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NASCAR: Analyse Richmond April 2012

von KristianStooss
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Der Sprint Cup ist am Wochenende in Richmond dem Regen knapp entgangen und am Ende behielt Kyle Busch an einem trockenen Samstagabend bei schwierigen Gripverhältnissen die Nase vorn. Dabei sicherte er sich seinen vierten Frühjahrssieg auf dieser Strecke in Folge.

Bevor das Rennen allerdings überhaupt starten konnte, bekamen die Streckenmitarbeiter als kleines Texas-Déjà-vu erneut Schwierigkeiten mit der Flutlichtanlage. Schon vor zwei Wochen fiel bekanntlich in Turn 3 für wenige Minuten die Beleuchtung aus und nun ging auch in Richmond eine Sicherung kaputt. Schön zu sehen war, dass man das Problem schnell in den Griff bekam und auch eine halbwegs getrennte Absicherung verbaut hat, damit nicht plötzlich das gesamte Oval im Dunkeln sitzt bzw. man vor allem nicht ohne Sicht fährt. Die nachfolgende Betrachtung des Renngeschehens ist in dieser Woche ausnahmsweise etwas ausführlicher geraten, da ich Richmond nicht LIVE sehen konnte und somit beim Anschauen der – nennen wir es mal – unterbrechbaren Wiederholung mehr Zeit für Erbsenzählerei hatte. Doch nun zum Rennen:

Der erste Abschnitt des 400-Runden-Rennens wurde unweigerlich durch eine Competition-Caution in Runde 50 vorgegeben, welche die Offiziellen wegen der grünen Strecke nach den Regenfällen des Tages angesetzt hatten. Eingeleitet wurde diese Phase vom Polesitter Mark Martin, der sich 29 Umläufe an der Spitze halten konnte, bevor ihn Carl Edwards abfing. Letzterer musste dafür aber zunächst einige Plätze wieder gutmachen, denn sein zweiter Startplatz neben Martin auf der oberen Linie offenbarte direkt zu Beginn schonungslos den Mangel an – wie vermutet ohnehin schon wenig vorhandenem – Grip aufgrund des vom Regen zuvor abgewaschenen Gummis. Dadurch fiel Edwards innerhalb der ersten Runde direkt auf Platz 4 zurück, bis er sich in die untere Spur einsortieren konnte.

Die Competition-Caution wurde direkt vom gesamten Feld zu einer ersten Verschleißkontrolle genutzt und brachte die Top3 in unveränderter Reihenfolge wieder zurück auf die Strecke. Beim Restart zeigte erneut die schwächere obere Linie ihre Zähne, auf der sich Kurt Busch (28.) und Jeff Gordon (23.) gegenseitig in Verlegenheit brachten und durch einem Zweikampf mit Berührung gleich mehrere Positionen verloren. Gordon musste zu allem Überfluss erneut die Boxengasse ansteuern, um sich einen, bei diesem Manöver beschädigten Reifen wechseln zu lassen.

Beide Fahrer erholten sich nicht mehr wirklich von ihrem Scharmützel, denn während Gordon eine Runde durch seinen unplanmäßigen Pitstop verlor und nicht wieder zurückgewann, machte Busch nur wenig später mit einem Dreher auf der Zielgeraden ohne Berührung auf sich aufmerksam. Dieser sorgte für die zweite Gelbphase des Abends in Runde 116 und lag damit inmitten der von Carl Edwards praktisch dominierten ersten Rennhälfte. Da das Spritfenster von gut 80-90 Runden sich ohnehin zu schließen drohte, kam die Caution den Fahrern sehr gelegen. Restart #2 sah die Führungsgruppe erneut unverändert, jetzt allerdings erstmals direkt verfolgt von Tony Stewart.

Stewart war außerhalb der Top20 gestartet und konnte bis zur zweiten Unterbrechung bereits die Top5 knacken. Nach dem Schwenken der Grünen Flagge startete Smoke dann ein weiteres Mal durch und hatte pünktlich zum Ende des ereignislosen Fuelruns und damit exakt zur Rennhalbzeit die Führung von Edwards übernommen. Beide Piloten kamen in Runde 206 gemeinsam zu ihren Green-Flag-Pitstops, konnten sich aber nicht an der Spitze des Feldes wieder einsortieren und das hatte folgenden Grund:

Der Top5-Coaster Kevin Harvick (19.) kam bereits vier Runden früher zum Reifenwechseln und konnte auf den neuen Gummis deutlich bessere Zeiten auf den Asphalt legen. Mehr als 13 Führungsrunden konnte Harvick aber nicht sammeln, bevor er von der altbekannten Konkurrenz in Form von Edwards und Stewart eingeholt wurde, die natürlich ihrerseits nun über frischere Reifen verfügten. Im Verlauf des folgenden dritten Renndrittels kam ihm aber das Handling seiner #29 abhanden, was bis zum Ende des Rennens auch nicht mehr kuriert werden konnte und schließlich zu einer Zielankunft im Mittelfeld führte.

