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NASCAR: Analyse Phoenix November 2012

von KristianStooss
3 Kommentare

Kevin Harvick wird vermutlich ein riesiger Stein vom Herzen gefallen sein, denn er gewann auf dem Weg zu seinem ersten Saisonerfolg gegen den eigentlich unbesiegbaren Kyle Busch. Leider ging Harvicks Fahrt in die Victory-Lane ein wenig im Meer aus Schrott unter, dass einige Blitzbirnen da produzierten. Zu allem Überfluss gab es dann auch noch eine Massenschlägerei.

Kommen wir aber zunächst zu den erfreulichen Ereignissen, denn Kevin Harvick gab in dieser erneut so verwachsten Saison endlich ein Lebenszeichen von sich und seinem Team Richard Childress Racing. Schon komisch, dass das Feuer in ihm so aufflammt, kurz nachdem das Gerücht die Runde machte, dass er ab 2014 ein viertes Auto bei Stewart-Haas Racing fahren soll. Bisher wurde das aber weder bestätigt noch dementiert, allerdings zeigte sich Richard Childress schon einigermaßen angefressen. Aus diesem Grunde könnte an der Sache durchaus etwas dran sein, auch wenn das natürlich ein ziemlicher Hammer wäre. Vermutlich ist es aber ähnlich wie für Matt Kenseth bei Roush-Fenway Racing an der Zeit, mal die Tapeten zu wechseln. Was RCR und auch die Kollegen von Earnhardt-Ganassi Racing momentan abliefern ist nämlich deren Ansprüchen nicht würdig. Mit dem Sieg am Sonntag brachte Harvick zumindest seine Kritiker zum Schweigen, auch wenn er etwas überraschend kam:

Eigentlich hätte nämlich Kyle Busch (3.) gewinnen sollen, denn er holte sich nicht nur die Bestzeiten in allen Trainingssessions, sondern stellte im Qualifying mal eben auch noch einen neuen Rundenrekord auf und führte von der Pole-Position satte 237 der 312 angedachten Umläufe. Die Machtübergabe an Kevin Harvick erfolgte beim eigentlich letzten geplanten Restart in Runde 305 quasi kurz vor der Zielflagge. In der Folge musste Busch auch noch seinen Teamkollegen Denny Hamlin (2.) ziehen lassen, welcher als einziger weiterer Pilot mit 46 Führungsrunden einen ernsthaften Anspruch auf den Sieg angemeldet hatte. Für Busch ist das schon ein wenig enttäuschend, denn irgendwie hat man dann doch wieder mit einem Toyota-Erfolg in Phoenix gerechnet. Im Gegensatz zu anderen Kandidaten darf Kyle sich da aber noch recht glücklich schätzen:

Das Unglück des Rennens erlebte nämlich Jimmie Johnson, der die Kehrtwende eines zunächst recht ereignislosen Sonntags einläutete. Bis zu Runde 235 war eigentlich alles im Lot aufm Boot: Kyle Busch zog vorne seine Kreise um die Konkurrenz und die Meisterschaftskandidaten versuchten, sich von ihren schlechten Startplätzen so weit wie möglich nach vorne zu kämpfen. Brad Keselowski gelang das wider Erwarten am Besten, so konnte er genau zu dieser Zeit sogar kurz Busch die Führung streitig machen. Eine Runde nach dem Wechsel an der Spitze platzte dann an der #48 ein Reifen und Johnson segelte machtlos in die Mauer. Das ondulierte Auto verbrachte anschließend lange Zeit in der Garage und wurde doch noch für einen kurzen Ausflug zurechtgebogen. Bei Platz 32 kann man am Ende aber kaum mehr von Schadensbegrenzung sprechen.

Brad Keselowski wusste natürlich, dass er nun einen unglaublichen Vorsprung auf Johnson herausfahren konnte und ging die Sache sehr abgeklärt und ruhig an. Zunächst ließ er Busch sowie Hamlin wieder passieren und holte sich in der nächsten Gelbphase kurze Zeit später – als einer der wenigen Piloten – noch einmal zwei neue Reifen ab, vermutlich um nicht dasselbe Schicksal wie Johnson zu erleiden. Eine gute Wahl der Penske-Truppe, hier auf Nummer sicher zu gehen. Allerdings warf ihn das auf Platz 7 zurück, wobei er dieses Resultat bis zur Zieldurchfahrt noch um eine Position verbessern konnte. In der Punktetabelle brachte ihm das einen wahnsinnigen Vorteil für Homestead, aber dazu wie gewohnt am Ende des Artikels mehr.

