Viel gibt es zum Rennen auf dem idyllisch gelegenen Infineon Raceway eigentlich nicht zu sagen. Ich werde es trotzdem versuchen.
Am Ende bliebt vom Lauf in Sonoma eigentlich nur ein einziges spannendes Faktum: Die Meisterschaft ist nach einem überlegenen Sieg von Will Power vor seinen beiden Penske-Teamkollegen Helio Castroneves und Ryan Briscoe wieder spannender geworden. Dem Rennen selbst wird leider nur das „Prädikat besonders langweilig“ gerecht. Die ersten fünf Positionen, allesamt von der Piloten der Top Teams besetzt, waren schon nach dem Qualifying vergeben – und wurden in Rennen zu keinem Zeitpunkt verschoben. Auch dahinter war meist nur sehr wenig los. Wer es trotz der mangelnden Spannung bis zu Ende ausgehalten hatte, wurde von der Rennleitung dann gebührend entlohnt: Giorgio Pantano verteidigte in der letzten Kurve seinen tollen sechsten Rang – und wurde wegen „blocking“ prompt auf Rang 17 zurückversetzt. Die IndyCar Saison 2011 ist damit wieder um eine unverständliche Strafe reicher.
Eine Auszeichnung der CART-Serie in der späten 90er-Jahren war es, dass auf der Strecke etwas mehr erlaubt war, als in der zunehmend sterilen Formel 1. Ein Alex Zanardi überholte schon mal neben der Bahn. So etwa 1996 in Laguna Seca gegen Bryan Herta – eines der prägenden Manöver dieser Zeit. Weitere Aktionen dieser Tonart machten ihn Star, später auch den jungen Juan Pablo Montoya. Sie vergrößerten außerdem die Popularität der Serie in den USA – und über deren Grenzen hinaus. Diese Zeiten sind lange vorbei. Mittlerweile glänzt die Formel 1 fast jeden Sonntag mit spannenden Duellen. Und in der IndyCar wäre ein Alex Zanardi wohl kaum noch möglich.
Zunehmend drängt sich außerdem ein über Nebengeschmack auf. Dass es nämlich nicht mehr so sehr darauf ankommt, wer auf der Strecke der beste ist. Sondern nur noch darauf, wer das Glück hat, von der Rennleitung verschont zu bleiben – aus welchen Gründen auch immer. Und ob nun korrekt, oder, was wahrscheinlicher ist, eine Verschwörungstheorie schlechter Verlierer: Dass immer wieder der Eindruck entsteht, die Rennleitung habe unter den Fahrern und Teams bestimmte Favoriten – das ist für das Ansehen des Sports fatal. Solange dieses Image bestehen bleibt, kann sich CEO Randy Bernard noch so abmühen, mit immer neuen Aktionen die verlorene „credibility“ bei den Fans zurückzuholen – er wird gewiss erfolglos bleiben.
Und bei aller Lust an der Kontroverse: Es kann für eine Rennserie unmöglich gut sein, wenn nach jedem Rennen nicht über den Lauf an sich, sondern nur über die Auslegung der Regeln diskutiert wird. In der IndyCar Series setzte sich dieser unrühmliche Trend aber leider auch in Sonoma fort.
Nicht immer lässt sich das Problem an „Director of Competition“ Brain Barnhart festmachen, der zuletzt schwer in der Kritik gestanden war: Denn den Spielraum, den er zuletzt in Loudon so fragwürdig ausgenützt hat, hat er nicht immer. Pantanos Aktion hätte auch jeder andere Rennleiter betraft. Denn das „blocking“-Verbot ist nun einmal Teil der IndyCart Regularien. Und Barnhart muss diesen Regeln entsprechend handeln. Das Problem liegt also tiefer – nämlich im Regelbuch der INDYCAR.
Auf Ovalen mag die „Blocking“-Regelung der Sicherheit dienen. Auf Rundkursen tut sie dies nicht – und sorgt stattdessen immer wieder für Probleme und Kontroversen. Keine andere Formelserie der Welt braucht ein solches Verbot. Es ist unverständlich, wieso grade die IndyCar weiter darauf besteht, sich damit selbst in den Fuß zu schießen. Randy Bernard hat bereits nach dem Loudon-Debakel angekündigt, über den Winter das Regelbuch zu überarbeiten. Höchste Zeit, das Experiment mit der „blocking“-Regel zu beenden.
