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IMSA: Analyse – Sports Car Grand Prix at Long Beach 2017

von Philipp Körner
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Der Auftakt in die reguläre Saison nach den beiden Klassikern in Daytona und Sebring hätte kaum chaotischer sein können. Ganze fünf Safety Car-Unterbrechungen und dutzende Zwischenfälle zerfaserten das 100 Minuten-Rennen stark. Zudem mutierte die berüchtigte Haarnadelkurve zum wiederholten Male zur Schicksalsstelle der GTLM und sorgte für etliche Diskussionen.

Die Straßen von Long Beach sind ein Stadtkurs der alten Schule. Unebenheiten, rustikale Betonmauern und ursprüngliche, nicht durchdesignte Kurven laden zum Husarenritt ein. Das kann sehr ereignisreiche Rennen generieren, aber auch das Gegenteil war in den letzten Jahren häufiger anzutreffen. So sollten die ersten Rennen der USCC-Ära nicht gerade begeistern können. Neben dem Streckencharakter waren die ziemlich kleinen Starterfelder dieser Läufe ein weiterer Grund für die wenigen Überholmanöver. Dieses Problem löste man in diesem Jahr, indem man die GTD-Division mit ihren 16 GT3-Boliden zuließ. Dadurch reiste ein 35 Nennungen starkes Feld ins Los Angeles County. Ein Wert, der an die ALMS-Jahre erinnert.

Trainings und Qualifikation

Im ersten freien Training verunfallte der #90 Visit Florida Racing Multimatic/Riley Mk30 (Goossens/van der Zande) wegen Bremsproblemen in der ersten Kurve, wodurch das Chassis nachhaltig beschädigt wurde. Da kein Ersatzchassis aufgetrieben werden konnte (auch nicht bei Mazda Motorsports), war das Wochenende für sie bereits beendet. Das in Daytona Beach beheimatete Team hat bis zum nächsten Saisonlauf auf dem Circuit of the Americas (04. – 06. Mai) dementsprechend viel Arbeit und eine längere Fehlersuche vor sich. Auch in der GTD wurde ein Fahrzeug während der ersten Sitzung stark beschädigt. Der #14 3GT Racing Lexus RCF GT3 (Pruett/Karam) konnte jedoch bis zum Rennstart am Samstagnachmittag (Ortszeit) repariert werden.

Im zweiten freien Training, auf welches direkt die Qualifikation folgte, gab es ebenfalls etliche Mauerberührungen. Der #911 Porsche GT Team 911 RSR (Pilet/Werner) verpasste durch einen derartigen Fehler sogar das Startplatzausfahren.
Selbiges sah zuerst das Debüt der GTD. Dieses war sehr eng (Top 12 innerhalb einer Sekunde) und wurde von schnellen Lamborghinis geprägt:

1) #48 Paul Miller Racing Lamborghini Huracán GT3 (Sellers/Snow)
2) #15 3GT Racing Lexus RCF GT3 (Alon/Hawksworth)
3) #28 Alegra Motorsports Porsche 911 GT3 R (Morad/Christensen)

Der wie gewohnt harte Kampf um die GTLM-Pole-Position wurde von zwei Abflügen gestört. Auf halber Höhe der 15-minütigen Sitzung flog der #62 Risi Competizione Ferrari 488 GTE (Vilander/Fisichella) mit dem Heck voran in den Reifenstapel der neunten Kurve ab. Der rote Renner blieb überraschenderweise weitestgehend unbeschädigt, aber verharrte daraufhin in der Box. Drei Minuten vor Ablauf der Zeit berührte der #67 Ford Chip Ganassi Racing GT (Briscoe/Westbrook) des Weiteren die äußere Mauer der fünften Kurve und verlor infolgedessen seinen Heckflügel. Die dadurch notwendige rote Flagge beendete die Zeitenjagd vorzeitig und kostete den Schwester-Ford ironischerweise einen Angriff auf die Pole-Zeit.

