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IndyCar: Saisonstart am Dan Wheldon Way

von Vorsicht
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Ein langatmiges Rennen fand in St. Petersburg ein rührendes Ende. Das neue Auto hat Kinderkrankheiten, funktionierte aber besser als erwartet.

Das Premierenrennen der IndyCar Series 2012 war, um es höflich auszudrücken, eher von taktischen Elementen geprägt. Die Bilanz ist unter Beobachtern umstritten. Für mich fällt sie verhalten positiv aus: Das neue Auto sieht auf der Strecke einigermaßen schnell aus, und es scheint auch Duelle zu ermöglichen – jedenfalls dann, wenn man auf einem anderen Kurs als den winkeligen Streets of St. Petersburg unterwegs ist. Chevy ist etwas stärker als Honda, im Rennen waren die beiden aber auf Augenhöhe. Lotus hat zwar noch Probleme, präsentierte sich aber weniger desaströs als befürchtet. Allerdings: An der Haltbarkeit müssen alle Hersteller noch ein bisschen arbeiten. Die Abschaffung der Blocking-Regel erwies sich indes als erfolgreich – die Zahl unnötiger Kollisionen ging zurück. Dass gute Duelle trotzdem möglich sind, bewies der spätere Rennsieger Helio Castroneves mit einem großartigen Manöver gegen Scott Dixon.

Das Rennen

Leider war das auch schon die einzige nennenswerte Aktion in einem ziemlich dürftigen, weitgehend prozessionsartigen Rennen. Gleich am Start wurde klar, dass die Piloten diesmal besonders darauf bedacht waren, ihre neuen Wagen ins Ziel zu retten. Das Feld passierte die erste Kurve, die bisher bei fast allen St. Petersburg-Rennen ein Hotspot war, ohne gröbere Probleme. Vorne konnten sich Will Power und Ryan Bricoe ein wenig absetzen, dahinter folgten Ryan Hunter-Reay, Scott Dixon und James Hinchcliffe.

Die womöglich rennentscheidenden Szenen ereigneten sich bereits in Runde 12. Katherine Legge stellte ihren Lotus mitten auf der Start/Zielgeraden mit Elektronikproblemen ab – und Will Power fuhr, anders als seine Kollegen aus der Spitzengruppe, in die Box. Beim Restart passierte dem Australier dann auch noch ein kleiner Fehrfehler, als er zwischen Turn fünf und sechs von der Linie abkam. Das Auto bleib dabei zwar heil, Power verlor aber wertvolle Plätze, die er im Lauf des Rennens nicht mehr gutmachen sollte.

An der Spitze landete nun Ryan Briscoe. Der fuhr dann bei der nächsten Gelbphase (Runde 20, James Jakes Ausfall nach Mauerkontakt) in die Box – und verlor ebenfalls.

Den besten strategischen Riecher bewiesen Scott Dixon, Ryan Hunter-Reay und Helio Castroneves, die in den Gelbphasen Sprit sparten, und es schafften, erst zwischen Runde 34 und 37 – unter Grün – erstmals die Boxen anzusteuern. Das sollte sich vor allem deshalb als profitabel herausstellen, weil fast alle Konkurrenten bei der dritten und letzten Gelbphase des Rennens in Runde 47 in die Box fuhren. Mit dem Resultat, dass Dixon, Hunter-Reay und Castroneves kampflos deren Plätze erbten.

Der letzte Boxenstop fand dann für alle unter grün statt, und brachte wenig Änderungen in den Positionen. Weil die Spitze aber schon etwas mehr als 30 Runden vor Schluss Benzin fassen musste, war am Ende des Rennens Sprit sparen angesagt – mit dem Resultat, dass in den letzten Runden keine Überholmanöver mehr zu sehen waren.

Die einzige Ausnahme gab es in Runde 73. Helio Castroneves fasste sich gegen den Kampflinie fahrenden Scott Dixon ein Herz, und bremste sich in der letzten Kurve außenherum vorbei. Kurz darauf überhole er auch noch JR Hildebrand, den seine Strategie kurzfristig an die Spitze gespült hatte, und holte sich für die Führung, die sich der Brasilianer auch bis zum Ziel nicht mehr abluchsen ließ.

Dass es in St. Petersburg, dem Wohnort des verunglückten Dan Wheldon, auch bei der Siegerehrung ein besonders Andenken an den Briten geben würde, war klar. Castroneves fand aber seinen eigenen Weg, an Wheldon zu erinnern. Der Brasilianer ist schon bisher dafür bekannt, nach Siegen die Fangzäune bei Start und Ziel hinaufzuklettern, um mit seinen Fans zu feiern. In St. Petersburg fuhr er allerdings bis zur Kurve 10. Dort mündet die Rennstrecke in einen Abschnitt, der vor wenigen Tagen offiziell in „Dan Wheldon Way“ umbenannt worden war. Für Castroneves eine gute Gelegenheit, zum Straßenschild zu hochzuklettern, das dort an Wheldon erinnert.

Die Lehren

Trotz neuem Auto und Motorenreglement: Die Hackordnung an der Spitze ist immer noch unverändert. Penske und Ganassis A-Team waren auch in St. Petersburg die dominierenden Kräfte. Die Abstände sind allerdings kleiner geworden: Andretti Autosport schien an der Spitze dran zu sein. Auch Takuma Sato (Rahal-Letterman) konnte Führungskilometer abspulen und gute Rundenzeiten fahren, dahinter zeigte Simon Pagenaud (Sam Schmidt Racing) ein Rennen, das Hoffnungen für die weitere Saison weckt.

