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Formel Eins: Analyse Valencia 2010

von DonDahlmann
10 Kommentare

Der heftige Unfall von Mark Webber führte nach dem Rennen zu erheblichen Kontroversen. Sebastian Vettel ließ sich allerdings nicht beirren.

Wer hätte das gedacht, dass der Grand Prix von Valencia, ein garantierter Langweiler in den letzten Jahren, 2010 für viel Aufregung sorgen würde. Schuld daran war Mark Webber dessen Flugeinlage einen sofortigen Einsatz des Safety Cars und des Medical Cars notwenig machte, und dafür sorgte, dass das Feld kräftig durcheinander gewirbelt wurde. Verlierer des Rennens war aber nicht nur Mark Webber, sondern auch Ferrari und Mercedes. Die einen wurden Opfer des Safety Cars, die anderen verhauten sich komplett mit ihrer Strategie. Dafür wurde ein mutiges Sauber-Team belohnt. Wäre da nicht am Ende wieder die FIA gewesen, die mittels sinnloser Strafen für Ärger gesorgt haben, hätte es ein netter Grand Prix sein können.

Zunächst mal zu Mark Webber und seiner Flugeinlage. Auf dem Video kann man erkennen, dass es sich bei dem Unfall teilweise um ein Missverständnis gehandelt hat. Kovalainen verteidigt seine Position, bremst etwas früher und Webber kracht hinten rein.

Aber so einfach ist es dann doch nicht, wie ich finde. Zum einen mag es ja in Ordnung sein, dass der Lotus Pilot seinen Platz verteidigt. Webber war nach seinem frühen Boxenstopp hinter ihm, soll er halt sehen, wie er vorbei kommt. Auf der anderen Seite ist das Verhalten von Kovalainen nicht ganz klar. Warum bremst er so früh? Und man kann durchaus die Frage stellen, was er überhaupt da mitten auf der Strecke macht. Es war klar, dass Webber, der locker 4.5 Sekunden pro Runde schneller war, vorbeikommen würde. Kovalainen muss ihm das Leben nicht leicht machen, aber auch nicht unnötig schwer. Der Unfall wäre vermeidbar gewesen, auch wenn Webber einfach aussen später gebremst hätte. Zum Glück ist nichts passiert, auch wenn Webber nur um Haaresbreite am Zaun vorbei geflogen ist. Hätte sich der Wagen im Zaun verfangen, wäre das nicht gut gewesen.

Und damit begann dann auch das Chaos in Valencia. Bei so einem Unfall muss die Rennleitung logischerweise sofort reagieren. Man kann nicht wertvolle Sekunden bei der Bergung verlieren, in dem man wartet, sondern man muss das Safety und Medical Car sofort raus senden. Das geschah auch, unglücklicherweise aber genau dann, als die Spitzengruppe durch kam. Vettel flitschte mit seinen 4 Sekunden Vorsprung gerade so durch, der Rest wurde eingefangen.

Hamilton war sich des Problems, dass Vettel vorne wegfahren würde, wohl bewusst, also beschloss er nach kurzem Zögern das SC zu überholen. Er mag sich nach dem Rennen hinstellen und sagen, dass er die Regeln nicht so genau kennt in dem Fall, aber ich vermute mal stark, dass ihm sehr klar war, was er da macht. Das Problem war nicht nur Vettel, der vorne weg fuhr, sondern auch alle Fahrer hinter ihm, die an der Box waren. Da das Medical Car deutlich langsamer als das Safety Car ist, aber selbstverständlich Vorrang hat und nicht überholt werden darf, tuckerte man relativ langsam um den Kurs. Klar war – die, die hinter dem SC steckten, waren klar im Nachteil. Doch das betraf nur die Ferrari und Kobayashi. Alle anderen hatten einen klaren Vorteil. Vettel und Hamilton, weil sie vor dem SC waren, der Rest, weil sie die Box kamen. Der Brite bekam zwar eine Durchfahrtsstrafe aufgebrummt, die aber erst, als er so weit vor Kobayashi lag, dass er sie ohne Platzverlust antreten konnte.