1) #3 Corvette Racing C7.R (Magnussen/García)
2) #66 Ford Chip Ganassi Racing GT (Hand/Müller)
3) #62 Risi Competizione Ferrari 488 GTE (Vilander/Fisichella)

In der Prototypen-Klasse blieben derartige Zwischenfälle aus, was extrem starke Zeiten von Ricky Taylor zuließ. Trotz BoP-Anpassungen und von der IMSA vorgegebenen Getriebeübersetzungen scheint der Cadillac DPi-V.R. weiterhin der schnellste Bolide der Serie zu sein – vor allem wenn Wayne Taylor Racing bzw. Konica Minolta darauf zu lesen ist. Immerhin konnte ein Mazda DPi überraschen:

1) #10 Wayne Taylor Racing Cadillac DPi-V.R. (R. Taylor/J. Taylor)
2) #5 Action Express Racing Cadillac DPi-V.R. (Fittipaldi/Barbosa)
3) #55 Mazda Motorsports RT24-P (Nunez/Bomarito)

Rennen

Gleich nach dem Start schob sich der #55 Mazda DPi in den Händen von Nunez auf Platz zwei und baute sogar Druck auf Ricky Taylor auf. Dieser hielt jedoch nur eineinhalb Minuten an, da die erste Safety Car-Phase des Rennens ausgerufen werden musste. Der Ferrari-Pilot Toni Vilander hatte in Kurve fünf den #22 ESM Nissan Onroak DPi (Brown/van Overbeek) abgeräumt. Beide Fahrzeuge blockierten dadurch die linke Seite der Kurve und hielten somit die #3 Corvette und den #66 Ford auf, die nicht mehr ausweichen konnten. Während der Risi-Ferrari aufgeben musste, nahmen Brown sowie die beiden GTLM-Sieganwärter die Weiterfahrt auf. In ihrer Klasse übernahm der #912 Porsche GT Team 911 RSR (Vanthoor/Estre) die Führung.

Den ersten Restart des Rennens gewann Ricky Taylor ohne Gegenwehr. Im Rennbetrieb zeigten sich schnell die Spätfolgen des Unfalls für den #66 Ford GT, der immer mehr Teile verlor, was schließlich in eine zweite Neutralisierung mündete. Diese Chance nutzten vor allem die GT-Teams für einen Boxenstopp. In der GTLM bogen unter anderem beide Fords, die nur leicht beschädigte #3 Corvette und der #24 BMW Team RLL M6 GTLM (Edwards/Tomczyk) in die Boxenstraße ab. Aber auch eine Mannschaft aus der Topklasse entschied sich für diese Option. Der #2 ESM Nissan Onroak DPi (Sharp/Dalziel) erhielt vier neue Reifen und wurde die restlichen 79 Minuten vom Schotten Ryan Dalziel pilotiert.

Der nicht mal zehn Minuten lange Zwischensprint endete aufgrund eines dramatischen Unfalls. Der drittplatzierte schwarz-weiß-goldene #5 AXR Racing Cadillac sollte nach einer Berührung mit dem #50 Riley Motorsports – WeatherTech Racing Mercedes AMG GT3 (MacNeil/Jeannette) mit hoher Geschwindigkeit in den Reifenstapel ausgangs Turn 9 abgeflogen sein. Infolgedessen verlor der Cadillac etliche Teile seines Hecks und musste mehrmals die Box aufsuchen. Der Mercedes-Pilot Jeannette wurde für diese Situation nicht bestraft.
Im Zuge des dritten Neustarts wechselten etliche weitere GT-Teams ihre Fahrer. Der führende #48 Paul Miller Racing Huracán GT3 fuhr jedoch noch in die geschlossene Boxengasse, was eine schmerzhafte Strafe nach sich zog.

