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Formula E: Rückblick auf den New York City ePrix und die Saison 2017-18

von StefanTegethoff
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Die vierte Saison der Formula E ist in den Büchern, und die Serie hat nicht nur wieder einen würdigen Champion gefunden, sondern sogar einen, der die Saison dominiert hat: Jean-Eric Vergne.  

Der Franzose steht am Ende mit sage und schreibe 54 Zählern Vorsprung an der Spitze der Tabelle. Sam Bird, sein bis dato engster Verfolger, erwischte in New York (wie selbst zuvor befürchtet) ein so schwaches Wochenende, dass sogar noch Vorjahresmeister Lucas di Grassi an ihm vorbeizog. Lucas di Grassi, der in den ersten vier Läufen aufgrund technischer Probleme nicht einen einzigen Punkt geholt hatte, nachdem Audi Sport Abt Schaeffler vor der Saison als haushoher Favorit galt. Doch der in New York noch gewonnenen Team-Titel ist für das deutsche Team nach dieser durchwachsenen Saison als starke Leistung zu werten.

New York City ePrix: Entscheidung um den Fahrer-Titel am Samstag…

In New York war nicht sofort klar, dass diese beiden Teams das Wochenende unter sich ausmachen würden. Denn Nach der Gruppen-Qualifikation wurden die Zeiten der Techeetah-Piloten Vergne und Lotterer wegen zu hohen Energieverbrauchs direkt gestrichen, was sie ans Ende der Startaufstellung verbannte. Laut Techeetah sei der Fehler aus einem Software-Wechsel resultiert, den man wegen Zuverlässigkeits-Bedenken vorgenommen habe. Aber auch Lucas di Grassi und Sam Bird erwischten in Quali-Gruppe 1 jeweils eine schlechte Runde und konnten nur von Platz 11 bzw. 14 ins Rennen gehen. Die Pole hatte sich überraschend Sebastien Buemi gesichert, der aber auch schon in der ersten Gruppe ran musste, auf diese übliche Ausrede konnten es di Grassi und Bird also nicht schieben.

Im Rennen allerdings war das Bild schnell ein anderes, denn Daniel Abt stürmte in seinem Audi von Startplatz 5 innerhalb weniger Runden an die Spitze, und schon vor Rennmitte war auch Abts Teamkollege di Grassi aus dem Mittelfeld durchs Feld gepflügt und hing im Heck des Brasilianers. In Runde 24 überholte di Grassi den jungen Deutschen, worüber der sich hinterher auf dem Podium sehr unglücklich zeigte. Eine Teamordner im eigentlichen Sinne lag dem Ärger nicht zugrunde, aber das Team hatte wohl Abt gesagt, er solle risikoarm fahren, di Grassi werde nicht attackieren – aber man habe aus Versehen, so die Erklärung, vergessen, diese Botschaft auch an di Grassi zu senden.

Die Positionen blieben so bis zum Zielstrich, Dritter hinter den beiden wurde Buemi. Viel wichtiger aber war an diesem Tag, dass Jean-Eric Vergne es schaffte, von ganz hinten bis auf Platz 5 nach vorn zu fahren, während sein einziger (rechnerischer) Titelrivale Sam Bird auf Platz 9 hängen blieb. Damit betrug der Abstand nach dem Samstagsrennen 31 Zähler – und die würden für Bird am Sonntag selbst mit der nahezu unmöglichen Kombination aus Pole, Sieg und schnellster Rennrunde nicht mehr einholbar sein.

…und um den Team-Titel am Sonntag

Am zweiten Renntag in Brooklyn schafften es dann genau die vier Piloten, die noch um den Hersteller-Titel kämpfen durften, in die Super Pole-Runde der fünf schnellsten aus der Gruppenphase. Doch sie wurden alle geschlagen von Sebastien Buemi, der seine zweite Pole des Wochenendes holte. Auf der Jagd nach den drei Bonuspunkten waren sowohl Abt als auch di Grassi zu aggressiv und machten Fahrfehler, sodass sie von den Plätzen 4 und 5 ins Rennen gehen würden.