Zuvor müssen wir noch ein wenig überhitzte Gemüter abkühlen, denn es gibt noch den wahren Grund, warum man noch länger über dieses Rennen sprechen wird. Es ist nämlich weder der Sieg von Kevin Harvick, noch der Crash von Jimmie Johnson – und damit die mögliche Vorentscheidung in der Meisterschaft – sondern die folgende Situation: 7 Runden vor Schluss gerieten wie so oft in dieser Saison die beiden Streithähne Jeff Gordon und Clint Bowyer mal wieder aneinander. Bei einer Berührung der beiden Wagen zog der Kalifornier erneut den Kürzeren und fing sich zu allem Überfluss einen Reifenschaden ein. Beim folgenden Mauereinschlag muss dann auch der Engel von Gordons linker Schulter gefallen sein und der Teufel auf der rechten Seite übernahm das Kommando.

Eine direkte Retaliation schlug fehl und beförderte Gordons #24 erneut in die SAFER-Barrier, worauf er vom NASCAR-Offiziellen auf dem Flagstand wegen seines bereits arg ondulierten Autos die schwarze Flagge gezeigt bekam. Gekonnt wurde diese in bester 1994er-Schumacher-Silverstone-Manier ignoriert und ein zweiter Angriff auf Bowyer geplant. Am Ende der vorletzten Runde lauerte Gordon seinem neuen Erzfeind in Turn 4 auf und schoss ihn mit Pauken und Trompeten ab, wobei er nicht nur seinen eigenen Wagen und Bowyers #15 zerlegte, sondern auch gleich noch Joey Logano und Aric Almirola mit ins Unglück stürzte. Beide Piloten befanden sich auf Top10-Kurs, was für sie damit natürlich gegessen war.

Für Jeff Gordon und Clint Bowyer kam das Essen dagegen gerade erst aus der Mikrowelle, denn Gordon wurde an seinem Team-Transporter sofort von der Boxencrew der #15 gestellt. Es entwickelte sich eine heftige Massenschlägerei (ohne Gordon, der von seinen Leuten zurückgehalten wurde) der beiden Mannschaften, bei welcher sogar auf am Boden liegende Menschen eingetreten wurde. Weltklasse-Niveau ist das, da kann man nur noch mit dem Kopf schütteln! Bowyer brauchte etwas länger, bis er nach einem gekonnten Sprint (vermutlich nach vorherigem 5-Hour-Energy-Genuss) die Szenerie erreicht hatte, konnte Gordon allerdings nicht mehr in die Finger bekommen.

Mein Kommentar: Ja, Clint Bowyer ist über die Saison öfter mal etwas rücksichtsloser gefahren und dummerweise ist auch gerade Jeff Gordon am häufigsten direktes Opfer davon geworden (u. a. Martinsville im Frühjahr). Aber so eine Intelligenzaktion habe ich von Gordon dann wirklich nicht erwartet – nicht nur Bowyer, sondern auch noch zwei andere Unschuldige mit abzuräumen. Gordon hätte es nach dem ersten misslungenen Versuch bleiben lassen sollen, als er wie ein Idiot in der Mauer strandete. Doch dann erst warten und Bowyer so hart in die Karre zu fahren, dass er frontal hart in die SAFER-Barrier einschlägt, ist eines vierfachen Meisters nicht würdig. Da erscheint es fast zweitrangig, dass dieser Krawall nun auch noch den spannenden Titelkampf überschattet.

Man wird abwarten müssen, ob Jeff Gordon eine Strafe für sein unverantwortliches Verhalten bekommt. Es keimt so ein wenig die Erinnerung an das harte Revanche-Foul von Kyle Busch an Ron Hornaday auf, mit dem Unterscheid, dass in Phoenix zu diesem Zeitpunkt keine Gelbe Flagge draußen war. Trotzdem macht es die Situation nicht besser, dass Gordon eigentlich die Schwarze Flagge gekonnt ignoriert hat, um auf Bowyer zu warten. Wer so Leib und Leben gefährdet, dem gehört normalerweise eine Sperre aufgebrummt, doch ich denke nicht, dass Gordon eine bekommen wird. Eine Bewährung nur bis zum Saisonende wäre wiederum zu lächerlich. Ich hoffe nur, es wird keine Geldstrafe oder ein Punktabzug, darüber können sicherlich alle Beteiligten nur lachen.