Auch die vierte Safety Car-Phase ließ nicht lange auf sich warten. Denn Dirk Müllers #66 Ford GT wurde nur wenige Runden später nach der Durchfahrt der Haarnadelkurve gedreht und blockierte diese durch nicht durchdachte Wendemanöver. Dadurch verlor der #31 Action Express Racing DPi-V.R. (Cameron/Curran) beispielsweise viel Zeit. Bei noch 44 verbleibenden Rennminuten und einem gleichzeitig zirkulierenden SC kamen nahezu alle Prototypen in die Boxenstraße. Durch das perfekte Timing sparten sie nämlich den zweiten planmäßigen Stopp ein. Nur der #2 ESM Nissan blieb dem alten Plan treu und profitierte sogar davon. Im Gegensatz zur Konkurrenz musste man nur auftanken.

Da die GTLM und die meisten GTD-Nennungen bereits viele Minuten vorher ihren einzigen Stopp durchgeführt hatten, wurden die Prototypen nach hinten durchgereicht. Martin Tomczyk im #24 BMW Team RLL M6 GTLM übernahm dementsprechend die Gesamtführung und weckte Erinnerungen an das Petit Le Mans im Jahr 2015. Für einen GT-Sieg waren jedoch etliche weitere Unterbrechungen notwendig.

Der eingewechselte Jordan Taylor musste nach der Freigabe aber nicht nur die unerwartete GT-Konkurrenz überholen, sondern hatte plötzlich auch Dalziels Nissan vor sich. Die beschriebene Strategie von ESM war somit nahezu perfekt. In der GTD startete zeitgleich der #50 Riley Mercedes als Führender ins letzte Renndrittel. Nach einer schlechten Qualifikation hatte man sich durch das gesamte Divisionsfeld gekämpft.

Der Klassenkampf tobte jedoch zum wiederholten Male nur wenige Minuten, da sich ein größerer Abflug ereignet hatte. Der #31 AXR Cadillac hatte die „Scheitelpunktmauer“ der siebten Kurve so unglücklich berührt, sodass er wie eine Snooker-Kugel in die gegenüberliegende Streckenbegrenzung abgelenkt wurde. Der DPi mit der markanten Whelen-Lackierung musste daraufhin geborgen werden. Immerhin war dies die letzte Neutralisierung des Laufs, der zum Zeitpunkt des Neustarts noch 20 Minuten verbleibende Rennzeit aufwies.

Frühzeitig und viel einfacher als vermutet übernahm Ryan Dalziel die Gesamtführung und weckte damit große Hoffnungen im ESM-Lager. Jordan Taylor war zu diesem Zeitpunkt aber der schnellste Pilot im Feld und suchte verzweifelt nach Überholmöglichkeiten. Zwölf Minuten vor Ende rollte plötzlich Martin Tomczyk aus, der aufgrund eines Elektrikschadens die Klassenführung verlor. Dies machte den Weg frei für die beiden Corvettes (P1: #3; P2: #4 Corvette Racing C7.R (Gavin/Milner)) und den #67 Ford, die ein intensives Duell um den Klassensieg zeigten. Nach mehr als 30 Minuten Widerstand überrumpelte Jordan Taylor schlussendlich den Onroak-Kontrahenten und fuhr ungefährdet Richtung Gesamtsieg.

Das Rennen hatte jedoch noch eine dramatische Wendung zu bieten. In der letzten Runde kam der Lexus-Pilot Alon auf die selten dumme Idee, zwei GTD-Gegner innen in der ‚Haarnadel‘ zu überholen. Dadurch stürzte er logischerweise alle drei ins Unheil. Zu allem Übel musste besagtes GTLM-Trio die Unfallstelle noch passieren, da die Rennleitung durch den abgewinkten Taylor laut eigener Aussage keine Handlungsalternativen mehr hatte. In Autoscooter-Manier schob sich Tommy Milner durch das Wirrwarr aus Gegnern sowie ausgeschiedenen GT3-Autos und stibitzte den Klassensieg von seinem Teamkollegen. Die ehemals führende Nummer 3 verlor durch die schlicht unglücklichere Linienwahl sogar ein Podiumsergebnis, was reichlich Diskussionsstoff bot.