Ferrari regte sich nach dem Rennen verständlicherweise mächtig. Vor der Unterbrechung lag man auf Platz 3 und 4, nachher auf 9 und 15. Ferrari wurde komplett unglücklich erwischt. Als das SC kam, bog man gerade auf die Zielgerade ein. Es war zu spät für einen Boxenstopp. Allerdings hat man sich das Rennen dann auch selber versaut. Statt einen Fahrer draussen zu lassen und den, wie Kobayashi, einfach fahren zu lassen, holte man beide gleichzeitig an die Box und verspielte damit wichtige Punkte. Bei Ferrari kamen einfach Pech und eine falsche Entscheidung zusammen. Allerdings ist Ferrari der Meinung, dass Hamilton absichtlich erst auf Höhe des SC gebremst hat, damit die beiden Ferrari auf keinen Fall am SC vorbei kamen, während er, weil zumindest auf gleicher Höhe, weiter fahren konnte.

Bei Mercedes sah die Sache aber anders aus. Dort lag Schumacher nach einem gutem Start und dem Chaos der ersten SC-Rennen auf Platz 3. Er hatte die harten Reifen aufgezogen, die schon das gesamte Wochenende auf dem MGP gut funktionieren. Aber Ross Brawn wollte mehr, als ein paar Runden vorne zu sein, er wollte Schumacher mit Reifenwechsel auf Platz 3 halten. Denn zwischen ihm und Kobayashi gab es eine Lücke, die man 19 Sekunden einschätze. Das sollte knapp für einen Reifenwechsel reichen. So wollte man Schumacher entweder wieder vor oder knapp hinter den Sauber bringen, und so Platz 3 einfahren. Nicht bedacht hatte man allerdings, dass die Boxenausfahrt gesperrt wird, wenn unter SC-Bedingungen eine Kolonne passiert. Mittlerweile hatten die anderen Fahrer auf Kobayashi aufgeschlossen und Schumacher musste warten, bis alle durch waren. Eine massive Fehlentscheidung seitens Mercedes und Ross Brawn. Und nicht die erste in diesem Jahr.

Nach dem Restart plätscherte das Rennen dann wie gewohnt vor sich hin. Hamilton konnte Vettel vorne halten, aber mehr auch nicht. Button steckte hinter Kobayashi fest, der ein mehr als bemerkenswertes Rennen fuhr und den Engländer sogar auf Distanz halten konnte. Nach seinem Reifenwechsel fünf Runden vor Schluss erfreute er Peter Sauber und die Welt mit einem bemerkenswerten Überholmanöver gegen Alonso, den er wie einen Anfänger aussehen ließ, und gegen einen schlafenden Buemi, den er in der letzten Kurve, der letzten Runde noch schnappte. Franz Tost dürfte getobt haben.

Geradezu phantastisch lief es für Williams. Deren Updates scheinen zu funktionieren, zu dem hat man wohl verstanden, wo die Probleme am Auto lagen. Beide Fahrer konnten locker in Q3 fahren und hielten sich im Rennen in den Top Ten. Barrichello wurde am Ende Vierter. was ein tolles Ergebnis für die nicht gerade verwöhnte Truppe um Frank Williams ist. Hülkenberg hatte allerdings Pech, dass ihm sein Cosworth abfackelte.

Damit hatte man zwar ein Rennende, aber ein Rennergebnis. Denn zwischenzeitlich hatte die Rennleitung Jenson Button, Rubens Barrichello, Nico Hülkenberg, Robert Kubica, Vitaly Petrov, Adrian Sutil, Tonio Liuzzi, Sebastien Buemi und Pedro de la Rosa unter „investigation“ gestellt. Der Grund: man vermutete, dass alle in der Runde, in der das SC reinkam, zu schnell waren.

Die Fahrer bekommen es im Cockpit signalisiert, wenn das SC raus fährt. Ab diesem Punkt dürfen sie eine vorher bekannte Richtzeit nicht überschreiten. Das gilt sowohl für die gesamte Rundenzeit, wie auch für die Sektorenzeiten. Weil das SC so plötzlich raus kam, befanden sich einige Fahrer mitten in einem Sektor, der dann, so deren Argument, als zu schnell angezeigt wurde.

Die Rennleitung verschob eine Bestrafung auf die Zeit nach dem Rennen. Das mag einerseits nachvollziehbar sein, weil man während eines Rennens nicht das Chaos in Form von Telemetriedaten von 9 Fahrzeugen überprüfen kann, andererseits ist es unschön, weil das Ergbnis dann wieder auf den Kopf gestellt wird. Normalerweise haben die Kommissare nach dem Rennen zwei mögliche Strafen zur Hand:

1. 20 Sekunden Strafe, was einer nachträglichen Durchfahrtsstrafe entspricht
2. Rückstufung in der nächsten Startaufstellung um 5 oder 10 Plätze.

