Das Talladega-Rennen am Wochenende hatte einiges zu bieten: Rekorde, Unerwartetes und eine Menge Spannung gegen Rennende. Jimmie Johnsons DNF kostete ihn einige Punkte in der Meisterschaft und führte die Spitzengruppe wieder enger zusammen.
Obwohl bis zur unglaublich spannenden Schlussphase kaum etwas passierte das für den Ausgang des Rennens relevant war, ist es dennoch ziemlich interessant gewesen – es war etwas Neues in die Windschattengleichung eingeflossen. In Daytona war es schon zu erahnen und auch im letzten Talladega-April-Rennen konnte man es in der letzten Runde beobachten: die „two car trains“ oder wie die FOX-Kommentatoren es bezeichneten, der „two car tango“. Diese Namen beschreiben das Phänomen, dass zwei Wagen die exakt Stoßstange an Stoßstange fahren, einfach mal bis zu 10mph schneller unterwegs sein können als der Pulk mit weit mehr als 20 Autos. Am besten ging das Ganze anscheinend auf der äußeren Linie, doch extrem gute Koordination ist dazu erforderlich.
Kommt einer der beiden Wagen beim „bump drafting“ nur ein wenig seitwärts daher, sind ein Dreher und der „big one“ vorprogrammiert. Machbar ist so ein „two car train“ allerdings nur ca. eine Runde lang, weil der Hintermann so gut wie keine Luft auf den Kühler bekommt und die Motortemperatur doch schlagartig in gefährliche Bereiche abdriftet. Wie erwähnt hat man diese „two car tangos“ schon in vergangenen „restrictor plate“-Rennen erlebt, aber so exzessiv wie im dieswöchigen Rennen wurde diese Technik noch nicht ausgenutzt. Mehrere Faktoren führten wohl dazu, dass so etwas jetzt verstärkt möglich ist: Zum einen sicherlich die NASCAR-Order, die es den Fahrern wieder erlaubt, auch in den Kurven direkt mit Kontakt zu draften. Zum anderen scheint die durch den Spoiler veränderte Aerodynamik die Machbarkeit dieser Form des „bump drafting“ positiv zu beeinflussen. In Verbindung mit den neu dimensionierten „restrictor plates“, dürfte diese Kombination wohl am meisten Einfluss auf das veränderte Aerodynamik- und Fahrverhalten haben.
Die vier Löcher in der Metallplatte, welche direkt vor dem Vergaser sitzt und die Luftzufuhr für die Verbrennung – und damit die Motorleistung – begrenzen soll, sind bei dem Spoilertest in Talladega vor einigen Wochen auf fast einen Inch im Durchmesser vergrößert worden. Zwar bringt das nur wenige PS mehr für die Autos, was aber die Fahreigenschaften im Windschatten massiv beeinflusst. Zunächst war sogar eine Größe von mehr als einem Inch vorgesehen, das führte aber dazu, dass Fahrer im Windschatten mit einem zu hohen Geschwindigkeitsüberschuss auf ihren Vordermann aufliefen. Mit den neuen Plate-Maßen liegt die Geschwindigkeiten jetzt wieder bei knapp 200mph im Pulk, es ist aber genügend Motorleistung vorhanden, um den Vordermann richtig zu pushen. Ergo bietet der Spoiler einen höheren Luftwiderstand als der alte Heckflügel, was mit mehr PS für die Fahrer ausgeglichen wurde. So lässt sich leicht verstehen, warum dieser enge Kontakt über eine Runde möglich wird. Da der Pulk allerdings nicht so präzise hintereinander fahren kann wie eben zwei Wagen gemeinsam, tritt der Vorteil deutlich hervor.
Obwohl in den ersten 150+ Runden mit Ausnahme eines „little one“ nicht viel passiert ist, fesselte mich diese relative Neuheit wirklich dicht an den Bildschirm. Das war echtes Racing und unglaublich schön anzuschauen, wie sich immer wieder zwei Draftingpartner an allen vorbei in Führung schoben. „Two car trains“ sorgten auch gleich mal für einige Rekorde in Talladega: 29 unterschiedliche Fahrer führten das Rennen für mindestens eine Überfahrt der Start-/Ziellinie an und wechselten dabei 88 Mal den Platz an der Sonne untereinander. Zwischenzeitlich kokettierte man bei FOX sogar damit, dass das Feld die 100-Führungswechsel-Marke knacken könnte. Ich wäre vermutlich verrückt, wenn ich versuchen würde, hier den genauen Verlauf des Rennens im Detail nachzuzeichnen. Deswegen gehe ich mal insbesondere auf die spannende Schlussphase ein und zeige danach, wie sich das Rennergebnis auf die Meisterschaftstabelle ausgewirkt hat.
