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Vorschau 24 Stunden von le Mans 2020: Die LMP-Klassen

von StefanTegethoff
12 Kommentare

Während die LMP2 einen regelrechten Boom erlebt, geht es mit der LMP1 zu Ende. Oder vielleicht doch nicht?

Sind wir mal ehrlich: alles andere als ein Doppelsieg der Toyota wäre eine Überraschung, aber es würde auch irgendwie ins Jahr 2020 passen. Doch die Chancen stehen wirklich schlecht. Der TS050 ist ein mittlerweile sehr ausgereiftes Auto, dass keine Schwächen mehr haben sollte. Toyota arbeitet nur noch moderat am Auto und kümmert sich vor allem um die Zuverlässigkeit und ein paar Aero-Tweaks. Dazu kommt, dass der Toyota in Le Mans klar das beste Auto ist. Die EoT, die während der Saison gilt, ist in Le Mans komplett anders. Beim letzten Rennen in Spa waren die Toyota 37 Kilo schwerer, als sie in Le Mans unterwegs sein werden (Sei denn, der ACO ändert das noch vor dem Renntag, aber das ist unwahrscheinlich.) Zwar ist der TS050 im Vergleich zum Vorjahr sieben Kilo schwerer, aber das dürfte nicht allzu viel ausmachen.

Interessanter ist schon, dass die Nicht-Hybrid P1 in diesem Jahr 4.6 Kilo mehr Sprit tanken dürfen und bekanntermaßen bei der Leistung keine Spritbeschränkung haben. Im letzten Jahr konnten die Toyota eine Runde länger als die Konkurrenz fahren, was in diesem Jahr ausgeglichen sein sollte. Das macht das Rennen über die Distanz sicher enger, weil die Japaner nicht mehr so viel mit der Strategie spielen können. Wie eng es wird? Schwer zu sagen. Zumal nur zwei Konkurrenten für die Toyota gibt.

Rebellion feiert seinen Abschied aus der Prototypen Sport mit einem letzten Auftritt in Le Mans. Zwei Autos bringen die Schweizer mit, die in dieser Saison dank der EoT schon gewinnen konnten. Schnell sind die Rebellion schon, aber über die Distanz wird Ihnen der Punch fehlen. Es wäre schön, wenn die Rebellion die Japaner ein wenig auf ihren Zehenspitzen halten könnten, aber allzu viel Hoffnung sollte man sich da nicht machen. Besetzt sind die Autos mit sehr gut. In der #1 sitzen Bruno Senna, Norman Nato, Gustavo Menezes, während die #3 von Romain Dumans, Nathanaël Berton und Louis Delétraz pilotiert wird. Beides sehr ausgewogene Kombinationen für Le Mans. Wenn Die Rebellion es schaffen, den Rundenrückstand bei zwei bis drei Runden über die Nacht zu halten und eine der Toyota Probleme bekommt, könnte es spannend werden.

Und dann gibt es dann noch den ByKolles. Man muss dem Team schon Respekt zollen, dass sie es immer wieder schaffen nach Le Mans zu kommen. Natürlich weiß man, dass man gegen den Rest des Feldes keine Chance hat. Aber in Le Mans ist viel möglich. Mit Bruno Spengler, Tom Dillman und Oliver James Webb hat man eine gute und zuverlässige Crew. Wenn der ByKolles denn durchhält, was alles andere als sicher ist.

Und das war es auch schon mit der P1. Ginetta, die erst mit zwei, dann nur noch mit einem Auto antreten wollten, haben in letzter Sekunde auch diesen Wagen zurückgezogen. Man gibt an, dass die Corona-Einreisebeschränkungen in UK keine Teilnahme möglich machen. Das mag sein, aber das Projekt stand eh unter finanziellen Problemen, sodass die Absage nicht überaschend ist. Zwar hätten die Ginetta keine Chance im Rennen, aber es wäre doch schon gewesen mehr als fünf Autos in der P1 zu sehen.

