Home Formula E Formula E: Vorschau auf die Saison 2017-18 und den Hong Kong ePrix (Teil 2)

Formula E: Vorschau auf die Saison 2017-18 und den Hong Kong ePrix (Teil 2)

von StefanTegethoff
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Aufregende Technik-Partnerschaften und namhafte neue Piloten – das Feld ist bereit für einen spannenden Saisonauftakt der Formula E. Viele Fragen gilt es zu beantworten.

Nach dem gestrigen Blick auf den Stand der Serie, den Kalender und das Reglement werfen wir heute einen Blick auf die Teams und Fahrer, die auf den (meist) spektakulären Stadtkursen um Siege und Titel fahren werden. Es ist wieder ein starkes Feld mit viele großen Namen am Start, darunter einige Neulinge, die sich auf die neuen Boliden einstellen müssen.

Auch wenn die Autos in der bisherigen Form keinen sonderlich großen Topspeed haben – sie zu fahren ist eine Herausforderung ganz eigener Art, das haben die Piloten immer wieder bestätigt. Mit E-Motoren steht die ganze Leistung direkt zur Verfügung, mit viel Drehmoment werden die Autos aus dem Stand – und auch anch langsamen Kurven – schnell auf hohe Geschwindigkeiten katapultiert. Die Michelin-Allwetter-Profilreifen sind recht hart und bieten eher wenig Grip, sodass man die Wagen oft rutschen sieht.

 

Auch das Bremsen ist schwierig, denn beim Verlangsamen muss möglichst viel Energie zurückgewonnen werden; der Einsatz des kinetischen Energie-Rückgewinnungssystems sorgt immer wieder für ungleichmäßige bzw. schwer zu dosierende Bremsleistung und damit häufig für stehende Räder, was Überholmanöver fördert. Durch das hohe Gewicht (resultierend aus der schweren Batterie) sind die Autos auch in der Kurvenfahrt nicht so leichtfüßig wie etwa Formel 1-Boliden.

Technik spielt die zweite Geige

Ich würde gern mehr und häufiger über die Technik berichten – dem steht aber einerseits im Wege, das Elektro-Antriebe für mich als Laien schwerer zu verstehen sind als Verbrennungsmotoren; andererseits aber auch, dass das Thema Technik von den Teams und den klassischen Medien überwiegend sehr stiefmütterlich behandelt wird. Informationen über die Antriebsstränge herauszufinden ist Detektivarbeit, technische Analysen sind kaum zu finden, auch in den Pressemitteilungen der Teams kommt das Thema kaum vor, dort geht es mehr um die neuen bunten Lackierungen. Das ist sehr schade, denn die Technik der E-Antriebe sollte eigentlich eines der Kernthemen der Formula E sein, stattdessen setzen die Marketingabteilungen auf den „Oh, guck mal, ein buntes Auto!“-Effekt.

Die Formula E selbst hat dankenswerterweise über die vergangenen Jahre selbst einige Artikel und Videos zum Thema Technik produziert. Auf ihrem Youtube-Kanal gibt es etwa die Rubrik „Formula E Explained“. Die technische Entwicklung ist nur für einige Komponenten des Antriebsstranges freigegeben. Am ehesten unterscheiden kann man die Autos daher nach der Motor-Konfiguration (Single oder Twin) und der Anzahl der Gänge im Getriebe (zwischen einem und fünf in den letzten Jahren). Auch zu den Entwicklungsschritten und Unterschieden diesbezüglich hat die Formula E selbst gut verständliche Youtube-Videos produziert, hier das aus der vergangenen Saison:

Die Teams und ihre Fahrer

Wie bereits erwähnt, herrscht in der Entry List für die nun beginnende Saison hinsichtlich der Teams Kontinuität – bei den Fahrern gibt es einige neue Namen, darunter auch bekannte Größen aus anderen Rennserien. Ich werde die Teams nachfolgend entsprechend ihrer Rangfolge in der Herstellerwertung der Vorsaison vorstellen und dabei auch auf die Performance bei den Vorsaison-Testfahrten in Valencia berücksichtigen. Allzu viel Bedeutung sollte man dem aber nicht beimessen: der Circuito Ricardo Tormo ist weit weg vom typischen FE-Stadtkurs, so wie es auch die bisherige Teststrecke, Donington, war.