Nachdem man sich endlich entschieden hatte, kam man dann mit einer lächerlichen 5 Sekunden Strafe für alle betroffenen Fahrer raus.

Das ist ein Witz, und dem Umstand geschuldet, dass man nicht das gesamte Rennergebnis auf den Kopf stellen wollte. Schumacher hat für sein Manöver in Monaco, als die Regeln diesbezüglich auch noch unklar waren, 20 Sekunden aufgebrummt bekommen. Ich kann verstehen, dass Ferrari deswegen zusätzlich sauer ist. Man hält sich an alle Regeln, dafür bekommt man dann nur einen warmen Händedruck. Ich kann nicht beurteilen, wer wie schnell gefahren ist, und die Richtzeit überschritten hat, aber wenn man das feststellt, muss man es auch so bestrafen, wie man es normalerweise halt macht. 5 Sekunden Strafe mag salomonisch erscheinen, aber im Grunde hat sich die FIA lächerlich gemacht. Und die Bestrafung für ähnliche Vergehen in Zukunft fest gelegt.

Ich kann verstehen, dass die FIA Rennergebnisse nachträglich nicht mehr verändern möchte, denn das sieht immer blöd aus. Aber dann sollen sie halt die Riege der Rennkommissare erweitern. Es war genug Zeit um festzustellen, ob da jemand klar in einem Sektor zu schnell unterwegs war, nach dem das Rennen neutralisiert wurde. Die Fahrzeuge haben GPS und eine Standard Elektronik für die Telemetrie, die die FIA auslesen kann.

Vettel konnte das alles egal sein, er hielt sich aus allem raus und war am Wochenende der klar beste Mann im Feld. Er ist damit wieder drin in der WM, während Alonso arg Federn gelassen hat. Sein Rückstand auf Hamiltin beträgt jetzt schon 29 Punkte zurück.

WM Stand:
Lewis Hamilton 127
Jenson Button 121
Sebastian Vettel 115
Mark Webber 103
Fernando Alonso 98
Robert Kubica 83
Nico Rosberg 75

Nächstens Rennen dann in zwei Wochen auf dem umgebauten Kurs von Silverstone.

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10 Kommentare

Ich 28 Juni, 2010 - 15:16

Also, dieses Rennen war eine Farce. Alberner geht es kaum. Und ich finde das sogar schlimmer als die „debris cautions“ in den USA. Denn dort geht es ja wohl einfach darum, (neutral!) für mehr Spannung zu sorgen. In Valencia hingegen war es die reine Inkompetenz. Mal wieder! Was die Rennleitung – und die Stewards – sich dieses Jahr erlauben, ist das schlechteste seit vielen Jahren. Einer „Königsklasse“ einfach unwürdig.

Dazu kommt noch der schon früher erhobene Verdacht, dass Hamilton bevorzugt behandelt werden könnte.

Vorsicht 28 Juni, 2010 - 15:42

Den geäußerten „Verdacht“ teile ich – so wie die von Ferrari ventilierten Verschwörungstheorien – zwar nicht. Sonst stimmt ich aber völlig zu: Die Rennleitung hat versucht, salomonische Urteile zu fällen. Auch, wenn in diesem Fall die Strafen zufällig zu den Vergehen passen mögen (wenn man mal unrealistischerweise unterstellt, dass HAM wirklich nicht wusste, ob er bei der SC-Linie schon vorbei war, und dass die zu hohen Sektorzeiten unter SC tatsächlich so zustande gekommen sind, wie die Teams der bestraften Fahrer das behaupten). Es handelt sich trotzdem um Willkür. Und die hat bei unabhängigen Sportbehörden nichts zu suchen.

Was ich eigentlich sagen wollte: Danke an die Red Bull-PR (den Dosen nach zu urteilen) für das Foto! Da sieht sogar Valencia wieder gut aus. ;)

Ich 28 Juni, 2010 - 16:13

Was heisst schon Verschwörung? Irgendeinen Grund muss es ja haben, dass die Strafe erst 20 Runden später ausgesprochen wurde. Der Fall war ebenso eindeutig wie Alonsos Frühstart unlängst. Da ging es auch sehr schnell. Ich finde Ferraris Ärger völlig verständlich.