Eigentlich sollte es auch der letzte Auftritt der LMP1 in Le Mans werden. Aber ob das der Fall ist, scheint nicht klar. Es gibt das Gerücht, dass Alpine einen Rebellion Chassis kauft und 2021 in der LMP1 antreten will. Offenbar plant der ACO die P1 noch ein Jahr weiter im Feld zu lassen und neben die Hypercars zu setzen. Hintergrund ist, dass man 2021 nicht genug Hypercars am Start haben wird. Bisher haben wir nur zwei Toyota, einen Glickenhaus und eventuell ein ByKolles (von dem man noch nichts gesehen hat). Das wäre ein wenig dünn, daher überlegt man wohl die P1 zum Auffüllen des Feldes zuzulassen.

Aber erst einmal geht es ins 24 Stunden Rennen in diesem Jahr. Der Gesamtsieger wird vermutlich zum letzten Mal aus der LMP1 kommen. Wird es ein Toyota? Wenn ja, welcher? Oder kann Rebellion eine Überraschung gelingen? Oder kann sogar ein LMP2 gewinnen? Das dürften die spannenden Fragen der diesjährigen Ausgabe sein. Aber die richtige Spannung findet man vermutlich in der LMP2.

Die LMP2-Klasse

Vieles ist anders im Corona-Jahr 2020, aber in Le Mans bleibt eines so, wie es auch die letzten Jahre über war: die LMP2-Klasse stellt das größte Fahrzeugkontingent. Und noch eines bleibt gleich: das 24 Autos starke Feld besteht größtenteils aus Orecas.

Jedes Jahr wird es ein bisschen krasser: weil die anderen beiden Hersteller, Ligier und Dallara, in der kostengedeckelten und stark entwicklungsbeschränkten LMP2-Klasse den Vorsprung von Oreca nicht aufholen können, wechseln immer mehr Teams zum „Marktführer“. Daran ändert es auch nichts, dass einige Orecas aufgrund von Sponsorengeldern umgebrandet werden, sei es in Aurus oder in Alpine – 20 der 24 gemeldeten Boliden sind Oreca 07. Ligier hat spätestens seit dem Markenwechsel seines früheren Top-Teams United Autosports nichts mehr zu melden.

Die vier Nicht-Orecas sind Exoten, und da die LMP2 seit Jahren auch mit Einheitsmotoren von Gibson fährt, sehen wir quasi einen Markenpokal. Das ist schade, denn bevor dieses aktuelle Reglement in Kraft getreten ist, gab es auch in der LMP2 spannende Kämpfe zwischen verschiedenen Fabrikaten, es gab immer mal wieder eine interessante Neuentwicklung und die Rennen waren meist trotzdem spannend. So schade es um die technische Vielfalt ist – spannend sind die Rennen auch mit dem nahezu einheitlichen Oreca-Gibson-Feld, denn nun liegt der Fokus auf den Fahrern.

Und da gibt es wieder einen tollen Mix aus Vollprofis, Nachwuchs-Stars, erfahrenen Semi-Pros und Gentleman-Neueinsteigern. Zur Erinnerung: jedes Team muss mindestens einen Silber- oder Bronze-Piloten in seinem Trio haben, und der muss mindestens sechs Stunden am Steuer sitzen. Darum gilt weiterhin die Weisheit, die ich jedes Jahr in der LMP2-Vorschau wiederhole: die Qualität des schwächsten Fahrers, seine Konstanz und sein Grundspeed, sind letztlich entscheidend dafür, wie gut ein Team vorankommt, denn die Unterschiede zwischen den erfahrenen Vollprofis sind in der Regel nicht so gravierend wie die zwischen den Silber- und Bronzepiloten. Ein guter Nachwuchs-Silber-Piloten, der schon ein oder zweimal Le Mans bestritten hat, kann hier der Schlüssel zum Sieg sein.

Die „Exoten“ – Dallara und Ligier

Der einzige Dallara P217 im Feld wird von #47 Cetilar Racing eingesetzt. Italiener Andrea Belicchi ist der erfahrene Anführer des italienischen Teams (es ist bereits seine elfte Le Mans-Teilnahme), er fuhr auch schon 2017 und 2019 in gleicher Konstellation mit seinen Landsmännern Roberto Lacorte (Bronze) und Giorgio Sernagiotto (Silber) für das Team. 2017 gab es einen starken neunten Platz, ein erneuten Top Ten-Ergebnis wäre für 2020 bereits ein großer Erfolg, ist aber nicht unbedingt zu erwarten.

