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Formel Eins: Analyse GP von Kanada – Risse im Imperium

von DonDahlmann
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Es war nach dem Rennen in Bahrain mal wieder ein packender und spannender GP von Kanada. Zu verdanken hatte man das einem technischen Problem an beiden Mercedes.

493593443_MK_9397_514FC46B88F974677553EAF4297918E1Ist es irgendwie möglich, dass man Daniel Ricciardo nicht mögen kann? Der Australier mit dem breitesten Grinsen in der Formel Eins kommt so ehrlich, liebenswert und offen rüber, dass es schwer ist, ihn unsympathisch zu finden. Und so passt es auch sehr schön, dass Ricciardo seinen ersten Sieg in der Formel Eins in Kanada feiern konnte, einem Land, das berühmt ist für seine freundlichen und offenen Einwohner. Zu verdanken hat er seinen Sieg einer interessanten Strategie und den Mercedes. Dort brachte man das Kunststück fertig, dass beide Autos zur gleichen Zeit mit dem gleichen Problem zu kämpfen hatten. Ein wirklich seltenes Phänomen in der Formel Eins. Ohne diese Probleme wären die Mercedes allerdings auch in Kanada nicht zu schlagen gewesen. Dementsprechend sauer war Toto Wolff auch nach dem Rennen.

Dabei hatte es so wie immer angefangen. Rosberg setzte sich am Start mit einem harten, aber noch okayen Manöver gegen Hamilton durch. Man kann argumentieren, dass Rosberg seinen Teamkollegen da etwas ruppig raus gedrückt hat, aber auf der anderen Seiten hätte Hamilton vermutlich genauso gehandelt. Der Brite machte im ersten Stint auch den schnelleren Eindruck. Rosberg konnte sich nicht entscheidend absetzen, Hamilton erhöhte immer wieder den Druck. Aber alles blieb im grünen Bereich, auch wenn Rosberg einmal die Schikane abkürzen musste und dafür mit einer letzten Warnung der Rennleitung bedacht wurde.

F12014Canada_HZ9087Die Probleme von Mercedes gingen etwa ab Runde 34 los. Da fragte Rosberg, wie Hamilton seine Bremsbalance eingestellt hatte, was im Nachhinein eine interessante Information war. In Runde 38 meldeten beide Piloten plötzlich einen Leistungsverlust. Die Rundenzeiten beider Mercedes-Piloten fielen um knapp 4 Sekunden, es war aber unklar, wo die Probleme lagen. Fünf Runden später hatten sich die Zeiten wieder etwas gefangen, man war jetzt nur noch 1,5 bis 2 Sekunden langsamer als das Feld. Überraschenderweise kamen auch beide Piloten an die Box, dabei konnte Hamilton an Rosberg vorbei ziehen. Doch nur eine Runde später stand der Brite mit defekten Hinterradbremsen an der Box. Was ein Hinweis darauf war, was bei beiden Autos los war.

Die MGU-K, also das, was man aus dem letzten Jahr noch als „KERS“ kennt, wandelt die kinetische Energie (u.a.) der Bremsen in Strom um, der dann in einem Akku gespeichert wird. Da dieses Jahr deutlich mehr Energie auf diesem Weg gesammelt wird, werden die Bremsen elektronisch gesteuert. Nachdem das MGU-K ausfiel, hatte sich bei Hamilton offenbar die Elektronik der Bremsen überhitzt. Zurück zum Funkspruch von Rosberg und seiner Frage nach der Bremsbalance: Hamilton hatte seine weiter nach hinten gestellt, das System dadurch also deutlich mehr belastet. Rosberg hatte zudem den Vorteil, dass er freie Fahrt hatte und seine Bremsen dementsprechend besser gekühlt wurden.

Das interessante ist aber, dass das MGU-K bei beiden Mercedes gleichzeitig ausfiel. Mercedes hat nicht gesagt, was genau kaputt ging, aber vieles deutet darauf hin, dass sich der Akku wegen der Überhitzung abgeschaltet hat. Für den Akku bzw. dessen Weigerung, Leistung zu speichern oder abzugeben, spricht auch die Tatsache, dass Rosberg weiterfahren konnte. Gründe für einen Akku-Defekt kann es einige geben: Eine tatsächliche Überhitzung oder ein defekter Sensor sind nur zwei Varianten. Da beide Autos das gleiche Problem hatten, spricht einiges dafür, dass man bei beiden eventuell eine neue technische Lösung eingebaut hatte. Was im übrigen auch zeigt, dass beide Fahrer das absolut gleiche Material bekommen.

