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WEC: 24h Le Mans 2015 – Vorschau LMP2

von StefanTegethoff
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24H Le Mans 2015Das Hauptaugenmerk liegt in Le Mans auf dem Gesamtsieg und damit auf der LMP1-Klasse, in der die hochentwickelten Le Mans-Prototypen der Werksteams antreten. Die LMP2 steht zwar in deren Schatten – doch sie bietet ebenso guten Rennsport! Die Technik der oft noch als ‚kleine Prototypen‘ (nach einem früheren Reglement waren sie deutlich leichter als die LMP1) bezeichneten Fahrzeuge mag nicht so hochentwickelt, komplex und teuer sein, doch gerade das ermöglicht es Privatteams, überhaupt bei den 24 Stunden von Le Mans und in der Langstrecken-WM anzutreten. In der European Le Mans Series bilden sie sogar die Top-Klasse, und wo immer mehrere LMP2 am Start sind, gibt es spektakuläre und enge Rennen zu sehen.

Die Idee hinter der Klasse ist folgende: Aus Profis und halbprofessionellen Fahrern – ob Gentleman Driver oder Driver-Owner – zusammengestellte Besatzungen treten in Fahrzeugen an, die zu einem Maximalpreis zu erwerben und von einem ebenfalls preisbegrenzten Motor auf Serienbasis befeuert werden müssen- Ein Paket bekommt man so für rund eine halbe Million Euro. Werksteams (wie um 2008 Porsche mit dem RS Spyder-LMP2) sind nicht willkommen. Damit soll Chancengleichheit hergestellt werden und das funktioniert seit einigen Jahren auch sehr gut.

Trotzdem haben ACO und FIA vor, die Anzahl der Chassis-Hersteller auf vier zu begrenzen, um teure Einzelstücke – wie den Strakka-Dome – zu verhindern und das Geschäft für die vier Hersteller ausreichend rentabel zu gestalten. Pleiten wie die von Lola sollen vermieden werden. Warum dann allerdings (außer in der amerikanischen USCC) nur noch ein einziger Motorenhersteller alle Boliden beliefern soll, will noch nicht so recht einleuchten…

Allerdings ist die Klasse in diesem Bereich seit Jahren sowieso recht einseitig: Nissan behält auf der Motoren-Seite auch 2015 die Oberhand und rüstet 14 der 19 LMP2-Fahrzeuge mit Antriebsaggregaten aus. Der 4,5l-Sauger mit dem Namen VK45DE ist aber auch nur recht entfernt mit der geforderten Serienbasis verwandt, denn er ist eine Weiterentwicklung des GT500-Aggregats aus der japanischen Super GT. Zwei Judd-Motoren und drei von Honda Performance Development (HPD) vervollständigen das Feld.

ELMS_Imola_2015_18Bei den Chassis ist die Vielfalt größer geworden, da seit letztem Jahr einige neue Coupés hinzugekommen sind: Onroak (Ligier) und Oreca versorgen mehrere Teams, SMP (BR) und Strakka-Dome bringen Eigenkreationen mit Dach an den Start. Weiterhin dabei sind aber auch noch die offenen Prototypen der letzten Generation, die dank Updates noch mehr oder weniger konkurrenzfähig sind. Diese stammen von Oreca, Onroak (Morgan) und Gibson (vor der Übernahme durch Continental als Zytek bekannt). Bei den Reifenherstellern bekriegen sich Dunlop und Michelin, wobei Dunlop seit Jahren die Oberhand hat und auch alle Top-Teams ausrüstet.

