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WEC: Analyse Nürburgring 2016 – Was war mit Toyota los?

von DonDahlmann
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Das erste Rennen der WEC nach Le Mans auf dem Nürburgring war spannend und blieb lange eng an der Spitze. Völlig enttäuscht war allerdings die Toyota-Mannschaft.

WEC_Race_Nurbrugring_2016_31Für das Rennen am Ring hatten alle Teams zum ersten Mal ihre High Downforce-Varianten dabei. Bisher war man in Silverstone und Spa nur eine Misch-Variante gefahren, in Le Mans dazu die Low Downforce-Aero. Doch die nun folgenden Strecken im WEC-Kalender, ausgenommen Fuji, benötigen allesamt mehr Abtrieb und da kam der Nürburgring als Test für die Aero-Pakete gerade recht. Die Details der neuen Aerodynamik spiegelte sich vor allem in großen seitlichen Flaps an der Front und veränderten Heckpartien wieder. Vor allem sichtbar beim Porsche, der regelrechte Schaufeln unter den Frontlichtern angebracht hatte.

Schon in den freien Trainings zeichnete sich ein deutliches Bild ab. Audi und Porsche lagen ungefähr gleichauf. Aber Toyota machte einen unsortierten Eindruck. Konnte man dies in den freien Sessions noch auf Testläufe zurückführen, offenbarte sich die Wahrheit dann aber in der Quali. Es fehlten rund 1,2 Sekunden auf die schnellste Zeit. Die Longruns sahen auch nicht besser aus, was überraschend war. Auch in Spa hatte Toyota nicht das schnellste Auto auf einer Runde, aber in den Long Runs konnte man die Konkurrenz schlagen. Ein ähnliches Bild zeigte sich auch in Le Mans. Porsche holte die Pole, Toyota fast das Rennen, weil man über die Distanz schneller war. Aber warum fiel Toyota am Ring so stark ab?

Kollege Flo, der vor Ort war, berichtete mir per Chat, dass das Hybridsystem der Toyota in Sachen Kühlleistung für 300 kw ausgerichtet ist. Audi und Porsche haben wohl 450 kw und mehr, sodass Toyota beim Boosten rund 200 PS weniger zur Verfügung stehen. Theoretisch könnte Toyota mehr Leistung abrufen, dies wird aber durch die Kühlung eingeschränkt. Offensichtlich liegen die Kühler bei Toyota sehr tief, man hat das Auto auf einen besonders niedrigen Luftwiderstandswert gebaut. Oder anders gesagt: Toyota hat ein Auto für Le Mans gebaut, denn dort gelten 300 kw als Maximum dessen, was man abrufen kann.

WEC_Quali_Nuerburgring_2016_35Das führt auf anderen Strecken dann zu Problemen. Einerseits fehlt schlicht und ergreifend Leistung, woraus sich schon ein zeitlicher Rückstand erklärt. Auf der anderen Seite fehlt es an Abtrieb, trotz einer High Downforce-Variante. Laut eigener Aussage von Toyota hatte man Probleme, die Reifen auf Temperatur zu bekommen beziehungsweise die Temperatur zu halten. Was in Le Mans ein Segen ist (man konnte Fünffach-Stints fahren), ist auf anderen Strecken ein Problem. Es klingt ein bisschen absurd, dass man bei knapp 30 Grad mit der Reifentemperatur kämpft, aber das kennt man ja auch bei einigen Teams aus der Formel Eins. So meidet zum Beispiel Ferrari die „Medium“ und „Hard“ wie die Pest, weil es ihnen schwer fällt, die Arbeitstemperatur des Reifen zu halten. So hätte man in Ungarn Räikkönen nach 30 Runden auf die „Hard“ setzen können, um das Rennen zu Ende zu fahren, damit wäre er aber zu langsam gewesen.

Und so scheint es auch Toyota zu gehen. Die von ihnen mit Michelin entwickelten sehr weichen Reifen passen in Le Mans. Steigt die Streckentemperatur, muss man auf die härtere Mischung ausweichen und steht damit schlechter da. Der grundsätzliche Vorteil des Toyota, dass man die Reifen über mehrere Stints voll belasten kann, ist damit weg. Was in Spa also funktionierte (kühle Temperaturen, weiche Reifen) funktionierte am Ring nicht mehr.

Das zeigte sich auch im Rennen. Zwar lag die schnellste Runde des Toyota nur neun Zehntel hinter der des Audi, im Schnitt waren es aber 1,2 bis 1,5 Sekunden. Das kann man dann auch nicht mit längeren Stints wettmachen, zumal die auch nur ein bis zwei Runden länger gingen als bei der Konkurrenz. Dass beide Fahrzeuge überrundet wurden, machte die Sache deutlich.

Kann Toyota das Problem für die restlichen Rennen lösen? Es wird sicherlich Versuche geben, die Kühlung des Hybridsystem zu verbessern, was aber zu Lasten der Aerodynamik und damit der Balance des gesamten Wagen geht. Laut unseren Informationen ist man in Sachen Aero beim TS050 nicht in der Lage, massive Verbesserungen vorzunehmen, aber es bleibt natürlich eine Sache der Ingenieure, eine Lösung zu finden. So, wie das Auto im Moment auf der Bahn steht, wird man aber zumindest in Fuji und eventuell in Shanghai näher an der Konkurrenz sein können.