Sehr erfreulich ist eine andere Ankündigung: Schon ab dem kommenden Rennen in Baltimore wird es einen Video-Stream von der Rennleitung geben, wo Fans die Entscheidungsfindung live miterleben können. Das hebt die Transparenz, und beugt Gerüchten der Bervorzugung vor. Ganz abgesehen davon, dass es auch ein echter „Premium“-Content ist – etwas, was sicherlich viele Fans schon lange einmal live mitverfolgen wollten. Die schlechte Nachricht: Der Stream ist nicht nur inhaltlich „premium“, sondern auch in Sachen Vertrieb. Er wird vorerst nur Kunden von Verizon Wiederless zur Verfügung stehen, die das Rennen auf der firmeneigenen IndyCar App verfolgen. Fans außerhalb der USA schauen in die Röhre.
Das Rennen
Es ist wohl nicht unangemessen, von einem langweiligen Rennen zu sprechen: Vorne fuhren die drei Penske und zwei Ganassi ihre Kreise, und auch im hinteren und mittleren Feld gab es nur wenige Überholmanöver. Verschärft wurde die Angelegenheit noch dadurch, dass die Spitze des Feldes auf eine idente Boxenstrategie setzte. Und auch, dass es nur eine einzige Gelbphase gab – gegen Schluss der 75 Runden – trug nicht wirklich zur Spannung bei.
Beeindruckend ist es trotzdem, wie des Team Penske nach einigen mauen Vorstellungen nun wieder zur alten Form zurückgefunden hat. Power, Castroneves und Briscoe schienen an der Spitze des Feldes nie ernsthaft in Gefahr. Auch die beiden Target-Ganassi Autos dahinter zeigten wieder eine sehr solide Vorstellung.
Erstaunlich dagegen, dass es mit Chip Ganassis „Farmteam“ wieder abwärts geht. Graham Rahal zeigte zumindest eine kämpferische Leistung, und landete schließlich auf Rang acht. Teamkollege Charlie Kimball wurde nach Problemen am Auto mit mehreren Runden Rückstand gerade noch klassifiziert, fuhr aber auch vor dem Defekt nur im hinteren Mittelfeld umher.
Sebastian Bourdais lieferte mit Rang sechs im Dale Coyne-Wagen einmal mehr eine gute Leistung. James Hinchchliffe, von Startposition sechs ins Rennen gegangen (bisherige Bestleistung) bestätigte mit Platz sieben wieder seinen Einsatz für Newman/Haas. Teamkollege Oriol Servia, Fast-Sieger von Loudon, zeigte sich zwar im Interview vor dem Rennen als fairer, wenn auch nicht ganz einsichtiger Verlierer, landete diesmal im Rennen aber nur auf Platz elf.
Bescheiden auch das Ergebnis von KV Racing. EJ Viso bescherte dem Team mit einer seltenen Zielankunft (auf Rang neun) immerhin noch einen Platz in den Top 10, Takuma Sato landete mit verpatzter Strategie nur auf Platz 18. Tony Kanaan musste das Rennen in Runde 38 mit stecken gebliebenen Gaspedal aufgeben. Das hatte aber auch eine positive Seite: Kanaan wanderte in den letzten Runden des Rennens in die Sprecherkabine von Versus, und konnte dort als Rennkommentator auf voller Linie überzeugen – sollte es mit der Rennkarriere einmal nichts mehr werden, wäre der Sender gut beraten, sich Kanaans Dienste durchgehend zu sichern. Zumal die dort üblicherweise engagierten Kommentatoren ohnehin manchmal Probleme haben, längere actionfreie Rennsequenzen mit interessanten Informationen zu füllen.
Am Rande des Rennens wurde übrigens auch bekannt, dass KV im kommenden Jahr nicht mehr in den Farben von Lotus antreten wird. Grund dafür ist, dass man auf Motoren von Chevrolet setzen wird. Lotus selbst möchte ja ebenfalls Motoren branden – und konnte somit nicht als Werbepartner eines von der Konkurrenz befeuerten Teams an Bord bleiben. Trotzdem ist man zuversichtlich, auch im kommenden Jahr mit den gleichen Piloten weitermachen zu können. Tony Kanaans Vertrag ist offenbar schon in trockenen Tüchern. Auch die Verhandlungen mit Sato scheinen gut zu laufen – es wäre das erste Mal in Satos gesamter Karriere (!), dass er im Rennbetrieb ein Auto ohne Honda-Motor bewegt. Auch EJ Viso könnte dank passablem Talent und vor allem sehr zahlungskräftigen Sponsoren wieder mit dabei sein.