Viele forderten eine nachträgliche Anpassung oder eine auf Sektoren bezogene Neutralisierung. Eine Umsetzung dessen erscheint als sehr unrealistisch und so bleiben wohl nur vier Optionen, wenn man tatsächlich auf die Ereignisse reagieren will:

  • Verzicht auf Long Beach: Die IMSA wird wohl kaum eines der Jahreshighlights (siehe Übertragung auf FOX) aufgeben.
  • Änderung der Streckenführung: Die meisten Rennen am vergangenen Wochenende hatten nur wenige Probleme in Kurve 11.
  • Ausladen der GTD-Klasse: Mit der wachsenden Prototypen-Division und der stabilen GTLM-Klasse würde man sicher auch 2018 wieder über 20 Autos nach Long Beach bringen. Jedoch gab es bereits im letzten Jahr, also ohne GTD, diverse Diskussionen nach dem dramatischen GTLM-Rennende.
  • Härtere Richtlinien der Rennleitung: Im Zuge eines Zwischenfalls in diesem Bereich könnten verunfallte Fahrzeuge gezwungen werden, keine Wendemanöver einzuleiten und die Safety Car-Phase abzuwarten. Dies hätte die Müller-Situation zwar möglicherweise entschärft, aber würde in einigen Fällen unnötige Neutralisierungen hervorrufen. Auslöser wie Alon gehören hingegen ohne Zweifel hart bestraft. Eine Lösung mit Dauergelb wie in Macau ist hingegen unnötig.

Was bleibt (neben dem unveränderten Endergebnis)

Prototypen

1) #10 Wayne Taylor Racing Cadillac DPi-V.R. (R. Taylor/J. Taylor)
2) #2 ESM Nissan Onroak DPi (Sharp/Dalziel)
3) #55 Mazda Motorsports RT24-P (Nunez/Bomarito)

Die Cadillacs bleiben weiterhin die Siegfavoriten im Feld. Trotz der diversen Probleme der AXR-DPi zeigten auch ihre Leistungen, dass der DPi-V.R. trotz BoP und Gangvorgaben immer noch das schnellste Auto im Feld ist. Sehr beeindruckend ist vor allem der dominante Saisonstart von Wayne Taylor Racing, die somit ungeschlagen bleiben und einen relativ großen Vorsprung im Titelrennen haben. Zumindest im Kontext von Long Beach sollten Nissan und Mazda zwar zeitweise dagegen halten, aber natürlich profitierte man massiv von Neutralisierungen und dem Sprintcharakter.

GTLM

1) #4 Corvette Racing C7.R (Gavin/Milner)
2) #67 Ford Chip Ganassi Racing GT (Briscoe/Westbrook)
3) #912 Porsche GT Team 911 RSR (Vanthoor/Estre)

Bereits in der Qualifikation zeigte sich, dass das Feld ziemlich ausgeglichen ist. Man konnte sogar die BMW M6 GTLM integrieren. Die etlichen Unfälle und Schäden im Rennen machen eine Analyse bezüglich des Kräfteverhältnisses aber nahezu unmöglich.

GTD

1) #50 Riley Motorsports – WeatherTech Racing Mercedes AMG GT3 (MacNeil/Jeannette)
2) #33 Riley Motorsports – Team AMG Mercedes AMG GT3 (Keating/Bleekemolen)
3) #63 Scuderia Corsa Ferrari 488 GT3 (Nielsen/Balzan)

Trotz tendenziell schlechter Qualifikationsergebnisse setzten sich die stärksten GT3-Fahrzeuge im Rennen durch.

Nächstes IMSA SportsCar Championship-Rennen:
04. – 06. Mai 2017:
Circuit of the Americas / Austin (alle Klassen; 2 Stunden 40 Minuten)

Bilderquelle / Copyright: IMSA

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