WEC_Quali_Nuerburgring_2016_40Blieben also Audi und Porsche, wobei vor allem auffällig war, dass Audi nach dem Rennen von Le Mans einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Vor allem auf Seiten der hochkomplexen Aerodynamik und den aus den bisherigen Rennen bekannten Schwachpunkten im Bereich der nicht weniger komplexen Aufhängungskinematik hat man gewaltige Fortschritte gemacht. Probleme mit der Aufhängung kamen am Nürburgring während des gesamten Wochenendes nicht vor, an Leistung mangelt es dem Audi auch nicht.

Das Rennen war von Beginn an sehr eng zwischen allen vier Fahrzeugen. Die Vorteile des Porsche konnte man auf den Geraden sehen. Die etwas höhere Boost-Leistung (8 MJ vs. 6 MJ beim Audi) sorgte dafür, dass der 919 beim Rausbeschleunigen etwas besser ging. Am Ende der Geraden tat sich in Sachen Topspeed zwischen beiden Fahrzeugen dann kaum was, der Audi schien dafür aber etwas besser auf der Bremse zu sein. Überholen war dementsprechend schwierig.

Bis zur Hälfte des Rennens lag die Spitze dann auch eng zusammen. Da die #1 von Porsche wegen eines schleichenden Plattfuss einmal etwas früher an die Box kommen musste, verschoben sich die Strategien etwas. Aber nach 81 Runden lag die #1 nur vier Sekunden vor beiden Audi. Die #2 lag knapp 30 Runden zurück, weil man zu Beginn des Rennens einen Fehler beim Anbremsen in Turn 1 hatte. Nach einer leichten Berührung mit einem Ford GT drehte sich die #2, die verlorene Zeit war bei dem Tempo an der Spitze kaum aufzuholen.

WEC_Race_Nurbrugring_2016_42Es war lange völlig unklar, wer das Rennen gewinnen würde. Je nach Boxenstopps lag mal ein Porsche, mal ein Audi vorne. Die Entscheidung fiel dann durch eine FCY, die gut für Porsche, aber schlecht für Audi fiel. Während die #1 während einer FCY gerade rechtzeitig an die Box kommen konnte, verpassten die Audi die Chance und verloren so rund 40 Sekunden. Damit hatte die #1 etwa 40 Sekunden Vorsprung geholt – ein Abstand, der nicht zu aufzuholen ist. Die #2 hatte sich ebenfalls mit etwas Glück wieder auf P2 vorgefahren, war aber unter massivem Druck beider Audi.

Vor allem in Stunde 5 und 6 entwickelte sich ein spannender Kampf um P2, der mal vom Porsche, mal von Audi gewonnen werden konnte. Mehrere leichte Berührungen inklusive. Die Fahrer boten fantastisches Racing, das dann leider durch einen Fehler von Mark Lieb in der #2 unterbrochen wurde, als er den Proton-Porsche aus der GTE-Am abschoss. Die Rennleitung verdonnerte die #2 zu einer Durchfahrtsstrafe, was völlig in Ordnung ging.

Am Ende gewannen also die amtierenden Weltmeister Webber/Hartley/Bernhard das Rennen, vor der #8 und #7 von Audi. Die waren am Ende zwar etwas enttäuscht, aber es scheint sich zu bewahrheiten, was man in Le Mans schon ansatzweise sehen konnte. Der Audi R18 ist komplex und kam für Le Mans vermutlich zu früh. Aber die gesammelten Daten und Erfahrungen haben schon jetzt dazu geführt, dass das R18 einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Weitere Verbesserungen nicht ausgeschlossen. Das wird ein heißer Herbst in der WEC.

LMP2

WEC_Quali_Nuerburgring_2016_37Das Rennen der LMP2 blieb erstaunlich übersichtlich und hatte eigentlich nur zwei Fahrzeuge, die um den Sieg kämpften. Der favorisierte G-Drive mit Rusinov/Rast/Brundle ging sofort in Führung und fuhr schnell einen kleinen Abstand heraus. Dahinter lag der Signatech Oreca, der seinerseits wieder Abstand zu P3 hatte. Um diesen Platz wurde dann allerdings bis zur letzten Runde gekämpft.

Vorne tat sich aber reichlich wenig. Der G-Drive zog seine Runden, bis er plötzlich unplanmäßig die Box ansteuerte und in diese geschoben wurde. Die Mechaniker nahmen die Heckverkleidung ab, was ja nie ein gutes Zeichen ist. Und leider kam der G-Drive nicht mehr zurück auf die Strecke. Ein Getriebeschaden sorgte für das frühzeitige Aus.