Aus dem Ligier-Trio sehe ich das polnische Team #34 Inter Europol Competition leicht vorn. Mit dem russischen Hotshot Matevos Isaakyan und dem Österreicher Rene Binder hat man dort zwei Nachwuchskräfte, die beide im letzten Existenz-Jahr der Formula V8 3.5 (ehemals Formula Renault) stark und siegreich unterwegs waren. Jakub Smiechowski ist seit Jahren in LMP3 und LMP2 Stammpilot des Teams, das vom Deutschen Sascha Fassbender gemanagt wird.

Ebenfalls international aufgestellt (merke: alles, was „Euro“ im Namen trägt, fährt Ligier) ist das Team #35 Eurasia Motorsport. Hier ist mit Roberto Merhi ein Platin- und Ex-F1-Pilot am Start. In Le Mans war er 2016 schonmal in der LMP2 am Start, versuchte sich danach nochmal in der Formel 2 und kehrt nun zurück nach Le Mans. Er wird unterstützt vom jungen Australier Nick Foster (Gold) und dem japanischen Businessmann Nobuya Yamanaka, der 2019 in der LMP3-Klasse unterwegs war und nun seine ersten 24h von Le Mans bestreitet – ein großer Erfolg für einen passionierten Semi Pro-Rennfahrer. Aber hier dürfte es noch etwas an Erfahrung mangeln.

Eine überwiegende Gentleman-Truppe bringt das US-italienische Team #11 Eurointernational im dritten Ligier P217 an den Start: die beiden Geschäftsleute Erik Maris und Christophe d’Ansembourg (beide Bronze) werden vom Ex-DTM-Piloten Adrien Tambay unterstützt. Maris hat schon Le Mans-Erfahrung, d’Ansembourg kennt man aus den Nenn- und Siegerlisten historischer Serien. Unter anderem ist er amtierender Champion der – wenn man so will – „LMP1-Kategorie“ der Masters Endurance Legends, in der relativ moderne Prototypen aus dem 21. Jahrhundert antreten. Dort war er letztes Jahr in dem wunderbar klingenden Lola Aston Martin V12 von vor zehn Jahren unterwegs.

Die Goodyear-Orecas

Zwei Reifenhersteller sind in der Klasse dieses Jahr am Start. Während bis vor wenigen Jahren Dunlop dominierte, bestimmen derzeit die Michelins das Bild. Fünf Oreca-Teams aber starten mit Goodyear-Pneus – und es sind durchweg nicht zu unterschätzende Autos. Vor allem aber sind diese schon zukunftsorientiert unterwegs, denn ab den kommenden Saisons von WEC und ELMS wird Goodyear Alleinausrüster bei den Reifen für die LMP2-Klasse sein. Somit verliert die Klasse nach den Motoren ein weiteres Wettbewerbs-Element vollständig.

Mit zwei Autos am Start ist das Team Algarve Pro Racing, das sich aus einer Driving School heraus entwickelt hat, die auf der Strecke von Portimao beheimatet ist. Die werden in diesem Jahr als zweites Auto mit G-Drive-Sponsoring versorgt, auch wenn Roman Rusinov für ein anderes Team startet (siehe unten).  Das Team hat sich über die Jahre durchaus gemacht und 2020 bringt man zwei interessante Besatzungen an den Start. In der #16 G-Drive Racing by Algarve sitzen mit Nick Tandy und Olivier Jarvis zwei Ex-Werkspiloten von Porsche bzw. Audi: Tandy hat Le Mans schon insgesamt gewonnen, Jarvis immerhin die Klasse in dem Jahr, als beinahe ein LMP2 den Gesamtsieg geholt hätte. Die beiden werden unterstützt vom Briten Ryan Cullen, der über den Porsche Supercup zu den Sportwagen kam und letztes Jahr seinen ersten Le Mans-Start absolviert hat. Dieses Auto muss man auf der Rechnung haben! Dabei ist dieser Entry erst Ende August überhaupt zustande gekommen.

