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LMS/ILMC: Analyse 1000km von Spa

von DonDahlmann
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Es war ein zunächst sehr lebendiges Rennen, das die knapp 35.000 Zuschauer vor Ort und viele vor den Fernsehschirmen zu sehen bekamen, allerdings änderte sich das relativ schnell. Anders als der Testtag vermuten ließ, scheinen die Peugeot doch für Le Mans im Vorteil zu sein.

Es ist ja schon fast Tradition, dass vor den 24H von den Le Mans von allen Seiten gemauert wird. Niemand will seinen echten Speed zeigen, weder bei den Tests, noch bei den Rennen, die davor liegen. Audi trieb das „sand bagging“ vor ein paar Jahren mit dem R15 so weit, dass man den Wagen erst gar nicht in ein Rennen schickte, sondern erst in Le Mans auspackte. Was dann auch gründlich in die Hose ging, weil der Wagen unter Kinderkrankheiten litt. Das soll dieses Jahr anders sein, weswegen man den offiziellen Testtag vor ein Wochen mit genommen hat und auch bei den 1000km von Spa angetreten ist. Dort zeigte sich aber, dass man in den nächsten noch vier Wochen noch viel Arbeit vor sich hat. Denn Peugeot gelang eine eindrucksvolle Fahrt, die allerdings auch nicht so ganz ungetrübt bliebt.

In der Quali hatte Peugeot etwas gepatzt. Man wollte erst auf den allerletzten Drücker rausgehen, doch ein schwerer Crash des OAK Wagen mit Fahrer Lahaye (der nun Le Mans auslassen muss, um sich u.a. von Wirbelverletzungen zu erholen) am Steuer, bei dem die Leitplanken massiv beschädigt wurden, zwang den Veranstalter zu einem Abbruch des Trainings. Alle drei Peugeot mussten damit in der LMP1 von hinten starten, was angesichts des nach einigen Absagen eher schmalen Starterfeldes aber kein großes Problem darstellte.

Alle drei R18 standen derweil vorne und gingen auch in der ersten Runde in Führung. Doch schon in Les Combes nach der langen Bergaufgeraden ging die Sache schief. Allan McNish hing seinem Kollegen André Lotterer im Zentimeterabstand im Heck, verlor beim Einlenken den Abtrieb auf der Vorderachse und drehte sich erst mal raus, allerdings ohne den Wagen zu beschädigen. Derweil pflügten zwei Peugeot durchs Feld, während es Sarrazin im dritten 908 etwas ruhiger angehen ließ. Nach zwei Runden war Wurz auf P4 und holte mit großen Schritten auf die Audi an der Spitze auf.

Die konnten sich vorne nicht absetzen und so rückte die Spitzengruppe eng zusammen. Lotterer gab später an, dass man für den ersten Stint einen konservative Herangehensweise beschlossen hatte, was den Peugeot erlaubte so schnell wieder dran zu sein. Außerdem waren alle drei R18 schon in der vollen Le Mans Spezifikation unterwegs, also mit etwas weniger Abtrieb als man in Spa eigentlich fahren muss. Ob das bei Peugeot ähnlich war, ist leider unbekannt. Jedenfalls waren alle drei 908 nach einger Zeit vorne und setzten sich auch von den Audi ab.

Ein wenig Pech hatte man auch. Dindo Capello kam während eines Zweikampfs mit einem Peugeot auf die Taste für den Boxen-Limiter und rollte für eine halbe Minute recht langsam um den Kurs. Treluyer warf den Audi mitten im Rennen mal in ein Kiesbett und kam genau dann zum Service an die Box, als Christophe Bouchut im LMP2-Lola Eingangs Eau Rouge die hintere Aufhängung brach und er seinen Wagen in den Reifenstapeln vergrub. Ihm passierte nichts, aber das SC musste raus und Treluyer stand mit seinem R18 eine Runde lang vor einer roten Ampel in der Boxengasse. Auch Pedro Lamy warf seinen 908 mal in den Kies, von daher glich sich die Sache wieder aus.

Beim Topspeed, wo Peugeot nun jahrelang dominierte, schienen sich beide nicht viel zu nehmen. Die höchste gemessene Geschwindigkeit (über das gesamte Wochenende) fuhr ein Audi mit 305,1 km/h am Ende der Kemmel-Geraden, doch alle sechs 2011er Diesel-Boliden lagen innerhalb von 3,5 km/h. Auch bei den Windschattenduellen in der Anfangsphase schien keines der beiden Coupés generell einen deutlichen Überschuss zu haben.