Beide Techeetahs legten Blitz-Starts hin, doch nur Vergne vermochte es, sich mit Gewalt an Buemi vorbeizudrücken. Zwar folgte Lotterer einige Runden später, aber sein Blitz-Start wurde von der Rennleitung als Frühstart entlarvt (Vergne war auch „under investigation“, wurde aber freigesprochen), sodass er weit zurück fiel. Vergne konnte zum Mannschafts-Titel allerdings nicht viel mehr beitragen, als seine Führung vor Lucas di Grassi zu halten, sodass es darauf ankommen würde, wie weit Lotterer sich von Platz 15, auf dem er nach der Strafe lag, wieder nach vorn in die Punkte würde arbeiten können.

Derweil lieferte sich Daniel Abt im Kampf um denselben Titel ein sehenswertes Duell mit Sebastien Buemi um den letzten Podiumsplatz. Mehrfach wechselte die Reihenfolge, am Ende konnte Abt die Oberhand behalten – und auch noch die schnelle Rennrunde fahren, für die es ebenfalls einen Punkt gibt. Entscheidend war aber Abts dritter Platz. Denn auch Lotterer schaffte es ganz am Ende – auch dank der Ausfälle einiger Konkurrenten – noch wieder auf Platz 9 nach vorn und konnte so noch zwei Punkte ergattern. Doch das waren immer noch zwei zu wenig, um Audi Sport Abt Schaeffler in dieser Wertung zu besiegen.

Verdiente Champions

Den Gewinn dieser Wertung hat Audi Sport Abt Schaeffler nach der Achterbahn-Saison 2017-18 redlich verdient, und das nicht nur, weil sie im Gegensatz zum einzigen Kundeteam der Serie, ihrem Hauptkonkurrenten Techeetah, ein echter Konstrukteur sind. Audi hatte in diesem Jahr – eigentlich! – das stärkste technische Paket, aber mit viel Pech verlor man einen und beinahe sogar beide Titel. Bei Lucas di Grassi lief in den ersten vier Rennen – wie schon oft geschrieben – gar nichts zusammen, bis er nach einem Inverter-Tausch, der auch wieder eine Strafe nach sich zog, mit Wucht in die Gänge kam. Nach zwei Zählern in Punta del Este folgte eine furiose zweite Saisonhälfte, in der di Grassi zwei Siege und fünf zweite Plätze einfuhr – sonst nichts!

Abt hatte ebenfalls Pech, sein erster Sieg in Hong Kong wurde ihm aufgrund eines formalen Fehlers des Teams aberkannt, mit diesen 25 Zählern zusätzlich wäre er auf einem Punkte-Niveau mit di Grassi gewesen. Zwei Siege konnte er in der Saison trotzdem noch holen, und zwar in Mexico City und beim Heimrennen in Berlin.

Techeetah war – anders als Audi – eine große Überraschung als Titelaspirant, was aber auch an den beiden starken Piloten liegt. Andre Lotterer legte in seiner FE-Debütsaison eine enorme Entwicklung hin. Ähnlich wie di Grassi hatte er eine schwierige erste Saisonhälfte mit dem positiven Ausreißer in Santiago de Chile (Platz 2 beim ersten Doppelsieg eines Teams in der FE-Geschichte). In der zweiten Saisonhälfte fuhr er dann aber konstant in die Punkte und wäre es nicht um den Frühstart im letzten Rennen gewesen, hätten seine Platzierungen wahrscheinlich auch den Team-Titel gesichert.

Der wäre aber natürlich primär dem Fahrer-Champion Jean-Eric Vergne zu verdanken gewesen, der eine phänomenale Saison hinlegte: bis auf einen zehnten Platz ist landete er stets in den Top 5 und holte vier Siege, doppelt so viele wie jeder Konkurrent. Am Ende hat er mit 54 Punkten Vorsprung mehr als doppelt so viele wie di Grassi gegenüber Buemi im Vorjahr, als Buemi zwei Rennen auslassen musste. In den ersten beiden FE-Saison betrug der Anstand am Ende einen bzw. zwei Punkte. Das sollte Vergne Leistung – aber auch die Stärke von Techeetah, die immerhin den gleichen Antriebsstrang nutzten wie Renault – ins Verhältnis setzen.