Clint Bowyer empfehle ich unterdessen für die Zukunft, mal etwas weniger von diesem Energy-Drink zu trinken und sich auf der Strecke nicht so respektlos gegenüber anderen Fahrern zu verhalten. Klar ist es nicht in Ordnung, öfter mal Leute über den Haufen zu fahren, aber wenigstens kann man ihm nicht vorwerfen, sie mit voller Absicht abzuschießen. „Gloves off“ und „Boys, have at it“ schön und gut, aber doch nicht so. Naja und zum Thema der Massenschlägerei und wehrlosen Menschen auf dem Boden habe ich glaube ich eben schon alles gesagt.

Weils so schön war, entschied NASCAR dann auch direkt, dass der Führende Kevin Harvick zum Zeitpunkt der Gordon-Bowyer-Kollision noch nicht die Weiße Flagge gesehen hatte und damit kam es zur Verlängerung. Zunächst brauchte man allerdings eine Viertelstunde Rennabbruch, um das Chaos auf und neben der Strecke wieder in den Griff zu bekommen. Beim Restart ging es aber direkt turbulent weiter, weil Danica Patrick offensichtlich Öl auf der Strecke verteilte, nachdem sie (wieder mal) mit Sam Hornish Jr aneinandergeraten war.

Irgendein kopfloser Reiter muss dann im Control-Tower entschieden haben, die letzte Runde unter Renntempo zu absolvieren. Es kam, wie es kommen musste und der erste Fahrer in Person von Ryan Newman verlor auf dem Ölfilm die Kontrolle. Die harte Massenkarambolage mit Newman, Kurt Busch, Paul Menard, Mark Martin und auch Patrick hätte dann auch ganz anders ausgehen können. Ein T-Bone lag da wirklich schwer in der Luft und sowas vertragen die Stockcars immer noch nicht sonderlich gut bei diesen Geschwindigkeiten. Ich denke, da hätte man zugunsten der Sicherheit vorzeitig das Rennen neutralisieren sollen, denn der Crash sah wirklich heftig aus.

Leider ist bei all dem produzierten Schrott der Meisterschaftskampf ein wenig aus dem Blickfeld geraten und da hat sich das Blatt wirklich komplett gewendet: Clint Bowyer ist nach seinem Unfall mit 50 Punkten Rückstand raus aus der Entscheidung, ebenso wie alle nachfolgenden Fahrer. Einzig und allein Brad Keselowski und Jimmie Johnson werden in Homestead den Titel untereinander ausfahren. Dabei ist es schade, dass Johnson durch den Reifenschaden viele Punkte eingebüßt hat. Schöner wäre es doch gewesen, wenn beide Fahrer punktgleich zum Finale gereist wären, damit wirklich die Platzierung entschieden hätte. So hat Johnson jetzt 20 Zähler auf dem Buckel, die er während der 400 Meilen aufholen muss. Spannend bleibt es trotzdem, denn auch an der #2 könnte jederzeit ein Reifen platzen.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung (Achtung: Alles PDF-Dateien!).

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3 Kommentare

boogity 13 November, 2012 - 09:32

Wurde die 10 (Patrick) in der letzten Runden nicht von der 31 (Burton) gedreht? Die Begegnung mit Hornish jr. war doch schon früher im Rennen.

Bluthund87 13 November, 2012 - 09:49

Das war ein richtig geiles Rennen! Genau deswegen bin ich NASCAR Fan. Hat sich wirklich gelohnt, bis zum Ende dabei zu bleiben.

NASCARaddicted 15 November, 2012 - 11:42

Tja, was soll man zu dem Rennen und der Schlägerei noch sagen … neu ist es auf jeden Fall nicht bei NASCAR, wenn ich dran denke: das Daytona 500 1979, das erste Live-Rennen – und dann war im Norden noch ein Schneesturm, so daß viele Leute nicht rauskonnten und Fernseh bzw. NASCAR gucken „mußten“ …

Der Spoof-Werbeclip ist echt lustig gemacht, besonders der Spruch am Schluß der paßt 1a. Ich versuch mir nur gerade vorzustellen, was passiert wäre, wenn Boyer beim Rennen die Luft ausgegangen wäre, das wäre echt peinlich gewesen. Ich weiß ja nicht wie seine Kondition ist, aber stellt euch mal vor, es wäre auf einem großen Kurs wie Daytona, Talladega oder Indianapolis passiert … da hätte er bestimmt noch ein paar Meter mehr rennen können.

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