Home LMSELMS ELMS: Doppelte Überraschung beim Saisonfinale in Estoril

ELMS: Doppelte Überraschung beim Saisonfinale in Estoril

von StefanTegethoff
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Hatte ich in der Vorschau schon dazu angesetzt, Thiriet by TDS (14 Punkte Vorsprung) als verdienten LMP2-Champion zu würdigen und JMW Motorsport (20 Punkte) als ebenso verdienten Titelträger in der GTE-Klasse, so muss ich heute reuig ins Phrasenschwein einzahlen: „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“, lautet der Satz, der das Rennen in Estoril am besten beschreibt. Außerdem könnte man – zumindest im Falle von JMW – noch sagen: „Da hat man schon kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu.“ Beide Teams sollten die jeweilige Meisterschaftsführung im letzten Rennen noch einbüßen, auch wenn es zu Beginn noch anders aussah. „Man soll den Tag nicht…“ – ihr wisst schon.

gt7d0182In der Quali lief noch alles soweit normal, auch wenn dort andere Teams die Top-Positionen einheimsten. Auf nasser Strecke stellte Nicolas Lapierre den DragonSpeed-Oreca mit vier Zehntelsekunden Vorsprung (!) vor Paul-Loup Chatin auf Pole, gefolgt von Giedo van der Garde und Olivier Pla. Mathias Beche im Thiriet-Auto erreichte mit knapp drei Sekunden Rückstand nur Rang 7, doch die Startposition ist in einem Langstreckenrennen bekanntlich nicht entscheidend und der eine Punkt für die Pole ging auch nicht an einen der Titelaspiranten. In der GTE-Klasse stellte Benjamin Barker den Proton-Porsche, immer gut zu gebrauchen auf feuchter Bahn, mit dreieinhalb Zehnteln Vorsprung auf die Pole; Andrea Bertolini setzte den JMW-Ferrari auf die Fünf.

Auch am Sonntag war es zu Beginn feucht, doch am Start ging es recht gesittet zu. Nur Fabien Barthez war etwas übereifrig und drehte sich auf Rang drei liegend beim Herausbeschleunigen aus Kurve 4 nach innen in die Leitplanken. Etwas turbulenter wurde es, als die ersten Überrundungen anstanden: Die beiden LMP2-Führenden, Lapierre (DragonSpeed) und van der Garde (G-Drive), suchten einen Weg vorbei an den ebenfalls im Zweikampf befindlichen GTE-Führenden (Laursen im Formula Racing-Ferrari vs. MacDowall im Beechdean-Aston Martin). Lapierre gelang das noch ohne Berührung, doch van der Garde schickte unter dem Druck, nachziehen zu müssen, den weißen Formula-Ferrari in einen Dreher.

gt7d6272Gegen Ende der ersten Stunde konnte G-Drive bei der ersten Runde der Boxenstopps die Führung erobern und sich in der Folge vorn absetzen. Ebenso gelang es Rory Butcher im JMW-Ferrari, sich in der GTE-Klasse an die Spitze zu setzen und einen kleinen Vorsprung herauszufahren. Doch bereits der erste Boxenstopp zog sich in die Länge: Probleme mit dem Getriebe, die Gänge ließen sich nicht wie gewünscht einlegen; über drei Minuten dauerte der erste Boxenstopp. Danach gab das Auto auf der Strecke Rauchzeichen, teilweise waren gar Flammen zu sehen. Nach nur zwanzig Minuten brachte Rob Smith das Auto wieder in die Box, wo es in die Garage geschoben wurde. Platz 7 im Rennen würde reichen, bei acht Fahrzeugen in der GTE-Klasse…

Eine halbe Stunde später, etwa eine und eine Dreiviertelstunde im Rennen, kam Mathias Beche im Thiet by TDS-Oreca zum zweiten Boxenstopp. Auch hier gab es Probleme, der Wagen wurde rückwärts in die Garage geschoben und auseinandergebaut: Elektronikprobleme, so die Diagnose. 45 Minuten sollte der Aufenthalt dauern, damit geriet die Meisterschaft in Gefahr, sollte der G-Drive-Gibson sich in den Top 3 halten können. Und genau danach sah es aus: Zur Rennhalbzeit betrug der Vorspung auf Nic Jönsson und Olivier Pla im Krohn-Ligier 44 Sekunden.

gt7d8314Der JMW-Ferrari wurde nach etwa 40 Minuten Boxenaufenthalt wieder auf die Strecke geschickt, doch es zeigte sich schnell, dass dies mehr von Hoffnung und Ratlosigkeit getrieben war: Der Wagen schlich um die ersten zwei Kurven, unfähig, den Gang zu wechseln. Jäh wurde er aus seinem Elend erlöst: In der Anfahrt zu Kurve 3 kam Mike Guasch im #2 United Autosports-LMP3 (bereits als Champion in der Klasse feststehend) von hinten angeflogen, fuhr etwas über den Kerb beziehungsweise die weiße Linie zwischen den Kurven 2 und 3 hinaus, verlor das Heck und drehte sich abrupt nach innen, wo er die Fahrerseite des JMW-Ferraris rammte. Für JMW war damit das Rennen beendet und der Titel in Gefahr, doch nach Le Mans werden die Briten 2017 trotzdem fahren dürfen: Garantierte Startplätze gibt es für die beiden Erstplatzierten der Meisterschaft.