Auffallend war aber vor allem ein Vorteil für Peugeot: Die Audi bekamen Probleme, wenn sie die Reifen über zwei Stints drauf lassen. McNish bestätigte, dass man mit dem Reifenverbrauch nicht ganz zufrieden sei, was man teilweise auch bei den Rundenzeiten sah. Auch mit zu viel Pickup von Gummibröseln soll es Probleme gegeben habe.

Das führte dazu, dass die Peugeots gleichmäßigere Stints fahren konnten, meist 23-24 Runden, während es bei Audi mal 24, manchmal aber auch nur 18-21 Runden zwischen zwei Boxenstopps waren. So schafften es die Peugeots mit der #7 und der #8 mit je sechs Stopps durchs Rennen, während die Audis alle mindestens sieben benötigten (hinzu kamen bei der #2 und der #9 noch solche außer der Reihe wegen diverser Probleme). Der längste Stint lag für beide Hersteller bei 26 Runden, also scheint man auch beim Verbrauch nicht allzu weit voneinander entfernt zu sein. Ein Indiz für einen kleinen Verbrauchsvorteil der Peugeot könnte die Green Challenge liefern, bei der zwei Peugeot vor zwei Audi siegten, aber das muss nichts zu bedeuten haben, die Reifen scheinen der entscheidendere Faktor zu sein.

Die Zeiten bei beiden Teams pendelten meist zwischen 2:07 und 2:09min, wahnsinnig große Unterschiede konnte man nicht sehen, vor allem weil der Verkehr in Spa groß war und man auf der engen Strecke nicht gut vorbei kommt, wie in Le Mans, wo sich der Verkehr zu dem auch noch besser verteilt. Kristensen fuhr im letzten Drittel des Rennens als Bestzeit eine 2.04.7, die Minassian alledings in den allerletzten Runden noch mit einer 2.03.6 konterte. Sollte der Peugeot in dem Fall die Hosen runter gelassen haben, dürfte man sich bei Audi auf längere Nachtschichten einstellen müssen.

Die Frage ist allerdings auch, ob Audi schon wirklich alles gezeigt hat. Man war extrem konservativ unterwegs, versuchte nie, den Wagen übers Limit zu pushen und im Gegensatz zu den sonstigen Rennen, in denen Audi verliert, wirkte Wolfgang Ulrich sehr entspannt. Kann gut sein, dass Audi in Spa wirklich sehr gemauert hat, zum Beispiel, indem man etwas weniger Leistung gefahren ist. Sinn macht das allerdings nur begrenzt, denn irgendwann muss der neue Motor, der wirklich extrem leise ist, ja im Renntrimm halt mal alles geben.

Eine kleine Schrecksekunde erlebte dann noch Peugeot, als der dritte Peugeot mit Lamy, Bourdais und Pagenaud plözlich mit angeknickter rechter Vorderradaufhängung um den Kurs humpelte. Ob der Schaden von einer leichten Berührung während des Rennens herrührte, oder ob da ein Materialfehler vorlag, wurde nicht kommuniziert. Immerhin erlaubte der Schaden dann dem Audi mit der „Alt-Herren-Besatzung“ Capello, McNish und Kristensen, den dritten Platz einzufahren. Das wäre ohne den Schaden am 908 aber nicht drin gewesen.

Peugeot zeigte einen ziemlichen Speed und man muss erwähnen, dass man ab der Hälfte des Rennens vorne schon Gas weg nahm. Man überrundete zwei Audis, der dritte Wagen mit Kristensen stand teilweise kurz vor einer Überrundung. Selbst wenn Audi etwas mehr als sonst gemauert hat – die 908 sind für Le Mans im Moment klar die Favoriten. Die 1000km von Spa drehten damit das Bild, das der Testtag ergeben hatte, um.

GT Pro

Ein ähnliches Bild bot sich in der GT-Pro. Die beiden Ferrari F458 von AF Corse und der von JMW Motorsport schienen das Rennen lange mehr oder weniger unter sich ausmachen zu können. Studenlang lieferte sich die AF Corse-Mannschaft mit dem gelben JMW Ferrari ein herzhaftes Duell, das dann leider beendet wurde, weil Rob Bell seinen Wagen kurz rauspfefferte und sich dabei den Kühler beschädigte. Damit war der Weg für Fisichella/Bruni frei, die vor dem F458 von Farnbacher in der Besetzung Farnbacher/Simonsen gewannen. Dahinter tauchte dann der erste BMW M3 mit Alzen/Priaulx auf, die es in der Anfangsphase noch geschafft hatten, den Farnbacher-Ferrari zu überholen. Das Ergebnis der BMW wundert etwas, immerhin hat man bei den Tests ganz schön gute Zeiten erzielt. Aber auch hier hat man sich wohl zurück gehalten, weil der ACO sich die Tage hinsetzt und nach dem Rennen von Spa noch mal die „BoP“ durch geht. Auch wenn die Abstände am Ende nicht allzu groß waren (11,6 Sekunden zwichen Platz 1 und 2, der BMW ging nur anderthalb Sekunden dahinter durchs Ziel): Die Dominanz der 458 war schon ziemlich groß, so dass man hier vielleicht noch mit einer leichten Änderung der Einstufung rechnen kann.