Die #26 Algarve Pro Racing ist dagegen etwas schwächer aufgestellt, dort sitzen neben dem einst (2014) jüngsten Le Mans-Starter Matt McMurry der bisher in Le Mans glücklose Simon Trummer (zwei Jahre für byKolles in der LMP1) und dem US-Finanz-Unternehmer John Falb, der in der LMP3 Erfolge einfahren konnte, am Steuer. Ein solider Mittelfeld-Platz kann drin sein für das Team, vielleicht ein Top Ten-Ergebnis.

Zwei Autos unter verschiedenen Entry-Namen sehen wir auch bei Jackie Chan DC Racing / Jota. Jota trat vor einigen Jahren unter eigenem Label dann, dann auch mal mit Roman Rusinov und G-Drive (siehe unten), in den letzten drei Jahren aber kontinuierlich für das Team von David Cheng, der das DC in Jackie Chan DC Racing bereitstellt. Das Team gehörte zuletzt immer zu den Sieg- oder wenigstens Podiumskandidaten, in Le Mans reichte es 2017 zum Klassen-Doppelsieg und zwei Plätzen auf dem Gesamt-Podium.

Die #37 Jackie Chan DC Racing ist Ho-Pin Tung, Gabriel Aubry und Will Stevens stark besetzt, alle drei fuhren bereits im Vorjahr für das Team. In der Saison 2018-19 reichte es für diverse WEC-Klassensiege, in der laufenden Saison nur für mehrere zweite Plätze, aber mit dem Trio ist trotzdem fest zu rechnen. Die fast schon traditionsreich zu nennende „Mighty 38“, der #38 Jota Oreca ist mit dem Ex-LMP1-Werkspiloten Anthony Davidson, dem frischgebackenen Formula E-Champion Antonio Felix da Costa und dem Silber-Piloten Roberto Gonzalez aus Mexiko nominell noch stärker besetzt.

Ohne die Unterstützung von Fabien Barthez ist nun #31 Panis Racing am Start. Das Team hat sich in Le Mans schon das ein oder andere Mal im Vorderfeld gezeigt, aber nie gute Ergebnisse erreichen können. Mit Nicolas Jamin, Julien Canal und Matthieu Vaxiviere ist eine recht ausgeglichene, komplett französische Fahrerbesetzung am Start, die vor allem durch Konstanz bestechen könnte. Alle haben bereits Le Mans-Erfahrung, Canal immerhin bereits drei Klassensiege in GTE-Kategorien, aber auch einen LMP2-Podiumsplatz im Buch stehen.

Badge Engineering vom Feinsten

Zwei weitere Favoriten-Teams treten mit Orecas an, die aber unter anderem Chassis-Namen laufen. Das passiert jeweils aus Marketing-Gründen, um Fahrzeuge zu promoten, die nun wirklich gar nichts mit den LMP2-Boliden zu tun haben, auf denen ihr Name prangt, aber das muss man wohl so hinnehmen, es ist auch nichts neues.

Einen „Aurus 01“ bringt das unter russischer Flagge fahrende #26 G-Drive-Team an den Start, am Steuer sitzt unter anderem Roman Rusinov, der sehr schnell ist und lange als Silber-Pilot eingestuft war bzw. diesen Status zu erhalten versuchte. Er scheint seit Jahren sehr erpicht auf einen Klassensieg in Le Mans und 2018 schien der Traum in Erfüllung zu gehen, doch dann führte ein illegales Teil in der Tankanlage zur Disqualifikation. Es war das erste Jahr, in dem Rusinov bei TDS Racing angedockt hatte, und dort ist er bis heute geblieben. Er wird unterstützt von Jean-Eric Vergne und Silber-Pilot Mikkel Jensen, einem dänischem Nachwuchsmann, der über die LMP3-Klasse, die er letztes Jahr in der ELMS gewann, aufgestiegen ist. TDS / G-Drive sollte man nie aus den Augen verlieren, Team und Fahrer sind stark.

