Max Verstappen gewinnt erneut in Suzuka und das, obwohl der RB21 angeblich so schwer zu fahren sei. Das Rennen war ein Schnarchfest.
Die positive Nachricht aus Japan lautet: die WM nach dem Sieg von Verstappen komplett offen. Gerade mal einen Punkt Vorsprung hat Lando Norris nach drei Rennen und das in einem Auto, das angeblich so überlegen ist. Die anderen guten Nachrichten: Verstappen war der dritte Sieger im dritten Rennen und sowohl Ferrari als auch Mercedes sind nicht allzu weit weg von McLaren und Red Bull. Leider entsprach das Rennen aber nicht den Erwartungen, die man vor dem Wochenende hatte. Wenn sich in den Top Ten im Vergleich zur Qualifikation nur eine Position verschiebt, kann man nicht mal mehr von einem Taktik-Leckerbissen reden. Den Grund für die mangelnden Überholmanöver findet man hier:
Die Grafik bezieht sich auf das Setup in der Quali, das aber im Rennen gefahren wird. Wer fährt mit niedrigem Abtrieb, wer mit viel? Wer hat mit niedrigem Abtrieb eine Effizienz? Offensichtlich ist, dass Ferrari, Mercedes und Red Bull nur sehr wenig unterscheiden. Diese drei Teams hatten weniger Abtrieb auf dem Auto, aber eine hohe mechanische Effizienz. Bei McLaren ist es genau umgekehrt. Viel Abtrieb durch die Aerodynamik, die aber gleichzeitig einen guten Topspeed ermöglicht. Der McLaren ist in der Hinsicht in der Formel Eins in diesem Jahr einzigartig. Die Philosophie hat viele Vorteile auf mittel schnellen Strecken, aber auf sehr schnellen Strecken wie in Suzuka hat das Konzept Limitierungen. Wie man in diesem Jahr auch in der Quali gesehen hat, in der McLaren mal nicht drei bis vier Zehntel besser war, als der Rest der Welt.
Unterschiedliche Konzepte bedeuten aber nicht, dass die Teams weit auseinander liegen. Was einer der Gründe ist, warum das Rennen in Japan so eintönig war. Die technischen Regeln sind stabil, was bedeutet, dass die Teams auch enger zusammenliegen. Ein Blick auf die Qualifikation zeigt das deutlich. Der Abstand zwischen Verstappen (P1) und Tsunoda (P14) betrug gerade mal 1 Sekunde. Suzuka bietet gar nicht mal so wenig Chancen für Überholmanöver. Aber das geht nur dann, wenn Autos und Fahrer nicht mehr oder weniger auf einem identischen Niveau sind. Da hilft dann auch kein DRS.
Das Problem ist seit Jahren bekannt, und man hat mit verschiedenen Methoden versucht, die Rennen spannender zu machen. Das KERS in den frühen 2010er-Jahren war ein Versuch, der nichts gebracht hat, weil die Fahrer schnell herausgefunden haben, wo und wie man die Energie am besten einsetzt. Die DRS-Zonen wurden zahlreicher und länger, ohne dass sich viel geändert hat – Stichwort DRS-Train. Da die Autos so viel Abtrieb erzeugen, die Reifen eine gleichbleibende und berechenbare Leistung bringen und die Fahrer wenig Fehler machen, bekommt man Ende halt Rennen, in denen wenig passiert.
Die Antwort für die Formel Eins liegt in den Reifen. Schon ein zweiter Stopp hätte dem Rennen mehr Würze verpasst, weil unterschiedliche Strategien gefragt gewesen wären. Pirelli ging vor dem Rennen davon aus, dass man zweimal an die Box kommen muss. In Wahrheit war es dann nur ein Stopp. Da bis auf Hamilton alle Fahrer auf die Medium setzen, war auch klar, dass die Stopps ungefähr zur gleichen Zeit erfolgen würden. Kein Team hat einen überlegenen Reifenverschleiß. Was auch daran liegt, dass die Pirelli jedes Jahr bis zu einem gewissen Grad zuverlässiger werden. Die neuen Mischungen und Konstruktionen, die es in diesem Jahr gibt, unterscheiden sich nur wenig von jenen aus dem letzten Jahr.