Beim dreifachen Team-Champion Renault e.dams bleibt alles beim Alten. Warum auch sollten Alain Prost und Jean-Paul Driot großartig was ändern, hat man doch in allen drei Saisons die Herstellerwertung gewonnen und Sebastien Buemi, der selbstverständlich weiter für das Team antritt, einmal zum Fahrer-Titel und zu zwei Vize-Meisterschaften verholfen. Auch sein Teamkollege Nicolas Prost, Sohn des großen Alain, bleibt an Bord, obwohl seine Leistungen deutlich hinter denen Buemis abfallen und er auch nicht an seine eigene Performance von 2015-16 anknüpfen konnte. Selbst in der dominanten Phase des Teams zu Saisonbeginn kam er nicht über vierte Plätze hinaus, aber seine Konstanz (nur einmal fiel er aus, sonst punktete er in jedem Rennen) verhalf Renault e.dams zum dritten Mal in Folge zum Titel.

Ebenfalls wenig gibt es bei Audi Sport ABT Schaeffler, abgesehen davon, dass die Reihenfolge innerhalb des langen Namens getauscht wurde: Audi steht nun ganz vorn und übernimmt mehr Verantwortung, der Antriebsstrang läuft nun auch unter der Bezeichnung Audi e-tron FE04, nicht mehr unter dem Namen des Zulieferers Schaeffler. Technisch verfolgt man nun einen anderen Weg und wechselt vom Dreigang-Getriebe auf eines mit nur einem Gang. Außerdem ist das Auto nun in grün und weiß lackiert, nicht mehr im bisherigen Paradiesvogel-Design (das mir persönlich aber recht gut gefiel). Abt Sportsline bleibt das Einsatzteam, damit ist trotz durchwachsener Leistungen (verbunden mit Technik-Pech) auch der Platz von Daniel Abt im Cockpit sicher, ebenso wie der des Fahrer-Champions Lucas di Grassi. Beide waren beim Testen ganz vorn bei der Musik mit dabei, für eine Bestzeit reichte es aber an keinem der drei Tage. Entscheidend für di Grassis Titelverteidigung könnte sein, wie er sich mit seinem neuen Renningenieur versteht, denn der bisherige, Franco Chiocchetti, verlässt das Team kurz nach Saisonbeginn.

Die positive Überraschung der vergangenen Saison war Mahindra Racing einem Sieg und insgesamt zehn Podien. Den Sieg in Berlin (es hätten auch zwei sein können) fuhr Felix Rosenqvist ein, der für mich die fahrerische Entdeckung der FE-Saison 2016-17 war. Schon in Marrakesch zeigte er sein Potenzial und optimierte danach noch seine Skills, auch in Sachen Energiemanagement, das in der Serie so entscheidend ist. Er könnte zu den Favoriten für die neue Saison zählen, wenn das Auto weiterhin so stark ist; die Testfahrten deuteten dies an. Auch Mahindra reduziert sein Getriebe im M4Electro auf einen Gang, nachdem man im M2Electro mit vier Gängen begann und im Vorjahr auf zwei herunterging. Diese Konstellation scheint sich als die Beste herauszukristallisieren. Nick Heidfeld bleibt der Serie als zweiter Fahrer erhalten und wird weiterhin versuchen, seinen ersten Sieg einzufahren. Bisher ist ihm das – wie in seiner Formel 1-Karriere – vergönnt geblieben, nachdem er beim Debütrennen vor drei Jahren in Beijing in der letzten Kurve in Führung liegend von Nico Prost abgeschossen wurde. Sechs dritte Plätze aus zwölf Rennen im Vorjahr zeigen aber, dass mit ihm jederzeit zu rechnen ist, auch wenn vielleicht der letzte Biss nicht mehr da ist.

DS Virgin Racing ist von Mahindra als dritte Kraft verdrängt worden, würde aber gern auch endlich einmal richtig in den Titelkampf eingreifen, nachdem ist bislang immer nur für einzelne Siege reichte, allesamt eingefahren durch Sam Bird. Der New York-Doppelsieger aus der vergangenen Saison bleibt die Speerspitze des Teams aus dem Hause Citroen. Sein neuer Teamkollege ist der Brite Alex Lynn, der im Vorjahr in Brooklyn debütierte, als Jose Maria Lopez in der WEC ran musste. Lopez hatte in seiner Debütsaison einige starke Rennen, machte aber auch einige Fehler und überwarf sich angeblich mit Teamchef Alex Tai; obwohl er gern in der Serie geblieben wäre, hat er aktuell kein Cockpit mehr. DS Virgin bleibt beim Dreigang-Getriebe aus dem Vorjahr, entgegen dem augenscheinlichen Trend hin zum Eingang-Getriebe (auf das man in der zweiten Saison setzte, allerdings in Kombination mit einem Twin-Motor, was sich als schwierige Kombination herausstellte). Aber der Saison 2018-19 wird DS sich als Hersteller verselbstständigen, welchen Antriebsstrang Virgin Racing dann nutzt, ist noch unklar.