2018 erbte das andere Team den Sieg, das seit einigen Jahren – und auch diesmal wieder – mit einem in Alpine umbenannten Oreca-Chassis startet: #36 Signatech Alpine Elf – hervorgegangen aus dem Signature-Team von Philippe Sinault, förderte viele Jahre lang junge Piloten und setzte auch in Le Mans oft auf solche. Die diesjährige Besatzung ist aber eine durchweg erfahrene: Brasilianer Andre Negrao bestreitet sein viertes LM24 in Folge mit dem Team – davon ein dritter Rang und zwei Klassensiege. Der inzwischen 36-jährige Franzose Pierre Ragues war beim dritten Rang 2017 auch bereits für das Team am Start. Sein Landsmann Thomas Laurent ist mit 22 der Youngster im Team, bestreitet aber auch bereits sein viertes Le Mans: 2017 holte er den Klassensiege mit Jota / Jackie Chan DC Racing, die letzten beiden Jahre fuhr er für Rebellion in der LMP1. Dieses Team dürfte auch dieses Jahr wieder zu den absoluten Top-Favoriten gehören. Signatech möchte ab 2021 in der LMP1 antreten – und dieser Equipe ist das sicherlich zuzutrauen. Natürlich wird man in guter Tradition einen Rebellion als Alpine rebadgen.

Ein weiteres von Signatech betreutes Auto läuft nicht als Alpine, aber unter dem Namen #50 Richard Mille Racing Team. Hierbei handelt es sich um einen von der FIA-Kommission für Frauen im Motorsport organisierten Einsatz, das erste rein mit Frauen besetzte LMP2-Auto in Le Mans. Die beiden Nachwuchs-Pilotinnen Tatiana Calderon und Sophia Flörsch stehen bisher fest. Flörsch ist mit 19 Jahren noch sehr jung und war dieses Jahr – leider glück- und punktelos – in der FIA Formel 3 am Start. Tatiana Calderon hatte eine ähnliche Erfahrung 2019 in der FIA Formel 2. Vielleicht kann der Langstreckensport beiden eine neue Perspektive bieten. Als dritte Piloten ist recht kurzfristig die Niederländerin Beitske Visser hinzugestoßen, ursprünglich war Katherine Legge als erfahrene Teamleaderin vorgesehen. Sie ist vor allem durch ihren zweiten Meisterschaftsrang in der ersten Saison der W Series in Erscheinung getreten. In Le Mans sind alle drei erstmalig, also heißt es erstmal Erfahrung sammeln und sauber durchkommen.

Die weiteren Zwei-Wagen-Teams

Immer stark besetzt sind auch die Autos von United Autosports, dem Team, das der heutige McLaren-Owner Zak Brown einst gemeinsam mit dem Briten Richard Dean gründete. In Le Mans startete man bisher immer in Ligiers und hatte damit keine echte Chance auf den Sieg, 2018 reichte es zu einem Klassen-Podium. In der #22 sitzen Phil Hanson, Filipe Albuquerque und Paul di Resta, in der #32 William Owen, Alex Brundle und Job van Uitert. Letzterer ist die einzige Besetzungsänderung gegenüber Le Mans 2019, van Uitert ist ein vielversprechender junger Niederländer, der 2018 die ELMS-LMP3 gewann und letztes Jahr für G-Drive sein Le Mans-Debüt gab. Beide Wagen muss man für die Top 5 auf der Rechnung haben – jetzt wo sie das frühere Ligier-Flaggschiff-Team auf Oreca umgestiegen ist, so schade das auch für die Vielfalt ist.

