Die meisten Titel sind bereits in festen Händen – doch neben dem Rennsieg wird auf dem Shanghai International Cirucit auch um die Fahrer-WM sowie die GTE-Am World Trophy gekämpft werden.
Die erste Saison der neuen WEC ist leider etwas antiklimaktisch verlaufen. Mit dem Ausstieg von Peugeot stand schon im Januar fest, dass Audi den Titel gewinnen würde. Die Ankunft von Toyota wurde dennoch mit Spannung erwartet und sie schlugen sich schon in Le Mans nicht schlecht, bevor sie in Sao Paulo und Fuji tatsächlich die Platzhirsche von Audi übertrumpfen konnten. In der GTE-Pro fehlt schlichtweg die Masse, auch wenn die anfangs fünf, inzwischen nur noch vier Wagen guten Rennsport boten. Die GTE-Am hat zwei Autos mehr und bietet oft auch spannende Rennen, fliegt jedoch in der Regel unter dem Radar, was jedoch seit Einführung dieser Klasse ihr Problem ist. Gut zur Sache geht es auch stets unter den LMP1-Privatiers und in der stark besetzten LMP2, doch auch hier sind die Meistertitel bereits vergeben.
Auch die zwei noch offenen Entscheidungen sind nicht gerade eng: in der Fahrer-Weltmeisterschaft, die alle Klasse überspannt, führt das Le Mans-Siegertrio Lotterer/Fässler/Treluyer, das auch diesmal den Audi mit der #1 pilotieren wird, mit 16,5 Punkten Vorsprung vor den Veteranen Kristensen/McNish in der #2. Letztere könnten den Titel also nur noch gewinnen, wenn der #1-Audi im Rennen in Probleme gerät und weit zurückfällt. Sollten Wurz/Lapierre im Toyota siegen, müsste die #1 gar punktelos ausgehen, damit Kristensen/McNish mit 18 Zählern für Rang 2 noch vorbeiziehen könnten. So oder so geht dieser Titel aber nach Ingolstadt.
Diese ist auch die erste von vier Bremszonen, die für die drei Hybrid-Boliden relevant sind: zwischen Turn 1 und der Haarnadel von Turn 6 dürfen einmal die 0,5 MJ abgerufen werden, so man den Speicher denn mit den nicht sehr harten Anbremsmanövern für die letzte Kurve Turn 16 und die enger werdende „Schnecke“ Turn 1hat füllen können. Nach der Haarnadel Turn 6 folgt eine lange Zone bis Kurve 11 – hier müssen die Fahrer die Energie zwischen den Beschleunigungsmanövern aus den engen Kurven 6 und 10 aufteilen. In der letzten Hybrid-Zone dagegen kann Vollgas gegeben werden, da sie nur die lange Gerade und das Herausbeschleunigen auf diese im leicht gebankten Turn 13 umfasst.Das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Werken dürfte wieder recht ausgeglichen sein – immerhin stammt der Shanghai Int‘l Circuit wie schon Bahrain und der umgebaute Fuji Speedway aus der Feder von Hermann Tilke, sodass sich auch hier die typische Mischung aus einer sehr langen Gerade, schneller Kurven und einigen sehr engen Ecken findet. Die langen Kurven dürften auch wieder für eine hohe Beanspruchung der Vorderreifen der beiden Audi sorgen. Berüchtigt ist vor allem die „Schneckenkurve“ zu Beginn der Runde, die sich aus den Turns 1-4 zusammensetzt.
Großer Nachteil für Audi bei der Streckenkonfiguration: Auf die vier Hybrid-Sektoren verteilt gibt es fünf Kurven, in denen die LMP1 unter 120 km/h schnell sein werden. Ausgangs dieser darf Toyota sein Hybridsystem sofort einsetzen – Audi muss warten, bis der Tacho die 120 überspringt. Vor allem ausgangs der Haarnadel nach der langen Gerade, für die Audi 55 km/h angibt, wird dies schmerzlich. Es bleibt zu hoffen, dass der ACO diese Vorgabe schon über den Winter aus dem Regelbuch streicht; für beide Systeme sollten die gleichen Voraussetzungen gelten!
Rebellion Racing, frisch gebackener Petit Le Mans-Sieger und bester LMP1-Privatier in der WEC, bringt zusätzlich zu den Stammpiloten in der #13 den in Europa nicht unbekannten Chinesen Cong-Fu Cheng an den Start. Für Oak Racing ist weiterhin Takumo Sato dabei, der sich jedoch in Fuji als sehr schnell erwiesen hat, auch wenn er nicht ganz an Bertrand Baguette herankam, der wohl als eine der Sportwagen-Entdeckungen des Jahres anzusehen ist. Die HPDs von Strakka und JRM vervollständigen wie gewohnt die Klasse.