19 LMP2-Boliden werden in diesem Jahr an der Sarthe an den Start gehen. Das aktuelle Reglement hält die Starterzahl weiterhin konstant auf hohem Niveau, seit 2012 waren es 20, 22, 17 und nun 19 Fahrzeuge und damit etwa doppelt so viele wie in den Jahren zuvor. Die wichtigste Entwicklung in diesem Jahr ist, dass die Klasse in der WEC sowohl quantitativ als auch qualitativ stärker besetzt ist. Im Vorjahr fuhren die ELMS-Starter die WM-Teilnehmer in Grund und Boden, sodass am Ende der SMP Racing-Oreca auf Klassenrang 12 die 50 Punkte für den „Sieg“ einheimste, was den Russen die Meisterschaft sicherte, obwohl G-Drive und KCMG alle anderen Rennen des Jahres gewannen.

Wie jedes Jahr möchte ich versuchen, das umfangreiche Starterfeld etwas zu durchleuchten und die (Geheim-)Favoriten vom Mittelfeld und von den Mitfahrern zu trennen. Das ist in der LMP2 insofern schwierig, als dass einerseits die Qualität des Fahrerfeldes sehr weit gefächert ist, und andererseits viele Fahrer schwer einzuschätzen sind, da sie noch jung oder wenigstens neu in Le Mans sind – oder auch weil natürlich auch ein Gentleman Driver nicht still steht in seiner Entwicklung. Maßgeblich ist meist die Frage, wie schnell der langsamste Fahrer (ein Bronze- oder Silber-Pilot ist durch die Regeln vorgeschrieben) ist. Die folgende Liste basiert auf meinen subjektiven Eindrücken aus diesem und den letzten Jahren.

Die Top-Favoriten

ELMS 2015Die Titelverteidigung ist das Ziel von Jota Sport, dem Motorsport-Arm der Jota Group, in der Simon Dolan Partner ist. Dolan pilotiert auch als Stammpilot den Gibson 015S, der eine weiterentwickelte Version des seit 2007 in Dienst befindlichen früheren Zytek-Chassis ist. Doch trotz des Alters ist der Wagen nach wie vor konkurrenzfähig: In Spa gelang es Dolan zusammen mit Harry Tincknell und Mitch Evans wieder einmal, das WEC-Feld als Gaststarter zu schlagen – um eine Runde wohlgemerkt.

Dolans Problem: Für die ELMS-Saison hat er als Verstärkung Harry Tincknell und Felipe Albuquerque engagiert (Plätze 2 und 3 in Silverstone bzw. Imola); beide sind in Le Mans für LMP1-Werksteams am Start. Darum springen am kommenden Wochenende der zwanzigjährige Neuseeländer Mitch Evans (wie in Spa) und der 28-jährige Brite Oliver Turvey ein. Letzterer war schon im Vorjahr am Jota-Sieg in Le Mans beteiligt – und Evans ist zwar noch unerfahren, aber schnell, wie er in Spa und am Testtag unter Beweis stellte. Wenn er Patzer vermeidet, sollte Jota wieder um die Spitzenplätze mitfahren können.

24H Le Mans 2015Auf dem Papier stärker – und damit der wohl härteste Konkurrent – dürfte das Team von G-Drive Racing sein: Zwei Ligier JS P2-Nissan sind unter russischer Flagge gemeldet; doch betreut wird der Einsatz vom französischen OAK Racing-Team, die auch für Entwicklung und Bau des Ligier-Chassis verantwortlich zeichnen. Die #26 ist mit Roman Rusinov, Julien Canal und Sam Bird sehr ordentlich besetzt; hier stach bislang vor allem Sam Bird durch sehr schnelle Runden hervor; in Silverstone siegte das Trio.

Bei der #28 mögen zwar mit Gustavo Yacaman, Luis Felipe Derani und Ricardo Gonzalez nicht die klangvollsten Namen auf der Cockpit-Seite prangen, doch vor allem Gonzalez und Derani sind sehr starke LMP2-Piloten. Gonzalez ist der erfahrenere Part, Le Mans-Klassensieger 2013 und Gewinner des LMP2-Fahrertitels in der WEC im Vorjahr; der 21-jährige ‚Pipo‘ Derani hangelte sich durch Nachwuchsserien, blüht aber erst jetzt im LMP2-Cockpit richtig auf und gehört schon zu den schnellsten Piloten in der Klasse. In dieser WEC-Saison führen sie nach Rang 2 in Silverstone und Spa (wobei dieser als Sieg gewertet wird, da Jota nur Gaststarter war) die Tabelle an.