Damit war der Weg für den Signatech mit Menezes/Lapierre/Richelmi frei. Sie wurden während des gesamten Rennens nicht mehr wirklich von hinten gefährdet. Um P2 und P3 ging es allerdings munter zu. Mal sah man den Manor mit Rao/Bradley/Mehri vorn, mal war es der erstaunlich schnelle RGR mit der sehr guten Besetzung Gonzales/Albuquerque/Senna, der vorne lag. Zeitweilig redete auch die Strakka-Mannschaft mit dem betagten Gibson-Chassis ein Wörtchen mit, aber die fiel dann zurück, als die Gentleman-Driver übernahmen.

Es war, wie so oft, die Frage, welcher Fahrer wann in welchem Auto saß. Die Herren-Fahrer verloren naturgemäß Zeit auf die Top-Piloten, sodass wie immer viel Bewegung im Feld war. Deutlich wurde das sowohl am Strakka als auch am ESM #31 mit Dalziel, Derani, Cumming. Die lagen zur Mitte des Rennens noch auf P8, doch dann übernahm Pipo Derani das Steuer und knallte eine schnelle Runde nach der anderen hin. Innerhalb seines Stints fuhr den ESM auf P3, bevor dann Ryan Dalziel für den letzten Stint übernahm.

Mittlerweile hatte sich der RGR auf P2 festgesetzt, sodass es nur noch um P3 in der Klasse ging. Dalziel tat sein Bestes, aber von hinten nahte der Strakka-Gibson mit Johnny Kane, der bis zu zwei Sekunden pro Runde schneller war. Es bahnte sich in den letzten zwei Runden ein spannendes Finish an, das die Kameras leider nicht einfingen. Aber in der letzten Runde klebte Kane im Getriebe von Dalziel. Der wiederum machte den ESM so breit wie möglich und rettete sich mit ein paar Zehnteln Vorsprung ins Ziel.

GTE-Pro

WEC_Race_Nurbrugring_2016_28Die nicht erfolgte Einbremsung der Ford GT nach deren dominanten Auftritt in Le Mans sorgte nicht nur bei uns für massives Kopfschütteln. Allerdings hatten wir alle eine Kleinigkeit übersehen: Der ACO hatte auch den Ladedruck für den Ford nicht verändert. Da der Ring aber circa 500 Meter über dem Meeresspiegel liegt, ergibt sich so ein kleines Leistungsdefizit für die Turbomotoren von Ford. Auch der Ferrari musste mit dem Handicap leben, während der Aston Martin einen etwas größeren Air Restrictor (+0.4 mm) bekam. Das zahlte sich für den Aston dann aus. Das leichteste Auto in der Klasse konnte die Pole sichern.

Auch im Rennen blieb den Ford GT dieses Mal nur die Zuschauerrolle. Die Aston übernahmen zunächst die Spitze, dicht gefolgt vom Ferrari, dem die nicht erfolgte Ladedruckanpassung offenbar wenig ausmachte. Dass die Ford am Ring nicht so recht in Schwung kamen, lag aber auch an der Strecke. Die wenigen kurzen Geraden reichen dem GT nicht, um seine aerodynamischen Vorteile auszuspielen, der Ferrari ist da grundsätzlich etwas breiter aufgestellt und kommt auch mit engen Kursen besser zurecht.

Einen Schreck erlebte die Crew der #67 von Ford, als das Fahrzeug beim Stopp plötzlich in Flammen stand. Ein Nachtankventil hatte nicht geschlossen und Sprit war über und unter das Auto gelaufen. Er entzündete sich sofort, aber dank der schnellen Reaktion der Boxencrew und der in der Boxengasse anwesenden Marshalls konnte verhindert werden, dass das Feuer sich ausbreitete. Erstaunlicherweise konnte man den auf der linken Seite leicht knusprig angebratenen Ford nach ein paar Runden wieder auf die Strecke schicken.

Im Verlauf des Rennens setzten sich aber nach und nach die Ferrari gegen die Aston durch. Die Aston-Mannschaft kämpfte, hatte aber etwas Pech bei einer FCY und verlor so den Anschluss an die F488. Die konnten dann erstmalig einen Doppelsieg feiern, was nach den Enttäuschungen der ersten Rennen dann auch gerechtfertigt war.

Der einzige Porsche in der Pro hatte keine Chance und kam mit einer Runde Rückstand nur auf P6 ins Ziel.

GTE-Am

In der mit sechs Autos nur dünn besetzen Am-Klasse dominierte dagegen der Aston Martin mit der Star-Besetzung Dalla-Lana/Lamy/Lauda. Auch wenn der Abstand mit knapp 60 Sekunden nach sechs Stunden Rennzeit knapp klingt, war es doch ein klares Rennen. Der Aston war deutlich das beste Auto auf der Strecke und profitierte zudem von den Fehlern der anderen. Perodo setzte seinen Ferrari in den Kies und verlor viel Zeit. Erstaunlicherweise gelang es der Mannschaft aber, den F488 am Ende noch auf P2 zu fahren.

Was auch daran lag, dass der schnelle Proton-Porsche von Al-Quabaisi/Hanson/Long zwischenzeitlich vom LMP1-Porsche abgeschossen wurde und die Labre-Corvette am Ring nicht gut aufgelegt war. Der Rest hatte mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun.

Bilder: Stefan Schneider (Facebook)

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