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ELMS: Analyse 4h Spa-Francorchamps

von Philipp Körner
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Das vorletzte Rennen der ELMS-Saison 2016 auf dem Circuit de Spa-Francorchamps sollte eine erfolgreiche Rückkehr in die Ardennen gewesen sein, wo man seit 2011 nicht mehr zu Gast war.

elms-spa-5Endlich konnte der #21 DragonSpeed Oreca 05 – Nissan (Nicolas Lapierre-Henrik Hedman-Ben Hanley) den ersten Sieg in der europäischen Le Mans Series einfahren. Obwohl man in den Trainingssitzungen dominierte und sich zudem die Pole-Position gesichert hatte, schien es lange Zeit so, als ob man das Rennen durch Pech aus der Hand gegeben hätte. Das Hauptduell um den Titel in dieser Klasse wurde um ein neues Kapitel erweitert, welches einen kontroversen Abschluss fand, wenn man den Worten von Simon Dolan aus dem #38 G-Drive Racing Gibson 015S – Nissan (Simon Dolan-Harry Tincknell-Giedo van der Garde) Glauben schenken möchte. Er kritisiert nämlich den Umgang mit den Fahrerzeiten, der für den #46 Thiriet By TDS Racing Oreca 05 – Nissan (Pierre Thiriet-Mathias Beche-Ryo Hirakawa) zu sanft ausgefallen sein soll. In der LMP3 stehen die ersten Meister der Saison 2016 fest. Alex Brundle, Christian England und Mike Guasch aus dem #2 United Autosports Ligier JS P3 – Nissan konnten mit ihrem zweiten Platz in der größten Klasse des Feldes (18 Boliden) den Abstand in uneinholbare Sphären bringen. Siegreich war der #9 Graff Ligier JS P3 – Nissan (Paul Petit-Eric Trouillet-Enzo Guibbert), der somit zum zweiten Mal in Folge reüssieren konnte. Die GTE-Klasse wurde vom #66 JMW Motorsport Ferrari F458 Italia (Robert Smith-Rory Butcher-Andrea Bertolini) gewonnen, der schon sehr früh die Führung errungen hatte und diese durch kluges Taktieren bis zum Ende behalten sollte.

LMP2

elms-spa-8Die in der Einleitung eingeführten Mannschaften belegten am Sonntagnachmittag die ersten drei Startplätze. Neben dem Polefahrzeug von DragonSpeed stand der Oreca 05 samt Nissan-Motor der Franzosen von Thiriet by TDS Racing mit dem gleichnamigen Fahrer an Bord. Im Qualifying lag man ganze 0,455 Sekunden hinter dem US-Renner, der vom überragenden Lapierre pilotiert wurde. Rang drei ging an den orangen G-Drive Racing Gibson, der von van der Garde anfangs um den Kurs getragen wurde. Die erstaunlichste Geschichte bis zu diesem Zeitpunkt lieferte aber der achtschnellste LMP2-Bolide in der Form des #47 Team WRT Ligier JS P2 – Judd (Laurens Vanthoor-Will Stevens-Dries Vanthoor). Der vom belgischen GT3-Team für Evaluationszwecke gemietete Prototyp meinte es schlecht mit seinen Fahrern, da das Gaspedal mehrmals teilweise steckenblieb. Im zweiten freien Training war man deswegen sogar verunfallt. Da am Samstagabend noch mehr Probleme festgestellt wurden, hat man das Auto in der Nacht komplett neu aufgebaut. Am frühen Sonntagnachmittag hatte man diesen enormen Kraftakt endgültig beendet und hoffte auf ein gutes Debüt in der LMP2-Szene. Will Stevens war der Startfahrer.

