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NASCAR: Analyse Phoenix November 2013

von KristianStooss
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Der vierte Saisonerfolg von Kevin Harvick bewies wieder einmal, dass Mister „Where did he come from?“ immer dann zur Stelle ist, wenn die Konkurrenz schwächelt. Unterdessen erlebte Matt Kenseth in Phoenix ein Setup-Debakel und verlor möglicherweise die entscheidenden Zähler im Kampf um die Meisterschaft.

292011Das zweitletzte Saisonrennen des Sprint Cups auf dem Phoenix International Raceway war ein recht kurzweiliges NASCAR-Rennen, da die acht Cautions immer mal wieder frischen Wind an der Spitze wehen ließen. So kamen schließlich 13 Fahrer auf insgesamt 23 Führungswechsel, wobei sogar ganze acht Piloten mehr als die üblichen ein bis zwei Umläufe unter gelb oder während Green-Flag-Pitstops in Front des Feldes unterwegs waren. Dass es auch keinem Teilnehmer gelang, mehr als 70 von 312 möglichen Führungsrunden anzusammeln, zeigt wie abwechslungsreich das Rennen wirklich war. Teilweise hatte man keine Ahnung, wer denn nun an der Spitze stand; das mag allerdings zum Teil der Konzentration von ESPN auf die beiden Meisterschaftsfavoriten geschuldet sein – und die hatten es absolut nicht leicht:

Jimmie Johnson geriet, von der Pole-Position gestartet, sofort in der ersten Kurve massiv durch Joey Logano in Bedrängnis, welcher etwas überforsch ins Rennen startete. Mit seinem rutschenden Wagen räumte er fast die #48 ab, was Johnson mit einigen gekonnten Lenkradbewegungen jedoch abwenden konnte. Trotzdem war er so in die umkämpften Top 10 abgerutscht, in deren Regionen es später noch einmal wild werden sollte, als er wohl Carl Edwards bei einem Three-Wide-Manöver in der Mitte übersah und von diesem ebenfalls beinahe abgeräumt wurde. Auch hier gab es wieder Car-Control par excellence zu bestaunen. Man merkte allerdings schon, dass Johnson und Crew-Chief Chad Knaus eher darauf bedacht waren, das Rennen ruhig und gelassen zu Ende zu bringen, anstatt sich beim Kampf zurück zur bzw. dann an der Spitze aufzureiben.

Der entsprechende Funkspruch von Knaus lautete, Johnson solle von Beginn an sein Auto schonen. Dass dies die Gewinnertaktik im Hinblick auf die Meisterschaft sein würde, bestätigte schließlich Matt Kenseth während der gesamten Renndauer mit seinem komplett unfahrbaren Auto. Dazu kam auch noch das Pech bei einem vergeigten Boxenstopp, als der vordere Tire-Changer seinen Luftschlauch unter dem Reifen einklemmte. Kenseth kostete alleine dieser Vorfall acht Plätze, was Johnson natürlich immer mehr Polster nicht nur im Rennen selbst einbrachte. Der eigentlich sehr talentierte Crew-Chief an der #20, Jason Ratcliff, war quasi machtlos, denn keine der möglichen Abstimmungsmaßnahmen wollte fruchten. Im Prinzip hätte man der Karre in der Garage eine komplett neue Fahrwerkseinstellung verpassen müssen.

Das Ende von Lied war dann Rang 23 für Matt Kenseth bei gleichzeitiger Podiumsplatzierung von Jimmie Johnson, der sich mühelos in den Top 10 aufhalten konnte und schlussendlich einen starken dritten Platz nach Hause fuhr, anstatt nach Trainingsbestzeiten und Pole-Positionen auf Krampf sein Auto in die Wand zu werfen. Diese kluge Fahrweise (und auch ein wenig Glück) brachte ihm nun einen sehr großen Vorsprung in Höhe von 28 Punkte in der Meisterschaft ein, der vor dem letzten Rennen mehr oder weniger einer Vorentscheidung im Chase gleichkommt. So ein hoher Rückstand konnte noch nie vom Zweitplatzierten im Saisonfinale aufgeholt werden. Ein Titelgewinn von Kenseth käme dem Wunder von Atlanta gleich, als Alan Kulwicki 1992 im vermutlich besten NASCAR-Rennen aller Zeiten satte 30 Zähler gutmachen konnte – im alten Punktesystem jedoch.

