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NASCAR: Analyse Watkins Glen 2012

von KristianStooss
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Das Rundkursrennen in Watkins Glen lieferte am Sonntag eines der besten und spannendsten Finishes seit einigen Jahren ab. Ein beinhartes, aber jederzeit faires Duell zwischen Marcos Ambrose und Brad Keselowski sorgte für großen Unterhaltungswert, doch zuvor musste ein sehr dominanter Kyle Busch erst noch das Feld räumen (oder geräumt werden).

Zu Beginn plätscherte das Rennen allerdings eher so vor sich hin: Polesitter Juan Pablo Montoya musste seine Führung bereits nach einer Runde an Kyle Busch abgeben, konnte sich aber auf Platz 2 festsetzen. Etwas später leiteten dann frühe Stops von Ryan Newman (Runde 17), Jimmie Johnson (Runde 19), Marcos Ambrose (Runde 21), Jeff Gordon (Runde 23), Kevin Harvick (Runde 23), Brad Keselowski (Runde 24) und Kasey Kahne (Runde 24) die Strategiespiele ein. Es war eigentlich nur die Frage, ob man die passenden Verbrauchswerte für lediglich zwei Boxenstopps vorweisen konnte. Die vorgenannten Fahrer mussten an dieser Stelle wohl zunächst passen, anders sah es aber beim folgenden Kandidaten aus:

Kyle Busch führte nämlich auf einer mutmaßlichen Zwei-Stop-Strategie immer noch vor Juan Pablo Montoya als Jamie McMurray in den Esses ein Reifen platzte, was in Runde 26 die erste von insgesamt vier Cautions auslöste. Ich möchte nicht ausschließen, dass an der #1 von McMurray bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Aufhängung gebrochen ist, da sich später auch bei anderen Fahrzeugen ähnliche Probleme in dieser Hinsicht zeigen sollten. Die nachfolgend beschriebene Situation zeigt ein solches Beispiel:

Während der Gelbphase fiel nämlich plötzlich der linke Hinterreifen der #51 von Kurt Busch ab, was sich nach einem Interview mit dem Fahrer schnell als mechanischer Fehler herausstellte. Hätte die Pitcrew bei einem Reifenwechsel unter den wachsamen Augen eines NASCAR-Offiziellen eine Radmutter vergessen, wäre vermutlich schnell eingegriffen worden. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Busch zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon ein erstes Mal an der Box gewesen ist.

Den Restart gingen Brad Keselowski und Marcos Ambrose in Reihe 1 sowie direkt dahinter das Hendrick-Duo bestehend aus Jimmie Johnson und Jeff Gordon ganz vorne an, da sie während der Caution natürlich nicht noch einmal an die Boxengasse kamen. Der einzige Fahrer, welcher erneut seine Pitcrew ansteuerte, war Kasey Kahne, wobei ich vermute, dass man sich dabei um seine defekte Helmkühlung kümmerte und quasi als Bonus noch einmal nebenbei auftanken konnte.

Kurz nach dem Neustart bekam auch Juan Pablo Montoya Probleme mit seiner Radaufhängung, als der vordere linke Querlenker an seinem Chevrolet brach und den Tag der #42 effektiv beendete. Eine spätere Rückkehr auf die Strecke sollte lediglich noch Platz 33 einbringen, was nach der zweiten Pole-Position in Folge gleich die nächste Enttäuschung im jeweils anschließenden Rennen bedeutete. Die vermehrten mechanischen Probleme in diesem Rennen können möglicherweise auf das zu harte Überfahren der Randsteine und kurze Ausritte darüber hinaus zurückgeführt werden. Einige Aufhängungsteile einzelner Hersteller waren wohl nicht auf eine zu hemdsärmelige Fahrweise ausgelegt.

