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Buchkritik: Total Competition von Ross Brawn und Adam Parr

von DonDahlmann
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Es gibt viele Bücher über die Formel Eins, aber kaum eines darüber, wie es hinter den Kulissen zugeht. „Total Competition“ beleuchtet dies, aber auch andere Aspekte.

Für die meisten Fans besteht die Formel Eins nur aus den Rennwochenenden. Ein paar Stunden Training, knapp zwei Stunden Rennen, und das alle 14 Tage. Aber die Formel Eins ist weit komplexer als das. Wir versuchen das hier immer mal wieder zu beleuchten, indem wir technische Details oder die Rennstrategien analysieren. Doch das System Formel Eins ist noch komplexer. Zum einen werden die Teams wie Unternehmen geführt und auch wenn viele Rennställe auf die Ressourcen eines Herstellers zurückgreifen können – am Ende bleibt es ein Unternehmen, das irgendwie ein paar Dollar Gewinn machen muss.

Dazu kommt die politische Ebene der Formel Eins. Auch wenn es bis vor ein paar Wochen noch aussah, als würde Bernie Ecclestone die Serie mehr oder weniger im Alleingang steuern, es geht um mehr. Denn auch die Dynamik der Teams untereinander, ihr Verhältnis zu Ecclestone und der FIA sind ein wichtiger Bestandteil der Serie.

Adam Parr und Ross Brawn haben sich des sehr komplexen Themas, wie man in der Formel Eins erfolgreich sein kann, angenommen und versuchen verständlich zu erklären, was man als Teamchef leisten muss. Parr war von 2006 bis 2012 CEO von Williams, zu Ross Brawn muss man nicht viel sagen. Das Buch besteht aus einer Reihe von Interviews und Gesprächen, die beide geführt haben, man liest also einen Dialog zweier sehr erfahrener Menschen aus der Formel Eins.

Als roten Faden im Gespräch dient Parr dabei das Wort „Strategie“. Er bezieht sich sehr oft auf den chinesischen Militärstrategen Sunzi, der rund 500 Jahre vor Christus gelebt hat und dessen Buch „Über die Kriegskunst“ bis heute eines der zentralen Werke ist, wenn es um Strategie in allen Lebensbereichen geht.

Parr und Brawn arbeiten die verschiedenen Aspekte einer erfolgreichen Strategie in der Formel Eins an mehreren Punkten ab und geben dafür etliche Beispiele aus der Geschichte der Formel Eins. Dafür dient das Leben und Wirken von Ross Brawn, der ja seit Anfang der 80er Jahre in der Formel arbeitet.

Ja, es werden etliche interessante Interna berichtet. So beschreibt Ross Brawn ausführlich, wie es zu seinem Rücktritt bei Mercedes kam, welche Rolle Toto Wolff und Niki Lauda dabei gespielt haben (und er ist nicht gut auf sie zu sprechen) und wie Colin Kolles ein eigentlich privat geführtes Gespräch zwischen ihm und Brawn Mercedes zugespielt hat.

Brawn berichtet auch über die „Tricks“, wie man Lücken im Reglement findet und ausnutzt, wie ihm das mit dem legendären Doppel-Diffusor gelungen ist, und wie er bei Ferrari Bridgestone dazu bekommen hat, so eng mit dem Team zu arbeiten.

Man erfährt eine Menge über Tom Walkingshaw, Flavio Briatore, Jean Todt, Bernie Ecclestone und andere Schlüsselfiguren der Szene. Es gibt jede Menge Anekdoten und es werden kleine Geheimnisse gelüftet.

Aber man sollte nicht erwarten, dass man hier „Gossip“ bekommt. Davon hat Ross Brawn nie etwas gehalten. Nur die Verletzung über die gescheiterte Zusammenarbeit mit Mercedes merkt man dem Briten deutlich an. Sie zieht sich durch das gesamte Buch.

Deutlich mehr Raum nehmen andere Fragen ein: Wie baut man ein Team auf? Wie geht man mit den Mitarbeitern um? Wie läuft ein Rennwochenende in Sachen Strategie ab? Welche politischen Allianzen und Strategien sind wichtig? Wie geht man mit der FIA um? Wie schafft man es, all diese ganzen verschiedenen Teile zu einer Gesamtstrategie zu bekommen? Wie langfristig muss man planen?

Nach der Lektüre des Buches ist klar: Ein Team zu führen, ist extrem kompliziert. Nicht nur muss man den gesamten technischen Bereich verstehen und kontrollieren, was bei fast 1000 Mitarbeitern schon eine Sache ist. Aber dann kommt der politische Teil dazu. Wie geht man mit den Sponsoren um? Wie mit dem Hersteller des Motors? Wie mit dem Aufsichtsrat? Wie verschafft man sich in den technischen Meetings der FIA eine gute Position? Wie gegenüber den Rechteinhabern der Formel Eins? Und wie gewinnt man dann, nachdem das alles erledigt ist, auch noch eine Weltmeisterschaft?

Das Buch hat amüsante Elemente, aber auch viele „trockene“ Stellen, in denen es mehr um die Fragen von Mitarbeiterführung und andere Dinge geht. Aber genau dann liefert es zum ersten Mal einen Einblick, wie kompliziert die Formel Eins im Grunde ist. Es ist kein Buch, in dem jemand über seine Erfolge spricht und autobiografisch berichtet. Es ist Buch, in dem die Erfolge von Ross Brawn als Beispiel dafür dienen, was man alles tun und machen muss, damit man überhaupt mal ein Rennen gewinnt. Und was alles schief gehen kann.

Das Buch ist bisher nur auf Englisch erschienen, lässt sich aber leicht lesen. Die meisten Fachbegriffe kennt man ja. Ich kann das Buch nur empfehlen, wenn man einen tiefen Einblick in die moderne Formel Eins bekommen möchte. Und nebenbei lassen sich viele Schlussfolgerungen auch für das eigene Leben nutzen.

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