Das Überraschungsteam auf der Klassen-Pole vor zwei Jahren war IDEC Sport, die noch relativ frisch in Le Mans sind, aber sich über die wenigen Jahre gut gemausert haben. Die Franzosen mit Segelsport-Background bringen einen erstzunehmenden Kontrahenten an den Start und ein Gentleman Driver-Auto. Ersteres ist die #28 mit den Profis Paul-Loup Chatin (der die Pole-Zeit 2018 fuhr) und Richard Bradley (LMP2-Klassensieger 2015 mit KCMG) und Paul Lafargue aus der Owner-Familie als Silber-Pilot. Mit dem Umstieg auch dieses Teams auf Oreca sollte man auch sie im Auge behalten. Das zweite Auto ist die #17 mit den beiden Silber-Piloten Kyle Tilley (Driver Coach / Motorsport-Unternehmer) und Jonathan Kennard (bestritt Le Mans 2010 mit Kruse Schiller Motorsport, lang ist’s her) sowie Unternehmer / Bronze-Fahrer Dwight Merriman. Hier sollte man nicht viel erwarten, aber es ist immer spannend zu schauen, wie solche Autos so durch’s Rennen kommen, manchmal kommt auch ein schönes Ergebnis dabei raus.

Seit einigen Jahren Stammgast in Le Mans ist Ex-Pilot Elton Julian mit seinem Team Dragonspeed USA. Trotz ordentlicher Besatzungen hat es zum Durchbruch aber bisher nicht gelangt. In diesem Jahr ist die #21 mit dem talentierten Pipo Derani besetzt, der vor einigen Jahren der Shooting Star der US-Sportwagenszene war. Mit dem erfahrenen Mexikaner Memo Rojas und Thimothé Buret als Silber-Pilot bei seinem vierten Le Mans-Start kann dieses Team durchaus ein gutes Top Ten-Resultat einfahren. Die #27 mit dem schnellen Renger van der Zande, dem Part Time-IndyCar-Piloten Ben Hanley und dem Bronze-Piloten Hendrik Hedman sehe ich etwas dahinter; dieses Trio pilotierte die letzten beiden Jahre einen BR1-LMP1 für Dragonspeed, kam aber beide Male nicht ins Ziel.

Drei letzte WEC-Teams

Das #29 Racing Team Nederland bringt wieder eine rein niederländische Besatzung an den Start: Supermarkt-Mogul Frits van Eerd hat sich wieder die Unterstützung von Nyk de Vries gesichert, der als amtierenden Formel 2-Champion und mit seinem ersten Formel E-Podiumsplatz im Gepäck nach Le Mans zurückkehrt. Mit Giedo van der Garde ist ein weiterer schneller Mann am Start. Das „Handicap“ ihres Teamowners werden die beiden aber nicht ausgleichen können, auch wenn es in der laufenden WEC-Saison bereits zu einem Sieg in Fuji und zwei Podien reichte.

#33 High Class Racing aus Dänemark bringt Mark Patterson an den Start – der inzwischen 68-jährige Finanzinvestor ist seit 2013 regelmäßig dabei und damit fast schon ein Le Mans-Urgestein. Ihm zur Seite steht mit Kenta Yamashita eine sehr spannende Besetzung: der 25-jährige Japaner ist amtierender Super GT-Champion, tritt in Le Mans aber erstmalig an. Auf sein Debut darf man gespannt sein. Dritter Mann ist der Däne Anders Fjordbach, ein Silber-Pilot, der GT-Erfolge aufweisen kann, aber in den LMPs noch nicht den Durchbruch geschafft hat.

Das Schweizer Team #42 Cool Racing ist im Vorjahr aus der LMP3 in die LMP2 aufgestiegen, nun aber erstmalig in Le Mans dabei. Am Steuer sitzt mit Nicolas Lapierre ein alter Werksfahrer-Hase. Er unterstützt den Semi-Pro Antonin Borga und den „Gentleman Driver oft he year 2019“ der ELMS, Alexandre Coigny, beide Schweizer; Coigny ist auch CEO von Cool Aviation, von ihm dürfte das Geld des Teams stammen. Im ersten ELMS-Jahr reichte es für zwei Podien, aber für Le Mans sehe ich ein derartiges Ergebnis in weiter Ferne, trotzdem: ein schöner Neuzugang.