Für schnelle Rundenzeiten ist ein funktionierendes System allerdings dringend erforderlich, was zur zweiten, sehr interessanten Beobachtung führt. Rosberg fehlten knapp 160 PS plus das zusätzliche Drehmoment für die Beschleunigung. Dazu kam, dass er seine Bremsbalance noch weiter nach vorne drehen musste, was das Auto instabil machte. Rosberg konnte seine Rundenzeiten aber stabilisieren, was auch daran gelegen haben dürfte, dass Mercedes mehr Leistung aus dem reinen Motor frei gegeben haben wird.

Aber zur Mitte des Rennens wurde das Rennen dadurch komplett auf den Kopf gestellt. Rosberg war vorne hilflos, Mercedes versuchte seine Chancen noch zu verbessern, indem man ihm einen frischen Satz Reifen aufzog. Damit verlor man zwar die 20 Sekunden Vorsprung, hatte man Ende aber dafür die frischesten Reifen auf dem Auto.

_J5R4681Hinter ihm ging es richtig zur Sache. Williams hatte Massa auf eine Zwei-Stopp-Strategie gesetzt, die auf dem Papier auch komplett richtig war. Aber halt nicht für diesen Rennverlauf. Massa konnte die Spitze übernehmen, nachdem Rosberg an der Box war, musste aber seinerseits noch mal rein und fiel dann weit zurück. Das brachte plötzlich Perez in Spiel. Force India hatte sich auf eine interessante Ein-Stopp-Strategie eingelassen. Perez fuhr mit den „Supersoft“ 34 Runden lang, wobei er stark von der ersten SC-Phase profitierte, in der er mit einem schweren Auto unterwegs war, die Reifen aber schonen konnte. Bei seinem Stopp nahm er „Soft“, die dann wiederum locker durchhalten würden.

Hinter Perez lagen beide Red Bull, die zweimal stoppten und auf einer ähnlichen Strategie unterwegs war. Ricciardo kam in Runde 13 und 37, Vettel in Runde 15 und 36. Damit war dann auch klar, dass man Perez nicht so einfach überholen würde können, weil dessen Reifen kaum älter waren und der Topspeed des Force India zu gut war. Vettel beschwerte sich im Rennen, dass er wegen der Strategieentscheidung, eine Runde vor Ricciardo zu kommen, diesen wieder vor sich hatte. Dabei muss man aber sagen, dass Vettel sogar durch die neuen „Soft“ einen Vorteil hatte. Die Reifen des Australiers waren zu dem Zeitpunkt zwei Runden älter, als die des Deutschen. Der Undercut hätte also klappen können. Warum das nicht ging, wird man vermutlich nur in den Daten von Red Bull sehen.

Perez war der Balsam auf den Wunden von Rosberg. Der Mexikaner war gut unterwegs und hätte den Mercedes locker stehen lassen müssen. Aber der Force India kämpfte seinerseits mit überhitzenden Bremsen und konnte sich nie so nah an Rosberg ranfahren, dass der in Bedrängnis gekommen wäre. In den Anbremszonen verlor Perez, gleichzeitig war der Mercedes am Kurvenausgang mit den neuen Reifen einfach das Stück besser, um vorne zu bleiben.

Der Stau hinter Perez wurde immer länger, auch weil beide Red Bull auf der Geraden einfach zu langsam waren. So gelang es dann auch Massa, der die frischesten Reifen von allen hatte, an die Gruppe ranzufahren. Williams erlaubte sich allerdings einen kleinen taktischen Fehler, weil man Massa ein paar Runden hinter Bottas hielt, der seinerseits mit technischen Problemen kämpfte. Massa war in Runde 48 an der Box, kam aber erst in Runde 57 an Bottas und Hülkenberg vorbei. Danach war er dann gleich 1,5 Sekunden schneller als die beiden und fuhr eine Lücke von 5 Sekunden in wenigen Runden zu. Jetzt kann man sich ausrechnen, was hätte passieren können, wenn Massa mit frischen Reifen und dem schnelleren Auto schon in Runde 53 am Heck vom Vettel hätte kleben können. Dazu kommt, dass Massa bei seinem ersten Stopp wegen eines nicht funktionierenden Schlagschraubers rund 3 Sekunden verlor, die ihn halt hinter Bottas warfen.