Da Carl Edwards‘ Crew an der Box etwas schneller arbeitete, konnten sie ihren Fahrer wieder vor Tony Stewart auf die Strecke bringen, was Ersterem noch einige Führungsrunden ermöglichte, nachdem er Harvick geschnappt hatte. Doch Smoke war heiß, sein Auto ging wie die Hölle und so dauerte es nur bis Runde 250, ehe der Owner/Driver die Spitzenposition erneut übernehmen konnte. Mittendrin kam es noch zu einer dritten Caution wegen Debris, die in Umlauf 227 die Crew-Chiefs rechnen ließ, denn möglicherweise konnte man das Rennen mit nur einem weiteren Stop so etwa um Runde 310 beenden, falls es keine Verlängerung oder weitere Gelbphasen geben würde.

Im Anflug auf das Schließen des letzten Benzinsfensters wurde es dann etwas turbulent an der Spitze: Zunächst übernahm nach zwei Drittel des Fuelruns der spätere Sieger Kyle Busch zum ersten Mal am Abend kurz die Führung, musste dem wiedererstarkten Stewart allerdings schon 28 Runden später zu Beginn des planmäßig letzten Green-Flag-Pitstop-Reigens erneut die Vorfahrt überlassen. Direkt nachdem Jimmie Johnson als letzter der Fahrer in der Führungsrunde seinen Boxenstopp anging, machte Jeff Burton Bekanntschaft mit der Mauer in Turn 4 und verlor einige Teile auf der Strecke. Da die Gelbphase noch innerhalb des Cycle-Through kam und Carl Edwards seinerseits noch nicht an der Box war, musste die korrekte Reihenfolge nach seinem Stop unter Gelb dann erst durch einige Wave-Arounds wieder hergestellt werden.

Der knappte Pitstop vor dem Ausbruch der Caution hatte zudem schlechte Nachrichten für Jimmie Johnson (6.) parat: Da der Tire-Changer der #48 den rechten Hinterreifen beim Zurückrollen an die Boxenmauer zu früh freigegeben hatte, wurde Johnson zur Strafe wieder ganz ans Ende des Feldes zurückbeordert. Warum wieder? Johnson hatte sich ähnlich wie Stewart nach knapp einem Viertel des Rennens von außerhalb der Top20 bis in die Top5 nach vorne gearbeitet. Zwar verlor er bei einem schlechten Restart in Runde 236 zweitplatziert einige Plätze, konnte sich danach aber wieder aufraffen. Dass er nach der Rückversetzung dann noch einmal nach vorne fahren konnte, wirkte da schon fast ein wenig unglaublich, zumal ja nicht einmal mehr 100 Runden zu fahren waren. Wo wäre Johnson wohl ohne die Widrigkeiten gelandet?

Puh, ohne Zweifel etwas kompliziert, aber immerhin waren nun die Parameter für den letzten Fuelrun eingestellt und ein eventueller Kampf um den Benzinverbrauch sollte also nur während einer etwaigen Verlängerung ausgefochten werden. Als Top5 machten sich beim Restart mit 82-to-go Tony Stewart, Carl Edwards, Kyle Busch, Kasey Kahne und Clint Bowyer auf die Reise, wobei die erstgenannten drei Fahrer auch die Piloten darstellten, unter denen der Rennsieg ausgefochten werden würde.

Als erster Fahrer nahm sich direkt beim Restart Carl Edwards (10.) aus der Entscheidung, da er fälschlicherweise annahm, das Feld anzuführen und daher meinte, das Tempo beim Schwenken der Grünen Flagge vorgeben zu dürfen. Sein Spotter teilte ihm seine vermeintliche Führungsposition angeblich sogar drei Mal mit, dabei hätte ihnen der Irrtum schon bei der Wahl der unteren Linie durch Tony Stewart klarwerden sollen, denn dieses Recht der freien Lane-Wahl gebührt natürlich nur dem Erstplatzierten.

