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WEC/ALMS: Vorschau 12h von Sebring – Teil I

von StefanTegethoff
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Die ersten 24 Stunden-Rennen sind zwar schon längst gefahren, doch erst jetzt, mit dem Debüt der neuen World Endurance Championship in Sebring, startet die Sportwagen-Saison so richtig durch.

Zum ersten Mal seit 1992 gibt es wieder eine echte Sportwagen-Weltmeisterschaft – die GT1-WM der letzten zwei Jahre mit ihren Sprintrennen und der Beschränkung auf privat eingesetzte GT-Fahrzeuge mal außen vor. Und es ist mehr als passend, dass dieser Neuanfang mit der 60. Ausgabe der 12 Stunden von Sebring zusammenfällt. 1952 wurde dieser Klassiker zum ersten Mal ausgetragen, ein Jahr später gehörte er bereits zur World Sportscar Championship, dem Vorgänger der WEC. Europäische Marken haben das Rennen seit jeher dominiert, vom britischen Frazer Nash Le Mans Replica über Rekordsieger Porsche (18 Erfolge, zuletzt 2008 mit dem RS Spyder) bis hin zu Audi und Peugeot in den letzten Jahren.

Doch so schön der Start zur neuen WEC sein könnte, so holprig ist er auch. Vermutlich ist es der FIA anzulasten, dass man als aufmerksamer Beobachter das Gefühl haben wird, ALMS und WEC tragen nur zufällig ein Rennen zur gleichen Zeit auf der gleichen Strecke aus, als dass man wirklich das Beste aus dem großen Starterfeld macht. Für Details verweise ich auf diesen Speedweek-Kommentar und prophezeihe, dass dies auch der letzte gemeinsame ALMS/WEC-Lauf sein wird – der europäische Standardisierungswahn wird uns für 2013 einen 6h-Lauf auf einer FIA-kompatiblen Strecke bescheren, Austin wäre hier sicher eine Option.

Man könnte außerdem nach dem spontanen Ausstieg von Peugeot die Frage stellen, ob der Schritt von der ILMC zur WEC zu schnell erfolgt ist, doch eine dauerhafte Stabilität im Hinblick auf Reglement und Werksbeteiligung ist immer schwer zu erreichen, sodass dieser Zeitpunkt nicht besser oder schlechter ist als andere. Auch ein WEC-Start zum nächsten Regel-Umbruch 2014 hätte durch den doppelten Kostenanstieg Gefahren mit sich gebracht.

Das Starterfeld für die WEC ist mit 30 Fahrzeugen bewusst beschränkt worden, um nicht zu viele automatische Entries für Le Mans zu schaffen; doch in Sebring werden dank des gemeinsamen Rennens mit der American Le Mans Series mehr als doppelt so viele Fahrzeuge am Start sein. Ein würdiges Starterfeld für die 60. Ausgabe des berühmten Rennens, auch wenn die große Starterzahl in den Challenge-Klassen streitbar ist – und auch zwischen FIA/ACO und IMSA/ALMS heftig diskutiert wurde.

Der Sebring International Raceway hat sich über die 60 Ausgaben des Rennens stark verändert. Ursprünglich bestand er hauptsächlich aus durch scharfe Kurven verbundenen langen Geraden, eine davon auch auf der Rollbahn des ehemaligen Militärflughafens Hendricks Field. Immer wieder wurde die Strecke über die Jahrzehnte verkürzt und einige der scharfen Ecken wurden durch spektakuläre Highspeed-Kurven ersetzt. Heute ist die Strecke unabhängig vom nun zivilen Flughafen und stellt einen Mix aus allen möglichen Kurvenarten dar, von den langsamen Ecken wie Hairpin und Tower Bend bis hin zur 180°-Sunset Bend, die trotz massiver Bodenwellen mit annähernd 200km/h genommen wird, und der blinden Kurve 1, die eine der schwierigsten des Kurses ist. Eine kommentierte On-Board-Runde gibt es hier zu sehen.