Und wenn man das alles an der Skandal-Strafe gegen Schumacher misst, wird es um so lächerlicher.

underbreaker 28 Juni, 2010 - 16:19

Und es wäre so einfach, das Chaos unter SC zu ordnen, wenn man die closed-pit-Regel wieder einführt. Ist zwar für den jeweils Zweitplatzierten jedes Teams ein Nachteil, aber der Hauptgrund für die Absetzung der Regen war ja die Problematik mit den leeren Tanks und der Durchfahrtsstrafe für den Stop bei notorischem Spritmangel. Und das Problem gibt es seit diesem Jahr nicht mehr.

TH44 28 Juni, 2010 - 16:24

Also ich habe einfach ein großes Problem mit dem Strafmaß, wie Alonso ja wohl auch. Eine Durchfahrtsstrafe ist doch bei solch einem Vergehen ein schlechter Scherz.

Also ich die eindeutigen Bilder sah, dacte ich sofort, der kriegt gleich die schwarze Flagge. Aber nix wars.
Wenn jemand bei Rot aus der Box fährt wird er disqualifiziert… wenn man das Safetycar überholt, dann nicht?

Sorry, aber dass die Rennleitung solch ein Maß ansetzt, das ist nicht zu begreifen.

@underbreaker: Schöne Idee, die Closed-Pit-Regel wieder einzuführen. Kriegt sofort meine Stimme. Fand das vor zwei Jahren mehr als spannend.

DonDahlmann 28 Juni, 2010 - 16:34

An die geschlossene Boxengasse habe ich sofort gedacht, fairer wäre es wahrscheinlich. Auf der anderen Seite wollte man ja, dass die offene Boxengasse wieder für mehr Abwechslung sorgt, weil es das Feld durcheinander bringt. Das Problem am Wochenende war einfach, dass das SC so blöd in die Spitzengruppe schnitt. Wäre es 6 Sekunden früher oder 10 Sekunden später gekommen, hätte das Rennen eine komplett neue Wendung bekommen. Diese Element in Sachen Spannung ist nicht zu unterschätzen, auch wenn es nicht „fair“ ist.

Was die Entscheidungen angeht: Die NASCAR fällt alle Entscheidungen im Rennen. Das sind Tatsachenentscheidungen, Proteste gibt es in dem Sinn nicht. Wenn man jemanden ausnahmsweise nicht im Rennen erwischt, gibt es meist ja Punkteabzug. Die FIA muss ihr System dringend überarbeiten. Es kann auch nicht sein, dass man 3 Stunden warten muss, bis man ein Endergebnis hat.

abductee 28 Juni, 2010 - 20:44

mal was ganz anderes:
während webber durch die luft flog konnte man schön den unterboden des RedBull sehn. ich denke einige teams werden eine $grosse geldsumme für high-res-fotos von diesem zwischenfall ausgeben und sich den unterboden mal ganz genau anschauen. :P

Stefan 29 Juni, 2010 - 01:27

Da muss ich @ICH Recht geben, das Rennen war eine einzige Farce.

Das hat mit dem raus lassen das SC angefangen und mit der 5 Sek. Strafe aufgehört.
Das ist typisch FIA.Die schaffen es immer wieder einen drauf zusetzen.Unglaublich.

Schade das Hamilton nach gedacht hat und nicht volles Rohr am SC vorbei gefahren ist.
Dann wer es bestimmt eines der besten Manöver der Saison gewesen.
So hat schliesslich eine Wagenlänge gefehlt.

Besserwisser 29 Juni, 2010 - 10:53

Schuld daran war Mark Webber dessen Flugeinlage einen sofortigen Einsatz des Safety Cars und des Medical Cars notwendig machte, und dafür sorgte, dass das Feld kräftig durcheinander gewirbelt wurde.

Greg 29 Juni, 2010 - 23:16

Ich bin nur nicht damit einverstanden, dass KOB schuld an dem unfall war. OK, er hat vielleicht früher gebremst – aber er darf sich doch mit allem was er hat wehren. Und Webber muss es doch nicht so knapp machen wenn man bedenkt was für einen riesigen Vorteil er gegen den Lotus hatte.

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