elms-spa-3Der Start um 14:00 Uhr erfolgte bei strahlendem Sonnenschein sowie ebenfalls Spa-untypischen, angenehmen Außentemperaturen. Nachdem Eduardo Freitas mehrmals Disziplin in der Einführungsrunde eingefordert hatte, formierte das Feld schließlich beide Starterlinien, die sich ohne Zwischenfälle auf dem Weg in die La Source in Rennaction überführen ließen. Zum ersten größeren Unfall des Rennens kam es, als nach nur einer Minute der #33 Eurasia Motorsport Oreca 05 – Nissan (Pu Junjin-Nico Pieter de Brujin-Tristan Gommendy) in der Bergabfahrt verunfallte. Der weiß-rote Bolide drehte sich schlagartig weg und verlor sogar ein Rad, das mehr oder weniger nur noch eine Felge war. Dieses Trümmerteil flog in den nachfolgenden Verkehr, richtete aber keinen größeren Schaden an. Nach der Bergung des Boliden während der ersten Safety Car-Phase duellierten sich Lapierre von DragonSpeed und van der Garde im G-Drive-Boliden um die Führung, welche der Franzose erstmal bewahren konnte.

elms-spa-7Lapierre, als mit Abstand schnellster Fahrer der Nummer 21, konnte sich nach der abgewehrten Attacke absetzen und legte starke Rundenzeiten hin. Die nächste Neutralisierung war nach 20 Rennminuten notwendig, da der #40 Krohn Racing Ligier JS P2 – Nissan (Tracy Krohn-Niclas Jönsson-Olivier Pla) von einem GTE-Ferrari torpediert wurde, der durch einen vorherigen Kontakt beider abseits der Ideallinie fuhr. Beide Boliden landeten im Kies und mussten im Zuge einer Full-Course-Yellow-Phase geborgen werden. Die nächste Stunde konnte ununterbrochene Rennaction bieten, welche nun auch durch taktische Versuche ergänzt wurde. So gingen beispielsweise G-Drive Racing und der #41 Greaves Motorsport Ligier JS P2 – Nissan (Memo Rojas-Julien Canal-Nathanaël Berthon) kurz vor der Wiederfreigabe an die Box, um mit den unterschiedlichen Standzeiten dort im Laufe des Rennens etwas zu probieren. Ähnliches hatten auch die Belgier von WRT im Kopf, die vor allem aufgrund der taktischen Freiheiten den Ausflug in die Prototypenwelt wagten. In ihrer sportlichen Heimat in der Form der Blancpain GT Series gibt es nämlich stark reglementierte Strategiefenster.

elms-spa-2Etwa 20 Minuten später ging der führende DragonSpeed-Oreca an die Box, auf welchen kurze Zeit später der #32 SMP Racing BR 01 – Nissan (Stefano Coletti-Andreas Wirth-Vitaly Petrov) und der Thiriet-Oreca folgten. Für DragonSpeed übernahm Henrik Hedman das Lenkrad und im sehr ästhetischen Russen-Renner nahm der Deutsche Andreas Wirth Platz. Durch diese unterschiedlichen Zykluslängen und Verschiebungen wurde das Rennen daraufhin von zwei Strategiesträngen geprägt, deren Folgen wie in anderen Läufen erst zum Ende absehbar sein sollten. So leisteten WRT und G-Drive beispielsweise nur sehr kurz Führungsarbeit an der Spitze, da für sie nun auch ein umfangreicherer Stopp anstand. Simon Dolan gestaltete von da an die Mitte des Rennens für G-Drive Racing und der jüngere Vanthoor-Bruder Dries erlebte seine ersten LMP2-Rennminuten. Nach einer Stunde und 15 Minuten waren G-Drive, DragonSpeed und SMP Racing sehr nahe beieinander und lieferten sich einige packende Duelle im verschobenen LMP2-Feld. 2:33:10 to go kam es zum nächsten folgenschweren Abflug, als der #48 Murphy Prototypes Oreca 03R – Nissan (Gary Findlay-Bruno Bonifacio-Sean Doyle) an der gleichen Stelle wie der Eurasia-Oreca abflog. Dabei erlebte die Leitschiene eine viel größere Beschädigung als beim ersten Einschlag, die von Streckenangestellten 15 Minuten lang unter SC-Bedingungen repariert wurde. Während der Unterbrechung rief Thiriet by TDS Racing das Auto an die Box, wo es vom japanischen Talent Ryo Hirakawa übernommen wurde. Nur 15 Minuten später musste das Rennleitungsfahrzeug nochmals das Feld einbremsen, weil wieder ein folgenschwerer Unfall entstanden war.