ELMS 2015Vierter in der Riege der Favoriten ist Thiriet by TDS Racing mit dem rot-schwarzen Oreca 05-Nissan. Im Vorjahr wurden Pierre Thiriet (der Sohn eines Tiefkühlkost- und Eisfabrikanten), Ludovic Badey und Tristan Gommendy Zweite in Le Mans – doch da fuhren sie noch das Ligier-Coupé. Für 2015 sind die drei in das Konkurrenzprodukt von Oreca umgestiegen, das noch taufrisch ist, bei dem aber möglicherweise auch noch nicht alle Kinderkrankheiten ausgestanden sind. Schnell ist der Wagen auf jeden Fall, in der ELMS reichte es heuer für einen dritten Rang in Silverstone und den Sieg in Imola. Insbesondere Gommendy ist sehr schnell, doch auch Badey hatte ich vor seinem Debut für das Team vor zwei Jahren stark unterschätzt. Vielleicht ist nach Podien 2012 und 2014 nun der Sprung ganz oben aufs Treppchen drin…

Podiumskandidaten & „Dark Horses“

OAK Racing – die auch den G-Drive-Einsatz betreuen – setzt zwei eigene Autos ein: Neben der Herrenfahrer-Besatzung in der #35 (siehe unten) tritt nur in Le Mans das Trio Christopher Cumming, Laurens Vanthoor und Kevin Estre in der #34 an. Diese Kombination ist für mich der einzige echte „Geheimtipp“. OAK Racing dominierte zuletzt 2013 das LMP2-Feld mit einem Doppelsieg. Die Mannschaft, die ihre Basis im Infield des Circuit de la Sarthe hat, ist extrem erfahren im Einsatz von Le Mans-Prototypen – zumal man die selbst gebauten Maschinen sehr gut kennt. Der Kanadier Chris Cumming tritt seit Jahren jenseits des Atlantiks in der LMP Challenge-Klasse an und hat dort schon Klassensiege errungen; Laurens Vanthoor kommt aus dem GT-Kader von Audi und hat am Testtag die schnellste LMP2-Runde gedreht; Kevin Estre ist Porsche-GT-Pilot und hat in Spa für Manthey sein erstes WEC-Rennen bestritten. Was alle drei gemeinsam haben, ist: Sie haben keinerlei Le Mans-Erfahrung. Gerade das macht sie so schwer einzuschätzen. Der Speed sollte passen, vor allem bei Vanthoor. Doch ob sie sich 24 Stunden fehlerfrei im Verkehr bewegen können, ist – neben dem HPD-Motor – das größte Fragezeichen.

2015-24-Heures-du-Mans--JRXT6767aDas Team der KC Motorgroup aus Hongkong, kurz KCMG, war für mich die Überraschung der letzten 24h von Le Mans: In den frühen Stunden des Rennens konnte der blau-silberne Oreca sogar in Führung gehen, bevor ein Ausrutscher im strömenden Regen das Feuerwerk beendete. Dennoch sollte man die #47 nach dem letztjährigen Auftritt für die 2015er Ausgabe nicht außer Acht lassen.

Richard Bradley und Matthew Howson bleiben an Bord, mit dem früheren Oreca-Peugeot- und Toyota-Werksfahrer hat man einen angemessenen Ersatz für Alexandre Imperatori gefunden, der zu seinen Landsleuten von Rebellion Racing in die LMP1 gewechselt ist. Bradley ist Brite, fährt aber seit jeher in Asien und wohnt in Singapur; auch Howson orientierte sich seit 2007/08 nach Japan und dockte dort bei KCMG an. Für ihn wird es bereits der dritte Le Mans-Start sein. Die beiden holten im Vorjahr für KCMG drei WEC-Klassensiege (und drei zweite Plätze), wenn auch gegen wenig Konkurrenz.