Merkwürdigerweise zeigten aber auch das Livetiming und die Scoring-Pylone im Infield Edwards zu diesem Zeitpunkt als Führenden an, was man bei einem Gespräch zwischen Verantwortlichen von Roush-Fenway Racing und den NASCAR-Offiziellen nach dem Rennen auch als Begründung für das Verhalten beim Restart anführte. Durchgekommen ist man mit dieser Argumentation im Nachhinein natürlich nicht und die Durchfahrtsstrafe noch während des Rennens mit nachfolgendem Positionsverlust ließ Edwards am Ende nur knapp die Top10 erreichen.

An der Spitze verblieben also nur noch Stewart und sein inniger Verfolger Busch, auf den Smoke innerhalb von 78 Runden gute drei Sekunden Vorsprung herausfahren konnte. Der fast sichere Sieg des letztjährigen Meisters war also nur noch durch eine Caution in Gefahr, welche – natürlich in Form einer Debris-Gelbphase wegen einer Plastikflasche auf der Gegengeraden – dann tatsächlich noch kam. Smoke war damit im Nachhinein natürlich überhaupt nicht einverstanden. Alle Fahrer mussten dann etwas mehr als zehn Runden vor dem Ende des Rennens noch einmal vier neue Reifen aufziehen, ohne die man beim Restart ansonsten chancenlos gewesen wäre.

Die rennentscheidenden Szenen spielten sich in der Pitbox von Stewart-Haas Racing ab, wo ein Reifen nicht schnell genug gewechselt werden konnte, was letztendlich zum einen den Boxenstopp verzögerte und zum anderen Kyle Busch dank seiner fehlerfrei arbeitenden Mannschaft die Führung bescherte. Da Stewart beim allerletzten Restart als Zweitplatzierter mit der schwierigeren äußeren Spur vorlieb nehmen musste und zudem seine Reifen durchdrehten, konnte Busch sich behaupten und die letzten Runden souverän zum Sieg fahren. Tony Stewart musste derweil mit dem dritten Rang Vorlieb nehmen, da auch Dale Earnhardt Jr (2.) noch mit durchschlüpfen konnte.

Beschweren darf sich Stewart meiner Meinung nach aber nicht über die spontane Gelbphase im Finale, denn schließlich war nicht die NASCAR an seiner Niederlage Schuld, sondern die eigene Pitcrew. Hätte Smoke als Führender beim letzten Restart die untere Linie wählen können, wäre stattdessen Busch im Kampf um mehr Grip nach hinten abgedriftet, so wie anfangs auch schon Carl Edwards und Jimmie Johnson. Zudem brachte die Late-Race-Caution endlich mal wieder etwas Spannung in ein ansonsten klar strukturiertes Rennen, was vor allem die Zuschauer gefreut haben dürfte. Trotzdem denke ich, dass die NASCAR das noch wesentlich besser kann und das wird man dann in der nächsten Woche in Talladega hoffentlich auch sehen.

Noch kurz etwas zu den anderen üblichen Verdächtigen:

Nachdem Edwards früh zum ersten Mal die Führung übernehmen konnte, machte sich die Meute übrigens direkt über den Polesitter Mark Martin (8.) her, der mit einem übersteuernden Auto stark verlangsamen musste. Seine Zielankunft in den Top10 darf man aber nicht zu schlecht bewerten, da er sich zwischenzeitlich am hinteren Ende der Top20 befand und sich zum Schluss noch wieder nach vorne kämpfen konnte. Die Abstimmung eines Cup-Wagens bei einem Nachtrennen ist zudem keine leichte Aufgabe, von daher kann ein Positionsverlust bei wechselnden Gripverhältnissen schon mal vorkommen.

In der letzten Woche kam z. B. auch der Toyota von Denny Hamlin (in Richmond am Ende 4.) erst so richtig in Schwung, als sich die Kansas-Sonne doch noch einmal blicken ließ. Apropos Hamlin: Der in Kansas siegreiche Teamkollege des nächtlichen Victory-Lane-Besuchers Kyle Buschzeigte sich das gesamte Rennen über stark und konnte schließlich ein hervorragendes Top5-Ergebnis in seinem Heimrennen einfahren. Nur das einstige „Wunderkind“ Joey Logano (24.) lässt bei Joe Gibbs Racing derzeit noch etwas an Top-Performance vermissen.

Kasey Kahne komplettierte derweil die Top5 und damit auch ein recht gutes (Ausnahme hier Jeff Gordon) Mannschaftsergebnis für Hendrick Motorsports. / Für die Dodges von Penske Racing waren nicht mehr als die Platzierungen 9 (Brad Keselowski) und 16 (AJ Allmendinger) drin. / Juan Pablo Montoya (12.) und Jamie McMurray (14.) konnten bei Earnhardt-Ganassi Racing erneut zumindest mal konstant und konsequent ohne größere Probleme durchfahren und dabei hoffentlich mehr Momentum sammeln.