elms-spa-10Der #29 Pegasus Racing Morgan – Nissan (Inès Taittinger-Rémy Striebig-Léo Roussel) bog ebenfalls unkontrolliert nach Les Combes ab und torpedierte die eh schon angeschlagene Leitplanke. Deren Erneuerung nahm fast eine halbe Stunde in Anspruch. Gleichzeitig mit der Wiederaufnahme des Rennbetriebs gingen fast alle Führungsfahrzeuge an die Box, wodurch WRT die Führung erben konnte, weil man bereits während des Safety Cars gestoppt hatte. Noch ganze 90 Minuten standen nach dem Rückzug des neutralisierenden Fahrzeugs auf der Uhr, die maßgeblich von WRT geprägt wurden. Im P2-Mittelfeld kam es derweil zu einem harten Zweikampf der beiden Haupttitelanwärter, welchen Thiriet by TDS Racing mit dem eingewechselten Mathias Beche hart aber fair gewinnen sollte. Bevor der Schweizer das harte Manöver am Ende der Kemmel-Geraden setzen konnte, wurde er von Dolan leicht auf den Grünstreifen gedrückt: Titelkampf. 50 Minuten vor Ende absolvierte WRT den letzten Stopp, der das Einwechseln von Laurens Vanthoor beinhaltete. Dieser berichtete später nach seinem Schlussstint, dass es Probleme mit dem Radio gab, Sprit gespart werden musste und die Reifen ziemlich durch waren. Auch DragonSpeed stoppte zu dieser Zeit, um den vorher eingesetzten Ben Hanley wieder gegen Lapierre auszutauschen. Der Franzose flog daraufhin geradezu um den Kurs und konnte so das Team WRT und Thiriet by TDS Racing auf der Strecke mit eindrucksvollen Manövern hinter sich lassen, nachdem man vorher durch Pech etwas zurückgefallen war. Letztere gerieten außerdem in einen Zweikampf mit dem #25 Algarve Pro Racing Ligier JS P2 – Nissan (Michael Munemann-Jonathan Hirschi-Andrea Pizzitola) um Position drei auf dem Podium, in welchem Pizzitola den Bogen überspannte und in der Stavelot-Sektion ins Kiesbett abflog. Da aus Sicherheitsgründen eine Bergung notwendig war, wurde bei noch fünf ausstehenden Rennminuten eine FCY-Phase eingerichtet.

elms-spa-6Diese sicherte DragonSpeed den Sieg, WRT ein beeindruckendes Debüt und Thiriet by TDS Racing die Rolle des Dritten. Immerhin holte man mehr Punkte als das schlussendlich auf Platz fünf abgewunkene Team von G-Drive Racing. Trotzdem überschritt man die reglementierte Fahrzeit um vier Minuten, was die Rennleitung aufgrund der Umstände von FCY akzeptierte. Bei den Rivalen von G-Drive zeigte man sich enttäuscht und verwies auf die letztjährige Strafe für ein ähnliches Vergehen. Die Mannschaft um Pierre Thiriet führt in der Teammeisterschaft mit 92 Punkten und plant aktuell eine massive Ausweitung des Motorsportsprogramms (WEC- und GTE-Programme). Dahinter liegen G-Drive Racing mit 78 Zählern und SMP Racing mit 68 Punkten. Es wird im Übrigen der F1-Punkteschlüssel verwendet. Thiriet und Beche führen in der Fahrerwertung mit 91 Wertungseinheiten pro Fahrer. Dahinter liegen van der Garde, Dolan und Tincknell mit jeweils 78 Zählern sowie Wirth und Coletti mit 69 Punkten. Am 23. Oktober kann also beim Saisonfinale im portugiesischen Estoril noch einiges passieren.