Dark Horses und Neulinge

#24 Nielsen Racing hat als LMP3-Champion der Asian Le Mans Series ein Ticket gewonnen und ist erstmalig in Le Mans dabei, das gilt auch für zwei seiner Piloten: Kanadier Garret Grist ist auf der Mazda Road to Indy hängen geblieben und dann ab 2017 zu den Sportwagen gewechselt, wurde immerhin Klassensieger beim Petit Le Mans. Anthony Wells ist ein Maschinenbau-Unternehmer aus dem englischen Nordosten, er tritt als Bronze-Pilot an, war auch bei den LMP3-Erfolgen mit dabei. Silber-Pilot Alex Kapadia ist schon seit Jahren immer mal wieder in den unteren Klassen von Le Mans-Serien am Start und hat auch schon einen LM24-Start zu Buche stehen (2015 in der GTE-Am).

Ein Team gibt es in der letzten Kategorie, den bisher unter keiner Überschrift subsumierbaren Mannschaften, das durchaus als Dark Horse für ein Podium gelten kann. Das #30 Duqueine Team mit den zwei Le Mans-erfahrenen und schnellen Piloten Jonathan Hirschi (einmal Klassen-Zweiter der LMP2 in Le Mans) und Tristan Gommendy (dreimal Klassen-Zweiter der LMP2). Zusammen kommen beide auf 17 Starts an der Sarthe. Der dritte Mann ist der 26-jährige Russe Konstantin Tereschenko, der vor einigen Jahren im Formelsport nicht weiter vorankam und dann bei verschiedenen LMP2-Teams andockte; im Vorjahr gab er sein Le Mans-Debut mit dem ARC Bratislava, einem nicht sonderlich gut aufgestellten Team, für das die Teilnahme ein Highlight war. Duqueine Engineering feiert 2019 auch sein Le Mans-Debut, fuhr aber auf Anhieb den siebten Klassenrang ein. Hier kann ein Überraschungs-Resultat drin sein, auch wenn in der ELMS-Saison bisher nicht viel lief.

Und dann ist da noch das ambitionierte Projekt SO24, das seit einigen Jahren versucht, lokalen Fahrern zu einem Start in Le Mans zu verhelfen. Ursprünglich mit Lobard Racing gestartet, dann bankrott gewesen, ist seit 2018 Graff Racing der Partner der Wahl. Der auserwählte lokale Fahrer am Steuer des Oreca #39 SO24-HAS by Graff ist Vincent Capillaire, dessen Name immer noch bekannt ist für sein „Daumen hoch“-Signal am Ende der Boxengasse, das zum Ausfall eines Toyota führte. Capillaire war nun bereits sechsmal in Le Mans dabei (davon dreimal mit Graff und/oder SO24), als bestes Resultat steht ein ordentlicher sechster (Gesamt-)Rang 2018 zu Buche, Platz 2 in der Klasse. Da hatte das Team allerdings mit den vorgenannten Hirschi und Gommendy noch zwei Fahrer von anderem Kaliber dabei. Ebenfalls einen sechsten Gesamt-Rang kann der Australier James Allen aufweisen (2017 mit Graff). Und da ist da noch der 19-jährige Le Mans-Debütant Charles Milesi, der im Vorjahr die japanische F3-Saison bestritt. Dieses Team ist sehr schlecht einzuordnen, mit Glück und Konstanz kann hier auch nochmal ein Top Ten-Resultat rausspringen.

Entry List Le Mans 2020

Bilder: ACO

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12 Kommentare

Max 14 September, 2020 - 21:48

Lieber Stefan, ganz vielen Dank für die ausführliche Zusammenfassung, wie jedes Jahr wieder hervorragend gemacht. Perfekt, um sich einen Überblick über die Starter zu verschaffen.
Eine kleine Änderung gab es es inzwischen beim Dragonspeed #21, hier wurde Pipo Derani durch Juan Pablo Montoya ersetzt.

Phil (unterwegs) 15 September, 2020 - 10:42

Lieber Max, vielen Dank für Deinen Kommentar und das Lob für Stefan, da schließe ich mich natürlich gerne an. Da wir auch im Podcast Derani genannt haben, bin ich kurz auf Spurensuche gegangen. Das Resultat: Die aktuellste Nennliste ist zwar schon aktualisiert, aber trotzdem falsch. Dort stehen bei der #21 von DragonSpeed die Fahrer Montoya, Buret und Derani. Letzterer sollte natürlich auch Rojas heißen.

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