Der Brasilianer machte sich allerdings in den letzten Runden sein Leben selber schwer. In Kanada kann man eigentlich nur nach der Haarnadel auf der langen Gerade überholen, aber statt die Kurve mal von etwas weiter außen anzufahren, um Schwung zu holen, ging er die Haarnadel meist sehr spitz an und verlor gegen Vettel wertvolle Meter. Massa hatte von allen fünf Führungsfahrzeugen das schnellste Auto, was auch seine Rundenzeiten signalisierten. Aber dennoch gelang es ihm nicht, davon zu profitieren. Der Unfall mit Perez ist dann wieder eine andere Sache. Massa war offenbar entweder überrascht, dass Perez etwas früher bremste, oder Perez zog leicht nach links. Beiden geht es immerhin gut, bei Massa wurden 27G Aufschlagsenergie gemessen.

Der rennentscheidende Moment passierte dann in Runde 66, als sich Ricciardo mit der Brechstange an Perez vorbei quetschte. Ein Manöver, dass ihn und Perez um ein Haar das Rennen und Vettel seinen Frontflügel gekostet hätte. Aber Ricciardo war durch und Rosberg damit ohne „Schutz“ durch den langsameren Perez. Das Überholmanöver war dann nur noch Formsache. Aber mal wieder ein wirklich sehr gutes Rennen von Ricciardo, der ja nur von Platz sechs ins Rennen gegangen war.

Und sonst so?

Unter „ferner liefen“ muss man dann leider auch die Ferrari aufführen. Zwar hatte man jede Menge neuer Updates dabei, aber die brachten nicht den erwünschten Fortschritt. Der Wagen ist auf den Geraden einfach zu langsam, was dafür spricht, dass den Italienern schlicht Leistung fehlt. Alonso hing nach einem, für seine Verhältnisse, schwachen Start lange hinter dem Toro Rosso von Vergne fest. Was schon alles über die Performance sagt. Räikkönen hatte ein schwaches Wochenende und erlaubte sich zudem noch einen Dreher, der ihn hoffnungslos zurückwarf.

Vergne fuhr ein gutes Rennen und holte auf Platz 8 wertvolle Punkte, Kyvat fiel mit einem technischen Problem aus, war aber am gesamten Wochenende eher schwach unterwegs.

Die McLaren sah am im Rennen kaum, um so erstaunlicher war es dann, dass Button am Ende plötzlich auf P4 auftauchte. In den letzten Runden hatte er sich an Alonso und Hülkenberg vorbei gefahren. Leider blieb das von den Kameras unentdeckt. Aber die Briten sind weiter weit weg von der Musik.

Nur elf Auto überquerten am Ende die Ziellinie und dass Sutil sogar noch hinter den eine Runde vorher verunfallten Massa und Perez gewertet wurde, sagt alles über die Performance des Saubers aus. Man leidet mit Sicherheit auch unter dem schwachen Ferrari-Motor, aber so Rennen sind eigentlich dafür gedacht dass man wenigstens einen Punkt holen kann, was Sauber weiterhin verwehrt bleibt.

Marussia gelang das seltene Kunststück, dass sich beide Fahrer in der ersten Runden gegenseitig eliminierten, nachdem Chilton in der ersten Schikane die Kontrolle über sein Auto verlor und dabei Bianchi abräumte. Bei Caterham sah es auch nicht besser aus. Ericsson war früh raus, bei Kobayashi kollabierte die Hinterradaufhängung. Auch beide Lotus fielen im Rennen aus.

Damit ist die Siegesserie von Mercedes dann auch mal beendet. Red Bull hatte nicht mal das schnellste Auto am Ende (das war wie gesagt Massa), dafür aber die besseren Fahrer und die bessere Strategie. In der WM hat Rosberg sich wieder ein Polster auf Hamilton verschafft, aber die Saison ist noch lang und irgendwann kann es auch den Deutschen mal mit einem Ausfall erwischen. Es ist auch klar, dass die Mercedes weiterhin unschlagbar sind. Sie hatten, trotz der frühen Probleme, schon zur Mitte des Rennen 20 Sekunden Vorsprung. Da mit dem Red Bull Ring in 14 Tagen wieder eine Hochgeschwindigkeitsstrecke auf dem Programm steht, dürfte die Sache, vorbehaltlich der technischen Probleme, wieder klar sein.

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1 Kommentare

rscsr 10 Juni, 2014 - 12:07

Zum Defekt von den Mercedes. Laut dem Lauda haben beide Fahrzeuge das MGU-K überhitzt und das System hat sich deshalb abgeschalten, was nicht mehr resettet werden konnte.

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