Mit dem zweiten geplanten KCMG-Auto wäre übrigens Christian Klien wieder ins Rennen gerutscht – doch da diesmal nur eine Meldung zurückgezogen wurde, reichte der zweite Platz auf der Reserveliste nicht aus…

Seit Jahren immer wieder stark ist das Team Signatech Alpine von Philippe Sinault. Es genoss eine zeitlang starke Nissan-Unterstützung, bevor Renault seine Marke Alpine wiederbelebte und die passenden Aufkleber auf das Oreca-Chassis von Signatech pappte, das sich hinter dem „Alpine A450b“-Branding verbirgt. Signatech war immer wieder Einstieg und Sprungbrett für Nachwuchspiloten – in diesem Jahr sitzen wie im Vorjahr Paul-Loup Chatin (23 Jahre) und Nelson Panciatici (26 Jahre) am Steuer der #36. Chatin ist über Porsche Cup und LMP Challenge rasant in die LMP2 aufgestiegen und holte im Vorjahr in Le Mans mit Panciatici und Oliver Webb direkt ein Podium; für Panciatici war es das erste im dritten Versuch. Auch der neue dritte Mann – Vincent Capillaire – konnte 2014 beim Le Mans-Debut direkt das Podium besteigen: Er wurde Dritter mit Sebastien Loeb Racing. Übrigens: Capillaire coachte 2009 den damals 17-jährigen Kart-Piloten Paul-Loup Chatin in einem ACO-Nachwuchswettbewerb. Es ist also eine Wiedervereinigung.

133514_1_5Auch Greaves Motorsport ist ein seit Jahren in der LMP2 etabliertes Team. Auf den Le Mans-Klassensieg 2011 folgte eine Phase mit Nissan-Unterstützung: So erreichte man 2013 hinter den übermächtigen OAK-Autos den dritten Rang mit den GT Academy-Absolventen Ordonez und Mardenborough sowie Michael Krumm, die heute im Nissan-LMP1 sitzen. 2014 lief dann nicht mehr viel zusammen für Greaves, auch in der ELMS blieb man mit wechselnden Fahrern sieglos.

2015 ist für das britische Team also eine Art Comeback-Versuch: Gary Hirsch, Gaëtan Patelou und Jon Lancaster sollen es im Gibson-Nissan mit der #41 richten, und damit hat man eine gute neue Besatzung beisammen. Lancaster ist 26, kam nach zwei Siegen in der GP2 2013 nicht weiter voran und absolvierte im Vorjahr sein Le Mans-Debüt mit Race Performance (Rang 8); Gary Hirsch holte im Vorjahr mit Morand Racing einen ELMS-Sieg und wurde in Le Mans solider Klassen-Sechster. Patelou stammt aus der Nissan GT-Academy und hat die französische Ausgabe vor gerade mal 10 Monaten gewonnen. Bisher hat er gerade mal 18 Rennen gefahren und soll nun in Le Mans starten. Das ging in der ersten Qualifikation schon mal schief, als Patelou den Wagen in die Leitplanken setzte. Mit zwei Youngstern, die noch Potential nach oben haben, und einem erfahrenen schnellen Mann ist Greaves gut aufgestellt, aber Patelou ist sicher ein Unsicherheitsfaktor.

Ewig Geheimtipp und ‚Everybody’s Darling‘ ist Murphy Prototypes. Der in British Racing Green gehaltene Oreca-Nissan mit der #48 ist seit 2012 in Le Mans am Start, sieht immer wieder stark aus und hat immer wieder Pech. Der enthusiastische Teambesitzer Greg Murphy, ein irischer Industrieller, kann einem regelrecht leid tun, doch so ist das in Le Mans: Ein bisschen Glück braucht man. 2012 lag man bis tief in die Nacht in Führung (damals noch mit Brendon Hartley), bevor das Getriebe streikte; 2013 schlug schon in den ersten Runden die Defekt-Hexe zu, worauf jedoch eine beherzte Aufholjagd bis auf Rang 6 folgte; 2014 beendete eine Kollision im heftigen Regen das Rennen abrupt und früh.