In Runde 39 wechselte dann die Führung von Brad Keselowski an Marcos Ambrose, welcher sich in Turn 1 am blauen Dodge mit der #2 vorbeischieben konnte. Ambrose vergrößerte den Abstand dann innerhalb einer Runde recht schnell auf fast eine Sekunde und sah zu diesem Zeitpunkt erstmals wie der sichere Sieger aus. Man durfte aber nicht vergessen, dass er im Gegensatz zu Kyle Busch auf einen Boxenstopp mehr setzte und für Busch fielen die Gelbphasen am Sonntag wirklich extrem günstig. Pünktlich zur Halbzeit gab Ambrose dann auch den Platz an der Sonne auf, um seinen zweiten von drei Pitstops zu absolvieren.

Unterdessen entschied man sich bei Brad Keselowski für einen Wechsel zur Zwei-Stopp-Strategie, nachdem zunächst Roger Penske dem Crew-Chief der #2 (Paul Wolfe) einen Besuch abstattete und man während der ersten Gelbphase auch schon so viel Sprit wie möglich zu sparen versuchte. Dieses Vorgehen zahlte sich aus, da Keselowskis Dodge immerhin bis Runde 58 durchhielt und somit knapp zwei Renndrittel mit nur einem Boxenstopp hinter sich gebracht hatte. Gemeinsam mit Keselowski kamen auch noch weitere Piloten zu Besuch, unter anderem Tony Stewart, Clint Bowyer, Greg Biffle sowie Dale Earnhardt Jr, für die es bei noch 32 zu fahrenden Runden eine knappe Angelegenheit zu werden schien. Das bewies Martin Truex Jr, welcher sich bereits einen Umlauf später mit trockenem Tank zur Pitcrew schleppen musste.

Fehlte nur noch Kyle Busch, welcher nach Bad Brads Abstecher erneut die Führung übernahm und somit neben Marcos Ambrose die besten Karten auf den Rennsieg besaß. Busch erwischte natürlich prompt und quasi mit Ankündigung Gelbphase #2 für seinen zweiten und letzten Boxenstopp. Opfer war dieses Mal sein Teamkollege Denny Hamlin, welcher im Outer Loop von seinem Motor verlassen wurde. Dass die abgestellte #11 dabei die komplette einnebelte, störte die Streckenposten erstmal nicht groß, was auch eher kurios wirkte.

Neben Kyle Busch nutzten dann im Vorderfeld auch alle (inkl. Marcos Ambrose) bis auf die gerade erst abgefertigten Piloten die Gelegenheit zum letzten Boxenstopp, da man zu diesem Zeitpunkt recht komfortabel im Benzinfenster für den Rest des Rennens lag – mögliche Verlängerungen natürlich ausgenommen. Nachdem man das Sprit-Problem also quasi abhaken konnte, kam direkt das nächste auf, denn die Kameralinsen rund um die Strecke fingen plötzlich einige Regentropfen ein und auch Pacecar-Fahrer Brett Bodine berichtete von vereinzeltem Niesel.

Dem Restart tat dies aber erstmal keinen Abbruch, jedoch drehten sich in den beiden Runden unmittelbar danach zunächst Kasey Kahne in Turn 1 und kurz darauf Jason Leffler, wobei Letzterer durch seinen Einschlag die dritte Caution des Tages auslöste. Diese Gelbphase zog sich dann über vier Runden etwas hin, weil der Regen an Intensität zunahm. Das gab zumindest auch den letzten Fahrern zu diesem Zeitpunkt die Gelegenheit, sich das eventuell noch fehlende Benzin bis zum Ende des Rennens vom Einspritzer abzusparen.

Brett Bodine entschied sich schließlich, die Strecke für den Restart freizugeben und auch die Wettbewerbspiloten hatten offensichtlich keinerlei Problem damit, dem leichten Nieselregen zu trotzen. Brad Keselowski nahm somit das Finale vor Tony Stewart, Clint Bowyer, Kyle Busch und Greg Biffle unter die Räder. Marcos Ambrose war wegen seines dritten Boxenstopps gemeinsam mit u. a. Jimmie Johnson und Jeff Gordon erst dahinter zu finden, hatte sich nach einer Runde aber schon an Busch vorbei auf Platz 3 gearbeitet.