Der fahrerisch wie auch technisch anspruchsvolle Charakter sowie die schiere Masse an Autos so vieler unterschiedlicher Klassen werden vermutlich für viele Zwischenfälle und Gelbphasen sorgen. Schon die Test- und Trainingssessions zum Wochenbeginn mussten sehr häufig unterbrochen werden und einige Autos mussten schon wieder von den Mechanikern zurecht gebogen werden, darunter auch zwei der favorisierten Audis.

Insgesamt 64 Autos sollen am Samstag am Start stehen – das Maximum, für das Sebring nach einem Boxengassen-Umbau im Winter ausgelegt ist. Da beide Meisterschaften getrennt gewertet werden (der beste WEC-LMP1 bekommt zum Beispiel ebenso die volle Punktzahl wie der beste ALMS-LMP1), werden sie auch getrennt benannt. Darum werden offiziell in diesem Jahr neun Klassen am Start sein: für die WEC sind das LMP1, LMP2, GTE-Pro und GTE-Am; das ALMS-Feld gliedert sich in P1, P2, die zusammengefasste GT sowie die Einheits-Klassen LMPC und GTC.

Dieser erste Teil der Vorschau stellt die Teams aus den Prototypen-Klassen LMP1/P1 vor. Die weiteren Klassen sind morgen in Teil 2 der Reihe.

LMP1

Es ist leider Sitte geworden in den letzten Jahren, dass die Teams ihre neuen Wagen nicht in Sebring an den Start bringen können oder wollen. So werden wir das Debüt einiger mit Spannung erwarteter Autos erst in Spa erleben können. Dies gilt allen voran für Toyota, die noch in der Testphase stecken; und es ist sicher eine weise Entscheidung, das Vorbereitungsprogramm nicht überstürzt abzubrechen, zumal ACO und FIA als Teil des Deals mit Toyota Streichresultate eingeführt haben, damit die Japaner den Rest der Saison ohne zu großen Nachteil bestreiten können.

Aber auch der neue „R18 e-tron quattro“, wie Audi die Hybrid-Variante seines Le Mans-Renners in Gedenken an den revolutionären Allradantrieb getauft hat – denn auch dieses Auto wird vier angetriebene Räder haben, wenn auch auf etwas andere Art (vorn Elektro-, hinten Verbrennungsmotor) – sowie der konventionell angetrieben R18 „ultra“ werden erst in Spa an den Start gehen. In Sebring werden wir dagegen drei Exemplare des verbesserten Vorjahres-R18 sehen. Größere Updates wie das Getriebegehäuse aus Carbon fehlen allerdings noch.

Der ACO hat über den Winter versucht, die Diesel-Autos durch verringerte Tankgröße, Ladedruck und Luft-Restriktor um ca. 7% einzubremsen. Hinzu kommen 15kg Strafgewicht für den Einsatz eines Autos nach altem Reglement. Dennoch sind die Audis nach den ersten Eindrücken ohne gegnerischen Werkseinsatz klare Favoriten für das Podium; die Reihenfolge darf jeder nach Belieben tippen: Die #1 wird pilotiert von den Le Mans-Siegern Lotterer/Treluyer/Fässler, in der #2 sitzen das Veteranen McNish/Kristensen/Capello. Diese beiden Trios werden in Spa und Le Mans den e-tron quattro fahren. Die #3, die nur in Sebring, Spa und Le Mans starten wird, ist mit Bernhard, Dumas und Loic Duval besetzt, der in den vergangenen Jahren noch für Oreca den Peugeot 908 fuhr, aber nicht für das Toyota-Projekt übernommen wurde. Im Nachttraining wurde Duval – wohl unverschuldet – in eine Kollision verwickelt, die den Wagen recht stark beschädigte – viel Arbeit zu Saisonbeginn für die Audi-Mechaniker…