Darauf bauen wohl auch die Porsche Teams, von denen man Wochenende überhaupt nichts gesehen hat, sieht man mal von der GT-Am ab. Aber bei den „Großen“ fahren die Porsche 997 hinterher und das kräftig. Nicht ein Porsche konnte sich an der Spitze oder in deren Nähe zeige, der Ausrutscher der #77 von Felbermayr-Proton warf auch den vielleicht stärksten Porsche gleich zu beginn weit zurück. Dass der 997 im Moment am Rande seiner Entwicklungsmöglichkeiten unterwegs ist, weiß man. 2012 soll ja auch ein neuer Wagen kommen. Aber wenn man sich die Ergebnisse der Porsche in der ALMS, der GT Masters und in Spa ansieht, dann kann man zumindest die starke Vermutung haben, dass Porsche in diesem Jahr mit dem Sieg in Le Mans nichts zu tun haben wird. In Spa fehlten zudem auch noch die beiden Werks-Corvette. Die Schlacht in der GT-Pro Klasse dürfte heftig werden, aber ohne die Porsche ablaufen. Immerhin konnte der IMSA Matmut 997 mit Armindo/Narac den Sieg in der AM Klasse erzielen.

Der Lotus Evora GTE lieferte beim Debüt, eingesetzt vom JetAlliance-Team, ein geteiltes Bild ab: der „erste“ Wagen, mit den Profis und Entwicklungsfahrern Mowlem, Hirschi und Rossiter besetzt, erlitt noch in der ersten Stunde einen kapitalen Motorschaden, die beiden Gentleman Driver Rich und Slingerland kamen im zweiten Wagen ins Ziel, aber nur auf Rang 9 mit 25 Runden Rückstand. Zumindest hat Lotus einige Daten unter Rennbedingungen sammeln können und der Wagen scheint grundsätzlich fähig, ein Ausdauerrennen zu bestreiten. Die schnellste Rennrunde eines Lotus drehte noch der Profi-Wagen, 6,3 Sekunden fehlten auf die GTE-Spitze. Rich/Slingerland waren drei Sekunden langsamer.

LMP2

In der kleinen Prototypen-Klasse gab es einen Nissan-Doppelsieg, TDS Racing (Beche/Thiriet/Firth) siegte vor dem Team von Thierry Boutsen (Kraihammer/de Crem). Dahinter fand sich der Strakka-HPD (Watts/Kane/Leventis)wieder. Die vom ACO erlaubte Restriktorvergrößerung scheint gewirkt zu haben und hat den Honda-Turbo wieder konkurrenzfähig gemacht. Beim Topspeed fehlten nur noch wenige km/h auf die Nissan, die auch Setup-bedingt sein können. Außerdem bleibt der Eindruck, dass Nissan einen guten Motor für die LMP2 anliefert. Der Strakka-Wagen konnte auch zwischenzeitlich Führungskilometer sammeln, auch dank des sparsameren Verbrauchs, aber am Ende reichte es nach vielen Führungswechseln in der Klasse nur zum dritten Rang, denn zwischen den drei Podiumsplatzierten lagen am Ende nur gute anderthalb Minuten. Der zweite HPD, eingesetzt vom RML-Team, musste leider schon am Donnerstag nach einem harten Trainingscrash zurückgezogen werden.

Zu einem kleinen Ärgernis entwickelte sich die Formel Le Mans. Zum einen sind die Prototypen auf Geraden auch nicht viel schneller als die GT-Pros, zum anderen sind die Fahrerbesetzungen in den meisten Team… sagen wir mal… fragwürdig. Jedenfalls war der Ärger einiger Fahrer sehr groß, dazu kam, dass wenn es irgendwo krachte, meist auch ein FLM-Wagen in der Nähe war. Wie gut, dass der ACO die Klasse bei den 24H nicht starten lässt.