Tony Stewart nahm sich zwei Umläufe später selbst aus der Entscheidung, als er in der letzten Kurve vor Start-und-Ziel seinen Chevrolet völlig unbedrängt aus der Kontrolle verlor und sich in die Boxengasseneinfahrt drehte. Zum Glück vermied er dabei ein ähnliches Desaster wie vor ein paar Jahren, als auch diese mit Sand gefüllten Tonnen von Sam Hornish Jr gesprengt wurden und sich Bobby Labonte ordentlich wehtat. Dieser Crash war übrigens der Grund, warum es in Turn 11 jetzt eine SAFER-Barrier gibt.

Die aus dem Smoke-Incident resultierende vierte und letzte Gelbphase sollte jetzt das meiner Meinung nach spannendste NASCAR-Finish seit einigen Jahren einläuten, welches über 15 Runden angesetzt war. Die Hauptprotagonisten – auch über das Rennen gesehen – in Form von Brad Keselowski, Marcos Ambrose und Kyle Busch waren dazu praktischerweise direkt hinter- bzw. nebeneinander aufgereiht. Busch nutzte den Restart, um innen auf einer dritten Spur an beiden Konkurrenten vorbeizuziehen, was schon ein wahnsinniges Manöver war. Fünf Runden später hatte Ambrose nach einem harten Kampf endlich Keselowski kassiert, was aber Busch seinerseits die Möglichkeit gab, vorne einen Abstand von zwei Sekunden herauszufahren.

Dadurch kam zunächst etwas Ruhe in die Schlussphase, welche nur durch einen Dreher von Dale Earnhardt Jr in Turn 10 sowie dem Überholmanöver von Jimmie Johnson an Greg Biffle (gut für Platz 4) unterbrochen wurde. Diese Ruhe vor dem Sturm war zwei Runden vor Schluss endgültig vorbei, als die Strecke nach und nach unfahrbarer wurde, weil jemand immer mehr feines Öl-Spray auf der Fahrbahn verteilte. Als möglicher Übeltäter wurde nach dem Rennen Bobby Labonte vermutet, gesicherte Informationen gibt es diesbezüglich aber nicht.

Der Vorsprung des – aufgrund der Ölspur sichtlich mit Handling-Problemen kämpfenden – Leaders Kyle Busch war innerhalb einer Runde eingedampft und dass obwohl Marcos Ambrose und Brad Keselowski hinter ihm weiter verbissen um den zweiten Platz kämpften, welchen Keselowski nach einem Fehler von Ambrose im Verlauf der Kombination Inner Loop/Outer Loop zurückerobern konnte.

Im direkten Dreikampf ging es dann in die entscheidende letzte Runde, welche in Turn 1 fast alle Konkurrenten neben der Strecke sah. Kyle Busch wurde am weitesten herausgetragen und verlor in der Anfahrt auf die Esses daher sehr viel Schwung, was Brad Keselowski bergauf die innere Linie öffnete. Busch versuchte zwar noch, diese Lücke zu schließen, doch die #2 befand sich bereits neben ihm. Es kam wie es kommen musste, die #18 trudelte von der Strecke und ein vermutlich sehr angefressener, eigentlich sicherer Sieger musste sich mit Platz 7 begnügen. Das bringt Busch im Kampf um die Wildcards natürlich überhaupt nicht weiter und kostet ihn möglicherweise sogar die Chase-Teilnahme, wer weiß?!

Verblieben also nur noch zwei Streithähne, da Jimmie Johnson sich mittlerweile einen Rückstand von neun Sekunden auf die Spitze eingefangen hatte. Brad Keselowski und Marcos Ambrose lieferten sich auf der ölverschmierten Strecke einen wilden Kampf, der teilweise auch eher neben als auf der Fahrbahn ausgetragen wurde. Nach Turn 10 bumpte sich Ambrose an Keselowski vorbei, welcher sich in Turn 11 brav revanchierte. Dies brachte beide Piloten Kopf-an-Kopf in die allerletzte Kurve, auf der Ambrose schließlich die Innenbahn vorteilhaft für sich nutzen konnte. Worte können dieses Finish eigentlich nur schwer beschreiben, weshalb ich nachfolgend auch noch ein HD-Video davon anfügen möchte. Die letzten beiden Runden starten ab 1m52s:

http://www.youtube.com/watch?v=ptLBVCU9hGw&hd=1

Für Marcos Ambrose ist das natürlich ein toller Erfolg, immerhin konnte er damit das zweite Rennen in Watkins Glen in Folge für sich entscheiden. Zusätzlich bringt er sich ebenfalls für den Kampf um die beiden Wildcards in Stellung, auch wenn ein zweiter Saisonsieg natürlich unwahrscheinlicher als bei der direkten Konkurrenz erscheint. Aber: In Michigan, wo am nächsten Wochenende gefahren wird, holte er im Juni die Pole-Position, ausschließen sollte man also nichts.

Brad Keselowski gab sich als guter Verlierer und klang in seinem Post-Race-Interview sehr versöhnlich, auch wenn er sichtlich völlig mit Adrenalin zugepumpt war, aber das kann man ihm wohl nicht verübeln. Während die beiden Erst- und Zweitplatzierten übereinstimmend von „tollem Racing“ sprachen, welches man „jede Woche sehen sollte“, gab es von Kyle Busch keinerlei Reaktion mehr, vielleicht war das aber auch besser so. Lediglich sein Crew-Chief Dave Rogers fasste die Enttäuschung des Teams in Worte und überhaupt: wer will schon einen Busch-Bruder nach so einem Rennen interviewen?

Kurz noch zum Rest vom Schützenfest:

– Die Top5 komplettierten hinter Johnson noch Clint Bowyer sowie ein stark auffahrender Sam Hornish Jr, welcher sich mit diesem Ergebnis sicherlich für den Platz im Cockpit der #22 im nächsten Jahr beworben hat.

– Die Top10 vervollständigten sich durch Greg Biffle, Kyle Busch, Matt Kenseth, Regan Smith sowie Martin Truex Jr, somit konnte also auch Roush-Fenway Racing mit Ausnahme von – wieder einmal – Carl Edwards ein solides Rennen abliefern.

Michael Waltrip Racing und Joe Gibbs Racing zeigten sich in etwa gleichauf, wenn man die Ergebnisse vergleicht: MWR brachte zwei Fahrer in die Top10, während JGR das beste Auto des Rennens stellte. Beide Teams hatten jeweils einen Motorschaden (Denny Hamlin, Brian Vickers) zu verzeichnen.

Hendrick Motorsports hatte mit viel Pech zu kämpfen, denn nach den Drehern von Kasey Kahne (13.) und Dale Earnhardt Jr (28.) verlor auch Jeff Gordon (21.) sein Auto im Finale und musste ein sicheres Top10-Ergebnis aufgeben. Natürlich hilft ihm keines der beiden Szenarien in Bezug auf die Wildcards, da muss in Michigan noch mehr kommen. Immerhin kann Gordon von sich sagen, dass die Ölspur Schuld an seinem schlechten Finish war.

Tony Stewart (19.) lieferte bis zu seinem Dreher in die Boxengasse eigentlich ein sehr gutes Rennen ab, wenn man bedenkt, dass er zwischenzeitlich bei einem Pitstop verbotenerweise die Tankkanne mitgehen ließ. Smoke verlor wegen der logischen Durchfahrtsstrafe viele Plätze und kämpfte sich später wieder bis auf Platz 2 nach vorne.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung (Achtung: Alles PDF-Dateien!), auf die Situation im Kampf um die Wildcards werde ich in der Vorschau für Michigan genauer eingehen, denn für heute habe ich meine Lenkzeit schon deutlich überschritten.

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1 Kommentare

Bluthund87 15 August, 2012 - 06:19

Keselowski ist ein Idiot. Man hätte ihn nach der Aktion gegen Kyle ne Strafzeit aufbrummen müssen. Er war nicht mal annähernd weit genug vorne um die innere Linie für sich zu beanspruchen. Er hat ihn einfach abgeschossen. Danach hat er das auch noch bei Ambrose versucht. Typisch „Bad“ Brad…

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