Spannung kam in Talladega erst im Finale auf, welches drei Verlängerungen benötigte
Nachdem alle Fahrer unter Grün ihren letzten Boxenstopp absolviert hatten, der für die Einhaltung des Benzinfensters notwendig war, wurden etliche Runden „single file“ gefahren. Bobby Labonte läutete dann die Schlussphase ein, indem er mit einem Dreher die fünfte Gelbphase des Rennens auslöste; der Schuldige war übrigens David Reutimann. Drei Runden nach dem Restart kamen sich Jeff Gordon und Jimmie Johnson in Umlauf 182 gefährlich nahe. Gordon bekam einen Riesenpush von seinem Hintermann und der Train setzte sich in Bewegung, was Johnson wohl realisierte und ebenfalls zu seinem Vorteil nutzen wollte. Die #48 schoss also der #24 direkt vor die Motorhaube und zwang Gordon, auf den Apron auszuweichen. Johnson handelte sich dabei einen „tire rub“ ein und Jeff Gordon geriet beim erneuten Einordnen mit Scott Speed aneinander. Die Beiden lösten durch ihren folgenden Dreher die sechste Caution aus. Jeff Gordon gab nach dem Rennen zu Protokoll, dass es eine Menge Anstrengung koste, ihn wütend zu machen, doch nun sei er „pissed“. Mittlerweile sah auch Johnson ein, dass er da Mist gebaut hat und nach einer Entschuldigung an seinen Teamkollegen sollte bei Hendrick nun wieder alles im Reinen sein; trotz ihrer Rempelei schon in der Vorwoche.
Der nun folgende Restart in Runde 189 bedeutete die erste „green-white-checkered“-Verlängerung, wovon ja seit neustem drei Anläufe zur Verfügung stehen, um ein Rennen unter Grün zu beenden. Alle drei Versuche wurden dabei in Talladega auch ausgenutzt, was eine Premiere darstellte. Doch zunächst zum Grund, warum die erste Verlängerung nicht reichte: Joey Logano wollte eine Runde nach dem Schwenken der grünen Flagge Ryan Newman einen Push geben. Dieser war jedoch nicht hundertprozentig mit Loganos Toyota in einer Linie, was Newman in einen Dreher schickte, der einen „big one“ auslöste. Die Fahrer in Front waren so langsam besorgt um die an Bord verbliebene Spritmenge in ihren Wagen, allen voran die beiden EGR-Chevys von Montoya und McMurray. Auf dem Apron fahrend versuchten sie den Motor am Laufen zu halten und hielten tatsächlich bis zum Schluss durch – um ganze zwölf Runden wurde das Rennen am Ende sogar verlängert, aus 188 wurden damit 200 Umläufe.
Wirklich Probleme mit dem fehlenden Tankinhalt bekam dann der Führende der äußeren Kolonne beim zweiten Overdrive-Restart: Greg Biffle kam nicht rechtzeitig auf Geschwindigkeit und fiel durch das Feld nach hinten zurück. Dabei traf er auf Jimmie Johnson, der erneut einen lichten Moment vermissen ließ und sich mit einem härteren Einschlag in die innere Betonmauer gänzlich aus dem Rennen verabschieden musste. Vorne wurden die auf Platz 1 und 2 liegenden EGR-Fahrer nun voneinander getrennt, da sie durch ihre Top-Positionen nun in unterschiedlichen Linien starten mussten. Der dritte und letzte Restartversuch sah dann Kevin Harvick hinter Jamie McMurray, sowie Denny Hamlin hinter Juan Pablo Montoya. Das erstgenannte Duo erwischte den besseren Start und ließ die Konkurrenz zurück, die ebenfalls als „two car train“ dem Hauptfeld davon stürmten. Harvick pushte McMurray wirklich bis in die letzte Runde ins Trioval hinein, wo er ihn mit kleinen Bewegungen loose machte. Die #1 rutschte daraufhin nach oben und verlor leicht an Geschwindigkeit, wodurch Harvick innen gerade genug Platz hatte, um McMurray zu kassieren.