Die Lösung für spannendere Rennen mit mehr Strategie liegt seit Jahren in den Reifen. Man kann Pirelli dabei nicht mal einen Vorwurf machen. Die Teams verlangen nach stabilen, berechenbaren Reifen. Und Pirelli will aus Marketinggründen auch keinen Reifen bauen, die sich nach vier Runden auflösen. Das würde etwaige Käufer abschrecken, so der Gedanke. Mein Vorschlag seit Jahren: verzichtet auf die dritte Mischung und macht die Spreizung der Mischungen breiter. In Japan wäre das C1 und C3 gewesen, ohne die C2 in der Mitte. Eventuell könnte man die Spreizung auch noch weiter ausführen (C2-C4). Das würde zumindest dazu führen, dass die Strategien in jedem Rennen spannender sein würden.
Die einzige spannende Frage, die sich in diesem Rennen ergab: Warum hat McLaren Norris mit Verstappen zeitgleich die Box geholt? Angesichts der moderaten Temperaturen benötigen die C1 ein wenig, um auf Temperatur zu kommen. Eine weitere Runde auf den C2 hätte Norris, hauptsächlich angesichts der langsamen Boxenstopps bei Verstappen, vielleicht die Führung und den Sieg gebracht. Man hätte zuerst Piastri an die Box holen müssen, um Norris eine Runde ohne Druck und an der Spitze ermöglichen zu können. Eine klare Fehlentscheidung, auch wenn McLaren nach dem Rennen behauptete, dass das nichts geändert hätte. Vielleicht stimmt das sogar, aber man hätte es zumindest probieren können, um Red Bull unter Druck setzen zu können.
Die waren am Wochenende besser unterwegs, als viele das erwartet hatten. Der „schwierige“ RB21 ist zwar weit entfernt von den überlegenen Modellen der Vorjahre, aber schlecht scheint er nun wirklich nicht zu sein. Der Verstappen-Faktor spielt sicher eine Rolle. Wobei ich mir zunehmend aber unsicher bin, ob das allein an der fahrerischen Brillanz von Verstappen liegt, oder ob das Auto halt einfach um ihn herum gebaut ist. Beides ist vermutlich richtig. Verstappen ist ohne Zweifel der momentan beste Fahrer im Feld, aber der RB21 ist auch nicht so schlecht, wie der Niederländer das öffentlich behauptet. Zumindest nicht für ihn.
Der Wechsel von Tsunoda ins Hauptteam zeigte das wieder einmal. Eine Sekunde Rückstand, nur P14 in der Quali. Das ist zwar eine Verbesserung gegenüber den Ergebnissen von Lawson, aber auch keine Offenbarung. Der Japaner hat ein durchwachsenes Wochenende, was angesichts seines plötzlichen Wechsels auch zu erwarten war. Aber er zeigte im Rennen keine schlechte Leistung und verbesserte sich von P14 auf P12. Auch nicht die Welt, aber immerhin etwas. Da das Auto voll auf den Fahrstil von Verstappen ausgerichtet ist, wird es wohl auch ein paar Rennen dauern, bis Tsunoda aufschließen kann. Aber traue ihm zu, dass ihm das gelingt. Die Erfahrung mit den teilweise schlechten Chassis von RB aus den letzten Jahren sollte ihm dabei helfen.
Ferrari und Mercedes werden mit gemischten Gefühlen aus Japan abreisen. Einerseits ist das Ergebnis (P4 Leclerc, P5 Russell) jetzt nicht gerade schön. Aber die Abstände auf der Referenzstrecke sind nicht so groß. 16 bzw. 17 Sekunden lagen beide hinter dem Führungstrio, die aufgrund des engen Kampfs an der Spitze auch nicht taktisch unterwegs waren. Das sind knapp 3 Zehntel pro Runde und damit hat man einen Rückstand, den man mit ein oder zwei Updates einholen kann. Ferrari und Mercedes haben auch beide schon angedeutet, dass sie kleinere Probleme mit dem Auto entdeckt haben und die Updates auf dem Weg sind. Vermutlich werden wir sie in Miami sehen. Beide Teams liegen so eng zusammen, dass ein Unterschied kaum auszumachen ist.