Auch Andretti Autosport soll für die kommende Saison an Chevrolet Motoren interessiert sein. Bestätigt wurde am Wochenende in jedem Fall, dass (wenig überraschend) Marco Andretti auch im kommenden Jahr im Team fahren wird – mit Unterstützung des neuen Sponsors RC Cola. GoDaddy.com wird auch nach dem Abschied von Danica Patrick weiterhin ein Auto unterstützen. Michael Andretti spricht von einem „großen Namen“, der er dafür an der Angel habe. Wer das konkret sein soll, wird aber noch nicht verraten. Insgesamt hofft Andretti, drei bis vier Autos einsetzen zu können.
Eine der positiven Überraschungen des Rennens war zweifellos Giorgio Pantano. Als Ersatz für den in Mid Ohio verunfallten Justin Wilson fuhr er erstmals seit fast einem Jahr wieder ein Rennen, und zeigte dabei eine großartige Leistung. Von Rang 11 im Qualifying verbesserte er sich schon bald auf Platz sechs – „best of the rest“ hinter den drei Penske und zwei Ganassi. In der letzten Kurve wurde er von Sebastian Bourdais angegriffen, und fuhr dabei ein Manöver, das in jeder anderen Rennserie als fairer Verteidigungsversuch gegolten hätte. Nicht so in der IndyCar. Völlig regelkonform wurde er in Folge ans Ende der Lead-Lap versetzt. Der Lohn der Mühen war damit weg. Statt Platz sechs winkte ein unrühmlicher Rang 17. Kein Wunder, dass er im Interview nach dem Rennen kaum fassen konnte, was ihm gerade widerfahren war. Dass er immerhin – unter dem Namen „Giorgio Pantan“ – von indycar.com für den „Firestone Tire-ific Move of the Race“ (jetzt abstimmen!) nominiert wurde, wird ihn wohl nur wenig trösten.
Der Mangel an Action lag sicher zum Teil an der Streckencharakteristik. Aber nicht nur. Ein anderer Faktor ist auch, dass die aktuellen Wagen nicht für Rennen auf Straßenkursen, sondern ausschließlich für Ovale geplant sind. Umgerüstet wurde erst, als sich Tony George entschied, doch auch ein paar Rundstrecken in den Kalender aufzunehmen. Entsprechend schwer ist auch – anders, als mit den (auch) für Rundkurse gebauten CART-Boliden – das Überholen mit dem Renn-Dinosaurier. Immerhin das sollte sich mit dem neuen, wendigeren Auto im kommenden Jahr ändern.
In der Meisterschaft ist der Vorsprung von Dario Franchitti vor Will Power nun auf nur noch 26 Punkte geschrumpft. Scott Dixon auf Rang drei hat mit 75 Zähler immer noch massiv Respektabstand. Dahinter liegt der erstaunliche, wenn auch in der Meisterschaft chancenlose Oriol Servia.
Noch enger ist die Mario Andretti-Trophy. Nur zwei Runden vor Schluss liegt Franchitti in der Wertung für Road Courses nur noch sieben Punkte vor Will Power. Scott Dixon auf Rang drei (- 92 Zähler) ist dagegen kein ernsthafter Anwärter mehr.
Fotos: INDYCAR
3 Kommentare
Wenn man das so liest, könnte man meinen, die IndyCars entwickeln sich in Richtung DTM. :)
Das ist mir beim Korrekturlesen auch aufgefallen! Ich hoffe, der Artikel war nicht zu negativ. Denn ganz so schlimm ist es ja noch nicht. Gibt ja immer wieder auch gute Rennen.
Aber manche Entscheidungen bzw. Regeln sind einfach zum Kopfschütteln.
Leider gibt es noch einen Unterschied: Die DTM wirkt in ihren komischen Entscheidungen meist übertrieben professionell. Die IndyCar dagegen amateurhaft.
Nö ist schon in Ordnung, dass was die Indycars sich in den letzten 2 Rennen mal wieder geleistet haben bzw die Rennleitung war einfach nur …
Ich hoffe wirklich inständig, dass sie im Winter ein vernünftiges Regelbuch schreiben
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