ELMS 2015Zum dritten Mal ist Karun Chandhok dabei, der sympathische Inder, für den leider auch in der Formula E wenig zusammenläuft; am Le Mans-Testtag drehte er jedoch die drittschnellste LMP2-Runde. Der junge Franzose Nathanael Berthon ist zum zweiten Mal mit Murphy dabei; in der GP2 kommt er nicht vom Fleck, ein guter Le Mans-Auftritt wäre wichtig für ihn. Im vergangenen Jahr beeindruckte er mit seinem Speed, über das ganze Le Mans-Event betrachtet drehte er die sechsschnellste Runde eines LMP2-Piloten. Dritter Mann im Bunde ist der 62-jährige Finanzunternehmer Mark Patterson; wie Chandhok war er schon bei der furiosen Fahrt durchs Feld 2013 für Murphy dabei. Wie schön wäre es, wenn diesem Team endlich einmal die lang verdiente Fahrt aufs Podium vergönnt wäre… Der starke zweite Rang beim letzten ELMS-Lauf in Imola zeigt, dass es machbar ist.

Das Mittelfeld

Das Team SARD-Morand hatte große Pläne für die WEC-Debütsaison 2015, die dann aus finanziellen Gründen schnell dahin waren. Statt zwei Autos ist nur ein Morgan-Judd (der Motor firmiert allerdings als SARD) am Start – der Rückzug des anderen Fahrzeugs war übrigens die einzige Änderung seit Verkündung der Entry List Anfang Februar! So stabil war das Feld seit Jahren nicht mehr. Benoit Morand ist ein ehemaliger Rennfahrer aus der Schweiz, sein Team Newblood by Morand Racing war in den letzten Jahren recht solide in der ELMS unterwegs. Mit dem japanischen Motorsport-Tuner SARD („Sigma Advanced Racing Development“) sollte der Sprung in die WEC gelingen.

Doch SARD verlor einige Partner und auch die dann angestrengte Übernahme durch Kairos Technologies scheiterte, sodass nur ein Teil des Plans verwirklicht werden kann. In der verbliebenen #43 sitzen Pierre Ragues, Oliver Webb und Zoel Amberg. Für den 22-jährigen Amberg ist es der erste Auftritt an der Sarthe, für Webb der zweite nach dem dritten Rang mit Signatech im Vorjahr. Ragues ist ein erfahrener 24h-Streiter, der 2008 ein LMP2-Podium erreichte und es 2013 knapp verpasste. In Spa wurden die drei Klassen-Dritte, doch in Le Mans ist die Konkurrenz ungleich größer. Aber vielleicht ist eine Überraschung drin…

WEC Spa 2015Auch nicht ganz an die großen Erwartungen heran kam bislang Strakka Racing mit dem eigens für sie entwickelten Dome-Coupé. Dieses wird – mit einem Jahr Verspätung – nun mit der #42 und der Besatzung Leventis/Watts/Kane endlich an den Start gehen. Danny Watts und Jonny Kane gehören zu den schnellsten Piloten im LMP2-Feld, doch der Dome S102 überzeugte bisher trotz Nissan-Motor im Heck nicht so recht, auch wenn es in Silverstone zu Rang 3 reichte. Auch ob der kurzfristige Wechsel hin zu Dunlop-Pneus – mit den Michelins waren die Strakka-Jungs unzufrieden – für Le Mans schon Vorteile bringt, ist zweifelhaft. Am Testtag reichte es zu Rang 7 mit knapp zwei Sekunden Rückstand, doch da hielten sich beispielsweise die beiden G-Drive-Ligiers noch zurück. Ein Podium wäre den Klassensiegern von 2010 zu gönnen, doch ob das realistisch ist, ist fraglich…