Was bleibt, ist, dass man am Ende des Rennens nicht allzu viel mehr weiß. Die Peugeot sehen sehr stark aus, die Audi sind zumindest innerhalb eines Stints nicht viel langsamer und sie haben eventuell einen Verbrauchsvorteil. Kann aber sein, dass man den für Le Mans über Bord wirft, wenn man nach der Analyse der Rundenzeiten feststellt, dass das Sparen nicht so viel bringt. Sollte Audi allerdings mit dem Verbrauch, bzw. dem Gemisch des Motors spielen können, hätten sie in Le Mans eine interessante Strategie in der Hinterhand.

MELBOURNE GRAND PRIX CIRCUIT, AUSTRALIA - MARCH 24: Sir Lewis Hamilton, Mercedes F1 W15, leads Fernando Alonso, Aston Martin AMR24, and Valtteri Bottas, Kick Sauber F1 Team C44 during the Australian GP at Melbourne Grand Prix Circuit on Sunday March 24, 2024 in Melbourne, Australia. (Photo by Sam Bagnall / LAT Images)
MELBOURNE GRAND PRIX CIRCUIT, AUSTRALIA - MARCH 24: Lando Norris, McLaren MCL38, leads Charles Leclerc, Ferrari SF-24, and Oscar Piastri, McLaren MCL38 during the Australian GP at Melbourne Grand Prix Circuit on Sunday March 24, 2024 in Melbourne, Australia. (Photo by Sam Bagnall / LAT Images)

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6 Kommentare

nona 9 Mai, 2011 - 18:03

Die Peugeots haben gegen Ende des Rennens einen Wagen reingeholt und mit einer neuen Fronthaube mit deutlich anderer aero config wieder rausgeschickt (hab‘ leider vergessen welcher Wagen). Die haben definitiv auch etwas rumprobiert. Ganz zu schweigen von den regulär unterschiedlichen Ausstattungen (ein Peugeot mit Kühlhutzen vor den Heckrädern, zwei ohne).

McNish war im Eurosport-Interview erstaunlich schmallippig als er mehrfach konkret nach der Klimaanlage im neubedachten Audi gefragt wurde. Klang doch sehr so als hätten die (noch?) garkeine und verliessen sich verbrauchsbedingt auf passive Cockpitkühlung durch intelligent gestaltete Luftführung. Sowas kann sich in Le Mans je nach Wetter, Tageszeit und Renntempo sehr schnell rächen, aber ich gehe mal davon aus dass die wissen was sie tun.

Mattzel 9 Mai, 2011 - 18:48

Bezüglich Audi und die Klimaanlage, ich weiss nicht ob das im TV gezeigt wurde, aber nachdem die Audi Fahrer aufs Podium kamen haben sich alle erstmal die Flasche Champagner über den Kopf geschüttet. Die sahen wirklich fertig aus.

DonDahlmann 9 Mai, 2011 - 20:01

Wenn die keine Klimaanlage an Bord haben, wird es schwierig. Peugeot hatte das im ersten Jahr glaube ich auch nicht und wurde prompt bestraft. Kann ja durchaus sein, dass in Le Mans 30 Grad sind im Juni, das Cockpit dürfte allein von der Sonneneinstrahlung heiß werden. Aber vielleicht gehört das auch zum mauern der Audi-Truppe.

nona 9 Mai, 2011 - 20:38

Nun, ich gehe mal davon aus, dass die Cockpittemperaturregel nach wie vor gilt (was war doch gleich das Limit? 30 Grad?). Die werden wohl kaum eine Disqualifikation riskieren. Aber nicht nur die Temperaturfrage ist ein Thema, auch beschlagene Scheiben wird man in Le Mans nicht haben wollen. Und da wären sie nicht die ersten, die im Rennen damit ein Problem bekämen.

Bluthund87 10 Mai, 2011 - 09:14

Das lief ja prima für Peugeot. Hoffentlich hält das Auto dieses Mal in Le Mans. Es wird mal wieder Zeit für einen Sieg!

Eagel-F1 10 Mai, 2011 - 11:45

@Audi Klimaanlage
Es wurde bei ESP-UK/-France oder Radio Le Mans (bin mir nicht mehr sicher, da ich beim Rennen zwischen diesen 3 Tonquellen gewechselt habe) eindeutig gesagt, dass Audi defenitiv ohne unterwegs ist und man sehr gespannt sei wie man ohnen Klimaanlage Le Mans überstehen wolle. Ich hatte mich nach dieser Aussage schon im Chat sehr gewundert, dass Audi dies so versucht.

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