Elf Tausendstelsekunden trennten die #1 und die #29, was einen der engeren Zieleinläufe in der jüngeren NASCAR-Geschichte darstellt. Hinter Harvick, der sein erstes Punkterennen seit dem 2007er Daytona 500 gewann, und McMurray kamen Montoya, Hamlin und Mark Martin ins Ziel. Kevin Harvick gewann übrigens das Budweiser Shootout in diesem Jahr und dürfte mit seinem ersten Talladega-Sieg nun endgültig zu den Superspeedway-Spezialisten gehören. Die Top10 wurden von David Ragan, Clint Bowyer, Kurt Busch, Kyle Busch und Mike Bliss im Vorjahressiegerauto mit der #09 komplettiert. Dale Earnhardt Jr, der zuvor im Rennen gut unterwegs war, kam am Ende nur auf Platz 13 an, Tony Stewart wurde 16ter vor Greg Biffle auf Position 17. Jeff Gordon schleppte seinen zerbeulten Chevy noch in der Führungsrunde auf Platz 22, während Jimmie Johnson mit einem DNF auf Position 31 landete. Ebenfalls nicht in der Führungsrunde landeten Matt Kenseth und Jeff Burton.
Jimmie Johnsons Vorsprung in der Meisterschaft schmolz aufgrund des DNFs zusammen
Für Jimmie Johnson bedeutete sein Ausfall, dass die 100+ Punkte Vorsprung in der Meisterschaft, welche er in Texas rausfahren konnte, nun wieder eingedampft sind. Nur noch 26 Punkte hinter Johnson lauert nun Kevin Harvick, der mit seinem Sieg in Talladega gleich an beiden Roush-Fenway-Piloten vorbeigezogen ist: Greg Biffle (-86) und Matt Kenseth (-99). Auf Platz 5 befindet sich Kyle Busch (-160) vor Mark Martin (-169) und seinem Bruder Kurt Busch (-177). Dann folgen Dale Earnhardt Jr (-181), Denny Hamlin (-185) und Jeff Gordon (-193), der in den Top12 am meisten Positionen in der Meisterschaftstabelle verloren hat. Dann werden die Abstände schon größer, denn der wieder in die Chase-Ränge zurückgekehrte Clint Bowyer hat schon 237 Punkte Rückstand auf Jimmie Johnson. Dafür musste sich im übrigen Joey Logano aus den Top12 verabschieden, die Jeff Burton (-241) komplettiert.
Jagd auf den Chase machen Carl Edwards (-15), Tony Stewart (-21), Martin Truex Jr (-37), Joey Logano (-81), Jamie McMurray (-84) und Ryan Newman (-87). Alle Fahrer danach haben schon mehr als 100 Punkte Rückstand auf Platz 12, unter anderem sind das Paul Menard (-120) und Juan Pablo Montoya (-126), der nun mit seinem dritten Platz wieder etwas näher an den Chase gerückt ist. Trotzdem bleibt es eine schwierige Aufgabe, die Fehlschläge der Vorwochen aufzuwiegen. In den Top35 hat sich Robby Gordon wieder einmal an den Front-Row-Fords vorbeigeschoben und steht nun auf Platz 34. Der engere Kampf zwischen Position 30 und 36 sieht folgendermaßen aus:
30) #47 Marcos Ambrose (MWR): 787 Punkte (+88)
31) #71 Bobby Labonte (TRG): 774 Punkte (+75)
32) #78 Reagan Smith (Furniture Row): 734 Punkte (+35)
33) #34 Travis Kvapil (Front Row): 731 Punkte (+32)
34) #7 Robby Gordon (RGM/BAM): 721 Punkte (+22)
35) #38 Kevin Conway (Front Row): 701 Punkte (+2)
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36) #37 David Gilliland (Front Row): 699 Punkte (-2)
Am nächsten Wochenende steht ein weiteres Nachtrennen auf dem Kalender. Der Cup besucht gemeinsam mit der Nationwide Series den Richmond International Raceway, einen Shorttrack mit 0,75 Meilen Länge. Die Trucks fahren auch wieder, allerdings im Rahmenprogramm der IndyCars in Kansas.