WEC Spa 2015Alkohol-Sponsoring ist in Frankreich nicht mehr erlaubt – auf die übliche grün-schwarze Lackierung des Hauptsponsors Tequila Patron muss Scott Sharps Team Extreme Speed Motorsports also bei seinem ersten Gastspiel in Le Mans verzichten. Das US-Team hat erfreulicherweise das Musik-Magazin Rolling Stone als Ersatz gefunden: Die beiden Ligiers sind schwarz mit roten Schriftzügen und weißer Ornamentik und sehen sehr gut aus. Sportlich ist die #30 mit Sharp, Ryan Dalziel und David Heinemeier-Hansson etwas stärker einzuschätzen als die #31 mit Ed Brown, Johannes van Overbeek und Jon Fogarty. Der Saisonstart war holprig: Das HPD ARX-04b-Chassis stellte sich schon bei den 24h von Daytona als Rohrkrepierer heraus, woraufhin hastig umgedacht werden musste. Für Silverstone wurden die alten offenen HPD-Prototypen aus der Mottenkiste geholt, seit Spa ist das Team mit dem neuen Ligier JS P2 unterwegs – der HPD-Motor ist allerdings immer noch etwas anfällig.

Car #40 / KROHN RACING (USA) / Ligier JSP2 - Nissan / Tracy Krohn (USA) / Niclas Jonsson (SWE) / Oswaldo Negri Jr (BRA) - ELMS 4 Hours of Imola at Autodromo International Enzo e Dino Ferrari Imola - Imola - ItalyKrohn Racing ist das zweite US-Team im LMP2-Feld und bleibt auch in Le Mans bei seiner giftgrünen Lackierung. Auf Sponsoren kann Öl-Unternehmer Tracy Krohn nämlich verzichten, der inzwischen 60-jährige betreibt seit Jahren Motorsport auf eigene Rechnung. In diesem Jahr versucht er sich (nach drei GT-Podien bei neun Rennen in Le Mans) erstmals in einem Prototypen und bestreitet gemeinsam mit Nick Jönsson und Joao Barbosa die ELMS-Saison, wo die drei bislang die Ränge 4 und 5 einfuhren. Das ist ordentlich, aber gegen die starke Konkurrenz am kommenden Wochenende muss viel Glück hinzukommen, um eine ähnliche Position zu erreichen.

Die Mitrenner

OAK Racing fährt mit den beiden G-Drive-Entries und der #34 um die vorderen Platzierungen mit – die #35 dagegen wird man wohl kaum vorn im Klassement entdecken. Doch der Teamchef und Gründer von OAK Racing, Immobilienunternehmer Jacques Nicolet, hat mit 59 immer noch Spaß am Rennfahren und bringt für sich und seine zwei Mitstreiter aus der Finanz- und Immobilien-Branche, Jean-Marc Merlin und Erik Maris, einen Ligier-Nissan an den Start. Alle drei haben Motorsport-Erfahrung, doch dank Alter und mangels Erfolgen handelt es sich um die einzige Besatzung mit drei Bronze-Piloten im Feld. Wenn sie dank ihrer Erfahrung sauber durchs Rennen kommen, ist es möglich, dass sie ins vordere Mittelfeld vorgespült werden; von allein ist aber keine solche Platzierung drin, dafür fehlt schlichtweg der Speed.

ELMS 2015Pegasus Racing ist ein französisches Team, gegründet 1998 von Claude und Julien Schell und ansässig im Elsass. 2010 schaffte man die erste Le Mans-Teilnahme mit dem Norma-Chassis, das sich nicht durchsetzen konnte. 2014 fuhr Julien Schell selbst den Morgan-Nissan und erreichte einen guten zehnten Klassenrang; in diesem Jahr wird der Wagen mit der #29 von Leo Roussel, Ho-Pin Tung und David Cheng pilotiert. Zwei Sekunden fehlten beim letzten ELMS-Lauf in Imola auf die Spitze, die Punkteausbeute war bisher mager. Viel zu erwarten ist hier nicht, ein Resultat wie im Vorjahr wäre ein Erfolg.