Die neuen Autos lieferten erwartungsgemäß ein paar Probleme: Von den acht Ausfällen war lediglich der von James Jakes auf einen Mauerkontakt zurückzuführen. Der Rest fiel Problemen mit der Technik zum Opfer. Besonders die Elektronik schient noch nicht fehlerfrei zu laufen. Trotzdem: Dass am Ende 18 der 26 Starter im Ziel ankamen, ist für das erste Rennen mit komplett neuen Wagen ein recht positives Ergebnis.

Dieser Schluss gilt zumindest für Honda und Chevy, die jeweils nur zwei ihrer Autos verloren. Dass drei von fünf gestarteten Lotus nicht das Ziel sahen, ist weniger schön. Insbesondere Sebastien Bourdais, der trotz mangelndem Topspeed in der Spitzengruppe mitfuhr, hätte sich eine Zielankunft verdient. Allerdings: Wenn man die massiven Probleme bedenkt, mit denen Lotus in den vergangenen Monaten konfrontiert war, ist es eigentlich eine positive Überraschung, dass fast die Hälfte der gestarteten Wagen das Ziel sahen.

War das Rennen nun ein Erfolg? Das hängt wohl von den Erwartungen ab. Wer sich von den vielen Neuerungen eine nervenzerfetzende Rennschlacht in St. Petersburg erwatet hatte, wurde klar enttäuscht. Auch das Overnight-Rating von 1,1 auf ABC (minus 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) ist nicht gerade exzellent. Wer ein totales Versagen der Lotus-Motoren, grobe technische Probleme mit dem neuen Autos oder riesige Performance-Unterschiede zwischen den Teams befürchtet hatte, ging vermutlich beglückt nach Hause.

Die Wahrheit liegt für mich in der Mitte. Das Rennen war weder die befürchtete Blamage noch die erhoffte Sensation. Die TV-Quoten sind eine bittere Pille. Die Übertragung von ABC muss sich dafür aber auch selbst ein paar Vorwürfe gefallen lassen. Zahlreiche Duelle, die es im Mittelfeld durchaus gegeben haben soll, wurden von den Kameras völlig ignoriert. Dass Sebastien Bourdais lange Zeit mit dem Lotus in der Nähe der Spitze herumkurvte wurde kaum erwähnt. Noch schlimmer: Als der Franzose schließlich mit technischen Problemen ausgeschieden war, konnten Fans sich diese Tatsache nur aus dem Livetiming zusammenreimen – auf ABC blieb sie unerwähnt. Einziger echter Lichtblick war ein einfühlsames Feature zu Dan Wheldon.

Vorschau auf Alabama

Ob der zwar schön gelegene, aber auch sehr winklige Barber Motorsports Park ein besseres Pflaster für die neuen Wagen ist, wird sich in der kommenden Woche zeigen. Dann steht nämlich bereits das zweite Saisonrennen der Saison auf dem idyllischen Kurs nahe Birmingham, Alabama auf dem Programm.

Zweimal war die Serie dort schon unterwegs. Leider sind beide Rennen unter dem Sammelbegriff  „mau“ zusammenzufassen: Der geschwungene, fließende und von einem Skulpturenpark umgebene Kurs ist wunderbar anzusehen, und vermutlich auch interessant zu fahren. TV-Zuschauern bietet er aber leider wenig: Die beiden Geraden sind zu kurz, um für Windschatten zu sorgen, und Überholmanöver in den engen Kurven enden oft in Kollisionen. Damit ist die Strecke für Tourenwagen – und vermutlich auch Motorräder – bestens geeignet. IndyCars liefern sich leider selten spannende Duelle.

In den vergangenen Jahren erwies sich der Barber Motorsports Park außerdem als favoritenfreundlich: 2010 gingen die ersten vier Ränge an Penske und Ganassi, 2011 immer noch die ersten drei.

Eine genauere Streckenbeschreibung gibt es in der Vorschau zum Rennen aus dem vergangenen Jahr.

Im TV

Ob sich das in dieser Saison ändert, werden wir spätestens am Sonntag ab 20:00 Uhr erfahren. Dann startet nämlich die Rennübertragung auf NBC Sports (dem Sender formerly known as Versus). Nach der eher uninteressierten Performance von ABC darf man außerdem gespannt sein, ob die sonst so engagierte Crew von NBC Sports auch in diesem Jahr wieder die interessanteren Übertragungen zustande bringt.

Die grüne Flagge soll aktuellen Planungen zufolge gegen 20:45 Uhr fallen. Schon am Samstag um 22:00 Uhr bringt der Sender eine Live-Übertragung vom Qualifying – dem auf dem Kurs eine entscheidende Bedeutung zukommen könnte.

(Kleine Anmerkung: Leider wieder ein Artikel ohne Fotos. Die IndyCar hat ihren PR-Bereich umgestellt. Ja, genau – pünktlich zum Rennen, und nicht etwa ein paar Tage davor. Wir arbeiten dran…)

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1 Kommentare

Alexx 28 März, 2012 - 12:58

Helio am „Dan Wheldon Way“ Schild mit dem Finger gen Himmel zeigend…
für mich die Szene des Wochenendes, zu der es so ja gar nicht gekommen wäre,
wenn der Streckenposten nicht mitgedacht und den Spiderman auf die andere („richtige“)
Straßenseite geschickt hätte…

Um es mit Mattzels Worten zu sagen: That was beautiful #Helio #Wheldon

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