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Formula E: Vorschau Berlin ePrix – Zurück in Tempelhof

von StefanTegethoff
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Auch in ihrer dritten Saison kommt die Formula E wieder nach Deutschland, zum ersten Mal gleich für zwei Läufe. Wird jemand Sebastien Buemis Durchmarsch Richtung Titel stoppen können?

Die Formula E bleibt Berlin treu, wechselt aber wieder den Standort – „zurück auf Los“, auf den berühmten früheren Flughafen Tempelhof, Drehkreuz der Luftbrücke zu Zeiten der deutschen Teilung. Gebaut unter dem Nazi-Regime als Repräsentationsobjekt für den fortschrittlichen deutschen Staat war er zeitweise das flächengrößte Gebäude der Welt. Und nun wird zum zweiten Mal die Formula E auf dem Vorfeld ihr Rennen austragen – beziehungsweise in diesem Fall sogar zwei Läufe, denn man wird einen „Doubleheader“ fahren: Samstag und Sonntag je einmal das komplette Programm mit Quali am Mittag und Rennen am Nachmittag.

Neue Streckenführung

Die gewaltige betonierte Fläche des Flughafen-Vorfeldes lässt den Streckenplanern mehr Raum für Kreativität – aber das muss nicht zwingend zu einem besseren Ergebnis führen. Das erste Rennen in Tempelhof vor zwei Jahren war in Ordnung, aber kein Knaller, also hat man für 2017 kräftig umgeplant. Die Strecke ist kürzer (2,27 statt 2,47 km) und simpler (10 statt 17 Kurven), aber ob sie auch tatsächlich ein besseres Rennen produziert, wird sich erst zeigen müssen. Im Hinterkopf behalten muss man dabei, dass die buckelige Beton-Decke eine Herausforderung der ganz eigenen Art ist, auch für Reifen und Aufhängungen.

Die Start/Ziel-Gerade ist wie beim ersten Mal leicht gebogen, sie mündet in eine 270°-Linkskurve, danach geht es zweimal rechts rum – ein bisschen wie eine gespiegelte und engere, hakeligere Variante der berüchtigten Schneckenkurve in Shanghai, deutlich langsamer wird sie allemal sein, vielleicht auch eine Überholmöglichkeit. Eine weitere enge Kombination (T4/5) führt auf die längste Gerade der Strecke, die am Ende in einem Rechtsbogen auf eine enge Links-Kehre zuführt; diese Kombination sollte gut zum Überholen taugen, da man sich in dem leichten Bogen innen neben den Konkurrenten setzen kann, der die Kurve auf der Ideallinie anfährt.

Turn 7 dürfte vom Blick aufs 2D-Layout eine der schnelleren Kurven der ganzen Saison sein und führt auf eine weitere Gerade (mit Knick), die auf eine 180°-Rechtskehre zusteuert. Wenn Turn 7 sich als herausfordernde schnelle Kurve darstellt, könnten sich auf der Passage hin zu Turn 9 interessante Duelle entwickeln. Danach führt eine relativ kurze Gerade zur letzten Kehre, die die Piloten zurück auf Start/Ziel bringt. Sollten sich die vorgenannten zwei bis drei Stellen wirklich zum Überholen eignen, könnten das zwei sehenswerte Läufe werden…

Di Grassis Berlin-Hangover

…wenn nicht Sebastien Buemi wieder alles dominiert. Seine Fahrkunst in einem Formel-E-Spark-Renault ist selbstverständlich auch sehenswert, aber ein bisschen Spannung darf schon sein, sowohl im Rennen als auch in der Meisterschaft. Die führt der Schweizer nach seinen Siegen in Monaco und Paris nun mit 132 zu 89 Punkten wieder deutlich vor Lucas di Grassi an. Aber: Allein in Berlin sind 58 Punkte zu verteilen (je 25 für den Sieg, drei für die Pole und einer für die schnellste Rennrunde), da können die 43 Zähler bei einem schlechten Tag – oder gar einem schlechten Wochenende – schnell wieder einschmelzen. Dass auch Buemi Off-Days hat, hat er in Mexico City gezeigt, dem einzigen Rennen in dieser Saison, das er nicht gewonnen hat.

Lucas di Grassis Erfahrungen in Berlin sind durchwachsen: Im ersten Jahr siegte er, wurde dann aber wegen eines irregulären Frontflügels disqualifiziert, im letzten Jahr fuhr er von Startplatz 8 auf Rang 3 nach vorn, kam dann jedoch nicht an seinem Teamgefährten Daniel Abt vorbei, der beim Heimrennen auch den Funk vom Kommandostand ignorierte. Beide Male verlor er die Meisterschaft mit weniger Punkte Differenz als er in Berlin jeweils mehr hätte holen können. Für den Brasilianer ist daher Rehabilitation angesagt, und auch sein Team Abt Schaeffler Audi Sport wird natürlich beim Heimrennen endlich einmal einen Sieg holen (und behalten) wollen.

Das Heimspiel-Trio

Ein Heimspiel ist der Berlin ePrix dieses Jahr für drei Piloten. Am besten liegt von diesen aktuell Nick Heidfeld, der sich – kürzlich 40 Jahre alt geworden – in dieser Saison noch einmal stark zeigt: Drei Podien und Rang 4 in der Meisterschaft lassen hoffen, dass vielleicht noch ein bisschen mehr drin ist, ein Sieg wäre ihm durchaus zu gönnen. Das wird aber eine schwierige Aufgabe, und ein Quäntchen Glück wird er auch brauchen. Mahindra kämpft in diesem Jahr um Rang 3 der Konstrukteurswertung, liegt derzeit sogar vor DS Virgin; vielleicht hat sich auch der Wechsel von Carlin als Einsatzteams zu Campos Racing positiv ausgewirkt –  aber an die e.dams-Renaults kommt der indische Konstrukteur noch nicht heran.