Auch für Ibanez Racing wäre ein Mittelfeld-Platz nach 24 Stunden beim Le Mans-Einstand ein großer Erfolg. Das Team um Jose Ibanez kommt aus der VdeV-Serie und versucht nun, in der LMP2 Fuß zu fassen. Der ursprüngliche Plan war, unter dem Wolf-Banner ein eigenes LMP2-Fahrzeug zu entwickeln und einzusetzen, doch diese Idee scheint – möglicherweise wegen der Pläne des ACO – zunächst auf Eis gelegt zu sein. Ibanez setzt einen knallgelben Oreca 03R für sich, Pierre Perret und Ivan Bellarosa ein – mit zweimal Bronze und einmal Silber verfügt die #45 nominell über die zweitschwächste Besatzung im Feld. Mit 14 Zählern hat das Team in seiner ersten ELMS-Saison aber bislang immerhin deutlich mehr Punkte gesammelt als Pegasus Racing.

SMP BR01SMP Racing ist das Team des russischen Bankiers Boris Rotenberg: Im Jahr 2013 räumte man in der ersten ELMS-Saison direkt die Titel in den beiden GT-Klassen ab; doch der Aufstieg in die WEC-LMP2 im letzten Jahr schien schiefzugehen. Kaum etwas lief zusammen, es fehlte an Speed – und doch gewann SMP die Teamwertung und mit Sergey Zlobin (der auch Teammanager ist) die Fahrerwertung, da es für den zwölften Rang in Le Mans volle 50 Punkte gab und alle vor SMP platzierten Teams keine Vollzeit-WEC-Entries waren.

Der nächste Schritt für dieses Jahr war der Bau eines eigenen Autos: Der ehemalige Peugeot-Designer Paolo Catone hat den BR01 (die Initialen des Gründers) entworfen und auf Kiel gelegt. Allerdings gab es Verzögerungen (die SMP Bank und Rotenberg waren auch von den Konto-Sperrungen und Wirtschaftssanktionen gegen Russland betroffen). So wurde das neue Coupé erst spät fertig und wird in Le Mans sein erstes Rennen bestreiten. Am Testtag fehlten „nur“ ca. zehn Sekunden auf die LMP2-Spitze, man konnte beinahe mit den Nissan-LMP1 mithalten; der Wagen scheint Potential zu haben. Aber in diesem Entwicklungsstadium wird es für mehr als eine verlängerte Testfahrt am kommenden Wochenende wohl kaum reichen. Die Piloten sind Mediani/Markozov/Minassian in der #27 und Aleshin/Ladygin/Ladygin in der #37.

(K)eine Vorhersage

Wer das Rennen machen wird, ist in dieser Klasse jedes Jahr wieder kaum zu sagen. Es sind so viele starke Autos dabei, dass mindestens ein halbes Dutzend siegfähig sind und ein Dutzend aufs Podium fahren können. Die vorangegangene Schilderung ist auch nur ein subjektiver Eindruck, basierend auf den Eindrücken aus den bisherigen Rennen von WEC, ELMS und USCC sowie den Zeitentabellen vom Testtag, die aber auch nicht übermäßig aussagekräftig sind. Trotzdem sollte natürlich jeder Fan beim Tippspiel in unserem Forum die Top 3 vorherzusagen versuchen ;-)

Von daher empfehle ich einfach, das LMP2-Rennen zu genießen und sich überraschen zu lassen. An Spannung und plötzlichen Wendungen mangelte es in den letzten Jahren in dieser Klasse eigentlich nie…

Bilder: WEC/ACO/Adrenalin

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