LMP3

elms-spa-4Die Pole-Position in der Klasse wurde vom Ligier JS P3 von Graff belegt, der nahezu perfekt ins Rennen starten sollte. Von Rang zwei aus ging der #3 United Autosports Ligier JS P3 – Nissan (Mark Patterson-Matthew Bell-Wayne Boyd) ins Rennen. Dessen Teamkollege mit der Nummer zwei konnte sich in den ersten Minuten eindrucksvoll nach vorne kämpfen und überholte ihn sogar. Interessanterweise sollte das Klassenrennen auch genau die Reihenfolge #9 – #2 – #3 zum Rennende vorweisen. Vor allem die langen Unterbrechungen, die ja bis zu 25% des Rennens einnahmen, halfen beim Spritsparen und sorgten für zurückhaltendere Strategien. In der LMP3 ging es damit verhältnismäßig ruhig zu, was positiv einzuordnen ist. In den ersten Läufen kam es ja teilweise noch zu verheerenden Fehlern der Amateure in den kleinen Prototypen. Mit United Autosports Nummer zwei hat die dominierende englische Mannschaft vorzeitig beide Titel geholt.

LMGTE

elms-spa-1Auch die GTE-Klasse absolvierte ihr Rennen im Schatten der großen LMP2-Kämpfe. Die Pole-Position sicherte sich der #56 AT Racing Ferrari F458 Italia GTE (Alexander Talkanitsa-Alexander Talkanitsa Jr.-Alessandro Pier Guidi). Dahinter waren der #88 Proton Competition Porsche 911 RSR 911 (Gianluca Roda-Christian Ried-Matteo Cairoli) und der #55 AF Corse Ferrari F458 Italia GTE (Duncan Cameron-Matt Griffin-Aaron Scott) in der Startaufstellung. Einen sehr guten Start erwischte der spätere Siegerbolide in der Form des #66 JMW Motorsport Ferrari F458 Italia GTE, der quasi direkt die Führung übernahm. Der größte Schreckmoment in dieser Klasse ereignete sich nach fast 80 Minuten, als sich der #51 AF Corse Ferrari F458 Italia GTE (Piergiuseppe Perazzini-Marco Cioci-Rui Aguas) in Blanchimont mit viel Qualmentwicklung drehte nach Kontakt mit dem Greaves LMP2. Der Ferrari kollidierte zwar mit den Reifenstapeln, aber konnte weitermachen. Schließlich ging der Rennsieg an das kaum gefährdete JMW Motorsport, die immer eine solide Taktik angewendet hatten. Der #88 Proton Competition Porsche landete auf Position zwei und hielt somit wie die drittplatzierte Mannschaft des #55 AF Corse Ferrari die Startposition. Matt Griffin aus der #55 musste aber in den letzten Runden große Verteidigungsarbeit für den Erhalt des Podiums leisten. In der Teammeisterschaft führt JMW Motorsport mit 93 Punkten und liegt damit 20 Zähler vor dem #99 Aston Martin Racing V8 Vantage GTE (Andrew Howard-Darren Turner-Alex MacDowall). Die Fahrer beider Teams haben in diesem Fall die gleiche Punkteanzahl wie ihre Boliden in der Teamwertung.

News

elms-spa-9Im Laufe der letzten Woche wurde der neue Kalender vorgestellt. 2017 gastiert man zuerst vom 28. bis 29. März in Monza zum Prolog. Das erste Rennen ist wie gewohnt in Silverstone (14. bis 15. April). Danach folgt die erste Änderung: Neuer Italienstandort ist die Prologstrecke von Monza (12. bis 14. Mai). Wie gewohnt wird dann eine Le Mans-Pause eingelegt. Vom 21. bis 23. Juli werden die Motoren auf dem Red Bull Ring wieder aufheulen. Nächstes Reiseziel ist Paul Ricard (25. bis 27. August) und einen Monat später ist man schon wieder in Spa-Francorchamps zu Gast (22. bis 24. September). Der Saisonabschluss bleibt zwar in Portugal, zieht aber nach Portimão um (20. bis 22. Oktober).

Abschließend kann für 2017 auch eine andere LMP2-Klassenstruktur vermeldet werden. Hier wird es de facto zwei Unterklassen geben, da die jetzt noch aktuellen Boliden weiterhin verfügbar sein werden. Da diese aber mindestens 100 PS weniger vorzuweisen haben als die neue Generation, könnte anderweitig kein fairer Wettkampf gewährleistet werden.

Der nächste Lauf der ELMS wird über die gewohnte Distanz von vier Stunden am 23. Oktober in Estoril, im Autódromo Fernanda Pires da Silva, ausgetragen.   

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