Sollte es bei Audi jedoch Probleme geben, steht die Konkurrenz in Lolas, HPDs und Pescarolos bereit. Aber auch Henri Pescarolo enthält uns seinen neuen, auf Fahrgestell und Monocoque des AMR-One basierendes Modell „03“ noch für zwei Monate vor, der Wagen dürfte schlichtweg noch nicht fertig sein, nachdem der überraschende Deal erst Anfang Februar öffentlich wurde. Stattdessen gehen Collard/Boullion/Jousse ein letztes Mal mit dem mittlerweile sechs Jahre alten Pescarolo 01 an den Start, der allerdings von einem Judd V8 nach dem neuen Reglement angetrieben wird statt wie noch 2011 vom V10.

Ebenfalls einen Pescarolo-Judd setzt OAK Racing ein – jedoch hat das Team von Jacques Nicolet den Wagen in den letzten Jahren und auch im vergangenen Winter stark weiterentwickelt, sodass er sich – auch optisch – deutlich vom ursprünglichen Pescarolo 01 unterscheidet, Heckflosse und Radkasten-Löcher inklusive. OAK hat für den WEC-Einsatz eine interessante Fahrerpaarung zusammengestellt: Stammfahrer Guillaume Moreau wird in diesem Jahr unterstützt vom jungen Österreicher Dominik Kraihamer, der im vergangenen Jahr in der LMP2 für Aufsehen sorgte und nun verdientermaßen aufsteigt, sowie von Bertrand Baguette, der über diverse Formelserien den Weg in die WEC gefunden hat.

Rebellion Racing setzt – wie Pescarolo – noch ein letztes Mal die Vorjahreswagen ein, da Lola mit der Produktion des kürzlich vorgestellten B12/60 etwas hinter der Auftragslage zurückzuhängen scheint. Prominentester Neuzugang im Fahrerkader der Schweizer ist Nick Heidfeld, der in der Formel 1 keinen Platz mehr fand. Wie letztes Jahr wird er auch dieses Jahr wieder in einem „Lotus“ sitzen, denn Rebellion wird in diesem Jahr auch im schwarz-goldenen  Gewand antreten – die Anführungszeichen deshalb, weil das eine wie das andere lediglich Branding-Übungen sind und Lotus selbst nichts mit der Entwicklung der Fahrzeuge zu tun haben wird.

Von der neuesten Inkarnation des Lola-LMP1 wird nur ein Exemplar am Start sein – das von Dyson Racing, die eines von nur zwei LMP1-Teams in der ALMS sind. Das zweite Fahrzeug ist gerade erst in den USA angekommen und wird in Sebring noch nicht eingesetzt werden. Das erlaubt dem Team, drei starke Fahrer auf einen Wagen zu konzentrieren: Chris Dyson, Guy Smith und Steven Kane.

Der Lola B12/60 ist eine Evolution der vergangenen Modelle. Die markanteste Änderung neben der Heckflosse und den vorgeschriebenen Löchern in den Kotflügeln sind die enorm bullig wirkenden und von der Form an den HPD erinnernden vorderen Radkästen und Scheinwerfer. Das Interessante an dem Wagen ist jedoch, dass mit Mazda ein weiterer japanischer Motor am Start ist. Der von AER getunte Turbo-Vierzylinder ist das kleinste und leichteste Aggregat im Feld und der Dyson-Lola-Mazda ist neben dem Oak-Pescarolo der einzige mit Dunlop-Reifen bestückte LMP1.

Und dann ist da noch Honda, in der Form von HPD. Neulich habe ich diesen Podcast mit Derek Bell gehört. Der meinte, der große Erfolg der Sportwagen in den 70er und 80er Jahren sei vor allem darauf zurückzuführen gewesen, dass mit Porsche ein Werk Top-Autos entwickelte, die es dann nicht nur selbst einsetzte, sondern auch an Privatteams verkaufte und dafür sorgte bzw. zuließ, dass auch diese Siegchancen hatten. Audi und Peugeot taten dies nicht und dadurch gab es in den letzten Jahren immer einen großen Abstand zwischen den für viel Geld entwickelten Werks-Autos und den käuflichen Modellen von Lola, Oreca und Co.