Starworks Motorsports ist Meister (bzw. offiziell Gewinner der „Endurance Trophy“) in der LMP2-Klasse, doch dahinter bleibt es spannend: ADR-Delta und Pecom Racing liegen gleichauf, mit Vorteil für ADR-Delta, die drei Rennsiege gegenüber einem von Pecom aufzuweisen haben. Beide setzen ein Oreca-Chassis und einen Nissan-Motor ein. Unter diesen beiden hat Debütant ADR-Delta sich als das schnellere Team erwiesen, während Pecom etwas konstantere Ergebnisse eingefahren hat. Für den Showdown hat sich Alan Docking den beim Petit Le Mans gekrönten ELMS-LMP2-Champion Mathias Beche von Thiriet by TDS Racing gesichert, um John Martin und Tor Graves zu unterstützen – möglicherweise gibt gerade dessen konstant schnelle und fehlerfreie Fahrweise den Ausschlag… doch auch Pecom hat seit einigen Rennen mit Nicolas Minassian einen extrem starken dritten Mann neben Pierre Kaffe und Luis Perez Companc.
Was den Rennsieg angeht, können sich auch andere einmischen: Signatech-Nissan hofft auf einen positiven Abschluss für die mehr oder weniger verkorkste Saison. Mit etwas Glück sind deren beiden Wagen ebenso Podiumskandidaten wie der Oak-Morgan-Nissan mit Nicolet/Lahaye/Pla und der zuletzt so stark in Erscheinung getretene Kolles-„Lotus“ (Lola-Judd) mit Weeda/Liuzzi/Rossiter.
Interessante Neuigkeit am Rande: Geldgeber und Herrenfahrer Enzo Potolicchio wird sich nach der Saison von Starworks trennen und im kommenden Jahr sein eigenes Team eröffnen, mit dem er die WEC und die Grand Am Rolex-Serie bestreiten will. Als Beweggrund nennt er, dass er sich bei Starworks nicht so weiterentwickeln könne, wie er es gern wolle, da sich seine Vorstellungen von denen des Teambesitzers Peter Barron unterscheiden. Außerdem hat Elton Julian verkündet, dass er nach über 20 Jahren am Wochenende in Shanghai seine Profikarriere beenden wird. Mit Greaves Motorsport hatte er in der WEC eine solide Saison ohne besondere Höhepunkte, was aber zu einem soliden vierten Rang in der LMP2-Teamwertung führte.
In der GTE-Pro bleibt alles beim Alten: AF Corse hat den Titel mit fünf Siegen und zwei zweiten Plätzen aus den sieben Saisonläufen mehr als sicher. Zuletzt jedoch war der Felbermayr Proton-Porsche in Fuji nicht zu schlagen – sollte das Team mit Lieb/Lietz am Steuer noch einmal so ein gutes Wochenende erwischen, könnte auch diesmal wieder ein Sieg möglich sein. Tendentiell ist jedoch auf der mit etwas mehr schnellen Kurven gesegneten Bahn von Shanghai wieder der Ferrari als Favorit einzuschätzen. Der Aston Martin mit Mücke/Turner ist und bleibt eine Wundertüte, doch das Werksteam wird alles versuchen, den zweiten Rang in der Meisterschaft, den sie um einen Punkt vor Felbermayr Proton innehaben, zu halten.
Spannend wird es noch einmal – wie eingangs erwähnt – in der GTE-Am, jedoch auch nur ansatzweise: Larbre Competition liegt um 20 Zähler vor Felbermayr Proton. Das französische Team hat jedoch den Vorteil, zwei Corvettes einzusetzen, sodass stets die Punkte für den besseren der beiden Wagen gewertet werden. Vier Saisonsiege der Porsche-Teams stehen zweien von Larbre gegenüber; doch da diese in Le Mans gewannen und so 50 Punkte auf einen Schlag holten, während Felbermayr Proton leer ausging, entstand ein großer Vorsprung, der nur langsam schrumpfte. In der #50 von Larbre sitzt wieder einmal Pedro Lamy, während Michael Waltrip endlich wieder einmal Zeit hat, den Ferrari 458 der AF Corse-Waltrip-Kooperation selbst zu pilotieren.
Das Rennen startet am Sonntag um 4 Uhr morgens deutscher Zeit, endet diesmal aber praktischerweise, bevor die Formel 1 startet. Rennen und Qualifikation werden auf live.fiawec.com gestreamt, auch das Live Timing gibt es dort. Den qualitativ besseren Stream wird es wohl allerdings wieder bei Audi-TV geben. Zudem überträgt MotorsTV das gesamte Rennen live, während Eurosport diesmal lediglich eine einstündige Zusammenfassung in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Programm hat. Der englische Kommentar ist wie immer auch live auf Radio Le Mans zu hören und den Spotter Guide zum Rennen gibt es hier.
(Bildquelle: WEC, Streckengrafik: Audi)