist doch ganz genau was er wollte! Nur wollte er dem Sieger eine Medallie überreichen „und der mit den meisten Medaillien ist Weltmeister“ und nur diese fällt nun weg (wieder was gespart).
Ich stell mit die Miene eines Fahrers vor der 10x 2ter geworden ist.. auweia
Die FOTA hat protestiert, weil die Regeländerung kurzfristiger war, als es die Regularien erlauben, und die FIA hat eingelenkt! Jetzt ist das neue Wertungssystem auf 2010 verschoben und bis dahin wird das ganze sicher noch das ein oder andere Mal diskutiert werden.
Schön, dass die FOTA es geschafft hat, die Macht der FIA mal etwas einzuschränken :-)
Fakt ist das nachdem Schumi Jahre lang Weltmeistertitel einfuhr und das oft schon sehr früh in der Saison, man einen Hebel davor geschoben hat zu früh Weltmeister werden zu können, indem der Zweite nicht nur 6 sondern 8 Punkte kassierte. Vermutlich mit dem Hintergedanken die Saison spannender zu machen, was meiner Meinung nach auch sinnvoll war und gut funktionierte. Lange her ist das ja noch nicht aber scheinbar schon vergessen, da jetzt wieder in die andere Richtung gerudert wird.
Was soll das???
Ich bin auch gegen das neue Punktesystem und finde es gut, daß die FOTA mit dem Protest durchgekommen ist – zumindest für dieses Jahr.
Wenn es um Punkte geht, dann kommt es auf Gleichmäßigkeit an. Wie oft kam es schon vor, daß ein Fahrer zu Beginn der Saison stark war und später abgebaut hat, oder eventuell sogar wegen Verletzung nicht mehr mitfahren konnte. Und man stelle sich nur vor: Es gibt 17 Rennen in der F1. Ein Fahrer gewinnt die ersten 9 Rennen (unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich). Dann könnte er die letzten 8 Rennen aussetzen oder direkt nach dem Start an die Box fahren und aussteigen um Material zu schonen.
Übrigens ist auf nascar.com auch ein Bericht wegen dem F1 Punktesystem drin. Die finden das System auch nicht gut. Nur mal als Beispiel: Der legendäre Dale Earnhardt gewann 7 Titel. Wäre es nach den Siegen alleine gegangen, dann hätte er nur 2 Titel gewonnen.
Ein weiteres interessantes Beispiel von ich mal gelesen habe: 1984 war das erste Jahr der DTM. Volker Strycek wurde Meister – ohne ein einzelnes Rennen gewonnen zu haben.
Comments are closed.