Überraschungen im Mittelfeld

DS Virgin Racing lebte nahezu allein von der Performance Sam Birds. Bird erklärte schon vor dem finalen Doubleheader als Vorab-Entschuldigung für die bevorstehende Niederlage im Titelkampf, dass es dem Auto an Effizienz fehle. So ganz hat DS Virgin bisher in drei FE-Jahren (seit teilweiser Freigabe der Antriebs-Entwicklung) noch nie das Auto auf den Punkt gebracht, aber Bird fuhr im Grunde immer über dessen Niveau. So holte er diesmal 143 Punkte gegenüber nur 17, die sein Teamkollege Alex Lynn erreichen konnte. Der hatte in New York einen relativ heftigen Unfall, als er das Auto eingangs der schnellen langgezogenen Links verlor. Seine ganze FE-Karriere verlief bisher glücklos. Ob er im kommenden Jahr wieder dabei ist, wird abzuwarten bleiben.

Mahindra ist für mich die Enttäuschung der Saison. Nach der starken Kampagne 2016-17 und insbesondere den Siegen von Felix Rosenqvist hatte ich Großes erwartet. Zunächst schien sich das auch zu bestätigen mit zwei Siegen des Schweden in Hong Kong und Marrakesch. Doch danach lief für beide Fahrer nicht mehr viel zusammen, in Mexico etwa blieb Rosenqvist in Führung liegend stehen. Dennoch reichte es zu Platz 4 der Teamwertung, noch vor dem dominanten Team der letzten Jahre.

Denn auch Renault e.dams hatte dieses Jahr einige technische Schwierigkeiten mit dem Antriebsstrang, die man nie richtig in den Griff bekommen hat. Sebastien Buemi hat sich darüber mehrfach öffentlich frustriert gezeigt, dabei wurde er immerhin noch Gesamt-Vierter vor dem starken Daniel Abt (dem allerdings aufgrund der Disqualifikation ein Sieg fehlt). Nicolas Prost dagegen hatte eine katastrophale Saison: der Franzose war in den Jahren zuvor immer für solide vierte und fünfte Plätze gut, diesmal reichte es nur einmal überhaupt zu Platz 8 – und zum geringsten Punktestand aller Piloten, die sämtliche Rennen bestritten haben. Kein Wunder, dass nach dem Ausstieg seines Vaters aus der Teamführung und mit dem bevorstehenden Wechsel des Teams zur Konzernschwester Nissan auch er die Formula E verlässt – immerhin als dreifacher Rennsieger.

Für Jaguar war die Saison gefühlt gar nicht schlecht, sowohl Nelson Piquet jr. als auch Mitch Evans tauchten – insbesondere in der Quali – immer mal wieder weit vorn auf. Und doch bleiben am Saisonende eine Pole und ein dritter Platz von Mitch Evans als Saisonhighlights dünn.  Eine Steigerung gegenüber der Debütsaison 2016-17 ist es aber allemal, als man den letzten Platz in der Teamwertung belegte. Das zeigt, wie schwierig und zäh ein „Kaltstart“ in der Formula E auch für einen Hersteller ist. Audi, Mercedes und BMW versuchen es nicht ohne Grund auf dem Wege eines schrittweisen Einstiegs durch Steigerung des Engagements bei einem Partner-Privatteam.

Auch für Venturi war die Saison 2017-18 eine Steigerung gegenüber dem schwachen Vorjahr. Das monegassische Team bildet mit 72 Zählern den Abschluss des Mittelfeldes. Maro Engel fuhr eine von den Resultaten durchmischte, aber im Grunde respektable Saison. Edoardo Mortara schien in Hong Kong beim Saisonauftakt sogar gewinnen zu können, verlor die Führung aber durch einen Fahrfehler. Er musste wegen Terminkollisionen mit der DTM dreimal an Tom Dillmann übergeben, der sich aber auch respektable zeigte und einen vierten Platz in New York erreichen konnte.

Die Enttäuschungen

Das chinesische NIO Formula E Team, mit dem Nelson Piquet jr. in der ersten Saison (als noch alle die gleiche Technik fuhren) den Titel holte, fuhr diesmal eine völlig unscheinbare Saison. Nur einmal konnte Oliver Turvey seine fahrerische Qualität auch durch ein Top-Ergebnis belegen, als er in Mexico City Zweiter wurde. Aber auch sonst fuhr er einige solide Top Ten-Resultate ein. Luca Filippi dagegen blieb völlig blass und nahezu punktelos: eine „1“ steht für ihn als Summe unter der Tabelle.