Etwas enttäuscht hat mich das sonst in diesem Jahr eigentlich starke Team von Michael Waltrip Racing, für das zwar Clint Bowyer (7.) und Mark Martin (8.) in die Top10 vorstoßen konnten, deren Tausendsassa in der Meisterschaftswertung allerdings an Boden verlor. In Richmond trat Martin Truex Jr (25.) nämlich überhaupt nicht in Erscheinung, landete abgeschlagen außerhalb der Top20 und wurde zudem im Lap-by-Lap-Ticker auf NASCAR.com nur zwei Mal kurz erwähnt.

Ähnlich enttäuschend lief es bei Roush Fenway Racing, obwohl Carl Edwards gute Chancen auf einen Sieg hatte. Wie erwartet kamen Matt Kenseth (11.) und der Meisterschaftsführende Greg Biffle (18.) überhaupt nicht zu Recht, wobei Kenseth noch gut wegkam und Biffle auch seinen Vorsprung in der Tabelle mit fünf Punkten knapp retten konnte. Hinter ihm steht derweil wieder Junior in Lauerstellung!

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung (Achtung: Alles PDF-Dateien!).

MELBOURNE GRAND PRIX CIRCUIT, AUSTRALIA - MARCH 24: Sir Lewis Hamilton, Mercedes F1 W15, leads Fernando Alonso, Aston Martin AMR24, and Valtteri Bottas, Kick Sauber F1 Team C44 during the Australian GP at Melbourne Grand Prix Circuit on Sunday March 24, 2024 in Melbourne, Australia. (Photo by Sam Bagnall / LAT Images)
MELBOURNE GRAND PRIX CIRCUIT, AUSTRALIA - MARCH 24: Lando Norris, McLaren MCL38, leads Charles Leclerc, Ferrari SF-24, and Oscar Piastri, McLaren MCL38 during the Australian GP at Melbourne Grand Prix Circuit on Sunday March 24, 2024 in Melbourne, Australia. (Photo by Sam Bagnall / LAT Images)

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3 Kommentare

underbreaker 1 Mai, 2012 - 14:00

Da war sie nun, die auch hier viel beschworene late-race-caution (übrigens nicht wegen der Plastikflasche, sondern nach offiziellen Angaben ein Metallteil auf der Gegengeraden). Hat sie das Rennen besser gemacht? Nein. Ein kurzeitiger Moment der Hoffnung auf einen Spannungsmoment, der nach 2 Runden ausgehaucht war. Mehr nicht. Dann doch lieber einen Sieger Tony Stewart ohne Eingriff von draußen. Wo sind wir nur hingekommen…

StefanTegethoff 1 Mai, 2012 - 18:31

Ich will das jetzt gar nicht zu sehr auf dieses Rennen beziehen, weil ich das nicht gesehen habe, aber bei den podcastenden Kollegen von Radio Le Mans wurde das Thema „langweilige Rennen wegen weniger Gelbphasen“ in der letzten Midweek Motorsport-Ausgabe (http://audio.rpix.org.uk/mwm/7/mwm7-15.mp3) auch besprochen. Die Passage (ab ca. 43:50) ist imho hörenswert, auch wenn die MWM-Jungs leider schnell dabei sind, das ganze auf „Crashing“ zu reduzieren.

Meine Sicht auf das Thema ist ähnlich, und das betrifft nicht nur die NASCAR, sondern auch alle anderen Rennserien: Motorsport kann auch unterhaltsam sein, wenn es kein enges Finish gibt, sondern einzelne Fahrer dominieren! Dass es fesselnder ist, wenn es bis zum Schluss spannend bleibt, ist selbstverständlich. Aber die Grundidee von Sport ist doch, rauszufinden, wer bzw. welches Team der/das Beste ist! Wir können uns nicht jedes mal empören, wenn die Entscheidung mal etwas deutlicher ausfällt.

Ein dominanter Rennsieg ist (um mal wieder ne dämliche Fußball-Analogie zu bringen) ist wie ein 5:1: nicht spannend, aber eine schön anzusehende starke Leistung eines Teams. Die Wertschätzung dafür ist leider in den letzten – ich sag mal – 10-15 Jahren im Motorsport verloren gegangen…

Vorsicht 1 Mai, 2012 - 22:42

Mal ganz abgesehen vom eigentlichen Artikel: Cooles Bild! :)

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