Ganz unbemerkt hat sich aber noch ein dritter Anwärter ins Spiel gebracht: Weil Kevin Harvick in der letzten Runde den Sieg vom ohne Sprit ausrollenden Carl Edwards erbte, reist er nun als einziger Verfolger des Spitzenduos nach Homestead. Harvick muss allerdings ein noch größeres Wunder vollbringen, wenn er die 34 Punkte Rückstand noch aufholen will. Strenggenommen sind es sogar 35 Zähler, denn bei Punktegleichheit fungieren die sechs bzw. sieben Saisonsiege von Jimmie Johnson bzw. Matt Kenseth als Tiebreaker und es ist ja nicht so, als ob wir dieses Kuriosum nach 36 Rennen nicht schon einmal bemühen mussten.

Allerdings ist Kevin Harvick immer dann zur Stelle, wenn die Konkurrenz sich nicht voll auf der Höhe zeigt. Dies beweisen seine vier Saisonsiege in Richmond, Charlotte, Kansas und nun eben Phoenix – vier Strecken, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Trotzdem war sein später Erfolg nicht unverdient, denn immerhin holte Harvick mit 70 Führungsrunden auch in dieser Kategorie Platz 1, weil er schon zu Beginn des Rennens 50 Umläufe in Front bestreiten konnte. Ich bin schon gespannt, was „The Closer“ im nächsten Jahr mit Hendrick-Material bei Stewart-Haas Racing reißen kann. Sollte er weiter so gerissen und konstant sein, wird er mit (im Gegensatz zu seinem RCR-Chevy wirklichem) Top-Material direkt zum Saisonbeginn zum Mitfavoriten auf den 2014er Titel.

Kommen wir kurz noch zum Rennen bzw. dessen Ausgang:

– Der verlorene Benzinpoker warf einen starken Carl Edwards (21.) schließlich ans Ende der Führungsrunde zurück, während sich vorne andere Piloten die Pfründe sicherten. Kasey Kahne belegte wieder einmal Platz 2 und musste sich damit erneut nur knapp geschlagen geben. Hinter Johnson auf Rang 3 fuhren Dale Earnhardt Jr. und Kurt Busch zwei eher unauffällige Top-5-Resultate ins Ziel.

– Die Top 10 komplettierten Juan Pablo Montoya, Kyle Busch, Martin Truex Jr., Joey Logano und Ryan Newman, wobei die beiden letztgenannten Fahrer zuvor gemeinsam 64 Runden an der Spitze verbrachten. Als weitere Lead-Lap-Hamster entpuppten sich Brad Keselowski (mit 27) und Jeff Gordon (mit 49), welche jedoch im Finale keine Rolle mehr spielten.

– Besonders gut gefiel mir auch David Gilliland, der sich mit unterlegenem Material zwischenzeitlich in die Top 10 nach vorne arbeiten konnte, aber leider am Ende nur außerhalb der Top 20 die Zielflagge sah.

– Einen heftigen Abflug erlebte David Reutimann in Runde 192, als er seinen BK-Toyota in einen asiatischen Kompaktwagen verwandelte. Reutimann schlug rücklings so heftig in die SAFER-Barrier ein, dass sich sogar die Hinterachse in Richtung Fahrerkabine verschob.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Es folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung (Achtung: Alles PDF-Dateien!).

Da euch unser Neuzugang Steffen das Saisonfinale in der nächsten Woche schmackhaft machen wird, möchte ich mich abschließend noch ganz herzlich bei allen Lesern für das Interesse an meinen Artikeln sowie bei den Racingblog-Kollegen für die schöne und unterhaltsame Zusammenarbeit bedanken. Steffen gilt an dieser Stelle natürlich ein ganz besonderer Dank, da er mich in der NASCAR-Abteilung seit dem Brickyard 400 mehr als nur vertritt! Wir werden uns auch 2014 die Artikel hier gleichberechtigt aufteilen und lösen damit quasi das Gespann aus Mark Martin und Brian Vickers bei MWR ab. Auf in eine neue (Teilzeit-)Saison also, bei mir nicht aus Alters- sondern aus Arbeitsgründen.

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