Für die bis dahin Zweitplatzierten im Titelkampf, den Beechdean Aston Martin mit MacDowall / Turner / Howard, hieß es nun, alles auf Sieg zu setzen, denn man würde die 25 Punkte brauchen, um JMW noch zu überholen. Und genauso sollte es auch kommen: Bereits zum Zeitpunkt des Unfalls lag das Aston Martin-Trio deutlich in Führung und es sollte sie auch – abgesehen von kurzen Phasen zwischen den eigenen Boxenstopps und denen der Konkurrenz – nicht mehr abgeben. Etwa 40 Sekunden betrug der Vorsprung beim Fallen der Zielflagge, Zweite wurden die Mannen von AT Racing (Talkanitsa Sr. und Jr. sowie Pier Guidi), die damit auch ihren dritten Meisterschaftsrang manifestierten. Am Ende stand es 98 (Beachdean Aston Martin) zu 93 (JMW-Ferrari) zu 79 (AT Racing).

gt7d9152In der LMP2-Klasse war die Situation ähnlich, nur dass G-Drive sogar ein dritter Rang reichen würde, um Thiriet by TDS, die nach 45 Minuten Reparatur wieder ins Rennen zurückkamen, noch vom Thron zu stoßen. Und wie für Beechdean lief es auch für G-Drive genau nach Plan: Ungefährdet konnten nach dem Anfangsstint von Giedo van der Garde Simon Dolan und Harry Tincknell den altbewährten Gibson 015S in seinem letzten Rennen ohne technische Probleme ins Ziel bringen. So holte sich dieses Trio am Ende mit 103:96 die erste Meisterschaft in der ELMS, nicht weniger verdient als Thiriet by TDS. Beide hatten mal Glück und mal Pech (G-Drive etwa in Spa), sodass es keinesfalls ein unverdienter Sieg ist, auch wenn Thiriet über den Sommer etwas stärker schien.

SMP Racing und DragonSpeed kämpften in der letzten Rennstunde um Rang 2 im Rennen und gleichzeitig um Rang 3 in der Meisterschaft. Zwar hatte am Ende DragonSpeed, die zwischenzeitlich eine Runde zurückgelegen hatten, sich aber wieder vorkämpfen konnten, im Rennen die Nase vorn, doch ohne weitere Fahrzeuge dazwischen konnten sie den Russen von SMP den dritten Meisterschaftsrang nicht mehr abluchsen: 83 zu 76 lautet der Endstand zwischen diesen beiden Teams, ein starkes Ergebnis für SMP Racing mit Andreas Wirth und Stefan Coletti, die mit Ergebnissen im Bereich der Plätze 2 bis 4 bei fünf von sechs Rennen eine sehr konstante Saison hatten.

gt7d6080Die LMP3 war bereits vor dem Rennen zugunsten von United Autosports und dem Trio Alex Brundle, Mike Guasch und Christian England entschieden. Das war auch wichtig für das Team, denn in Estoril lief es gar nicht: Bereits vor Guaschs Zusammenstoß mit dem JMW-Ferrari lag das Team nach Zwischenfällen weit zurück, am Ende wurde es Rang elf von 14 LMP3-Boliden, die das Ziel erreichten. Der Sieg ging an M.Racing YMR mit dem jungen französischen Trio Thomas Laurent (18) / Yann Ehrlacher (20) / Alexandre Cougnaud (26). Die drei holten ihren ersten Saisonsieg in dominanter Manier, etwa anderthalb Runden betrug der Vorsprung vor der #3 von United Autosports nach vier Stunden.

In der Meisterschaft wurde das Team von Yvan Muller damit auf Rang 6 vorgespült, an der Spitze lautet der Endstand 109,5 (United Autosports #2) zu 93 (Graff #9), die #19 von Duqueine Engineering folgt mit 63 Zählern abgeschlagen auf Rang 3. Nach den drei Auftaktsiegen von United Autosports wurde es in den Rennen darauf abwechslungsreicher, auch bereits der dritte Sieg für die #2 am Red Bull-Ring war nur mit Glück zustande gekommen. Der frühe Titelgewinn für das britisch-amerikanische Team (der auch einen Startplatz für Le Mans 2017 mit sich bringt) sollte also nicht zu dem Trugschluss verleiten, die Klasse wäre eintönig oder langweilig gewesen; bei 20 Startern war dort vielmehr immer Spannung und Unterhaltung geboten.

jrt20190Der Kalender sieht in der kommenden Saison etwas anders aus (Portimao statt Estoril, Monza statt Imola), doch die Saison startet wieder gemeinsam mit der WEC in Silverstone, der Termin ist das Oster-Wochenende 2017. Änderungen gibt es aber auch noch betreffend der LMP3-Klasse. Da der für GT3-Fahrzeuge ausgeschriebene Michelin Le Mans Cup, der im Rahmenprogramm der ELMS startete, nur eine Handvoll Fahrzeuge anzog und auch für nächstes Jahr keine ausreichende Besserung in Sicht ist, werden in dieser Serie ab 2017 zusätzlich LMP3-Boliden zum Einsatz kommen.

Das gemischte Format ist dem diesjährigen ersten „Road to Le Mans“-Rennen entlehnt. Außerdem wird es ein Auf- und Abstiegssystem geben: Die Top 5 LMP3-Teams aus dem Cup steigen im Folgejahr in die ELMS auf, während die fünf schwächsten Teams von dort in den Cup degradiert werden. Wie genau die Teilnehmerlisten aussehen, wird sich nächstes Frühjahr zeigen: Am 2. Februar werden die Entries für die 24h von Le Mans, die World Endurance Championship und die European Le Mans Series verkündet.

(Bilder: ELMS Media)

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