Techeetah setzt weiterhin als Kundenteam auf Renault-Technik und baut in der kommenden Saison deren Z.E. 17-Antriebsstrang ein. Jean-Eric Vergne gelang im letzten Saisonrennen in Montreal endlich der erste Sieg – für das Team und auch für sich selbst nach sechs zweiten Plätzen über drei Saisons. Er bleibt der Anführer des Teams, denn sein Teamkollege ist ein Neuling in der Serie, wenn auch ein bekannter Namen: der dreifache Le Mans-Sieger André Lotterer wird sein Glück nach den WEC-Ausstiegen von Audi und Porsche nun in der Formula E versuchen, was natürlich eine große Umstellung bedeutet. Formel-Erfahrung hat er zwar aus der japanischen Super Formula, aber die FE-Boliden sind doch ebenso speziell wie die Stadtkurse, auf denen er nun antreten muss. Bei den Testfahrten war er noch eher im hinteren Mittelfeld zu finden.

Ein möglicher Geheimfavorit für die kommende Saison ist nach einer starken Performance bei den Testfahrten das chinesische Team NIO Formula E, die im Vorjahr noch unter dem NextEV NIO angetreten sind (davor als NextEV Team China Racing). Nelson Piquet jr. hat das Team, mit dem er in der ersten Saison Meister wurde, verlassen und wird durch Luca Filippi ersetzt, der nach vielen Jahren in der GP2 zuletzt als „Journeyman“ IndyCar- und GT-Einsätze bestritten hat. Im anderen Cockpit sitzt weiterhin der Brite Oliver Turvey, der im Vorjahr einige gute Ergebnisse verbuchen konnte. Der NextEV FormulaE 002-Bolide verfolgte einen anderen Ansatz als das Modell 001 aus der Saison 2015-16, das mit Twin-Motoren und Ein-Gang-Getriebe langsam und schwerfällig war. Mit dem neuen Modell 003 glaubt man nun den nächsten Schritt gemacht zu haben und um Siege mitfahren zu können.

Andretti Autosport, genauer MS&AD Andretti Formula E, tritt erst zum zweiten Mal mit einem selbstentwickelten Antriebsstrang an, kann dabei allerdings auf Unterstützung von BMW zählen. Die Bayern sind zunächst Technik-Partner, ab nächster Saison wird das Team wohl auch die drei Buchstaben im Namen tragen, denn BMW möchte ebenfalls als Hersteller in die Serie einsteigen. Der seit seinem Abstauber-Sieg in Buenos Aires 2015 glücklose Antonio Felix da Costa hat eine schwierige Saison mit nur einem Punkte-Resultat hinter sich, wird sich aber rehabilitieren wollen. Sein Teamkollege wird der 24-jährige Brite Tom Blomqvist – allerdings nicht in Hong Kong! Dort darf, wahrscheinlich Dank des japanischen Sponsors, Ex-F1-Pilot Kamui Kobayashi ran; ob das allerdings so viel Sinn macht, ist fraglich, denn Kobayashi war auch bei den Testfahrten nicht dabei und muss sich erstmal eingewöhnen, aber mit Toyota-LMP1-Erfahrung sollten Lift-and-Coast und Effizienz für ihn zumindest keine Fremdwörter sein.

Dragon Racing hat Sponsor Faraday Future verloren, das kalifornische Startup geriet im letzten Jahr wegen Unstimmigkeiten bei der Finanzierung in Schwierigkeiten. Hinter dem Team steht Jay Penske, der berühmte Familienname ist auch als Hersteller eingetragen sowie als Namensgeber für den Antriebsstrang; Vater Roger und dessen Team Penske haben aber mit dem FE-Einsatz nichts zu tun. Jerome d’Ambrosio tritt weiter für das US-Team an, das von Jahr zu Jahr schwächer geworden ist: in den ersten beiden Jahren konnte d’Ambrosio noch je einen Sieg und je zwei weitere Podien einfahren, im Vorjahr reichte es meist kaum für die Punkte und nur für Rang 8 in der Konstrukteurs-Meisterschaft. An der Seite des Belgiers sitzt künftig Ex-Porsche-LMP1-Pilot Neel Jani, der – den Tests nach zu urteilen – aber auch noch Eingewöhnungszeit braucht.