Daniel Abt ist nach Buemi und di Grassi der Pilot, der am häufigsten den Fan Boost gewinnt – bei vier von sechs Events in dieser Saison –, aber Top-Ergebnisse fehlen bislang, sechste und siebte Plätze waren das höchste der Gefühle, hier bleibt also alles beim Alten. Maro Engel hat mit drei Ausfällen, einmal Rang 9 und einem starken fünften Platz in Monaco bisher die durchwachsenste Saison der drei Deutschen, in Paris musste er wegen seiner DTM-Verpflichtungen auf den Start verzichten. Berlin wird zeigen, ob Monaco ein positiver Ausrutscher war oder einen Aufwärtstrend anzeigt.

Wechselspiele

In jedem Falle waren Engels Resultate stärker als die seines bisherigen Teamkollegen Stephane Sarrazin, der noch im Vorjahr deutlich stärker unterwegs war und Rang 6 in der Meisterschaft belegte. Sarrazin wird nun den Hersteller wechseln und von Venturi zu Techeetah-Renault gehen: Beim chinesischen Team ist der Platz von Esteban Gutierrez, der nur drei Formula-E-Rennen bestritt, frei geworden, da der Mexikaner Vollzeit in die IndyCar-Serie wechselt. Damit wird bei Venturi ein dauerhafter Platz für Tom Dillmann frei, der schon in Paris für den abwesenden Engel einsprang.

Die größte Nachricht seit dem Paris ePrix war aber nicht der Wechsel von Stephane Sarrazin, sondern der mögliche „Rückzug“ des Top-Teams Renault aus der Formula E. Autosport meldet, dass innerhalb des Konzerns diskutiert werde, die französische Marke aus der Formula E abzuziehen und durch die Marke Nissan zu ersetzen, die nach dem erfolglosen LMP1-Projekt dringend ein neues, präsentables Motorsport-Highlight benötigt. Sollte das zur Saison 2017/18 tatsächlich eintreten, wäre es zunächst sicherlich nur ein Rebranding, denn vieles für die kommende Saison ist schon festgezurrt. Erst später könnte tatsächlich Nismo auch die Entwicklung des Autos übernehmen. Ob es tatsächlich dazu kommt, bleibt abzuwarten.

Heiße Batterien

Das Wetter in Berlin wird voraussichtlich Temperaturen von 20 bis 25 °C und möglicherweise einigen Regen aufbieten, große Hitze ist also nicht zu erwarten. Das hilft den Batterien und der Kühlung des Antriebsstranges im Allgemeinen. Die Formula E hat kürzlich das nachfolgende informative Video bereitgestellt, das sich mit dieser Problematik befasst, die die Teams in der dritten Saison sehr beschäftigt. Erstmalig wurde die Hitzeempfindlichkeit der FE-Antriebsstränge offenbar, als Sebastien Buemi beim Rennen in Malaysia 2015 (in der zweiten Saison) in Führung liegend plötzlich verlangsamte. Seitdem hat das Top-Team Renault – aber auch die Konkurrenz – viel dazu gelernt.

Während ein Verbrennungsmotor, wie im Video erläutert wird, Temperaturen von 100 bis 120 °C verträgt, ist die optimale Leistung eines E-Antriebsstranges oberhalb von 70 °C nicht mehr gegeben, die Batterie hört laut Sebastien Buemi sogar schon bei 63 °C auf zu arbeiten. Entsprechend müssen die Teams die Batterie-Temperatur das ganze Rennen scharf im Auge behalten, um ins Ziel zu kommen. Die Erhöhung des Limits für die Energierückgewinnung („Regen“) beim Verlangsamen macht das dieses Jahr umso schwieriger.

Dazu passt die Nachricht, dass die neue Batterie von McLaren Applied Technologies, die ab der Saison 2018/19 die FE-Boliden anfeuern soll, im Mai ihre erste Rennsimulation als Paket absolviert hat, nachdem bisher nur einzelne Batteriezellen getestet worden waren. Ab Oktober diesen Jahres sollen „echte“ Testfahrten auf der Rennstrecke folgen. Die Kühlung ist auch hier wieder eines der großen Probleme, mehr Stromfluss bringt mehr Wärme mit sich. Außerdem bedeutet die größere Batterie mehr Gewicht, was ja bekanntlich eines der großen Probleme bei der Massentauglichkeit von E-Autos ist. Die angepeilten 42 kg Zusatzgewicht sollten aber durch einen Gewinn an Leistung im Quali- (+30 kW) und im Rennmodus (+50 kW) mindestens wettgemacht werden.

Mit dieser neuen Batterie sollen die Fahrzeugwechsel überflüssig werden – dennoch denken einige Beteiligte laut darüber nach, Boxenstopps als Element, das Action und Abwechslung bringt, beizubehalten. Notwendig sind sie nicht, weil auch die Reifen nicht gewechselt werden müssen. Ich hoffe, das wird man sich nochmals genau durch den Kopf gehen lassen; wenn man solche Überlegungen ernsthaft anstellt, sollte man sich eher an dem Rallycross-Konzept der „Joker Lap“ orientieren anstelle einer langsamen Durchfahrt durch eine Boxengasse, in der nichts zu erledigen ist.

Wann und wo?

Die Rennen starten am Samstag und Sonntag jeweils um 16 Uhr, DMAX überträgt jeweils live mit einer Viertelstunde Vorlauf. Die Qualifikation findet an beiden Tagen um 12 Uhr mittags statt, ist aber im deutschen TV nicht zu sehen. Tickets sind für Interessierte diesmal auch kurzfristig noch zu bekommen.

(Bilder: Formula E Media)

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