Hamilton hatte ein eher unauffälliges Wochenende, da er sich im Auto laut eigener Aussage bislang nicht 100 % wohlfühlt. Die drei Zehntel in der Quali lassen sich damit erklären. Offenbar ist Hamilton auch weiterhin nicht zufrieden mit dem Setup und er benötigt mehr Zeit, um das Auto besser zu verstehen. Aber im Grunde liefert er zumindest in Quali die Performance ab, die man für das erste halbe Jahr auch erwartet hat. Ich gehe davon aus, dass er ab Mai näher an Leclerc sein wird. In China konnte er schon überzeugen.
Bei Mercedes läuft etwas besser, auch weil Kimi Antonelli einen sehr soliden Einstand hat. Das Tempo von Russell hat er noch nicht, was auch nicht verwundern kann. Aber er macht genau das, was man von ihm erwartet. Eine gute Position in Q3 und fehlerfreie Rennen, die Punkte bringen. Für jemanden, der gerade 18 Jahre alt ist und so wenig Erfahrung im Motorsport hat, sind das gute Ergebnisse. Auch das Auto macht dieses Jahr weniger Probleme und man fragt sich, wo Mercedes wäre, wenn man nicht zwei Jahre am Zero-Pod-Konzept festgehalten hätte.
Das Mittelfeld ist eng zusammen, wird im Moment aber von den Racing Bulls angeführt. Isaac Hadjar hatte eine bemerkenswerte Quali und erreichte P7, noch vor Lewis Hamilton. Im Rennen verlor er die Position gegen den Briten, lieferte aber eine hervorragende Vorstellung. Eventuell hat Red Bull dann noch eine weitere Lösung im Köcher, wenn man Tsunoda im Sommer wieder austauschen will. Aber das Auto von RB scheint wirklich gut zu sein. Da das Team aus finanziellen Gründen aber meist weniger Updates als die Konkurrenz bringt, stellt sich die Frage, wie lange der Vorsprung halten wird.
Williams ist zudem nicht weit dahinter. Alex Albon erreichte im dritten Rennen hintereinander die Punkte, was dem Team guttut. Man ist sicher auf dem richtigen Weg mit dem Team. Allerdings hat Carlos Sainz weiter große Probleme. In der Quali fehlten ihm zwei Zehntel auf Albon, was eine leichte Verbesserung gegenüber den anderen Rennen darstellt. Aber im Rennen geht nur wenig zusammen. Von P12 gestartet blieb am Ende nur P14, rund 20 Sekunden hinter seinem Teamkollegen. Was genau die Gründe sind, warum Sainz mit dem Auto nicht warm wird, ist bisher nicht kommuniziert. Aber seinen Saisonstart als „enttäuschend“ zu beschreiben, trifft es wohl ziemlich genau. Wobei man auch sagen muss, dass die Abstände im Mittelfeld so eng sind, dass ein oder zwei Zehntel Unterschied schon bis zu sechs Positionen ausmachen können.
Haas wurde an diesem Wochenende durch Oliver Bearman vertreten. Dem gelang das Kunststück in Q3 zu kommen und seinen zehnten Platz auch im Rennen zu verteidigen. Und das relativ sicher. Ein gutes Ergebnis für den Rookie, der seinen viel erfahrenen Kollegen Ocon weit hinter sich ließ. Haas hatte am Wochenende einen neuen Unterboden dabei, den man mehr oder weniger ungetestet (nur CFD, kein Windtunnel) an die Strecke brachte. Dieser zeigte sich durchaus besser, schuf aber laut dem Team andere Probleme. Ich habe keine Informationen, ob Ocon deswegen so weit hinter Bearman war, weil er diesen Unterboden ausprobiert hat.
Aston, Sauber und Alpine waren in Suzuka chancenlos. Kein Team zeigte sich in der Lage, Akzente zu setzen. Alpine war auf der Strecke komplett von der Rolle. Jack Doohan zerlegte zudem im Training ein weiteres Auto, als er versuchte mit offenen DRS die erste Kurve zu nehmen. Gasly war etwas besser drauf und verpasste Q3 nur um 0,039 Sekunden. Aber das Problem des Alpine ist der Speed in der Quali, er fällt in Rennen immer ab. Der Reifenverschleiß ist nicht optimal, was man vor allem gegen Ende der Stints beobachten kann. Alpine bleibt weiter das einzige Team, das noch keine Punkte erreicht hat.
Japan war der Auftakt zum ersten Triple Header des Jahres, nächste Woche folgt das Rennen in Bahrain, die Woche danach bewegt sich die Formel Eins nach Saudi-Arabien.
Bilder: Pirelli