Doch mit Honda ist nun wieder ein Werk dabei, dass sein neuestes Modell an mehreren Privatteams zugänglich macht und so für spannenden Wettbewerb sorgt und dafür muss man die Japaner loben. Die ARX-Modellreihe, die ursprünglich auf einem Courage-Chassis basierte, wurde stetig weiterentwickelt und bekommt dieses Jahr auch endlich ein eigenes Monocoque spendiert. Die Kundenteams haben sich über die ersten Testfahrten zufrieden geäußert und wenn man den starken zweiten Platz des Vorgängermodells gegen die Peugeots im Vorjahr in Sebring bedenkt, kann man nur hoffen, dass der ARX-03a daran anknüpft. Auch, um eben diesem guten, alten Geschäftsmodell neues Leben einzuhauchen.

Drei starke Einsatzteams werden den HPD einsetzen. Strakka Racing mit den schnellen Profis Watts/Kane sowie dem immer besser konstanter gewordenen Teamchef und Gentleman Driver Nick Leventis; JRM, die im Vorjahr für Nissan (!) den Fahrertitel in der GT1-WM einfuhren, und den Team-Titel nur knapp verpassten und nun mit den Fahrern David Brabham, Karun Chandhok und Peter Dumbreck zur japanischen Konkurrenz gewechselt sind; und in den USA Greg Picketts Muscle Milk Racing, die sich mit den deutschen Piloten Klaus Graf, Lucas Luhr und (in Sebring) Simon Pagenaud mit Dyson um den ALMS-Titel streiten werden.

Fazit: Trotz einer Neubalancierung der Motorenkonzepte über den Winter durch den ACO wird wohl kaum ein Weg an den Audis vorbeiführen, deren schnellste Test-Zeit mit 1’47:2 etwa drei Sekunden schneller war als die der besten Privatiers, die es bisher kaum unter 1’50 schafften. Doch sicher wird auf beiden Seiten noch feste gemauert… Vor allem die HPDs könnten sich aber mit etwas Glück beim Kampf ums Podium einmischen. Insgesamt hat die Klasse mit ihren „nur“ elf Fahrzeugen aber eine enorme Leistungsdichte, jedes der Teams sollte in der Lage sein, das ein oder andere Mal um Top-Platzierungen mitzufahren. Auch die beiden ALMS-Teams Dyson und Muscle Milk dürften sich wie letztes Jahr einen langen Kampf um den Titel liefern, der durch einen einzelnen Ausfall entschieden werden könnte.

Bewegte Bilder und mehr

Start ist am Samstag um 15:30, die Zieleinfahrt entsprechend in der Nacht zum Sonntag um halb vier Uhr morgens. Eurosport überträgt ab 1 Uhr die Schlussphase des Rennens. Deutlich mehr – nämlich alles bis auf 2,5 Stunden, in denen das Motorrad-Rennen aus Daytona gezeigt wird – zeigt MotorsTV live.

Alle, die den Sender nicht empfangen, können auf die offiziellen Livestreams auf americanlemans.com und lemans.org zurückgreifen. Eine weitere Option ist die Audio-Berichterstattung auf radiolemans.com. Der ALMS-Stream und Radio Le Mans sollten auch die Qualifikation am heutigen Abend um 20:15 deutscher Zeit zeigen.

Die „Race Central“ auf der ALMS-Webseite Bündelt darüber hinaus alle wichtigen Infos: Live Timing, Spotter Guide, Zeitplan usw. Eine Live-Begleitung ist auch vom Racingblog aus geplant, ich hoffe, wir lesen uns dann hier zahlreich bei einem spannenden Auftakt zur neuen WEC!

(Bildquelle: Audi)

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