Dragon Racing erwischte eine ganz üble Saison und war damit noch das bessere der beiden US-Teams in der Serie. Das Wochenende beim Heimrennen in New York war sinnbildlich: in Lauf ein kollidierten die beiden Piloten im Startgetümmel miteinander, in Lauf 2 schieden beide innerhalb weniger Augenblicke unabhängig voneinander aus, einer durch unverschuldete Kollision, der andere technisch bedingt. Schade ist das insbesondere für Jerome d’Ambrosio, der in den ersten beiden FE-Saisons mit dem Team von Jay Penske sogar siegen und um vordere Plätze im Titelrennen mitkämpfen konnte. Ein dritter Platz in Zürich blieb das einzige Highlight der Saison, im zweiten Auto konnten weder Neel Jani bei seinen zwei Einsätzen noch der Rückkehrer Jose Maria Lopez Besonderes zeigen. Mit Jakob Andreasen hat man nun einen Ex-F1-Ingenieur (McLaren, Williams, Force India) als Renningenieur für 2018-19 verpflichtet, mit dem es bergauf gehen soll.

Unter ferner Liefen blieb auch das Andretti-Team, das mit dem „ATEC 03“ nie richtig in Gang gekommen ist. 24 Zähler und ein sechster Platz als bestes Resultat sind eine äußerst schwache Bilanz. Bei den Piloten wurde durchgewechselt, aber weder Kamui Kobayashi, noch Tom Bloqvist oder Stephane Sarrazin konnten das Team voran bringen. Antonio Felix da Costa fuhr die Saison durch und konnte immerhin ein paar solide Plätze erreichen, aber auch für diesen früheren Rennsieger dürfte die Saison alles andere als befriedigend gewesen sein. Mit zunehmendem BMW-Engagement muss das, aber es kann eigentlich auch nur besser werden. Als BMW-Pilot wird da Costa wahrscheinlich an Bord bleiben können.

Was erwartet uns in der Saison 2018-19?

Viel Neues erwartet uns in der kommenden Saison, die am 15. Dezember mit dem Rennen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad beginnen und Mitte Juli 2019 wieder mit einem Doubleheader in New York enden wird. Neben mindestens zwei neuen Austragungsorten (Riad und Sanya in China) wird vor allem das neue Auto, das sogenannte „Gen2“-Modell mit Spannung erwartet. Mit dem neuen Akku-Pack werden die Fahrzeugwechsel entfallen. Da die Autos aber gleichzeitig auch schneller werden sollen, werden die Rennen etwas kürzer.

Da mit den Boxenstopps ein von manchen als wichtig erachtetes Spannungselement wegfällt, haben sich Alejandro Agag und Kollegen überlegt, dass man die Rennaction auf der Strecke aufpeppen müsse. Das soll über Boost-Felder geschehen, die die Fahrer überfahren, um – ganz im Stile eines Videospiels – für eine begrenzte Zeit über mehr Leistung zu verfügen. Ich habe nichts grundsätzlich gegen diese Idee und denke, die Formula E ist gerade auch die richtige Serie, um solche Innovationen auszutesten. Ob diese Idee am Ende gut ist oder nicht, wird sich zeigen und auch viel von der konkreten Ausgestaltung abhängen.

Über die weiteren Details des überarbeitete Regelwerks und der neuen Autos werde ich in der Saisonvorschau berichten. Was die Fahrer anbelangt, haben bisher Abt-Audi und Jaguar ihre bisherigen Paarungen bestätigt. Außerdem fix sind Buemi bei Nissan (ehemals Renault) und Lotterer bei Techeetah, die aber ihren Antriebsstrang künftig als einziges Team (!) von Citroen beziehen und damit quasi Werksteam werden. Citroen/DS hat sich von Virgin losgesagt, die Audi-Kunde werden. Ganz neu hinzu kommt HWA als Mercedes-Vorhut und zunächst mal als Kunde von Venturi, die wiederum Felipe Massa als Fahrer verpflichtet haben.

Die nächsten beiden Jahre werden für mich über da „Make or break“ der Serie entscheiden: mit den großen Herstellern im Boot und dem neuen Auto muss der Durchbruch gelingen, auch was die Verbreitung der Serie angeht, die bisher nach wie vor eher ein Nischendasein fristet. Ob das gelingt, werden wir ab Dezember 2018 sehen und beurteilen können…

(Bilder: Formula E Media)

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