Große Neuigkeiten gab es gestern vom Venturi Formula E Team aus Monaco: bereits in dieser Saison wird Mercedes-Tuner HWA, das Unternehmen von AMG-Mitgründer Hans Werner Aufrecht, das monegassische Team als Technik-Partner unterstützen. Als Chefingenieur kommt zudem Jacky Eeckeleart an Bord, den Motorsport-Enthusiasten noch aus den 90er und 2000er Jahren, als er in verschiedenen Rollen für diverse Formel 1-Teams arbeitete. Mercedes-Pilot Maro Engel darf weiter für Venturi ins Lenkrad greifen, auch wenn ihm außer einem fünften Platz in Monaco im Vorjahr wenig gelang, wie auch dem Team allgemein. Sein neuer Kollege heißt Edoardo Mortara, womit in diesem Jahr gleich drei Schweizer in der Serie vertreten sind; auch Mortara gehört nach Jahren als Audi-Mann seit Anfang 2017 zum Mercedes-Lager, sodass sich hier möglicherweise eine tiefere Partnerschaft andeutet.

Panasonic Jaguar Racing war der große neue Name im letzten Jahr – und die britische Marke hat vor allem gezeigt, wie schwierig es auch bei der Formula E ist, al Neueinsteiger Anschluss zu finden, geschweige denn Erfolg zu haben. Außer einem starken Rennen in Mexico City, bei dem man mit etwas weniger Pech noch mehr Punkte hätte holen können, lief kaum etwas zusammen in der Saison. Australier Mitch Evans darf bleiben, er konnte immerhin 22 Punkte holen, aber sein bisherige Teamkollege Adam Carroll wird ersetzt – und zwar durch keinen Geringeren als den Ex-Champion Nelson Piquet jr., der nach zwei schwierigen Jahren im unterlagenen NextEV-Boliden wieder Anschluss finden will. Ob Jaguar ihm dafür in seinem zweiten Jahr das passende Auto bieten kann, bleibt abzuwarten, bei den Testfahrten waren die beiden Jaguar I-Type II fest im Mittelfeld verankert. Jaguar setzt auf ein Zweigang-Getriebe, so wie es Dauer-Meister Renault im ersten Jahr der selbstentwickelten Antriebsstränge tat.

Alles zum Saisonstart in Hong Kong

Zu den Favoriten muss man sicher wieder Renault e.dams und Audi Sport Abt Schaeffler zählen, NIO Formula E ist für mich – wie bereits erwähnt – Geheimfavorit, muss aber erst einmal an DS Virgin und Mahindra Racing vorbei. Aber auch von den anderen Teams kann möglicherweise das eine oder andere überraschen: Wie stark wird Venturi mit HWA-Unterstützung, kann Jaguar ins Mittelfeld aufsteigen? Bringt die BMW-Partnerschaft das Andretti-Team voran? Wie lange brauchen die neuen Piloten, um sich zu akklimatisieren? Nach dem Wochenende werden wir mehr wissen.

Der Hong Kong ePrix wird als Doubleheader ausgetragen, nachdem das erste Event im Vorjahr wohl recht erfolgreich war. Das heißt, am Samstag und Sonntag wird je ein voller Renntag ausgetragen. Die etwa einstündigen Rennen (jeweils 45 Runden) starten an beiden Tagen um 8 Uhr morgens unserer Zeit. Eurosport überträgt live auf dem Hauptkanal und zeigt jeweils vorher eine Stunde lang, also ab 7 Uhr, Vorberichte und Quali-Highlights.

Auch im Racingblog werden wir die neue Saison der Formula E wie gewohnt begleiten. Der erste Teil der Saisonvorschau mit Ausführungen zu allen Fahrern und Teams erschien bereits am Donnerstag.

(Bilder: Formula E Media)

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1 Kommentare

Tomm E 11 Dezember, 2017 - 02:14

hmm, die Formel E weckt schon auch Emotionen. Dennoch stehe ich der Elekromobilität insbesondere km Alltag sehr zwiegespalten gegenüber. Einerseits weg von den Fossilenbrennstoffen, stark reduzierte Emissionen (Zumindes während der Nutzungsphase) und beeindruckender Drehmomentverlauf der Freude macht.

Andererseits, bezweifle ich das unser aktuelles Stromnetz eine schnellen Anstieg von E-Autos gewachsen wäre und erst recht nicht den Emisionsfreundlichen Ökostrom liefern könnte um die Co2 Bilanz des „Stromers“ zu begünstigen. Weiter sind die Emissionen bei der Fertigung der Fahrzeuge, besonders des Akkus, ein vielfaches höher als bei einem Verbrenner. Es zwingt sich auch die Frage auf: kann ein Akku so zyklusfest sein, dass er nicht einmal oder mehrmals während eines E-Autolebens getauscht werden müsste und damit die Emisionsbilanz des Elektrofahrzeugs nocht zusätzlich ungut beeinflusst?

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